Die Handlung des 1934 erstmals erschienenen Romans „Tarabas. Ein Gast auf dieser Erde“ findet in den Jahren vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg, in einem nicht näher bezeichneten osteuropäischen Land statt. Erzählt wird die „Legende“ von der wunderbaren Läuterung des Sünders Nikolaus Tarabas. Dabei ist diese Legende keineswegs idealtypisch, vielmehr mischen sich hier Motive des Glaubens auch die des Aberglaubens. Zudem werden nicht nur christliche, sondern auch jüdische Positionen dargestellt. Der Grund liegt im Thema des Romans, denn hier setzt sich Roth mit dem Antisemitismus auseinander. Der Judenfeind Nikolaus Tarabas kann seinen Haß überwinden und zum christlichen Glauben zurückfinden. Formal wird sein Weg in der Zweiteilung des Romans dargestellt, deren Überschriften „Die Prüfung“ und „Die Erfüllung“ an das Grundmuster der Hagiographien anspielen, in denen das Leben des späteren Heiligen vor und während seines Dienstes für Gott geschildert wird.1
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1 Vgl. Frank Joachim Eggers, „Ich bin ein Katholik mit jüdischem Gehirn“ – Modernitätskritik und Religion bei Joseph Roth und Franz Werfel. Untersuchungen zu den erzählerischen Werken (= Beiträge zur Literatur und Literaturwissenschaft des 20. Jahrhunderts, Bd. 13, hrsg. v. Eberhard Mannack), Frankfurt a.M. u.a. 1996, S. 114f.; Celine Mathew, Ambivalence and Irony in the works of Joseph Roth, Frankfurt a.M. 1984, S. 159; Claudio Magris, Weit von Wo. Verlorene Welt des Ostjudentums, Wien 1974, S. 257.
Natürlich entspricht „Tarabas“ nicht im Detail dem christlichen Legendenverständnis. Keinem christlichen Theologen wird es beispielsweise gefallen, daß eine Wahrsagerin Tarabas’ Schicksal vorhersagt: „Ich lese in Ihrer Hand, daß Sie ein Mörder sind und ein Heiliger! [...] Sie werden sündigen und büßen – alles noch auf Erden.“ (Joseph Roth, Tarabas. Ein Gast auf dieser Erde, Köln 2. Aufl. 1996, S. 12).
Charakteristisch für die ästhetisch-formale Gestaltung des „Tarabas“ ist ein Schwanken zwischen der Form eines Berichts und der einer Legende. Damit weist die Erzählweise sowohl schriftlich-säkulare Momente auf, als auch mündlich-religiöse. (vgl. Katharina Ochse, Joseph Roths Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus (= Epistemata, Bd. 273), Würzburg 1999, S. 158f.)
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der stets fremde Jude – Formen des Antisemitismus
- Das Pogrom in Koropta
- Ramsin Führer und Verführer
- Die wunderbare Marienerscheinung
- Das Pogrom
- Der Antisemitismus des Nikolaus Tarabas
- Schemarjah Korpus' Bart
- Die Wandlung des „schrecklichen\" Tarabas – Die Überwindung des Judenhasses
- Tarabas' Bußweg
- ,,Ein Gast auf dieser Erde“ – Die Grabinschrift
- Schlußbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit zielt darauf ab, Roths Deutung des Antisemitismus im „Tarabas“ zu entschlüsseln und seine Lösung für die Überwindung dieses Hasses aufzuzeigen. Der Fokus liegt dabei auf dem Pogrom in Koropta, das die Auswirkungen des Judenhasses als kollektive Erscheinung deutlich macht, sowie auf der individuellen Figur des Nikolaus Tarabas.
- Der Antisemitismus als Thema in Joseph Roths „Tarabas“
- Das Pogrom in Koropta als Beispiel für kollektiven Judenhass
- Nikolaus Tarabas' innerer Kampf gegen den Antisemitismus
- Roths Lösungsansätze zur Überwindung des Antisemitismus
- Die Darstellung des Antisemitismus in historischen und religiösen Kontexten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Roman „Tarabas“ vor und skizziert die Handlung sowie die zentralen Figuren. Es wird auf die Bedeutung des Themas Antisemitismus im Roman hingewiesen und die formale Zweiteilung des Romans in „Die Prüfung“ und „Die Erfüllung“ erläutert.
Kapitel 2 beschäftigt sich mit verschiedenen Formen des Antisemitismus, die im Roman eine Rolle spielen. Es werden religiöse, gesellschaftliche und kulturelle Gründe für den Judenhass beleuchtet, wobei die Rolle des Aberglaubens hervorgehoben wird.
Kapitel 3 beschreibt das Pogrom in Koropta und seine Auswirkungen auf die jüdische Gemeinschaft. Der Abschnitt befasst sich mit dem Einfluss des Führers Ramsin auf die Stimmung der Bevölkerung und den Rolle der Marienerscheinung als Katalysator für die Gewalttaten.
Kapitel 4 analysiert die Entwicklung des Antisemitismus der Hauptfigur Nikolaus Tarabas. Es werden seine inneren Konflikte und seine schrittweise Wandlung vom Judenhasser hin zu einem christlichen Gläubigen dargestellt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Antisemitismus, Judenhass, Pogrom, religiöser Fanatismus, christlicher Glaube, innere Wandlung, Schuld und Sühne, die Rolle des Aberglaubens und des "Fremden" in gesellschaftlichen Konflikten. Im Zentrum der Analyse steht die Romanfigur des Nikolaus Tarabas.
- Arbeit zitieren
- Imke Barfknecht (Autor:in), 2004, Das Motiv des Antisemitismus in Joseph Roths "Tarabas", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67814