Der Antisemitismus hat in Deutschland nicht erst mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten Einzug in das allgemeine Gedankengut gehalten, obwohl das Phänomen heute meist im Kontext der Shoah betrachtet wird. Tatsächlich konnten Adolf Hitler und seine Helfer während der Herrschaft ihres „Dritten Reiches“ auf bereits tief verwurzelte judenfeindliche Ressentiments der Bevölkerung aufbauen. Demnach kann man durchaus von einer gewissen Kontinuität des Judenhasses in Deutschland (aber auch in ganz Europa) sprechen, mit der sich Joseph Roth in seinem Werk wiederholt beschäftigt hat.
Vielfach ist in der Forschung darauf hingewiesen worden, daß er mit geradezu prophetischer Weitsicht die antisemitische Bedrohung durch die Rechtsnationalen bereits zu Anfang seiner journalistischen und schriftstellerischen Arbeit erkannt hat. Dem ist vollends zuzustimmen; jedoch deckt er nicht nur die Strukturen und Wirkungsweisen des Antisemitismus auf, sondern beschäftigt sich auch intensiv mit dem Judentum. Zum einen, um die antisemitischen Stereotypen als falsch zu entlarven, zum anderen, um ihre Auseinandersetzung mit der ihnen entgegengebrachten Feindschaft aufzuzeigen. Zudem macht er auch deutlich, daß der Judenhaß unabhängig von der Propaganda der Nationalsozialisten gedeihen konnte, denn er war auch außerhalb Deutschlands weit verbreitet.
Vor allem im Osten des Kontinents litt die jüdische Minderheit unter immer wieder ausbrechenden Pogromen. Darüber hinaus behandelt Roth auch die internen Probleme des Judentums in der europäischen Diaspora. Dabei unterscheidet er wie seine Zeitgenossen zwischen Ost- und Westjudentum, die stellvertretend für die Diskussion um Festhalten an der jüdischen Tradition (Ost) und Assimilation an die nichtjüdische Umwelt (West) stehen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Spinnennetz (1923)
- Theodor Lohse - Produkt des wilhelminischen Kleinbürgertums
- Theodors Aufstieg – Karriere im Zeichen des Hakenkreuzes
- Theodors Antisemitismus – „Die Juden sind unser Unglück“
- Theodor Arier oder Semit?
- Trebitsch, Efrussi und Pisk - Des Feindes Handlanger?
- Dr. Trebitsch
- Efrussi und Pisk
- Benjamin Lenz – Sprengstoff für Europa!
- Fazit
- Tarabas-Ein Gast auf dieser Erde (1934)
- Nikolaus Tarabas - Auf gottverlassenen Wegen
- Das Pogrom von Koropta
- Ramsin
- Die Marienerscheinung
- Das Pogrom
- Tarabas` Überwindung des Judenhasses – Zurück auf Gottes Wegen
- Tarabas' Bußweg
- Nathan Kristianpoller – Vermittler zwischen Juden und Christen
- Fazit
- Die Flucht ohne Ende (1927)
- Judenemanzipation im Westen Europas und Bewahrung der jüdischen Tradition in Osteuropa
- Flucht aus dem Shtetl
- Ein Ostjude im Westen
- Zwei ungleiche Brüder
- Keine Rückkehr ins Shtetl
- Fazit
- Schlußbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit widmet sich der Auseinandersetzung Joseph Roths mit dem Antisemitismus und dem Judentum seiner Zeit. Die Analyse von drei zentralen Werken, „Das Spinnennetz“, „Tarabas. Ein Gast auf dieser Erde“ und „Die Flucht ohne Ende“, soll ein tieferes Verständnis für Roths Darstellung der Judenfeindschaft und der Situation des europäischen Judentums liefern.
- Darstellung und Analyse von Roths Sicht auf den Antisemitismus und Antijudaismus.
- Erforschung der Reaktionen jüdischer Charaktere auf die ihnen entgegengebrachte Feindschaft.
- Untersuchung der Unterschiede und Konflikte zwischen Ost- und Westjuden.
- Analyse der Rolle von Stereotypen und Vorurteilen in Roths Werken.
- Interpretation der literarischen Mittel, die Roth einsetzt, um seine Themen zu veranschaulichen.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel „Das Spinnennetz“ erzählt die Geschichte des Antisemiten Theodor Lohse und zeigt den Umgang verschiedener jüdischer Figuren mit der judenfeindlichen Atmosphäre der Weimarer Republik. Das zweite Kapitel „Tarabas. Ein Gast auf dieser Erde“ beleuchtet den Werdegang des Judenhassers Nikolaus Tarabas und stellt die Rolle jüdischer Charaktere inmitten eines Pogroms in den Vordergrund. Das dritte Kapitel „Die Flucht ohne Ende“ veranschaulicht am Beispiel der Brüder Franz und Georg Tunda die Unterschiede und Konflikte zwischen Ost- und Westjuden.
Schlüsselwörter
Antisemitismus, Antijudaismus, Judentum, Ostjuden, Westjuden, Diaspora, Stereotypen, Vorurteile, Pogrome, Weimarer Republik, Exil, Joseph Roth.
- Arbeit zitieren
- Imke Barfknecht (Autor:in), 2006, Darstellungen des Antisemitismus und Judentums im Werk von Joseph Roth, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67817