Der Personenkult Stalins in der sozialistischen Architektur bis 1953


Hausarbeit, 2006

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Der Personenkult und Mythos Stalins im postsowjetischen Russland
1. 1 Stationen des Stalinmythos’

2. Der Personenkult und die Apotheose Stalins in der Architektur der UdSSR bis 1953
2. 1 Architektur in der Stalin-Ära
2. 1. 1 Ausländische Architekten in der Sowjetunion der dreißiger Jahre
2. 1. 2 Der Neubau sozialistischer Städte unter sowjetischen Architekten
2. 1. 3 Der Russismus in der Nachkriegs-Architektur
2. 2 Der Bau der Moskauer Metro
2. 3 Die sieben Hochbauten Moskaus
2. 4 Der zentrale Park für Kultur und Erholung („Gor’kij Park“) in Moskau
2. 5 Die Moskauer Staatliche Universität

3. Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

In der vorliegenden Arbeit möchte ich mich genauer dem Personenkult Stalins, im ersten Teil, sowie der Realisierung seiner persönlichen Machtausnutzung anhand der Architektur in der UdSSR der dreißiger, vierziger und fünfziger Jahre, widmen.

Der erste Teil dieser Arbeit soll zunächst Erklärungen für den heute immer noch aktuellen Mythos des Führers Josef Stalin liefern, bevor ein Überblick über die verschiedenen Etappen seines Personenkultes gegeben wird.

Im zweiten Teil möchte ich schließlich seine Apotheose anhand bestimmter architektonischer Werke beweisen. Dabei liegt der Fokus auf der damaligen „roten Hauptstadt“, Moskau. Dies geschieht in den Punkten 2. 2 bis 2. 5, die sich u. a. mit der Moskauer Metro und deren Bau sowie dem Gor’kij-Park beschäftigen.

In den vorherigen Punkten soll zunächst Wichtiges über die Stalin-Architektur gesagt werden. Dabei wird die Rolle der aus- und inländischen Architekten besonders in den Punkten 2. 1. 1 und 2. 2. 2 hervorgehoben. Auch über einen damals aufkeimenden Russismus bzw. russischen Nationalstolz soll berichtet werden.

1. Der Personenkult und Mythos Stalins im postsowjetischen Russland

In der heutigen russischen Gesellschaft gibt es nicht nur ein einziges Bild von Stalin. In verschiedenen Generationen und gesellschaftlichen Schichten wird er jeweils unterschiedlich betrachtet.

Eine zunehmende Popularität seiner Person ist zwischen 1994 und 2001 verzeichnet worden. So stieg die Zahl der positiven Antworten auf die Frage, was man heute von Stalin hält, von 26 auf 39 Prozent[1].

Anders als die anderen totalitäre Herrscher des zwanzigsten Jahrhunderts, wie Hitler oder Mussolini, war Stalin im Max Weberschen Sinne keine Persönlichkeit mit einem besonderen Charisma. Er schuf keine neue Religion, Ideologie oder andere geistige Horizonte, war kein Demagoge, Prophet oder Feldherr, der einen Ausweg in einer großen Krise, sei es geistig, politisch oder sozial, wusste.

Sein Mythos war Mittel zum Zweck für eine Legitimierung des Wechsels von einer revolutionären, missionarischen Kommunismusideologie der Bolschewiken während der Machtergreifung zu einem militarisierten Besatzungsregime, dass der Kontrolle der Gesellschaft dienen sollte. Legitimiert werden sollte auch die Reorganisierung der Besatzungsinstitutionen, die Verwandlung der revolutionären Diktatur in imperialistische Bürokratie, die Stabilisierung der sozialen Ordnung, die Umwandlung in eine Supermacht, die auf konservativen Gesinnungen wie „Tausendjähriges Reich“, nationale Überlegenheit des russischen Volkes über andere und „Blut und Boden“, aufbaute. Abgelöst vom Stalinkult wurden diese Ideologien in den sechziger und siebziger Jahren Teil des russischen Herrschaftsanspruches im Raum der sozialistischen Ordnung und nach dem Verfall der UdSSR auch im postsowjetischen Bewusstsein. Erst nach dem Aufbau einer absoluten Kontrolle über die Partei war der Stalinmythos möglich. Der Personenkult verbreitete sich erst nach dem Mord an Sergej Mironowitsch Kirow, 1935 und parallel zur veranlassten Entlarvung der „Volksfeinde“, 1936. Aufgekommen war der Kult selbstverständlich schon Anfang der dreißiger Jahre. Doch ab 1935 hatte Stalin keine eigentliche Opposition mehr. Ab dieser Zeit entwickelte sich der Stalinkult zu einem organisierten, aufgezwungenen, gesellschaftlichen Konsens durch die Lobpreisungen seiner Diener (die man m. E. auch als „Zeremonienmeister“ bezeichnen könnte). Der Mythos Stalin wurde Teil der programmatischen, totalitären Sozialisierung. Die Vorkriegszeit, gekennzeichnet durch Terror und Vernichtung Andersdenkender, erlangte die Errichtung eines Fundaments, dass keine Widersprüche zuließ. Seinen Heiligenschein besiegelte schließlich der „Große Vaterländische Krieg“, auch wenn er hier Schwäche und militärisches Versagen zeigte. Was als Stalins „Charisma“ bezeichnet wurde, also der Glaube an seinen Status des unfehlbaren Führers, war das Resultat eines künstlich geschaffenen Glaubens an seine übernatürlichen Befähigungen und Konsequenz einer institutionellen, reproduzierten Autorität. Der Mythos implizierte das Vertrauen in allmächtige Fähigkeiten, die optimale Lösungen für alle schwierigen, politischen Situationen finden ließe. Es ist das Ergebnis einer total organisierten Propaganda der Amtsstuben, des systematischen, lang andauernden Terrors sowie der Informationskontrolle. Andere Wertungen oder differenzierte Standpunkte waren unmöglich, vor allem, was die Vergangenheit oder Gegenwart betraf. Es wurde von allen Bürgern Solidarität, Opferbereitschaft, Disziplin, Unterwerfung unter die Parteiebene usw. gefordert. So konnte der Mythos Stalins existieren: durch immerwährende innere und äußere Bedrohung und offizielle Propaganda. Ohne die Krise des Krieges und den Appell, diese zu meistern, wäre der Mythos gescheitert. Vor allem im postsowjetischen Russland ist es dieser Ruf nach der „harten Hand“ des Führers, die das Land aus der schweren Kriegs- und Nachkriegssituation führte. Kompensiert wird diese radikale Führerrolle durch das Vater-und-Lehrer-des-Volkes-Bild. Stalin galt als Organisator einer einheitlichen Gesellschaft. Solche semantischen Motive dienten der Festlegung eines kontrollierenden Regimes und der totalitären Transparenz aller Bereiche des Lebens. Alle Versuche der Differenzierung wurden damit paralysiert.

Zwei propagandistische Momente erreichten die Faszination der Führerexistenz und des Ausnahmezustandes: das Fehlen einer Alternative und die Verdrängung von verderblichen und unnötigen Informationen. Über alle Multiplikatoren des Systems und die darin enthaltene Reproduktion der kanonischen Gestalt in Kindergarten, Schule, Komsomol, Armee bis hin zu Kultur und Wissenschaft wurde diese Propaganda gegenständlich.

Der von der oberen Bürokratie geschaffene Mythos Stalins stellte eine Relation zwischen dem Individuum und dem System her, dass im starken Führer personifiziert wurde.

Doch die Taktik des Aufschubs der Fragen der Machtübergabe stellt auch beim Stalinkult ein Problem dar, dass alle totalitären und posttotalitären Regime auszeichnet: einzelne Gruppeninteressen werden solange unterdrückt, wie es den Mythos im Massenbewusstsein oder in der Nomenklatur-Ideologie derart kraft- und bedeutungsvoll gibt. Während der Herrschaft des halbgöttlichen Führers existiert kein soziales Subsystem, gibt es keine offizielle, politische Konkurrenz und artikulierte, andersartige Interessen. Diese Tatsache, der wirksame Mythos, hemmt historische Assoziationen und Parallelen und beschwört den Schatten Stalins bei sich wiederholenden Problemen der russischen Geschichte herauf. Diese Probleme werden deutlich bei Machtkrisen und fehlerhaften Machtübergaben. Hier werden Rufe nach skrupellosen, harten Entscheidungen, wie unter Stalins „harten Hand“, vernehmbar. Demzufolge bildet seine Autorität ein undurchschaubares Gedankenkonglomerat, dass sich auf Massenidentitäten und auf damit verbundene Werte der isolierten Gesellschaft stützt.

1. 1 Stationen des Stalinmythos’

Es gibt mindestens drei Transformationsstadien des Stalin-Mythos’.

Das erste Stadium erschien zu seinen Lebzeiten und hielt sich bis zu seinem Tod. Es ist eine Anordnung von rhetorischen Klischees und Bildern. In dieser ersten Etappe galten die Thesen vom Nachfolger Lenins als dogmatischen und allgegenwärtigen Lehrer und Führer, genialen Feldherrn und Retter des Vaterlandes und dem Errichter des Sowjetstaates. Es war ein komponierter Mythos des „halbgöttlichen Führers“[2], der, je mehr er in der Gesellschaft verankert wurde, die ideologischen Gedanken (wie z. B. den „Klassenkampf“) aus der marxistischen Theorie und aus dem wissenschaftlichen Kommunismus verdrängte. Der Führer erreicht den Status des Vaters der Nation, erlangt Weisheit und Unfehlbarkeit. Die Rezeption der Realität, in der die Gesellschaft eine große Familie ist, wird vorgegeben. Die Führerfigur verschwindet mehr und mehr aus der Öffentlichkeit und aus dem Massen-Blickfeld, bis er nur noch symbolhaft und reproduziert in Bildern dem Volk erscheint. Besonders die Jugend der dreißiger Jahre – die erste Generation der sowjetischen Sozialisierung - nahm in dieser Zeit des vollendeten Stalinkanons diese alternativlose Symbolik und Rhetorik für immer an.

Das zweite Stadium des Stalinmythos’ existierte viel später nach dem ersten. Es entsprang der Kritik Nikita Chruschtschows an Stalin auf dem zwanzigsten Parteitag der KPdSU. Dort forderte er ein Abbildungsverbot, eine partielle Entstalinisierung und die Leugnung seiner Rolle beim Aufbau des Kommunismus. Doch unter Breschnew und der von ihm vorgenommen Zerschlagung des Prager Frühlings und der damit verbundenen innerbürokratischen Restaurierung Stalins wurde die zweite Etappe eingeläutet. Breschnew widersetzte sich damit in dieser Zeit der Anfänge des Nomenklatura-Nationalismus’ und der Supermacht-Ideologieverbreitung der Anti-Stalin-Politik Chruschtschows und der Machtspitze. Es fand eine neue Legitimation des sowjetischen Regimes statt und der Krieg wurde in den Mittelpunkt gerückt. Die Rolle Stalins als Oberkommandierender, der den Sieg evozierte, war die Basis für seine inoffizielle spontane Rehabilitierung, die der Massenidentifikation dienen sollte. Zu dieser Zeit tauchten wieder Stalinporträts im öffentlich Leben auf, die aber eher als Protest gegen die Breschnew-Ära gedacht waren. Von 1970 bis etwa 1986 war dann wieder jede Stalinkritik verboten, obwohl die Überwindung des Personenkultes als Beschluss des zwanzigsten Parteitages immer noch präsent war. Er wurde nun, während dieser sechzehn Jahre, als Führer in Uniform dargestellt, mit Ordern und Medaillen dekoriert, im Kreml sitzend und Anweisungen für den weiteren Kriegsverlauf gebend. Diese bildliche Darstellung prägte sich stark in den Köpfen der Betrachter aus dem Volk ein. Es trug zu einer kollektiven Erinnerung bei, die bis heute anhält.

[...]


[1] Vgl: Gudkow, Lew In: Das Phänomen Stalin im postsowjetischen Bewusstsein Russlands. Wostok 2/2005. S. 47

[2] Vgl.: Wostok 2/2005, S. 49

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Der Personenkult Stalins in der sozialistischen Architektur bis 1953
Hochschule
Universität Erfurt
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
21
Katalognummer
V67687
ISBN (eBook)
9783638604567
ISBN (Buch)
9783638802710
Dateigröße
485 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In der Arbeit wird der Personenkult Stalins beleuchtet, sowie die Realisierung seiner persönlichen Machtausnutzung anhand der Architektur in der UdSSR der dreißiger, vierziger und fünfziger Jahre. Es werden bekannte Moskauer Bauwerke und Landschaftsanlagen wie bspw. der Gorkij-Park, die Moskauer Universität und die Metro einer Untersuchung bezüglich des Herrscherkultes um Josef Stalin unterzogen.
Schlagworte
Personenkult, Stalins, Architektur
Arbeit zitieren
Katrin Saalbach (Autor:in), 2006, Der Personenkult Stalins in der sozialistischen Architektur bis 1953, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67687

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