Abnormal = Normal? Homo- und Transsexualität in den Filmen Pedro Almodóvars


Seminararbeit, 2006

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Laberinto de Pasiones

Todo sobre mi madre

La mala educación

Fazit

Einleitung

„Ich habe […] schon viele getroffen - und einige davon leben zum Glück sogar ziemlich zufrieden. Diese Balance zu halten ist gewiss nicht einfach. Es ist ein tragisches Schicksal, sich im falschen Körper geboren zu fühlen. Im realen Leben bewundere ich den Mut und die Energie dieser Menschen. Im Kino schätze ich den dramaturgischen Effekt, denn Transsexuelle lösen immer eine Reaktion beim Zuschauer aus.“[1]

Pedro Almodóvar macht keinen Hehl aus seiner Faszination für den Transsexualismus, genauso wenig wie er jemals ein Geheimnis aus seiner Homosexualität machte. Almodóvar, der in eine Zeit geboren wurde, in der offen Homosexuelle von einem faschistischen Regime zur „reeducación“ in speziell dafür vorgesehen Gefängnisse gesteckt wurden, brach Anfang der 80er Jahre regelrecht Tabus und präsentierte einen fremden, gar neuen Lebenswandel einer spanischen Gesellschaft, die sich nach 45 Jahren der totalen Unterdrückung nach Freiheit, Offenheit und Ehrlichkeit sehnte.

Pedro Almodóvar kam als junger Mann in das moderne und schnelllebige Madrid, immer den Traum verfolgend, ein großer Filmemacher zu werden.[2] Damals hatte er noch keine Ahnung, welche Auswirkungen sein künstlerisches Werk einmal auf die spanische Gesellschaft haben sollte. Seine Themen trafen und treffen immer noch den Nerv der Zeit. Almodóvar lernte das Leben des gemeinen Volkes kennen. Er wusste um seine Probleme und Sorgen, aber auch um dessen Bestreben nach Harmonie. Und genau das versucht er immer wieder, in seinen Filmen zum Ausdruck zu bringen. Sehr auffallend ist jedoch, dass Almodóvar besonders in seinen frühen Filmen, die Welt nicht konform und „normal“ darstellt, sondern als eine Art Vermischung verschiedener Lebensstile und sexueller Orientierungen. Die standardisierte Familienstruktur ist ebenso wenig Thema wie einfache Liebesbeziehungen zwischen Mann und Frau. Almodóvar rebelliert.

Nach der Diktatur Francos und der dazugehörigen eingrenzenden Zensur war nach 1975 der Weg frei, Filme zu produzieren, die inhaltlich alles thematisierten, was noch wenige Jahre zuvor absolut undenkbar gewesen wäre. Filme wurden als Aufschrei, als Rebellion gegen das „Normale“, wie es gerade während der Franco-Zeit von der Kirche propagiert wurde, verstanden. So kann Almodóvars erster Spielfilm aus dem Jahre 1980, Pepi, Luci, Bom y otras chicas del montón, als Auftakt eines neuen Verständnisses der konventionellen Geschlechterrollen verstanden werden. Homoerotische und transsexuelle Themen wurden nicht länger tabuisiert, sondern publiziert.[3]

Obwohl Almodóvar oft als „Frauenregisseur“ gesehen wird, der immer wieder starke weibliche Persönlichkeiten zum Mittelpunkt seiner Filme macht[4], bleiben doch homosexuelle und ganz besonders transsexuelle Figuren diejenigen, die die meiste Aufmerksamkeit erregen. Stellt Almodóvar diese Personen noch in seinen ersten Filmen ganz gezielt in das Zentrum des Interesses als regelrechte Schockeffekte gegen den zuvor herrschenden Konservativismus, so entwickeln sich doch seine Charaktere weiter und nähern sich fast dem allgemein „normalen“ Weltbild an, wie das durchaus in seinem neusten Film Volver entdeckt werden kann. Doch Almodóvar wird immer der grenzwertige Regisseur bleiben. Selbst Todo sobre mi madre, der als erster Film Almodóvars den Oscar als bester ausländischer Film erhielt und dem somit international die höchste Anerkennung zuteil wurde, kokettiert mit anti-konventionellen Figuren. Transsexuelle, homosexuelle und sexuell frustrierte Menschen scheinen nicht nur Pedro Almodóvar, sondern auch das internationale Publikum zu faszinieren. So stellt sich doch die Frage, ob Almodóvar wirklich ein Rebell ist oder einfach von Anfang an mit der Zeit ging. Die Welt verändert sich und Almodóvar ist sich darüber vielleicht mehr bewusst als andere Personen. Seine ersten Filmen lösten zu ihrer Zeit zwar Erstaunen, ja gar Entsetzen aus, doch vielmehr stießen sie auf Zuspruch, denn sie spiegelten und spiegeln immer noch das Leben und seine Härte wieder, so wie man es tagtäglich überall auf der Welt wieder finden kann. Auch wenn Almodóvar das oft auf ridikülisierende Weise macht, bleibt doch die Aussage so ernst wie im wahren Leben.

In Laberinto de Pasiones ist eine Nymphomanin auf der Suche nach Liebe und Geborgenheit, die sie nur bei einem homosexuellen Exilanten findet. In Todo sobre mi madre sucht eine verzweifelte Mutter nach dem transsexuellen Vater ihres verstorbenen Sohnes und La mala educación thematisiert die schmerzliche Konfrontation mit der Vergangenheit zweier Männer, die in einer Klosterschule nicht nur erste eigene sexuelle Erfahrungen sammeln. In jedem dieser Filme spiegelt sich Almodóvars Hingabe für die Charaktere wieder und auch ein Teil seines eigenen Lebens kann reflektiert werden.

Anhand dieser drei Werke des spanischen Regisseurs möchte ich versuchen zu erarbeiten, in wieweit sich die Thematik und die Darstellung der Homosexualität und im weitesten Sinne auch der Transsexualität in seinen Filmen im Laufe der Zeit verändert hat. Nicht zu bestreiten ist dabei die Tatsache, dass diese sexuelle Orientierung in jedem Film Almodóvars auf die eine oder andere Art vertreten ist. Fraglich ist nur, ob das lediglich auf seine eigene Lebenseinstellung zurückzuführen ist oder ob sich die Welt soweit verändert hat, dass es heute heißt: abnormal sein = normal sein.

Laberinto de Pasiones

Sexilia ist eine junge Frau, die, wie ihr Name schon vermuten lässt, nur eines im Kopf hat. Ihre Nymphomanie wird schon in der Eröffnungssequenz des zweiten Spielfilmes Almodóvars erkennbar, als sie durch die Straßen Madrids schlendert und mit ihrem Blick immer wieder die Genitalien der vorbeilaufenden Männer fixiert. Sie ist auf Beutezug und geht letztendlich auch mit mehreren Verehrern nach Hause. In der gleichen Szene wird dem Publikum der zweite Hauptcharakter vorgestellt. Riza Niro ist der im Exil lebende Sohn des ehemaligen Herrschers von Tiran und ganz offensichtlich homosexuell, da er wie Sexilia seinen Blick auch nur auf eine Stelle gerichtet hat. Am Ende der Szene verschwindet er ebenfalls mit einer männlichen Begleitung. Im Laufe des Films lernt der Zuschauer immer mehr außergewöhnliche Personen kennen, die in das Zusammenkommen der beiden Hauptcharaktere verwickelt sind. Darunter sind der schwule arabische Freiheitskämpfer Sadec, Sexilias frigider Vater Doctor de la Peña, Riza Niros Stiefmutter Toraya und die junge Reinigungsangestellte Queti, die Sexilia verehrt. Alle prekären Themen, die man sich nur vorstellen kann, werden in Laberinto de pasiones thematisiert. Glaubt man die Konstellationen der Figuren verstanden zu haben, wird man urplötzlich überrascht und es kommt alles ganz anders. Homo- und Heterosexualität werden als eine Einheit dargestellt und vermischen sich willkürlich.

Sexilia ist seit einem prägenden Erlebnis in ihrer Kindheit Nymphomanin und glaubt, in verschiedenen sexuellen Beziehungen zu Männern das zu finden, was sie sucht. Ihr wird allerdings erst am Schluss klar, dass es die einzig wahre Liebe ist, die ihr Leben komplettieren kann. Der Zuschauer lernt Sexilia als eine selbstbewusste, junge Frau, die zudem noch in einer Band spielt, kennen. Sie scheint nicht daran interessiert zu sein, engeren Kontakt zu ihren Liebhabern aufzubauen und geht eher verschwenderisch durch das Leben. Jedoch wird sehr früh deutlich, dass ihr Lebenswandel aus einer gestörten Beziehung mit ihrem Vater, dem erfolgreichen Gynäkologen Doctor de la Peña, resultiert. Wie man später im Film erfährt, prägte sie ein Erlebnis in ihrer Jugend, das in direkter Verbindung zu ihrem Vater steht, woraufhin sie eine Phobie gegen Tageslicht entwickelte. Sexilia, auch genannt Sexi, trifft in der unscheinbaren Queti, die in der Reinigung ihres Vaters arbeitet, jemanden, der sie bewundert und mit dem sie sich auf merkwürdige Weise gleich von Anfang an blind versteht. Für Queti ist die Freundschaft mit Sexilia eine Möglichkeit, ihrem aufdringlichen Vater zu entfliehen, der seit dem Verschwinden der Mutter halluziniert und Queti vergewaltigt, da er sie für seine Frau hält. Von Anfang an herrscht eine gewisse Spannung zwischen den beiden Frauen, da Queti Sexilia regelrecht begehrt. Wie sich allerdings im Laufe des Films feststellen lässt, ist dieses Begehren nicht sexueller Natur. Queti will sein wie Sexilia, äußerlich und charakterlich. Dieses Verlangen resultiert in einer plastischen Operation, woraufhin Queti ein Ebenbild von Sexilia wird. Und um den Wandel zu komplettieren, schläft die transformierte Queti mit Sexilias Vater. Sie entflieht damit einer inzestuösen Beziehung und verfällt der nächsten. Sexilia wird zur gleichen Zeit von ihrem Schicksal befreit, indem sie sich in den eigentlich schwulen Riza Niro verliebt. Sie findet, wonach sie immer gesucht hat in einer heterosexuellen, monogamen Beziehung.

[...]


[1] Oßwald, Dieter, 26.09.2004, http://www.wams.de/data/2004/09/26/338113.html?s=3.

[2] Vgl. Edwards, Gwynne, Almodóvar: Labyrinth of Passion, London 2001, 8-13.

[3] Vgl. Maurer Queipo, Isabel, Die Ästhetik des Zwitters im filmischen Werk von Pedro Almodóvar, Frankfurt 2005, 13.

[4] Vgl. Smith, Paul Julian, Desire Unlimited: The Cinema of Pedro Almodóvar, London 2004, 2.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Abnormal = Normal? Homo- und Transsexualität in den Filmen Pedro Almodóvars
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Romanisches Seminar)
Veranstaltung
Der kulturelle Wandel der spanischen Gesellschaft nach 1975: Die Filme von Pedro Almodóvar
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
14
Katalognummer
V67699
ISBN (eBook)
9783638604635
ISBN (Buch)
9783640386413
Dateigröße
441 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Abnormal, Normal, Transsexualität, Wandel, Gesellschaft, Homosexualität, Pedro Almodóvar, Transición, spanischer Film, El cine español, Madrid, Laberinto de Pasiones, Todo sobre mi madre, La mala educación
Arbeit zitieren
Julia Burg (Autor:in), 2006, Abnormal = Normal? Homo- und Transsexualität in den Filmen Pedro Almodóvars, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67699

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