Versprecher - Klassifikation und Explikation


Hausarbeit, 2006

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

I. Einleitung

II. Systeme der Klassifikation von Versprechern

III. Systematische Beschreibung von Versprechern
1. Substitution
a) auf der Lautebene
b) auf der Silbenebene
c) auf der Wortebene
2. Elision
a) auf der Lautebene
b) auf der Silbenebene
c) auf der Wortebene
3. Addition
a) -auf der Lautebene
b) auf der Silbenebene
c) auf der Wortebene

IV. Bisher nicht erfasste Versprecherarten
1. Prosodische Versprecher
2. Grammatische Fehler
3. Verschiebung

V. Schlussbetrachtung

VI Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Die Beschäftigung mit dem linguistischen Thema der Versprecher ist recht alt. Das erste bedeutende Werk zu diesem Thema ist im Jahre 1895 von Meringer & Mayer veröffentlicht worden. Viele ihrer Erkenntnisse finden auch heute noch Beachtung. Die Forschung zu Versprechern ist weiterhin aktuell und es sind auch in der Zukunft noch bahnbrechende Erkenntnisse zu erwarten.

Gleich zu Beginn der Versprecherforschung stand die Interdisziplinarität im Raum (Meringer war Sprachforscher, Mayer Psychologe). Eine strikte Trennung von Linguistik und Psychologie auf diesem Gebiet fällt, nicht nur daher, schwer. Dennoch liegt das Gewicht der vorliegenden Arbeit eindeutig auf dem linguistischen Gebiet.

Grundsätzlich geht es in dieser Arbeit um zwei Fragen:

1. Dass es verschiedene Arten von Versprechern gibt, liegt auf der Hand. Wie kann man diese sinnvoll ordnen, um einerseits möglichst viele verschiedene Arten von Versprechern zu erfassen, andererseits aber eine möglichst genaue Beschreibung des einzelnen Versprechers zu erreichen?
2. Welche konkreten Arten von Versprechern gibt es und in welcher Systematik kann man sie darstellen?

Zur ersten Frage wird zunächst dargelegt, welche Methoden bisher verwendet wurden um Kategoriensysteme zu erstellen. Die Ergebnisse fließen dann in einen zweiten Teil der Arbeit ein, indem der Autor verschiedene Versprecher (z.T. mit selbst gesammelten Beispielen) im Rahmen eines eigenen Systems darstellt. In einem dritten Teil folgen dann noch Ergänzungen und schließlich in einem vierten ein kurzer Ausblick auf mögliche weitere Arbeit am Thema.

II. Systeme der Klassifikation von Versprechern

Um eine Anzahl verschiedener Objekte darzustellen muss man sie klassifizieren. Das heißt gleiches zusammenfassen und von anderem trennen. So ergibt sich bei der Betrachtung von Versprechern bereits zu Beginn die Frage, wie man sie denn ordnen sollte. Soll gar ein Corpus mit Beispielen geschaffen werden, wird diese Frage dringlich, damit das Auffinden des richtigen Beispiels nicht zur sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen wird. Auch für die vorliegende Arbeit stellte sich schnell die Frage nach der ‚richtigen Ordnung’. So ist es sicher sinnvoll, an den Anfang der Überlegungen einen Überblick über bisherige Klassifikationssysteme zu stellen und diese kritisch zu hinterfragen.

Meringer & Mayer klassifizieren, in jenem 1895 erschienenen ersten wissenschaftlichen Buch über Versprecher, diese in sechs Kategorien[1]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Sie sind also rein an der Erklärung bzw. der Interpretation dessen, wie die behandelten Versprecher zustande gekommen sind, orientiert.

Diese Klassifikation ist bis heute maßgeblich und findet auch in neueren Arbeiten immer wieder Erwähnung. So richtet Leuninger ihre Ausführungen im Wesentlichen nach dieser Klassifikation aus.[2]

Fraglich ist, ob man Versprecher nach ihrer Erklärung, also Interpretation ordnen sollte. Schließlich ist es grundsätzlich möglich, bestimmte Versprecher unterschiedlichen Interpretationen zuzuordnen. So eignet sich dieses System sicher für eine explikative (erklärungsorientierte) Darstellung von Versprecherarten wie Meringer & Mayer dies tun, nicht aber z.B. für eine systematische Sammlung.

Boomer & Laver gehen einen anderen Weg. Sie teilen Versprecher in drei Arten ein: veränderte Reihenfolge, Auslassung und Ersetzung. Davon können wiederum drei Größeneinheiten betroffen sein: Segment, Morphem und Wort. Daraus konstruieren sie eine 3x3-Matrix, aus der jeweiligen Kombination ergibt sich die Beschreibung des Versprechers:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

So kann man Versprecher als segmentale Ersetzung (SR), Morphemauslassung (MO), usw. beschreiben.[3]

Für eine genauere Analyse können dann noch Unterkategorien erstellt werden. Sie beschreiben das am Beispiel des SR, wobei es die einfache Ersetzung gibt (SR), eine Ersetzung mit Augmentation (d.h. Vergrößerung): Der Versprecher hat mehr Segmente als das intendierte Wort (SR[A]); oder eine Ersetzung mit Reduktion: Der Versprecher hat weniger Segmente als das intendierte Wort (SR[R]).[4]

Der große Vorteil gegenüber Meringer & Mayer besteht darin, dass man nun eine systematische Klassifikation vornehmen kann, die unmittelbar auf die empirischen Daten aufbaut. So ist dieses System sozusagen die Umkehrung des älteren Systems, indem es zunächst nur beschreibt und von hier erst zur Erklärung schreitet. Problematisch ist nur das enge Raster, das einige Versprecherarten nicht aufnehmen kann (z.B. ist das Hinzufügen von Elementen, ohne dass sie ein anderes ersetzen schwer unterzubringen) und die Tatsache, dass dieses System geschlossen ist, neuere Ergebnisse aus der Forschung nicht in Form von Erweiterungen einbezogen werden können.

Berg nutzt ein ähnliches, aber doch anderes System: eine drei Dimensionen umfassende Klassifikation. Auf der ersten Ebene der Deskription (1. Dimension) stehen die Klassen Substitution (d.h. Vertauschung), Addition (d.h. Hinzufügung) und Elision (d.h. Auslassung). Auf der zweiten Ebene (2. Dimension) geht es um die Größe der modifizierten Einheit: Merkmal, Phonem, Phonemsequenz, Cluster, Silbe, Lexem, Grammem und Wort. Die dritte Dimension betrachtet die mögliche Explikation (d.h. Erklärung) des Versprechers, z.B. Antizipation (d.h. Vorwegnahme), Perseveration (d.h. Nachklang), Überblendung usw.[5]

Der entscheidende Vorteil besteht darin, dass sich die endgültige Klassifikation erst aus dem Zusammentreffen der drei Dimensionen an einem untersuchten Versprecher ergibt. Die strikte Trennung von Deskription und Explikation, also Beschreibung und Deutung, ermöglicht ein sachlicheres Klassifizieren als das stark interpretativ ausgerichtete System von Meringer & Mayer.[6] Die dritte Dimension ist darüber hinaus für Ergänzungen aus neueren Forschungs­ergebnissen offen.

Wiedenmann wiederum nutzt für ihre Überblicksdarstellung der Forschungsliteratur ein eigenes System, wobei Meringers Unterteilung „auch großenteils als Gerüst für den Aufbau dieser [ihrer] Arbeit dienen“[7] soll. Allerdings ist schon die grundlegende oberste Ordnung ihrer Ausführungen vollkommen anders angesetzt, als dies bei Meringer der Fall war. Sie untergliedert die Beschreibung der Versprecher in drei Kapitel entsprechend der betroffenen Einheiten: 1. Satz, Wort, Morphem, 2. Wortreihenfolgefehler, 3. Versprecher unterhalb des Morphems.[8]

Interessant ist, dass sie die Vertauschung (Metathesis) den Antizipationen unterordnet, mit der Begründung, dass „ihr erster Teil eine Antizipation der betroffenen Äußerungseinheit ist“[9], der zweite wäre dann eine Ersetzung des Intendierten.

[...]


[1] Vgl. Meringer und Mayer 1895 zit. nach Dilger, Stefan 2000: Arbeitsgedächtnis und Versprecher. Inauguraldissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn. http://hss.ulb.uni-bonn.de:90/ulb_bonn/diss_online/phil_fak/2000/dilger_stefan/0142.pdf 29.08.2006 S. 50

[2] Vgl. Leuninger, Helen 1993: Reden ist Schweigen, Silber ist Gold. Gesammelte Versprecher. München: dtv. 3. Aufl. 1998

[3] Vgl. Boomer, D. S.; Laver, J. D. M. 1968: Slips of the Tongue. In: Fromkin, Victoria (ed.) 1973: Speech Errors as Linguistic Evidence. The Hague: Mouton S. 123

[4] Vgl. ebd. S. 124

[5] Vgl. Berg, Thomas 1988: Die Abbildung des Sprachproduktionsprozesses in einem Aktivationsflußmodell. Untersuchungen an deutschen und englischen Versprechern. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 206) S. 15

[6] Vgl. Dilger S. 51

[7] Wiedenmann, Nora 1992: Versprecher und die Versuche zu ihrer Erklärung. Ein Literaturüberblick. Trier: WVT S. 26

[8] Vgl. ebd. S. 1f (Inhaltsverzeichnis)

[9] Ebd. S. 74

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Versprecher - Klassifikation und Explikation
Hochschule
Universität Potsdam
Veranstaltung
Deutsche Sprache der Gegenwart Teil 2
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
19
Katalognummer
V67594
ISBN (eBook)
9783638600149
ISBN (Buch)
9783656801887
Dateigröße
413 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Klassifikation und Explikation von Versprechern im Deutschen.
Schlagworte
Versprecher, Deutsche, Sprache
Arbeit zitieren
Ulf Thomassen (Autor:in), 2006, Versprecher - Klassifikation und Explikation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67594

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