Die Science-Fiction-Filme von Paul Verhoeven


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Paul Verhoeven : Kreuzritter des Kinos

3. Das Gesetz der Zukunft: Robocop
3.1. Die Science-Fiction-Elemente in Robocop
3.2. Das Gesellschaftsbild in Robocop
3.3. Ein Subtext des Films: Christliche Symbolik

4. Der ultimative Marstrip: Total Recall
4.1. Das Spiel mit der Erinnerung
4.2. Das Gesellschaftsbild und die Science-Fiction-Elemente in Total Recall

5. Robcop und Total Recall im Vergleich

6. Mehr als ein High-Budget B-Film: Starship Troopers
6.1. Der dramaturgische Aufbau von Starship Troopers
6.2. Die Science-Fiction-Elemente in Starship Troopers
6.3. Das Gesellschaftsbild in Starship Troopers
6.4. Der Neofaschismus in Starship Troopers

7. Zukunftsentwürfe und Subtexte in den Science-Fiction Filmen von Verhoeven

8. Filmographie

9. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der niederländische Regisseur Paul Verhoeven gehört zweifellos zu den umstrittensten Regisseuren des gegenwärtigen Kinos. Mit kalkulierten Grenzüberschreitungen wie exzessiven Gewaltdarstellungen, morbider Erotik und detailliert dargestellter Dekadenz, provoziert er die Selbstzensur der amerikanischen Filmindustrie. Seine Filme sind keineswegs von diskreter Art, sondern drastisch, extrem und bedrängen das Auge auch dann noch, wenn man eigentlich wünschte, die Kamera würde den Blick abwenden. Ein Kritiker beschrieb Verhoevens Oeuvre folgendermaßen:

„Sein Kino strauchelt berserkerhaft zwischen Transgression und angestrengtem Camp, feiert blutige Slasher-Orgien und versucht sich durch amüsant gemeinte Anleihen beim B-Movie aus der Affäre zu ziehen.“ (vgl. Merschmann 2000).

Verhoevens Filme sind zutiefst zynisch und sarkastisch. Dank seiner großen kommerziellen Erfolge Robocop (USA 1987), Total Recall (USA 1990) und Basic Instinct (USA 1992) konnte er sich einen Nischenplatz im System Hollywoods sichern. Beeinflusst von klassischen Regisseuren wie Alfred Hitchcock, Jean Renoir, Sam Peckinpah oder Sergej Eisenstein, inszenierte er zum Beispiel mit Basic Instinct einen Meilenstein des Erotikthrillers und mit Robocop eine Science-Fiction Satire, durch die „eine neue Kaltschnäuzigeit in der Darstellung von Gewalt in den amerikanischen Film Einzug hielt“ (vgl. Stiglegger 1998: 21).

Die folgende Arbeit setzt sich mit Verhoevens Science-Fiction Filmen Robocop, Total Recall und Starship Troopers auseinander. Nach einer kurzen biografischen Einführung wird gezeigt, welche Zukunftsentwürfe in diesen Filmen dargestellt werden. Dabei ist es sinnvoll Robocop und Total Recall in einem gemeinsamen Kontext zu betrachten und miteinander zu vergleichen. Beide Filme behandeln eine Thematik, die für Science-Fiction Filme der 80er und frühen 90er Jahre charakteristisch ist. Starship Troopers hingegen greift einen Plot auf, der eher auf die Science-Fiction-Filme der 50er Jahre zurückgeht, und ist vor allem durch seine Ikonographie bemerkenswert. Da es sich bei allen drei Filmen um Werke von Paul Verhoeven handelt, wird die Arbeit typische Inszenierungselemente und bevorzugte Subtexte berücksichtigen, die sich zum Teil auch in seinen anderen Filmen wiederfinden lassen. Die Ergebnisse werden zeigen, was die Filme von diesem außergewöhnlichen Regisseur bemerkenswert macht. Leider kann aus Gründen des Umfangs nicht auf jeden Aspekt der Filme eingegangen werden. Der Schwerpunkt, besonders im Teil über Starship Troopers, liegt auf der Darstellung der Gesellschaftsstrukturen und der charakteristischen Science-Fiction-Elemente.

2. Paul Verhoeven : Kreuzritter des Kinos

Verhoeven wurde am 18.7.1938 in Amsterdam geboren. Eine Zeit, in der sich Holland zwischen Kollaboration und Widerstand befand. Er sah, wie Flugzeuge der Alliierten von den Flakstellungen der Deutschen abgeschossen wurden. Als er sechs Jahre alt war, wurde er von Wehrmachtssoldaten an die Wand gestellt und seine Erschießung angetäuscht. Durch die Kriegserfahrungen, die Verhoeven als kleiner Junge machte, wurde Gewalt zu einem seiner filmischen Ausdrucksmittel. Überhaupt verarbeitet Verhoeven häufig Erlebnisse aus seiner Kindheit und Jugend und zitiert häufig die Filme anderer Regisseure. Die berühmte Verhörszene von Sharon Stone in Basic Instinct geht auf ein persönliches Erlebnis aus seiner Studienzeit zurück (Scheers 1997: 243).

Nach Ende des zweiten Weltkrieges studierte Verhoeven Mathematik und Physik an der Universität von Leyden und promovierte über Einsteins Relativitätstheorie. Während seiner Studienzeit realisierte er in seiner Freizeit mit Kommilitonen erste Kurzfilme und besuchte im Anschluss an sein Studium die Amsterdamer Filmhochschule. Seine Militärzeit absolvierte er als Kameramann und Fotograf bei der königlichen holländischen Marine. 1967 inszenierte Verhoeven für das holländische Fernsehen die Dokumentation Porteet van Adrian Mussert über den Führer der faschistischen Partei Hollands (1931-1945) und die populäre Fernsehserie Floris (1968-1970), wo er das erste Mal mit seinem späteren Stammschauspieler Rutger Hauer zusammenarbeitete. Mit Was sehe ich? Was sehe ich? gab er 1971 sein Kinodebüt. Der Film beschreibt auf gesellschaftskritische, witzige Weise die Welt zweier Prostituierten in Amsterdam. Internationale Aufmerksamkeit erlangte Verhoeven bereits mit seinem zweiten Spielfilm Türkische Früchte (1973), einer Art Eigeninterpretation der Love Story (USA 1970 – Regie: Arthur Hiller). Der „unverkrampfte Umgang mit erotischen Details, Promiskuität und jugendlichen Subkulturen“ hinterließ bei der amerikanischen Oscar-Kommission einen bleibenden Eindruck: Türkische Früchte wurde für den Oscar als bester ausländischer Film nominiert (vgl. Stiglegger 1999: 713). Danach folgten die Literaturverfilmung Das Mädchen Keetje Tippel (1975) und der international hoch angesehene Soldiers (1977), der 1980 mit dem Golden Globe ausgezeichnet wurde. Durch diesen Erfolg wurde Hollywood auf Verhoeven aufmerksam. George Lucas wollte ursprünglich Verhoeven für die Regie von Rückkehr der Jedi-Ritter (1983 – Regie: Richard Marquand) verpflichten, und Steven Spielberg wollte ihn ebenfalls zur Emigration in die USA überreden. Doch Verhoeven wollte zunächst weiterhin in Europa bleiben . Soldiers und der danach realisierte Fernsehfilm All things pass (1979) sagen bereits viel über Verhoevens Umgang mit militaristischen und faschistischen Elementen aus (Stiglegger 1997: 27). Auf Soldiers wird noch im Zusammenhang mit Starship Troopers näher eingegangen werden. Mit drastischer Konfrontationsästhetik zeigt Verhoeven in Spetters (1980) die Vergewaltigung eines Mannes, und in seinem hoch gelobten und mit sieben internationalen Auszeichnungen bedachten Erotikthriller Der vierte Mann (1983), die Wollust eines Homosexuellen nach dem nackten Leib Christus. Besonders in Der vierte Mann wird Verhoevens Hang zu symbolgeladenen, streng stilisierten Einstellungen und Farbtableaus (Rot und Blau) überdeutlich (Stiglegger 1999: 714). Bevor Verhoeven für Robocop endgültig in die USA emigrierte, dreht er noch 1985 die holländisch-amerikanische Koproduktion Fleisch und Blut. Der Film soll eine mittelalterliche Variante von Wild Bunch (USA 1969 – Regie: Sam Peckinpah) sein, fand beim Publikum allerdings wenig Anklang, da das Genre des Barbaren- und Ritterfilms bereits mit Conan (USA 1982 – Regie: John Milius) sein Anfang und Ende nahm. In den USA inszenierte Verhoeven mit den beiden Science-Fiction-Filmen Robocop und Total Recall und dem Erotikthriller Basic Instinct drei Blockbuster in Folge und kann sich als einer der kommerziell erfolgreichsten Regisseure etablieren. Mit seinem nächsten Film Showgirls (1995) landete er allerdings einen gewaltigen Flop und wurde mit der Goldenen Himbeere ausgezeichnet, die er immerhin als bislang einziger Regisseur persönlich entgegen nimmt. 1997 kehrte Verhoeven mit Starship Troopers zum Science-Fiction-Genre zurück, konnte aber nicht an die Erfolge von Robocop und Total Recall anknüpfen. Auch sein jüngster Film Hollow Man (2000) war nur mäßig erfolgreich. Seit Jahren plant Verhoeven Filme über Jesus und über die Kreuzzüge. Zu Verhoevens bevorzugten Mitarbeitern gehören unter anderem die renommierten Kameramänner Jost Vacano (Soldiers, Robocop, Total Recall, Starship Troopers) und Jan de Bont (Der vierte Mann, Basic Instinct, Fleisch und Blut, Türkische Früchte), sowie die Schauspieler Rutger Hauer (Türkische Früchte, Soldiers, Spetters, Fleisch und Blut), Jeroen Krabbé (Der vierte Mann, Soldiers, Spetters), Monique van de Veen (Türkische Früchte, Das Mädchen Keetje Tippel) und Renée Soutendijk (Spetters, Der vierte Mann).

3. Das Gesetz der Zukunft: Robocop

Mit Robocop debütierte Verhoeven nicht nur in Hollywood, er drehte auch seinen ersten Science-Fiction-Film. Der Film spielte weltweit 120 Millionen Dollar ein und sorgte wegen seiner drastischen und detaillierten Gewaltdarstellungen für Aufregung (Scheers 1997: 10). Der Regisseur musste der US-Zensur acht verschiedene Schnittfassungen vorlegen, bis diese bereit war, ein „R“ Rating zu erteilen. Robocop startete in den USA in 1585 Kinos und bekam überwiegend positive Kritiken. Die Washington Post kündigte den Film auf der Titelseite mit der Schlagzeile „Hardware with a heart – Paul Verhoevens riveting Robocop“ an, und Newsweek schrieb:

„The triumph of Verhoevens slick, lively movie is that it never loses its soul to its hardware. It´s got a fresh, B-Movie spirit; even as it slams you against the wall, it`s tickling your ribs.“ (zitiert nach Scheers 1997: 189).

Die Zeitschrift L.A. Weekly bezeichnete Robocop als „brutal, subversiv und unwahrscheinlich komisch“ (ebd.), während andere Kritiker wie der Science-Fiction Autor Harlan Ellison den Film in der Luft zerrissen.

Die Ankündigung Verhoevens, mit Robocop den gewaltätigsten Film aller Zeiten zu drehen, trifft allerdings nur bedingt zu. Genaugenommen erweist sich der Film als bittere Kapitalismus-Satire. In ähnlicher Weise wie die Science-Fiction Filme der 50er Jahre den Kalten Krieg thematisierten, in denen extraterrestrische Invasoren als Russen bzw. Kommunisten verstanden werden dürfen, lassen sich in Robocop Referenzen zur Reagan Ära ausmachen (Scheers 1997: 186). Dies zeigt sich besonders im privatisierten Polizeiapparat und der Macht des Wirtschaftskonzerns OCP. Zudem ist der Film voller Zynismus und Ironie, was sich besonders in den Mediabreaks und Werbespots zeigt, wo gelackte Moderatoren die neuesten Meldungen des Tages verkünden und atomare Gesellschaftsspiele für Unterhaltung in der Familie sorgen. Gleichzeitig kritisiert Verhoeven auf diese Weise die amerikanische Fernsehrealität. Der Film kann auch als satirische Übersteigerung von Law-and-order Phantasien gedeutet werden, der eine erschreckende Vorausprojektion auf eine Gesellschaft liefert, die durchaus realistisch erscheint. Im Gegensatz zu anderen Science-Fiction Filmen, wie Things to come (GB 1936 – Regie: William Cameron Menzies), wo die Zukunft in strahlendstem Weiß erscheint, liefert Robocop gleich von Beginn an den Entwurf einer Hölle auf Erden. Die Gewalt im Detroit der Zukunft ist kaum mehr vom privatisierten Polizeiapparat kontrollierbar.

Obwohl der Film auf keiner Comicvorlage basiert, kann er durchaus als Comicthriller bezeichnet werden: Der übermächtige Schatten von Robocop, in der Sequenz in der er die Vergewaltigung einer Frau verhindert, oder der verätzte Emil (Paul McCrane) sind charakteristische Comicdarstellungen. Diese „Überzeichnung von Charakteren und Situationen verleugnet die augenzwinkernde Perspektive an keiner Stelle und leistet sich so blutige Exzesse und zynische Kommentare in Anlehnung an die Monty Python- Spielfilme der 70er Jahre“ (vgl. Stiglegger 1998: 22).

Die brilliante Kameraarbeit von Jost Vacano und die Schnitttechnik von Frank Urioste sorgen für ein immenses Tempo, welches dem Film gut tut. Die schnellen Action-Sequenzen erinnern an Terminator (USA 1984 – Regie: James Cameron), und die industrielle Atmosphäre und Ausleuchtung an Subway (F 1985 – Regie: Luc Besson) (Scheers 1997: 200).

3.1. Die Science-Fiction-Elemente in Robocop

Robocop kann eindeutig als Science-Fiction Film bezeichnet werden. Der Film enthält charakteristische Elemente des Genres. Im Vordergrund steht die Verschmelzung von menschlichem Körper und Maschinenteilen. Diese Cyborg-Thematik wurde gegen Ende der 80er und zu Beginn der 90er Jahre in zahlreichen Filmen aufgegriffen. Dabei handelte es sich allerdings meistens um billig produzierte Massenware wie Cyborg (USA 1989 – Regie: Albert Pyun), Nemesis (USA 1993 – Regie: Albert Pyun) oder Cyborg Warriors (USA 1993 – Regie: Albert Pyun). Im Mittelpunkt vieler Cyborg-Filme steht die bewusste oder unbewusste Sehnsucht des Menschen nach der Verschmelzung mit einer Maschine in einer technisierten Welt. Dies kann auf mentaler Ebene (Cyberspace) geschehen, wie es in den Filmen Der Rasenmäher-Mann (USA 1992 – Brett Leonard) und Virtuosity (USA 1995 – Regie Brett Leonard) thematisiert wird, oder wie bei Robocop auf physischer Ebene. Verhoevens Film zeigt das Leiden der Verschmelzung von Maschine und Mensch, das Klagen über den Verlust der Menschlichkeit, der eigenen Individualität und der Sehnsucht nach der heilen (Familien)welt (Stiglegger 1998: 22). Robocop wirkt dabei wie ein Übermensch bzw. der letzte Mensch. Sein Körper ist die Bastion der eigenen Individualität. Im Film wird dies deutlich, als Robocop nach Wiedererlangung seines Gedächtnises, auf die Suche nach seiner Familie geht. Er findet jedoch nur ein verlassenes Haus vor. Der Zuschauer wird durch Flashbacks mit Bildern aus vergangenen Familientagen konfrontiert. Zu dieser Zeit war die Welt von Murphy und seiner Familie noch in Ordnung. Der Verlust der Familie wird später im Film verdeutlicht, als Robocop Breigläser zerschiesst, auf denen Motive von Kleinkindern abgebildet sind. Erst Jahre später zeigt Crash (USA 1996 – Regie: David Cronenberg), dass sich das technisierte „Neue Fleisch“ dieser Symbiose mit Genuß hingibt.

Neben dem zentralen Cyborg Motiv gibt es in Robocop weitere Elemente des Science-Fiction-Films. Die Figur Dick Jones (Ronny Cox) verkörpert den Machthaber, der mit Gewalt die Herrschaft über Delta City erlangen will. Neben Robocop als positive Technologie, die Gesetze befolgt und die Bevölkerung schützt, gibt es negative Technologien wie die Killermaschine ED-209, die durch fehlerhafte Programmierung einen unschuldigen Mitarbeiter von OCP tötet. Überhaupt existiert im Film eine totale Technisierung, was zu der von Verhoeven dargestellten Antiutopie führt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die Science-Fiction-Filme von Paul Verhoeven
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Seminar für Filmwissenschaft)
Veranstaltung
Hauptseminar Postfuturismus
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
23
Katalognummer
V685
ISBN (eBook)
9783638104494
Dateigröße
424 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Science-Fiction-Filme, Paul, Verhoeven, Hauptseminar, Postfuturismus
Arbeit zitieren
Andrej Balzer (Autor:in), 2001, Die Science-Fiction-Filme von Paul Verhoeven, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/685

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