Im Laufe meines Studiums und im Zuge meiner Tätigkeit in der Gemeindepsychiatrie St. Marien-Hospital wuchs mein Interesse an der Leibphänomenologie stetig. Mir wurde bald bewusst, dass ich in der verbalen Interaktion schnell an meine Grenzen stieß. Ebenso musste ich feststellen, dass erlernte medizinische und psychologische Fakten und Checklisten in der Arbeit mit psychisch Kranken, den oft verlernten Fähigkeiten des intuitiven Spürens vorgezogen werden.
Die Leibphänomenologie steht im Verruf der Unwissenschaftlichkeit und unter dem Verdacht des reinen Subjektivismus, läuft deshalb ständig Gefahr mit der Naturwissenschaft zu kollidieren. Aus diesem Grund ist es mir ein besonderes Anliegen, mich diesem Thema zu widmen. Zunächst möchte ich das besondere Konzept der Klinik und dessen Umsetzung
herausarbeiten und begründen. Hier stellt sich die Überlegung, ob in diesem Konzept neben dem Einbezug der Lebenswelten, den Ressourcen etc. auch noch leibphänomenologische Aspekte in die Arbeit mit psychisch kranken Menschen integriert werden können und sollten. Außerdem möchte ich das Thema Krankheit, vor allem psychische Erkrankung, unter leibphänomenologischen Gesichtspunkten beleuchten. Am Ende stellen sich die Fragen, wie und warum man nun die Leibphänomenologie professionell ausüben kann/sollte? Wie kann man sie in die Arbeit mit psychisch Kranken einfließen lassen, und zu was befähigt sie den Professionellen und den Patienten?
In diesem Sinne werfe ich auch ein besonderes Augenmerk auf die Atelier-Aktivitäten im Bereich der Kunst unter dem Gesichtspunkt der leibphänomenologischen und ästhetischen Theorie. Hierfür habe ich zwei Beispiele gewählt: Das Atelier „Zum 80. Geburtstag von Bernhard Heisig“, einem Künstler der ehemaligen DDR, und das Atelier „Edward Hopper -Besuch der Kunstausstellung im Kölner Museum Ludwig“, woran ich selber teilnahm.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die Herner Psychiatrie St. Marien-Hospital
- 2.1. Subjektorientierung unter Einbezug der Lebenswelt
- 2.2. Ressourcenorientierung unter Einbezug der Öffentlichkeit
- 3. Die Umsetzung im klinischen Alltag
- 3.1. Die Morgenrunde
- 3.2. Das festliche Kaffeetrinken
- 3.3. Stationsübergreifende Angebote
- 3.4. Die Delegierten
- 3.5. Die Ateliers
- 3.5.1. Die Ateliers als Medium der Öffentlichkeitsarbeit
- 3.6. Das Jakobus-Pilgerweg-Projekt
- 3.7. >Die Zeitung
- 4. Begriffsbestimmungen
- 4.1. Der Leib
- 4.1.1. Zwischenleiblichkeit
- 4.2. Atmosphären
- 4.3. Ausdruckscharaktere
- 4.3.1. Physiognomische Ausdruckscharaktere
- 4.3.2. Synästhetische Ausdruckscharaktere
- 4.3.3. Bewegungsanmutungen
- 5. Krankheit
- 5.1. Krankheit und Eigenverantwortung
- 5.2. Leibbewusstsein in der Krankheit
- 5.3. Leibbewusstsein im Schmerz
- 5.4. Leibbewusstsein in der psychischen Erkrankung
- 5.4.1. Person
- 6. Professionelle Arbeit mit psychisch Kranken unter leibphänomenologischen Gesichtspunkten
- 6.1. Intuitives Spüren im Zwischenleiblichen Kontakt
- 6.1.1. Intuitives Spüren durch Erfahrung
- 6.2. Leibphänomenologie und der ästhetische Teilbereich 'Kunst'
- 6.2.1. Atelier: Zum 80. Geburtstag von Bernhard Heisig
- 6.2.1.1. Regentag im Havelland
- 6.2.1.2. Allee im Lande Brandenburg
- 6.2.1.3. Artikel in >Die Zeitung
- 6.2.2. Atelier: Edward Hopper – Kunstausstellung im Kölner Museum Ludwig
- 6.2.2.1. Nighthawks
- 6.2.2.2 Artikel in >Die Zeitung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Integration leibphänomenologischer Aspekte in die Arbeit mit psychisch kranken Menschen im St. Marien-Hospital Herne. Ziel ist es, das Herner Modell der gemeindepsychiatrischen Klinik im Hinblick auf seine leibphänomenologische Komponente zu analysieren und aufzuzeigen, wie intuitive Wahrnehmung und ästhetische Erfahrungen in die professionelle Praxis eingebunden werden können.
- Leibphänomenologie in der Psychiatrie
- Das Herner Modell der gemeindepsychiatrischen Versorgung
- Intuitives Spüren und professionelle Interaktion
- Die Rolle von Kunst und Ästhetik in der Therapie
- Krankheitserfahrung und Leibbewusstsein
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung beschreibt die Motivation der Autorin, sich mit dem Thema Leibphänomenologie in der Psychiatrie auseinanderzusetzen, ausgehend von persönlichen Erfahrungen in der Gemeindepsychiatrie. Sie hebt die Grenzen verbaler Interaktion hervor und kritisiert den Vorrang erlernter Fakten gegenüber intuitivem Spüren. Die Arbeit soll das Herner Modell der Klinik vorstellen und untersuchen, inwieweit leibphänomenologische Aspekte integriert sind, sowie Krankheit, insbesondere psychische Erkrankung, unter diesem Blickwinkel beleuchten. Schließlich wird die Frage nach der professionellen Anwendung der Leibphänomenologie in der Arbeit mit psychisch kranken Menschen gestellt, mit besonderem Fokus auf Atelier-Aktivitäten im Bereich Kunst.
2. Die Herner Psychiatrie St. Marien-Hospital: Dieses Kapitel präsentiert das Herner Modell der gemeindepsychiatrischen Klinik, das sich durch den Verzicht auf Aufnahmestationen, die heterogene Durchmischung der Stationen und offene Türen auszeichnet. Es basiert auf ethischen Prinzipien wie der Anerkennung der Würde der Person, ihrer Autonomie und Bedürfnisse. Das Modell steht im Gegensatz zu geschlossenen Anstalten und betont die Einbeziehung der Patienten in den Krankenhausalltag, um deren Persönlichkeit zu stärken und Verantwortung zu fördern. Das Kapitel beschreibt den alltäglichen Umgang mit psychisch kranken Menschen und die Maßnahmen, die bei Bedarf zum Schutz der Patienten ergriffen werden.
3. Die Umsetzung im klinischen Alltag: Dieses Kapitel beschreibt konkrete Beispiele der Umsetzung des Herner Modells im klinischen Alltag, darunter die Morgenrunde, das festliche Kaffeetrinken, stationsübergreifende Angebote, die Rolle der Delegierten, die Ateliers als Medium der Öffentlichkeitsarbeit sowie das Jakobus-Pilgerweg-Projekt und die Klinikzeitung. Diese Beispiele veranschaulichen die praktische Anwendung der Prinzipien des Herner Modells und zeigen, wie Alltagsstrukturen und Aktivitäten zur Förderung der Patienten beitragen. Der Fokus liegt auf der Integration der Patienten in die Gemeinschaft und die Stärkung ihrer Ressourcen.
4. Begriffsbestimmungen: Dieses Kapitel widmet sich der begrifflichen Klärung zentraler leibphänomenologischer Konzepte. Es definiert den Leib, die Zwischenleiblichkeit, Atmosphären und Ausdruckscharaktere (physiognomisch, synästhetisch, Bewegungsanmutungen). Diese Definitionen bilden die Grundlage für das Verständnis der folgenden Kapitel und ermöglichen eine präzise Analyse der leibphänomenologischen Aspekte in der Arbeit mit psychisch kranken Menschen.
5. Krankheit: Dieses Kapitel beleuchtet das Thema Krankheit, insbesondere psychische Erkrankungen, unter leibphänomenologischen Gesichtspunkten. Es untersucht den Zusammenhang von Krankheit und Eigenverantwortung, das Leibbewusstsein in Krankheit und Schmerz und schließlich das Leibbewusstsein in der psychischen Erkrankung, einschließlich der individuellen Perspektive des Patienten. Es legt den Fokus auf die subjektive Erfahrung der Krankheit und die Bedeutung des Leibes für das Verständnis psychischer Prozesse.
6. Professionelle Arbeit mit psychisch Kranken unter leibphänomenologischen Gesichtspunkten: Dieses Kapitel befasst sich mit der konkreten Anwendung leibphänomenologischer Prinzipien in der professionellen Arbeit. Es behandelt das intuitive Spüren im zwischenleiblichen Kontakt und die Rolle des ästhetischen Bereichs „Kunst“, veranschaulicht durch die detaillierte Beschreibung zweier Atelier-Projekte: eines zum 80. Geburtstag von Bernhard Heisig und eines zur Ausstellung von Edward Hopper. Diese Beispiele verdeutlichen den praktischen Einsatz leibphänomenologischer Ansätze in der therapeutischen Arbeit und deren Bedeutung für die Patienten.
Schlüsselwörter
Leibphänomenologie, Psychiatrie, Gemeindepsychiatrie, Herner Modell, intuitive Wahrnehmung, Ressourcenorientierung, Kunsttherapie, ästhetische Erfahrung, psychische Erkrankung, Zwischenleiblichkeit, professionelle Praxis.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Arbeit: Leibphänomenologie in der Psychiatrie des St. Marien-Hospitals Herne
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Integration leibphänomenologischer Aspekte in die Arbeit mit psychisch kranken Menschen im St. Marien-Hospital Herne. Sie analysiert das Herner Modell der gemeindepsychiatrischen Klinik hinsichtlich seiner leibphänomenologischen Komponente und zeigt, wie intuitive Wahrnehmung und ästhetische Erfahrungen in die professionelle Praxis eingebunden werden können.
Was ist das Herner Modell der gemeindepsychiatrischen Klinik?
Das Herner Modell zeichnet sich durch den Verzicht auf Aufnahmestationen, die heterogene Durchmischung der Stationen und offene Türen aus. Es basiert auf ethischen Prinzipien wie der Anerkennung der Würde der Person, ihrer Autonomie und Bedürfnisse. Es betont die Einbeziehung der Patienten in den Krankenhausalltag, um deren Persönlichkeit zu stärken und Verantwortung zu fördern.
Welche konkreten Beispiele für die Umsetzung des Herner Modells werden genannt?
Die Arbeit beschreibt die Morgenrunde, das festliche Kaffeetrinken, stationsübergreifende Angebote, die Rolle der Delegierten, die Ateliers (als Medium der Öffentlichkeitsarbeit), das Jakobus-Pilgerweg-Projekt und die Klinikzeitung als Beispiele für die praktische Anwendung der Prinzipien des Herner Modells.
Welche leibphänomenologischen Konzepte werden definiert?
Die Arbeit klärt die Begriffe Leib, Zwischenleiblichkeit, Atmosphären und Ausdruckscharaktere (physiognomisch, synästhetisch, Bewegungsanmutungen). Diese Definitionen bilden die Grundlage für das Verständnis der Analyse der leibphänomenologischen Aspekte in der Arbeit mit psychisch kranken Menschen.
Wie wird Krankheit, insbesondere psychische Erkrankung, unter leibphänomenologischen Gesichtspunkten betrachtet?
Die Arbeit untersucht den Zusammenhang von Krankheit und Eigenverantwortung, das Leibbewusstsein in Krankheit und Schmerz und das Leibbewusstsein in der psychischen Erkrankung, mit Fokus auf die subjektive Erfahrung der Krankheit und die Bedeutung des Leibes für das Verständnis psychischer Prozesse.
Wie werden leibphänomenologische Prinzipien in der professionellen Arbeit angewendet?
Die Arbeit behandelt das intuitive Spüren im zwischenleiblichen Kontakt und die Rolle des ästhetischen Bereichs „Kunst“. Dies wird durch detaillierte Beschreibungen von Atelier-Projekten (z.B. zum 80. Geburtstag von Bernhard Heisig und zur Ausstellung von Edward Hopper) veranschaulicht.
Welche Rolle spielt Kunst in dieser Arbeit?
Die Arbeit hebt die Bedeutung von Kunst und ästhetischen Erfahrungen in der Therapie hervor. Atelier-Aktivitäten werden als praktische Beispiele für den Einsatz leibphänomenologischer Ansätze in der therapeutischen Arbeit beschrieben und analysiert.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren den Inhalt dieser Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Leibphänomenologie, Psychiatrie, Gemeindepsychiatrie, Herner Modell, intuitive Wahrnehmung, Ressourcenorientierung, Kunsttherapie, ästhetische Erfahrung, psychische Erkrankung, Zwischenleiblichkeit, professionelle Praxis.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit besteht aus sechs Kapiteln: Einleitung, Die Herner Psychiatrie St. Marien-Hospital, Die Umsetzung im klinischen Alltag, Begriffsbestimmungen, Krankheit und Professionelle Arbeit mit psychisch Kranken unter leibphänomenologischen Gesichtspunkten.
Wo finde ich weitere Informationen zu den Atelier-Projekten?
Die Arbeit beschreibt detailliert zwei Atelier-Projekte: eines zum 80. Geburtstag von Bernhard Heisig (mit Beispielen wie "Regentag im Havelland" und "Allee im Lande Brandenburg") und eines zur Ausstellung von Edward Hopper im Kölner Museum Ludwig (mit Beispielen wie "Nighthawks"). Zusätzlich wird die Berichterstattung dieser Projekte in "Die Zeitung" erwähnt.
- Quote paper
- Dipl.-Sozialpädagogin/Dipl.-Sozialarbeiterin Carmen Frey (Author), 2006, Leibphänomenologisch orientierte Beiträge sozialer Arbeit in der Psychiatrie - Am Beispiel des St. Marien-Hospitals Herne, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68553