Schulische und gesellschaftliche Individualisierung – Wo sind Zusammenhänge und Widersprüche?


Hausarbeit, 2007

12 Seiten, Note: A


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

1. Einleitung
1.1 Fragestellung
1.2 Vorgehensweise

2. Individualisierung soziologisch verstanden
2.1 Soziologische Individualisierung – Begriffsklärung
2.2 Geschichtliche Herleitung der Individualisierungsthese
2.3 Gegenwartsanalyse des Individualisierungsbegriffs
2.4 Individualisierung und Solidarität

3. Individualisierung didaktisch / methodisch verstanden

4. Wie hängen die Verständnisse von Individualisierung zusammen?

5. Abschluss – Beantwortung der Fragestellung

6. Persönliches Resümee

7. Literaturverzeichnis

Zusammenfassung

Der Inhalt der vorliegenden Arbeit beschäftigt sich mir der Frage, ob die soziologische Individualisierung und die schulisch – didaktische Individualisierung Zusammenhänge aufweisen. Das heisst, es geht darum herauszufinden, ob die schulische Individualisierung eine Folge der gesellschaftlichen Individualisierung ist.

Um eine Antwort auf diese Frage zu ermöglichen, werden die soziologische und die didaktische Individualisierung beleuchtet und erläutert.

Das soziologische Verständnis von Individualisierung wird vor allem aus den Blickwinkeln von Matthias Junge und Ulrich Beck wiedergegeben. Die didaktische Individualisierung ist auf Wissen des Autors aufgebaut und wird unter anderen durch Aussagen von Armin Beeler unterstützt.

Die Beantwortung der Fragestellung hat nicht den Anspruch, empirisch belegte Befunde wiederzugeben, sie kann als ein Ergebnis soziologischen Denkens angesehen werden.

1. Einleitung

Individualisierung ist ein Thema, dass uns in der Ausbildung zu Primarlehrpersonen häufig beschäftigt. Unser Ziel soll es sein, kurz gesagt, jedem Kind sein eigenes Lernen zu ermöglichen. Individualisierung ist aber auch ein Thema, dass journalistisch - populärsoziologisch in vieler Munde ist. Ebenso ist Individualisierung wissenschaftlich – soziologisch ein Thema.

In unserer Ausbildung haben wir einen beträchtlichen Teil unserer Zeit damit verbracht, zu erörtern, wie individualisierter Unterricht aussehen kann.

Mein Interesse, herauszufinden, was es mit der gesellschaftlichen Individualisierung auf sich hat, wurde bei den Recherchearbeiten zu einer Arbeit über Resilienz weiter angestachelt. Ich begegnete dort dem Werk von Beck, welches in den Achtziger Jahren die Individualisierungsdiskussion auf breitem Boden ins Laufen brachte.

So habe ich mich entschlossen, diese Arbeit zum Thema „Individualisierung“ zu machen. – Einerseits wollte ich damit erreichen, mir das Theorem gesellschaftlicher Individualisierung näher zu bringen, andererseits in einem weiteren Gedankenschritt, Beziehungen zwischen der gesellschaftlichen und der schulischen Individualisierung zu suchen und wenn möglich, auch zu finden.

Ob der Prozessorientierte und der Ergebnisorientierte Anspruch, den ich somit an diese Arbeit und an mich stelle, zu umfassend ist, wird der Verlauf zeigen.

1.1 Fragestellung

Grundsätzlich liegen dieser Arbeit mehrere Fragestellungen zu Grunde. Um die „Hauptfrage“, nach Zusammenhängen und Widersprüchen der gesellschaftlichen und der schulischen Individualisierung zu klären, werden vorgängig folgende Fragen Geklärt: Was heisst schulische und was soziologische Individualisierung?

Die Hauptfrage kann in „Unterfragen“ aufgeteilt werden, welche als Schritte zu einer Antwort auf die Hauptfrage gesehen werden können: Wie viel Individualisierung verträgt die Schule? – Ist die gesellschaftliche Individualisierung eine Überforderung für die Schule? - Kann man die gesellschaftliche und die schulische Individualisierung überhaupt miteinander vergleichen? – Bedingen sie sich gegenseitig? – Ist die schulische Individualisierung eine logische Folge der gesellschaftlichen Entwicklung? – Kann praktizierte schulische Individualisierung den Konformitätsanspruch der Gesellschaft leisten?

1.2 Vorgehensweise

Zu Beginn der Arbeit wird der Individualisierungsbegriff soziologisch definiert. Diese Definition besteht aus einer geschichtlichen Herleitung, einer Begriffsdefinition, einer Gegenwartsanalyse und einer Frage nach Verträglichkeit von Individualisierung und Solidarität.

Im dritten Kapitel erfolgt eine Definition des schulischen Individualisierungsbegriffs.

Darauf werden die Zusammenhänge und Differenzen der beiden Thesen / Modelle / Sichtweisen genauer unter die Lupe genommen.

Im fünften Kapitel werden die Ergebnisse der vorangegangenen Kapitel zu einer Antwort auf die Fragestellungen der Arbeit verwoben.

Ein persönliches Resümee rundet die Arbeit ab.

Der Einfachheit halber wird in den folgenden Ausführungen abwechslungsweise das männliche und das weibliche Geschlecht verwendet. Gemeint sind immer beide Geschlechter.

2. Individualisierung soziologisch verstanden

Was ist unter dem Begriff Individualisierung zu verstehen? Sind sich Soziologinnen einig darüber, was Individualisierung für die Gesellschaft und das Individuum bedeutet? Im Folgenden werden diese Fragen unter Einbezug historischer Entwicklung und unter Nennung der wichtigsten Phasen und Typisierungen von Individualisierung geklärt.

Den Begriff Individualisierung als soziologische Tatsache zu definieren, ist keine leichte Aufgabe. Unter den Soziologen ist man sich nicht einig, ob die Individualisierung, überhaupt existiert und es „wird auf eine unzureichende analytische Klarheit in der Formulierung der Individualisierungsthese insbesondere in den Schriften von Ulrich Beck hingewiesen.“ (Junge 2002, S. 114). Junge schreibt dazu auch: „Doch ist fraglich, ob die These von der Individualisierung überhaupt empirisch nachzuweisen ist.“ (ebd., 2002, S. 16). Wenn ja, kann man verschiedene Ansätze finden, die verschiedene Typen von Individualisierung anerkennen. Junge meint dazu in seinem Buch: „Individualisierung ist, das zeigt eine erste Annäherung, ein vielfältiger Begriff mit einer kaum noch überschaubaren Menge unterschiedlicher Verwendungsweisen.“ (ebd., S. 19).

Es ist auch nicht richtig, „von ‘der’ Individualisierung“ (ebd., S. 9) zu sprechen, denn diese Rede stellt eine „sprachliche Vereinfachung“ (ebd., S. 9) dar. Treffender ist es, von Individualisierungsprozessen und –diagnosen zu sprechen (vgl. ebd., S. 9).

Um es auf die Spitze zu treiben, kann man auch die wissenssoziologische Falle heranziehen; auch soziologische Begriffe sind historisch situierte Begriffe. Ohne geschichtsunabhängige Formulierungen, stellt sich für soziologische Forschung an zeitgeschichtlichen Zusammenhängen das Problem der Unterscheidbarkeit zwischen Realität oder veränderter Begrifflichkeiten (vgl. ebd., S. 113). Daraus ergibt sich die Frage, ob das Individualisierungstheorem konstante sozialstrukturelle Entwicklungen beschreibt, oder eine „terminologische Umorientierung auf der semantischen Ebene“ (ebd., s. 113) ist, aufgrund derer wir Gegenwartsphänomene anders sehen. Diese Frage werden wir hier nicht weiter behandeln, sie soll zeigen, wie vielschichtig die Auseinandersetzung mit dem Thema Individualisierung ist.

Konkrete Definitionen des Individualisierungsbegriffs finden sich unter 2.2.

2.1 Soziologische Individualisierung – Begriffsklärung

Schaut man bei Wikipedia nach, trifft man auf folgende Definition: „Der Begriff der Individualisierung stammt aus der Soziologie und bezeichnet einen mit der Industrialisierung und Modernisierung der westlichen Gesellschaften einhergehenden Prozess eines Übergangs des Individuums von der Fremd- zur Selbstbestimmung.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Individualisierung, 02.01.07).

Beck beschreibt Individualisierung als „(…) die Auflösung vorgegebener sozialer Lebensformen – zum Beispiel das Brüchigwerden von lebensweltlichen Kategorien wie Klasse und Stand, Geschlechtsrollen, Familie, Nachbarschaft usw.; oder auch, wie im Fall der DDR und anderer Ostblockstaaten, der Zusammenbruch staatlich verordneter Normalbiographien, Orientierungsrahmen und Leitbilder.“ (Beck 1994, S. 11). Beck sieht an die Stelle von religions- traditions- oder staatszugewiesenen Lebensformen neue institutionelle Anforderungen, Kontrollen und Zwänge treten, welche über Arbeitsmarkt, Wohlfahrtsstaat und Bürokratie in ein neues Netz von Regelungen und Anspruchsvoraussetzungen münden (vgl. Beck 1994, S. 12).

Bei Junge kann man eine Definition der Individualisierung finden, die von Kohli stammt und positiver gefärbt scheint, als die grundsätzliche Position von Beck. Martin Kohli hat aus Sicht der Lebenslaufforschung folgendes festgehalten: „(…), dass Alter zu einem zentralen Strukturprinzip des Lebenslaufs geworden ist (Verzeitlichung). Damit einhergehend orientiert sich die Ordnung des Lebensverlaufs überwiegend am chronologischen Lebensalter (Chronologisierung). Beide Prozess gemeinsam führen zu einer umfassenden Freisetzung des Individuums aus ständischen, lokalen und traditionalen Bindungen (Individualisierung).“ (Junge 2004, S. 66). Kohli sieht das Individuum von zeitlichen Fesseln befreit, was die Vorhersehbarkeit des Lebenslaufs tendenziell auflöst und Flexibilisierung in den Lebenslauf bringt. Als Konsequenz sieht Kohli, eine individuelle und flexible Ausgestaltungsmöglichkeit der Lebenslaufordnung (vgl. ebd., S. 66f).

Als aktuelle Gegenwartsanalyse des Individualisierungsprozesses können folgende Äusserungen Junges gesetzt werden: „Als soziologischer Begriff ist Individualisierung ein Versuch, eine pointierte Zeitdiagnose zu geben. Als Gegenwartsbild ist Individualisierung ein populäres und zugleich auch umstrittenes Schlagwort der öffentlichen, der wissenschaftlichen und auch der privaten Diskussion über die gesellschaftliche Entwicklung geworden. Diese Diskussionen entfachten eine intensive Suche nach empirischen Belegen, für und wider die These der Individualisierung. Vor allem aber regt die Individualisierung der Gesellschaft zum Nachdenken über zwei grundsätzliche Fragen an: In welcher Gesellschaft leben wir? In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“ (ebd., S. 9).

2.2 Geschichtliche Herleitung der Individualisierungsthese

Sicher festhalten kann man, dass Individualisierung kein neuer Ansatz ist.

Es macht Sinn, vor einer Gegenwartsanalyse einen geschichtlichen Blick auf „die“ Individualisierung zu werfen. Die leitende Frage könnte hier heissen; ist Individualisierung ein modernes Phänomen, oder kennt sie auch Vorläufer?

Damit Individualisierungsprozess in Gang gesetzt werden können, muss die kulturelle Erfindung des Individuums vorangehen (vgl. Junge 2002, S. 30). Hierzu schreibt Junge: „Erfindung meint in diesem Zusammenhang, dass die Idee des Individuums im Zuge langer historischer Prozesse schrittweise entwickelt wird. Es bedeutet aber auch, dass mit der Entstehung der Idee des Individuums eine Veränderung in der Beschreibung gesellschaftlicher Verhältnisse einsetzt.“ (ebd., S.30). Junge geht in seinem Buch so weit, dass er „(…) die zeitliche Grenze zwischen dem Mittelalter und der Neuzeit als eine scharfe Scheidelinie zwischen einer Zeit ohne die Idee eines Individuums und einer Zeit, die diese Idee in ihrer kulturellen und sozialen Bedeutung entdeckte und zur Wirksamkeit brachte.“ (ebd., S. 31), widerlegt, indem er autobiografische Reflexionen, zwischenmenschliche Beziehungen als Beleg für individuelle Selbstwahrnehmung, künstlerisches Schaffen, Vergabe und Festhalten von Namen und Geschichten oder religiöses Gedankengut anführt (vgl. ebd., S. 29 ff).

Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, werden frühe Phasen der Individualisierung nicht genauer erörtert. Wichtig ist, sich der Tatsache bewusst zu sein, dass Individualisierung eine lange Entstehungsgeschichte hat. Die Interessierte Leserin sei auf das Buch von Matthias Junge, Kapitel 2.2 und darin ausgewiesene, weiterführende Literatur verwiesen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Schulische und gesellschaftliche Individualisierung – Wo sind Zusammenhänge und Widersprüche?
Hochschule
Fachhochschule Nordwestschweiz Abteilung Liestal  (Fachhochschule Nordwestschweiz - Pädagogische Hochschule Abteilung Liestal)
Note
A
Autor
Jahr
2007
Seiten
12
Katalognummer
V67872
ISBN (eBook)
9783638605601
ISBN (Buch)
9783638768306
Dateigröße
656 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schulische, Individualisierung, Zusammenhänge, Widersprüche
Arbeit zitieren
Beat Hochrieser (Autor:in), 2007, Schulische und gesellschaftliche Individualisierung – Wo sind Zusammenhänge und Widersprüche? , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67872

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