Spezifische Anforderungen an Deutschlehrer im Hinblick auf die Lernkultur in der Türkei am Beispiel der Deutschen Schule Istanbul


Hausarbeit, 2006

27 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die deutsche Sprache in der Türkei
2.1. Deutsch-Türkische Beziehungen
2.2. Deutsch in der Türkei

3. Das türkische Schulsystem
3.1. Das Schulsystem
3.2. Grundsätze des türkischen Schulsystems-Werte und Normen
3.3. Lehr- und Lernkulturen in der Türkei

4. Die Deutsche Schule Istanbul
4.1. Die Struktur der Schule
4.2. Türkische Deutschlerner an der Schule
4.3. Anforderungen an die Lerner

5. Der Deutschunterricht an der Deutschen Schule Istanbul
5.1. Vorgaben für den Deutschunterricht
5.2. Lehr- und Lernstile im Deutschunterricht
5.3. Besondere Anforderungen an deutsche Lehrer in der Türkei

6. Schlussbetrachtung

7. Literaturverzeichnis

8. Anhang

1. Einleitung

„Einmal hat mir ein Lehrer gesagt, dass er nicht wissen will, was im Buch steht, sondern was ich denn so darüber denke. Da wusste ich nicht, was ich sagen sollte.“[1]

Diese Aussage einer türkischen Schülerin der Deutschen Schule Istanbul lässt stutzen. Zum ersten verwundert die Aussage des Lehrers. Wenn die Möglichkeit besteht, dass die Schülerin mit solch einer Arbeitsanweisung nicht umgehen und davon überfordert sein könnte, ist es dann richtig sie so zu stellen?

Zum zweiten überrascht aber auch die Äußerung der Schülerin, dass sie nicht wisse, wie sie auf die Aufforderung reagieren solle. Wieso kann sie einer solchen Arbeitsanweisung nicht nachkommen? Kann sie es aus intellektuellen, also aus Verstandesgründen nicht oder hat sie es nie gelernt?

In der vorliegenden Seminararbeit soll der Frage nachgegangen werden, wie man auf solche Probleme als deutscher Lehrer reagieren kann, wie man erreichen kann, dass die eigenen pädagogischen Vorstellungen angewendet werden können und wie man diese mit den im Ausland (in diesem Fall der Türkei) vorherrschenden Vorstellungen verbinden kann.

Es sollen das türkische Schulsystem und in diesem Zusammenhang die typischen Lehr- und Lernmethoden an türkischen Schulen untersucht sowie die damit möglicherweise auftretenden Probleme für deutsche Lehrer herausgearbeitet werden. Als Beispiel wird hierfür die Deutsche Schule Istanbul herangezogen, eine deutsche Auslandsschule, die jedoch dem türkischen Erziehungsministerium untersteht und in der 85% der Schüler türkischstämmig sind.

Zunächst sollen die deutsch-türkischen Beziehungen skizziert und ein Überblick über die deutsche Sprachlandschaft in der Türkei gegeben werden. Anschließend werden das türkische Schulsystem dargestellt und die angewendeten Lehrprinzipien und -methoden herausgearbeitet.

Daran anknüpfend sollen diese Unterrichtsmethoden und Lehrprinzipien anhand der Deutschen Schule Istanbul noch einmal im Hinblick auf den Deutschunterricht veranschaulicht und genauer untersucht werden.

Da hinsichtlich der unterschiedlichen Lehr- und Lernmethoden türkischer und deutscher Lehrer bzw. Schüler kaum wissenschaftliche Quellen vorliegen sollen hier Interviews mit einer türkischen Schülerin und einem deutschen Lehrer sowie eigene Erfahrungen hinzugezogen werden.

Schließlich soll zusammenfassend die aus den unterschiedlichen pädagogischen Vorstellungen und Lehr- und Lernstrategien resultierende Problematik für Deutschlehrer dargestellt und der Frage nachgegangen werden, wie mit dieser umgegangen und diese ggf. gelöst werden kann.

2. Die deutsche Sprache in der Türkei

2.1. Deutsch-Türkische Beziehungen

Die historisch gewachsenen freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei bestehen und wachsen seit über 800 Jahren. Bereits während des osmanischen Reiches wurden bilaterale politische Verbindungen aufgenommen. Im 19. Jahrhundert wurden sie um militärische und technische Zusammenarbeit erweitert, es folgten die Bereiche Kultur und Handel. (Akdogan, 2003, 46) Besonders bedeutsam für die zwischenstaatlichen Beziehungen erwies sich die Aufnahme zahlreicher deutscher Wissenschaftler ab den 1930er Jahren, die im Zuge des Nationalsozialismus in der Türkei Zuflucht fanden und durch ihr Mitwirken den Weg zu einem regen wissenschaftlichen Austausch zwischen den beiden Ländern ebneten, der bis heute besteht. (Auswärtiges Amt, 2001, 54)

Deutschland unterstützt auf politischer Ebene den Beitritt der Türkei in die Europäische Union und es besteht ein reger wirtschaftlicher Austausch zwischen den beiden Ländern. Besonders hervorzuheben ist hierbei das „Abkommen zur Anwerbung türkischer Arbeitskräfte für den deutschen Arbeitsmarkt“ von 1961. Aufgrund dieses Abkommens stieg die Zahl der Arbeitsmigranten stetig. Schätzungsweise 2,4 Mio. Menschen türkischer Abstammung leben mittlerweile in Deutschland, was enge sozialpolitische Beziehungen zur Folge hat.

Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Türkei ist auch im Hinblick auf den akademischen Bereich sehr intensiv. Das Interesse an Stipendien und sonstigen Fördermaßnahmen des Deutschen Akademischen Austauschdienstes unter türkischen Nachwuchswissenschaftlern und Studenten hat sich bedeutend erhöht. Die deutschsprachigen Studiengänge „Betriebswirtschaft“ und „Wirtschaftsinformatik“ an der Marmara-Universität Istanbul sind ein Vorzeigeprojekt der deutsch-türkischen Hochschulzusammenarbeit.

Auch im Bereich der schulischen Spracharbeit bestehen enge Verbindungen zwischen beiden Ländern, die Verbreitung der deutschen Sprache in der Türkei wird jedoch seit Jahrzehnten von deutscher Seite nachhaltig gefördert. (Sieben, 1994, 70)

2.2. Deutsch in der Türkei

Obwohl in den letzten Jahren ein deutlicher Rückgang des Interesses an der deutschen Sprache in der Türkei festzustellen ist, steht Deutsch nach wie vor an 2. Stelle (nach Englisch) der gelernten Fremdsprachen. Jährlich immatrikulieren sich etwa 450 Studenten für das Fach Germanistik und 800 für Deutschdidaktik an türkischen Hochschulen. Seit 1995 besteht ein Abkommen für eine deutsche Universität in Istanbul, das jedoch aus Finanzierungsgründen bislang noch nicht realisiert werden konnte.

Dieser nach wie vor relativ hohe Stellenwert des Deutschen mag einerseits an den Folgen des Arbeitsabkommens mit Deutschland und den intensiven wirtschaftlichen Beziehungen liegen, andererseits sind aber auch die umfassenden Maßnahmen der deutschen Kulturpolitik zu nennen, deren zentrales Anliegen die Verbreitung der deutschen Sprache im Ausland ist. (Auswärtiges Amt, 1986, 5). Das Grundgerüst für die Spracharbeit bilden die deutschen Auslandsschulen. Neben diesen von der Bundesrepublik Deutschland (mit-) finanzierten Schulen gibt es jedoch noch andere Einrichtungen, die die deutsche Sprache vermitteln[2]. Als wichtigstes Beispiel sollen hier die sogenannten Anadolu -Schulen genannt werden.

Als Mitte der 80er Jahre die ersten türkischen Arbeitnehmer in die Türkei zurückkehrten, beteiligte sich Deutschland maßgeblich an der Gründung der sogenannten Rückkehrerschulen (Anadolu-Lisesis)[3]. Diese waren vor allem für die Rückkehrerkinder gedacht, die oft besser Deutsch als Türkisch sprachen. Sie sollten dem Erhalt der deutschen Sprache dienen und gleichzeitig den Aufbau der türkischen Sprache fördern. Daher wurde an diesen Gymnasien der Fachunterricht auf Deutsch, Landeskunde aber auf türkisch angeboten. (Langbein, 2005,1)

30 Jahre nach dem Anwerbestopp und 20 Jahre nach dem Rückkehrhilfegesetz stellen Remigranten jedoch nur noch knapp 5% der Schüler. Seit 2002 ist daher der Einsatz deutscher Lehrer nur noch für den Deutschunterricht vorgesehen. Aus den Rückkehrerschulen sind normale Fremdsprachengymnasien geworden.

Daran wird u.a. ersichtlich, dass der Stellenwert von Fremdsprachen insgesamt in der Türkei nicht sehr hoch ist. Neben einer sehr starken Türkeizentrierung ist dafür maßgeblich die zentrale Universitätsaufnahmeprüfung verantwortlich, die einheitlich den Zugang zu den Universitäten regelt und in der Fremdsprachen nicht berücksichtigt werden. So dünnt sich die Gruppe der Fremdsprachenwilligen besonders in den letzten beiden Schuljahren der Sekundarstufe aus, da das Damoklesschwert der Aufnahmeprüfung näher rückt. Das Sprachdiplom, welches den Studienzugang zu deutschen Universitäten öffnet, erwerben nur noch wenige.

Trotz der schwindenden Rolle des Deutschen als Wissenschaftssprache, dem geringen Stellenwert von Fremdsprachen im Allgemeinen und dem Anstieg des Interesses an der englischen Sprache ist der Besuch einer deutschen Schule bzw. die Beherrschung der deutschen Sprache und der Besuch einer Auslandsschule nach wie vor von großem Vorteil, mit einem hohen Sozialprestige verbunden und verspricht meist sehr gute Berufsaussichten.

3. Das türkische Schulsystem

3.1. Das Schulsystem

Seit der türkischen Bildungsreform im Sommer 1997, die als eine Angleichungsmaßnahme an die Bildungsstandards der Europäischen Union zu verstehen ist, dauert der Besuch der türkischen bilingualen Sekundarschulen nunmehr vier Jahre (9.–12. Jahrgang). Mit der Bildungsreform wurde die 5-jährige türkische Grundschule in eine 8-jährige Primarstufe umgewandelt.

Das Schulsystem in der Türkei ist nicht wie in Deutschland aufgebaut. Es entscheidet sich nicht schon sehr früh, welchen schulischen Bildungsweg ein Kind einschlägt, sondern es ist stufenförmig aufgebaut. Das bedeutet, dass in der Türkei theoretisch alle Stufen durchlaufen werden können, sofern der Schüler die nötigen Prüfungen besteht (und die finanziellen Möglichkeiten hat). So können die Schüler nach der Grundschule auf ein staatliches oder privates Gymnasium (Lise) wechseln, die sie nach der Klasse 12 mit einem dem Abitur gleichwertigen Diplom abschließen können. An den Anadolu-Schulen kann das Sprachdiplom II der Kultusministerkonferenz(KMK) erworben werden.

Anders als in Deutschland berechtigt jedoch in der Türkei das Reifezeugnis nicht zum Hochschulstudium, sondern nur zur Teilnahme an der landesweiten Universitätsaufnahmeprüfung.

Um ihre Chancen auf einen Studienplatz zu erhöhen, greifen materiell bessergestellte Eltern von türkischen Schülern zusätzlich auf den privaten Bildungsbereich zurück. Der Bildungserfolg wird immer mehr zu einer Frage der Finanzkraft des Elternhauses. (Bundeszentrale für politische Bildung, 2005, 1)

Das türkische Bildungssystem wird zentralistisch vom Ministerium für Nationale Erziehung (Milli Egitim Bakanligi, MEB) in Ankara verwaltet, deren Entscheidungen für alle Bildungseinrichtungen im Land verbindlich sind. Es überwacht außerdem die Erstellung der einheitlichen Lehrpläne.

Das Schulsystem lässt sich in zwei Schultypen aufteilen: die privat finanzierten und die staatlichen Schulen. Zu den staatlichen Schultypen zählen auch die o.a. Anadolu -Schulen, die im Unterschied zu den einfachen Gymnasien eine Fremdsprache intensiv unterrichten. Türkeiweit soll nach einer neuen Regelung nun an 92 Anadolu -Schulen eine zweite Fremdsprache obligatorisch eingeführt werden. (Cakir, 2002, 6)

An den staatlichen Grundschulen wurde bis zur Schulreform kein Fremdsprachen­unterricht angeboten, an privaten Grundschulen wurde eine Fremdsprache unterrichtet. Mittlerweile sieht das MEB jedoch vor, dass alle Schüler (auch der staatlichen Grundschulen) ab der 3. Klasse mindestens eine Fremdsprache lernen sollten. Dieses Vorhaben konnte jedoch noch nicht realisiert werden, da es an qualifizierten Fremdsprachenlehrern mangelt. (Özcan, 1999, 33)

[...]


[1] Interview mit einer türkischen Schülerin, Interview 2, Frage 2, siehe Anhang

[2] Für weitere Informationen über die Schulformen in der Türkei vgl. Cakir, Mustafa (2002): Die aktuelle Lage und Zukunftsperspektive des Deutschen als Fremdsprache in der Türkei. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht. [Online], 7.

[3] Die Entsendung deutscher Lehrer wurde 1986 in einem deutsch-türkischen Abkommen festgehalten und erste Rückkehrerschulen entstanden: türkische Schulen mit zahlreichen deutschen Lehrern und deutschen Fachunterricht.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Spezifische Anforderungen an Deutschlehrer im Hinblick auf die Lernkultur in der Türkei am Beispiel der Deutschen Schule Istanbul
Hochschule
Universität Bielefeld  (Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaften)
Veranstaltung
Deutsch im Ausland
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
27
Katalognummer
V67889
ISBN (eBook)
9783638605724
ISBN (Buch)
9783638672450
Dateigröße
499 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Spezifische, Anforderungen, Deutschlehrer, Hinblick, Lernkultur, Türkei, Beispiel, Deutschen, Schule, Istanbul, Deutsch, Ausland
Arbeit zitieren
Anna-Lisa Esser (Autor:in), 2006, Spezifische Anforderungen an Deutschlehrer im Hinblick auf die Lernkultur in der Türkei am Beispiel der Deutschen Schule Istanbul, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67889

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