Giddens' Theorie der Strukturierung geht von einem Strukturbegriff aus, der eine starke Erweiterung jenes Begriffsverständnisses von „Struktur“ erfordert, welches den Sprachgebrauch der allgemeinen Soziologie ausmacht. Zunächst möchten wir Giddens' Strukturbegriff darlegen, um ihn daraufhin auf Unterschiede zu oder Gemeinsamkeiten mit ausgewählten Klassikern zu untersuchen. Dieses Vorgehen möchte vor allem jener Tatsache Rechnung tragen, dass ein wirkliches Verständnis nur durch gewahr werden von Giddens’ Theoriebildung möglich wird. Diese beruht auf einer fortwährenden reflexiven Begriffsentwicklung seines Schlüsselbegriffes. An die Stelle statischer Definitionen treten theorieadäquate Begriffsdeutungen. Vordergründig soll es nicht um die Frage nach Eklektizismus oder integrativem Geniestreich gehen, sondern um die Erkenntnis, ob der Strukturbegriff in Giddens' Werk eine fruchtbare Weiterentwicklung soziologischer Theorietraditionen ist. Eine Grundproblematik in Giddens’ Theoriebildungsprogrammatik ist hierbei das chamäleonartige und inkonsistente Verhalten seines Strukturbegriffs. Hiermit ist Giddens' eigene recht inkonsequente Verwendung des Strukturbegriffes gemeint, die er auch in seinem Buch „Die Konstitution der Gesellschaft“ (Giddens, 1997: 70) zugibt. Freilich liefert er eine Begründung für seine Vorgehensweise: Der weiche Strukturbegriff der „orthodoxen“ Sozialwissenschaften (Sozialstruktur, Gesellschaftsstruktur) müsse nicht vollständig aufgegeben werden, solange man auf eine solch doppelte Begriffsdeutung nicht in ein und derselben Argumentationskette zurückgreift. Im Laufe unserer Arbeit wird aber auch deutlich werden, wie verwirrend ein solch „laxer“ Umgang mit Begriffsdefinitionen sein kann. Zunächst handeln wir hierzu Giddens' Strukturbegriff isoliert ab, um ihn später auf vergleichender Basis tiefer ergründen zu können. Am Ende wird ein zusammenfassendes Resümee stehen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Giddens' Strukturbegriff
- Struktur und der historische Dualismus zwischen Subjekt und Objekt
- Objektbezogene Ansätze
- Karl Marx
- Emile Durkheim
- Talcott Parsons
- Claude Lévi-Strauss
- Subjektbezogene Ansätze am Beispiel George H. Meads
- Giddens' integrativer Ansatz: Dualität von Struktur
- Objektbezogene Ansätze
- Resümee: Was leistet Giddens' Strukturbegriff für die Sozialwissenschaften?
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text befasst sich mit Giddens' Strukturbegriff und untersucht, wie er sich von anderen sozialwissenschaftlichen Strukturbegriffen unterscheidet. Ziel ist es, Giddens' Theoriebildung zu verstehen und zu analysieren, ob der Strukturbegriff eine fruchtbare Weiterentwicklung soziologischer Theorietraditionen darstellt.
- Giddens' Strukturbegriff im Vergleich zu klassischen soziologischen Theorien
- Die Dualität von Struktur in Giddens' Theorie
- Die Bedeutung von Regeln und Ressourcen in der Strukturierung sozialer Praktiken
- Die Rolle des Strukturbegriffs in der Analyse sozialer Systeme
- Giddens' Kritik an der Gleichsetzung von Nationalstaat und Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Der Text stellt Giddens' Strukturbegriff vor und erläutert die Notwendigkeit, ihn im Kontext anderer sozialwissenschaftlicher Theorien zu untersuchen. Es wird die Bedeutung von Giddens' Theoriebildung und die Bedeutung seines Schlüsselbegriffes betont.
- Giddens' Strukturbegriff: Das Kapitel definiert den Strukturbegriff im allgemeinsoziologischen Sinne und stellt Giddens' spezifischen Ansatz gegenüber. Es werden die Eigenschaften sozialer Systeme, die sich in reproduzierten Praktiken vollziehen, beschrieben. Struktur wird als abstrkter Oberbegriff vorgestellt, der in verschiedenen Einzelkonzepten von Struktur zum Tragen kommt.
- Struktur und der historische Dualismus zwischen Subjekt und Objekt: Dieses Kapitel untersucht den historischen Dualismus zwischen Subjekt und Objekt und stellt objektbezogene Ansätze von Marx, Durkheim, Parsons und Lévi-Strauss vor. Es wird auch auf subjektbezogene Ansätze, am Beispiel von George H. Mead, eingegangen.
Schlüsselwörter
Der Text befasst sich mit zentralen Begriffen der Soziologie, insbesondere mit dem Strukturbegriff. Die Analyse konzentriert sich auf die Theorie der Strukturierung von Anthony Giddens, die sich von klassischen soziologischen Theorien abhebt. Schlüsselbegriffe sind: Strukturbegriff, soziale Praktiken, Regeln, Ressourcen, Dualität von Struktur, Systembegriff, Gesellschaft, Nationalstaat, Institution, Strukturprinzipien.
- Arbeit zitieren
- Simon Schmid (Autor:in), Andreas Bschaden (Autor:in), 2006, Der Strukturbegriff von Anthony Giddens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68552