Während anderswo noch über den Vormarsch des Englischen gestritten wird, haben sich die Kambodschaner entschieden. Sie wollen ‚anglais’ lernen, wie die Sprache auf Kambodschanisch mit einem französischen Lehnwort bezeichnet wird. Im ganzen Land sind in den vergangenen 15 Jahren Sprachschulen aus dem Boden geschossen. Eine beachtliche Anzahl von Kambodschanern wendet große Ressourcen auf, um diejenige Sprache zu lernen, die ihnen wie die Sprache des Aufschwungs, des Wohlstands und der Möglichkeiten wirkt. Nach Jahrzehnten des Krieges begünstigen Aufholprozesse in Politik und Wirtschaft diesen rasanten Aufstieg des Englischen.
In den Schulen dominieren traditionelle südostasiatische Unterrichtsmuster, die dem Fremdspracherwerb hinderlich sind. Die Schüler schreiben ab und sprechen nach, was der Lehrer ihnen vorgibt. Kreative Eigenleistung ist nicht gefordert. Zudem erschwert die typologische Distanz zwischen Englisch und Kambodschanisch den Spracherwerb beträchtlich. Ziel der Arbeit ist es, diese Einflüsse auf die Lernersprachen der Kambodschaner zu benennen und zu analysieren. These (1) ist, dass der Einfluss durch die typologische Distanz verzögernder und erschwerender Art ist. These (2) ist, dass die traditionellen Unterrichtsformen nicht zum tatsächlichen Verständnis der englischen Sprache und zu ihrem aktiven und kreativen Gebrauch anleiten. These (3) ist, dass die große Motivation der Lernenden begünstigenden Einfluss auf ihre Lernersprachen hat.
Zur Überprüfung von These (1) wurde 32 Schülern eine einfache Bildergeschichte vorgelegt, zu der sie eine kurze Geschichte auf Englisch schreiben sollten. Eine Analyse ausgewählter Fehler aus diesen Geschichten bildet das Herzstück der Arbeit. Zuvor wird dargelegt, anhand welcher theoretischer Grundlagen Fehler für geeignet gehalten werden, Auskunft über kognitive Prozesse der Lernenden zu geben.
Übergeordnetes Ziel der Arbeit ist es, den Gesamtzusammenhang zwischen diesen Einflüssen aufzuzeigen und für eine Verwendung durch Lehrende zu erschließen. Zwei Kapitel beschäftigen sich mit für diesen Zweck nützlichem Hintergrundwissen, u.a. mit dem Antrieb der Lernenden und den Eigenheiten ihrer Muttersprache.
Die Arbeit enthält ein umfangreiches Literaturverzeichnis und ist eine gut verständliche, aufschlußreiche Lektüre für LeserInnen mit Interesse an folgenden Gebieten: Spracherwerbsforschung, Englisch als Fremdsprache, Südostasien, Kambodscha, Fehleranalyse, Lehrmethoden, Interkulturelle Pädagogik.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die sprachliche Situation in Kambodscha
- Khmer und Englisch: genetische und typologische Klassifikation
- Das Khmer in Kambodscha
- Identität und Sprache: Die Khmer und das Khmer
- Sprachgebiet und Sprecher
- Lokale Varietäten und Sondersprachen
- Englische Einflüsse auf den Wortschatz
- Das Englische in Kambodscha
- Geschichte des Englischen in Kambodscha von 1863 bis heute
- "the most popular language" – Englisch in Kambodscha heute
- Einflussfaktoren auf die Stellung des Englischen
- Der Fehler in der Fremdsprachenforschung
- Begriffsklärung
- Grundbegriffe der Fremdsprachenforschung
- Sprachgebrauch im Rahmen dieser Arbeit
- Was genau ist ein Fehler?
- Definition
- Der Fehler in den verschiedenen Strömungen der Fremdsprachenforschung
- Die Kontrastivhypothese
- Die kognitive Wende
- Die Identitätshypothese
- Die Interlanguage-Hypothese
- Gewonnene Erkenntnisse für den Gebrauch in dieser Arbeit
- "the crow very happyed" - Zum Einfluss der Muttersprache
- Muttersprachlicher Einfluss in der Praxis
- Corders Vorstellung von der Rolle der Muttersprache
- Wahrgenommene und tatsächliche typologische Distanz
- Muttersprachlicher Einfluss bei kambodschanischen Lernenden
- Zusammenfassung
- Begriffsklärung
- Beschreibung des Experiments und der Informanten
- Beschreibung des Experiments
- Beschreibung der Informanten
- Begründung und Bewertung der Aufgabenstellung
- Primäre und weitere Daten
- Analyse ausgewählter Fehler
- Zum Problem der Wortarten
- Bestimmung der Wortarten des Khmer
- Verben
- Fehler bei der Verwendung von to be
- Verwendung von to be als Vollverb
- Verwendung von to be als Kopula
- Tempus- und Aspektfehler
- Tempus und Aspekt in Khmer und Englisch
- Spitzers Studie zum Tempuserwerb
- Tempus- und Aspektfehler am Beispiel von to fly
- Zusammenfassung
- Ergänzende Beobachtung: Verwendung von was und is
- Fehler bei der Verwendung von to be
- Substantive und einige Pronomen
- Numerus
- Exkurs: Demonstrativpronomen
- Genus am Beispiel der Personalpronomen He und It
- Adverbien der Art und Weise
- Artikel
- Sonstige Beobachtungen
- Partitive Relationen am Beispiel des gefüllten Kruges
- Falschschreibung von immediately, (un)fortunately und until
- Zusammenfassung
- Zum Problem der Wortarten
- Einflüsse von Motivation und Tradition
- Zur Motivation der Lernenden
- Theorie der Motivation
- Anwendung auf die kambodschanische Situation
- Ergebnis: Auswirkungen der Motivation auf das Lernen
- Zur Tradition von Bildung und Unterricht
- Stellung und Aufgaben der Lehrenden
- Das Bildungsideal des guten Menschen und Bürgers
- Anspruch und Wirklichkeit
- Aufgaben des Lehrers, Pflichten der Schüler
- Der Unterricht
- Englischunterricht nach Hardman, Neau und eigenen Beobachtungen
- Ergebnis: Auswirkungen der Tradition auf das Lernerenglisch
- Zur Motivation der Lernenden
- Fazit und empfohlene Maßnahmen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit befasst sich mit der Frage, wie kambodschanische Jugendliche Englisch lernen. Sie untersucht die Einflüsse, die auf das Erlernen dieser Fremdsprache wirken, insbesondere im Hinblick auf die sprachliche Situation in Kambodscha und die Rolle der Muttersprache Khmer.
- Sprachliche Situation in Kambodscha: Khmer und Englisch
- Der Einfluss der Muttersprache auf den Fremdspracherwerb
- Analyse von Fehlern im Lernerenglisch
- Motivation und Tradition als Einflussfaktoren auf das Lernen
- Empfehlungen für die Verbesserung des Englischunterrichts in Kambodscha
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung gibt einen Überblick über die Thematik der Diplomarbeit und stellt die Forschungsfrage vor. Kapitel 2 beschreibt die sprachliche Situation in Kambodscha, beleuchtet die Stellung der Khmer-Sprache und die Einbindung des Englischen im Kontext der Geschichte und Gegenwart Kambodschas.
Kapitel 3 beschäftigt sich mit dem Fehler in der Fremdsprachenforschung. Es werden verschiedene Strömungen der Fremdsprachenforschung beleuchtet, insbesondere die Kontrastivhypothese und die Interlanguage-Hypothese. Dabei wird der Einfluss der Muttersprache auf den Fremdspracherwerb betrachtet und für die Analyse von Fehlern in den Daten herangezogen.
Kapitel 4 beschreibt das durchgeführte Experiment und die Informanten. Es werden die gewählten Aufgaben, die Datenerhebungsmethode und die Auswahl der Informanten erläutert.
Kapitel 5 analysiert ausgewählte Fehler in den Daten der Informanten. Es werden verschiedene Wortarten betrachtet, wie z.B. Verben, Substantive, Pronomen und Adverbien, sowie die Entstehung von Fehlern in Bezug auf Tempus, Aspekt, Numerus und Genus.
Kapitel 6 untersucht die Einflüsse von Motivation und Tradition auf das Lernen von Englisch. Die Motivation der Lernenden wird im Kontext der Theorien der Motivation und der kambodschanischen Situation betrachtet. Die Tradition von Bildung und Unterricht in Kambodscha wird in Bezug auf die Stellung der Lehrenden, das Bildungsideal und die Aufgaben von Lehrern und Schülern analysiert.
Schlüsselwörter
Khmer, Englisch, Fremdspracherwerb, Muttersprache, Interlanguage, Fehleranalyse, Kontrastivhypothese, Motivation, Tradition, Bildung, Kambodscha, Englischunterricht.
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- Diplom-Kulturwissenschaftler Hendrik Heinze (Author), 2006, Wie lernen kambodschanische Jugendliche Englisch? Einflüsse auf das Erlernen einer Fremdsprache, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67758