"Panem et circenses - Brot und Spiele". Die Macht der römischen Unterhaltungskultur


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

59 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Gliederung

Abbildungsverzeichnis

Einleitung

1. Die staatlichen Getreidespenden und das Prinzip des Euergetismus in der Antike
1.1. Die staatlichen Getreidespenden
1.1.1. Der römische Staat - ein welfare state?
1.1.2. Vom Getreideverkauf zur Getreideschenkung
1.1.3. Die staatliche Annona - Aufgabenbereich der Aedilen
1.1.4. Bewertung der Getreideverteilung
Das Prinzip des Euergetismus in der Antike
1.2.1. Terminologie
1.2.2. Bedeutung von Schenkungen
1.2.3. Bewertung und Zusammenfassung

2. Die römischen Spiele
2.1. Der römische Festkalender
2.2. Wer finanzierte die Spiele?
2.3. Die Wettkämpfe
2.4. Die Gladiatorenkämpfe
2.4.1. Gladiatorenkämpfe - ein Ritual der Etrusker
2.4.2. Entwicklung in der römischen Republik
2.4.3. Wer wurde Gladiator ?
2.4.4. Wer kämpfte in der Arena?
2.4.5. Die Ausbildung der Gladiatoren
2.5. Der Ablauf eines römischen Festtages
2.5.1. Die Vorbereitungen.
2.5.2. Die Geschehnisse am Vormittag
2.5.3. Die Geschehnisse am Nachmittag
2.5.4. Die Seeschlachten des Augustus
2.6. Die Arenen
2.6.1. Das Kolosseum
2.6.2. Der Circus Maximus
2.7. Zeitgenössische Kritik und das Ende der Spiele
2.8. Unterhaltungskultur damals und heute

3. Führten „Brot und Spiele“ zur Entpolitisierung der Plebs urbana?
3.1. Die politische Entmündigung der Plebs urbana
3.1.1. Politische Wahlpropaganda in Rom
3.1.2. Politik wird zum Privatunternehmen
3.1.3. Wahlbeeinflussung und Manipulation
3.1.4. Zusammenfassung
3.2. Politische Initiativen der Plebs urbana
3.2.1 Politische Geschlossenheit als Machtinstrument des Volkes
3.2.2. Der Aufstand gegen Cleander im Jahr 190 n.Chr
3.2.3 Der Circus als Ort politischer Demonstration
3.2.4 Die öffentlichen Spiele als politisches Stimmungsbarometer für den Herrscher
3.3. Bewertung und Zusammenfassung

4. Fazit und Bewertung

Literaturverzeichnis

Zeitschriften

Quellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: nach Durant, Will; Der Aufstieg Roms und das Imperium (= Kulturgeschichte der Menschheit, Bd. 4), München 1977, S.412.

Abbildung 2: Geschichte lernen. Sammelband Antike, Velber 1996, S.122

Einleitung

„Das römische Volk ist völlig gleichgültig geworden. Früher bestimmte es die Vergabe von Ämtern, Befehlsgewalt und Legionen. Heute besteht darin kein Interesse mehr, das Volk hat nur noch zwei Wünsche: panem et circenses - Brot und Spiele.“[1]

Mit diesem bekannten Ausspruch setzte der bekannte römische Satiriker, Decimus Iunius Iuvenalis (59-130), nicht nur sich ein Denkmal, sondern er charakterisierte damit auf eindrucksvolle Weise die Situation der römischen Gesellschaft in der Kaiserzeit, die zahlreiche Autoren und Historiker zum Anlass nahmen, sich diesem Thema zu widmen. Doch waren die von Iuvenal angesprochenen Getreidespenden und Spiele, die der römischen Bevölkerung geschenkt wurden, ein machtpolitisches Mittel, das zur Ohnmacht und Trägheit der Regierten führte oder war es ein legitimes Instrument zur Machtsicherung seitens der Regierenden, das auf der Liebe zur Bevölkerung basierte? Diese Fragestellung bildet die Grundlage dieser Arbeit.

Dass auch nach über 2000 Jahren die antike Welt immer noch lebendig ist, beweist unter anderem die Tatsache, dass erst vor wenigen Tagen der Film „Gladiator“ bei der Oscar Verleihung mehrere Auszeichnungen erhielt. Auch wenn dieses Heldenepos die Vergangenheit in ihrer Sachlichkeit nur wenig berührt und Spezialeffekte das historische Detail und den guten Geschmack unter sich begraben, zog er weltweit Millionen von Zuschauern in die Kinos, die sich auch heute noch für die antike Massenunterhaltung begeistern können.

Über 600 Jahre lang erfreuten die grausamen Kampfspiele der Gladiatoren in der antiken römischen Welt ein breites Publikum. Doch wie entstanden diese Kampfspiele, wer führte sie durch und worin bestand ihre große Anziehungskraft, die Tausende von Zuschauern in die Arenen und Amphitheater lockten?

Ein Kapitel dieser Arbeit beschäftigt sich eben mit diesem Komplex der Gladiatorenspiele, als ein Mittel der Massenunterhaltung. Dabei steht die Entwicklung der Gladiatorenkämpfe genauso im Mittelpunkt, wie die Kämpfer und die verschiedenen Spiele an sich. Aber auch ein Vergleich zwischen der antiken und modernen Unterhaltungskultur wird gewagt.

Doch zuvor wird in einem Kapitel dem ebenfalls im Zitat des Iuvenal erwähnten Problem der Getreideschenkungen in der Antike nachgegangen. Ob beide Bereiche, die Massenunterhaltung und die Getreideschenkungen, letztendlich zur Entpolitisierung der römischen Bevölkerung führten, soll in einem dritten Kapitel diskutiert werden.

Bei dieser Arbeit wird versucht, nicht nur ein weites Feld zwischen römischer Politik und Gesellschaft zu beschreiten, sondern auch in allen Themenfeldern ein gesundes Maß in der Schwerpunktsetzung zu finden, ohne dabei aber dem Anspruch der Vollständigkeit in Umfang und Detail gerecht werden zu können.

Als Literaturgrundlage beziehe ich mich neben den zeitgenössischen Quellen von Caesar, Augustus, Sueton und Cicero, vor allem als Sekundärliteratur auf Paul Veyne, der in seinem Werk „Brot und Spiele“ die These der Entpolitisierung durch die Massenunterhaltung der römischen Bevölkerung und das Phänomen des Euergetismus sehr genau nachzeichnet. Wie in der Literaturliste ersichtlich, habe ich neben älteren Werken auch auf neuere Werke zu diesem Thema zurückgegriffen, soweit dies möglich war.

1. Die staatlichen Getreidespenden und das Prinzip des Euergetismus in der Antike

1.1. Die staatlichen Getreidespenden

1.1.1. Der römische Staat - ein welfare state?

Am Ende der Expansionsphase der römischen Republik 133 v.Chr. hatte Rom zahlreiche Gebiete erobert und als Provinzen eingerichtet. So dienten vor allem Sizilien und Asia als Kornkammer des römischen Reiches, die die Grundlage für eine ausreichende Getreideversorgung vor allem für die Stadtbevölkerung Roms waren.

Um die Versorgung der Bevölkerung mit Getreide zu steuern und zu garantieren, führte Gaius Sempronius Gracchus im Jahr seines Volkstribunats 123 v.Chr. die Reformpläne seines älteren Bruders Tiberius fort und erließ das Getreidegesetz, die lex frumentaria. Mit diesem Gesetz wurde die Verteilung von billigerem Getreide an alle Bürger Roms festgelegt, das bis zum Ende des Reiches erhalten blieb. Es galt das marktwirtschaftliche Prinzip des konstanten Marktpreises, entsprechend einem welfare state. Dabei ging es aber weniger um die Verteilung an sich, sondern mehr um den garantierten Verkauf einer gewissen Getreidemenge zu einem Festpreis an den Verbraucher, der genügend Geld besaß.

Die im Zitat des Iuvenal angesprochene Getreideversorgung, die hinter dem Schlagwort „Brot“ steckt, muss aber kritisch betrachtet werden. Es ging ihm weniger um die Polemisierung der öffentlichen Getreideversorgung, als darum, auf das politische Desinteresse der römischen Bevölkerung aufmerksam zu machen und dieses zu kritisieren. Ob die Getreideverteilungen aber zur Ohnmacht der Regierten beitrug, bleibt fraglich, ebenso wie der Vorwurf, dass die Getreideversorgung zur Untätigkeit der römischen Bevölkerung führte.

Der Ausspruch Iuvenals besagt nämlich nicht, dass die Einwohner Roms tagein tagaus im Circus gesessen haben und mittels staatlicher Vollverpflegung für ihren Unterhalt nicht hätten arbeiten müssen. Man muss sich vor Augen halten, dass die monatliche Ration an Getreide etwa fünf modii (Scheffel) betrug, etwas mehr als eine Person verbrauchte. Allerdings war nur der männliche Bürger mit Wohnsitz in Rom zum Empfang berechtigt. Familien konnten daher von dieser staatlichen Schenkung nicht existieren. Abgesehen vom Getreide mussten zur täglichen Versorgung auch noch andere Lebensmittel gekauft werden. Dazu kamen noch die horrenden Mieten, die in der Stadt Rom gezahlt werden mussten.[2]

Angesichts dieser Tatsachen, dass das römische Gemeinwesen keine weiteren Sozialleistungen im modernen Sinne kannte, ist der Gedanke einer staatlichen Rundumversorgung aller Bürger völlig absurd. Natürlich gab es an bestimmten Festtagen großzügige Geschenke der Politiker und Kaiser an das Volk, aber diese Aktionen waren nicht vorhersehbar und regelmäßig.

1.1.2. Vom Getreideverkauf zur Getreideschenkung

Das Getreidegesetz des Gaius Gracchus beabsichtigte nicht, die Plebs zu ernähren und zum Nichtstun anzuhalten, sondern um den Bürgern, ihren Familien und auch Sklaven eine ausreichende Getreideversorgung zu gewährleisten.[3]

Festzuhalten ist, dass das Gesetz des Gaius Gracchus die in Rom wohnenden Bürger berechtigte, eine gewisse Menge an Brot preiswert zu kaufen, was auf Kosten der Untertanen des Reiches, vor allem der Provinzen, ging. Ob es allerdings das Ziel Gaius war, die Früchte der Eroberungen mittels dieses Gesetzes gleichmäßig unter der Bevölkerung aufzuteilen und jede soziale Schicht davon profitieren zu lassen, kann an dieser Stelle nur vermutet werden.

Auch wenn das Gesetz des Gaius Gracchus bis zum Ende des Reiches erhalten blieb, wurde es häufig verändert. In den letzten Jahren der Republik, als 62 v. Chr. Catilina zur Bedrohung wurde, brachte Cato in aller Eile ein Getreidegesetz ein, das zwar auf dem gracchischen Gesetz basierte, aber es stark veränderte. Fortan ging es nicht mehr um den preiswerten und organisierten Verkauf einer bestimmten Menge Getreide an die römische Stadtbevölkerung, sondern um die kostenlose Verteilung einer bestimmten Getreidemenge an jeden Bürger, der sich in Rom aufhielt. Diese kostenlose Getreideausgabe war eine Neuerung, die dann durch den Volkstribun Clodius 58 v.Chr. eingeführt wurde.[4]

Folge dessen war, dass das kostenlose Getreide eine Vielzahl der im Elend Lebenden nach Rom zog, die in der Stadt ihr Glück finden wollten. Sallust schreibt dazu: „Wer auf dem Land nur von dem Einkommen seiner Hände Arbeit leben konnte, wurde wegen der großzügigen privaten Spenden von Rom angezogen.“[5] Damit einher gingen aber vor allem Verschlechterungen in der Lebensqualität in Rom. Die Stadt entwickelte sich zu einer einzigen Kloake und Pompeius schlug vor, die Stadt trockenzulegen und das italische Land wieder zu besiedeln.[6] Das Gesetz des Clodius war somit finanziell und sozial ein Fass ohne Boden und stellte für die Stadt Rom ein Drama, eine Gefahr, eine offenen Schande dar.

Diesem Problem wurde erst durch Caesar allmählich Abhilfe verschafft. Zu seiner Zeit gab es etwa 320 000 Bürger in der Stadt Rom, die von dieser kostenlosen Getreidevergabe profitierten. Während seiner Regierungszeit begrenzte er allerdings diese Zahl auf 150 000, um die stete Zuwanderung einzudämmen.

1.1.3. Die staatliche Annona - Aufgabenbereich der Aedilen

Das gracchische Gesetz hatte nicht zum Ziel, das Volk in Faulheit leben zu lassen und es durch die Bedürfnisbefriedigung zu erkaufen, sondern das Gesetz sollte mit Nachdruck dem Prinzip Geltung verschaffen, dass es Aufgabe des Staates ist, eine ausreichende Versorgung des Marktes mit Getreide zu garantieren.

Es war vor allem die Aufgabe der Aedile die Getreideversorgung der Stadt zu organisieren und so eine ausreichende Menge an Getreide zu einem angemessenen Preis auf dem Markt anzubieten. Dieses Prinzip versteckt sich hinter dem Begriff der Annona, der cura annonae. Auch Cicero formuliert in seiner Schrift „De officiis“ dieses grundlegende Gesellschaftsprinzip: „Und alle, die das Gemeinwesen steuern, werden auch darum sich sorgen müssen, daß die zum Leben notwendigen Dinge reichlich da sind.“[7] Die Nahrungsmittelversorgung Roms oblag daher in der Regel der privaten Initiative der Aedilen.

Dass dies keine leichte Aufgabe war beweist die Tatsache, dass ungefähr ein Kilo Getreide pro Person pro Tag zur Verfügung gestellt werden musste. Dies war mit immensen Kosten verbunden und ging zu Lasten der getreidefördernden Provinzen. Es gab aber auch Transportschwierigkeiten, die oftmals zu Engpässen bei der Versorgung der Stadtbevölkerung Roms führten. Hungersnöte und Volksaufstände waren dann keine Seltenheit.

Um die Bereitstellung von billigem Getreide auf dem Markt aber weiterhin zu gewährleisten, mussten die Aedile tief in die eigene Tasche greifen, auch um Teuerungen der Getreidelieferungen abzufangen. Der Aedil besetzte somit die Rolle eines Mäzenaten. Eine Geste, die ihm aber auch Popularität verschaffte. Ein Aspekt, der beim Aufstieg innerhalb der Ämterlaufbahn eine wichtige Rolle spielte. Doch dazu an anderer Stelle mehr.

Die cura annonae der vier Aedile ging im Kaiserreich an die mächtige kaiserliche Verwaltung über. Die Nahrungsmittelversorgung war somit nicht mehr den Aedilen überlassen. Der Hauptgrund war letztendlich auch das ruinöse Geschäft, das sich hinter der Getreideversorgung verbarg, die von einer oder in diesem Fall vier Personen allein nicht mehr zu organisieren und zu finanzieren war.

Der Argumentation von Paul Veyne folgend, wird auch noch ein weiterer Beweggrund an dieser Stelle deutlich. Die hohe Bevölkerungszahl in der Stadt war für Privatunternehmen zu groß geworden, um sie nach den Gesetzen des freien Marktes zu versorgen. Der Staat konnte es sich nicht leisten, mit Verlust zu verkaufen. Da die Transportkosten zu hoch waren und weil ein privates Unternehmen dieser Aufgabe nicht gewachsen war, organisierte der Staat die kostenlose oder preiswerte Versorgung der Bevölkerung mit Getreide. Er verschenkte daher sein Getreide größtenteils, bevor er es an die zahlungsunfähige Bevölkerung zu verkaufen versuchte. Das kostenlose Getreide versteht sich somit als eine Art Einkommenszuschlag für die Stadtbevölkerung Roms.[8]

1.1.4. Bewertung der Getreideverteilung

Mommsen sieht die Frumentationen, die Getreideverteilung, als eine Armenversorgung im modernen Sinne, in dem er sagt: „die erste jener heute so unzählbaren wie segensreichen Anstalten, in denen das unendliche menschliche Erbarmen mit den unendlichen menschlichen Elend ringt.“[9] Dies lässt sich aber widerlegen, nicht zuletzt durch ein Zitat des Sueton. In seiner Augustus Biographie berichtet er, dass Augustus einmal von der monatlichen zur viermonatlichen Ausgabe der Marken für den kostenlosen Getreidebezug nur deswegen übergehen wollte, „damit nicht die plebs der kostenlosen Getreideverteilung wegen allzu häufig von ihren Geschäften abgehalten würde.“[10]

Die Vermutung, die Plebs urbana als insgesamt untätige und beschäftigungslose Masse zu sehen, ist somit nicht tragbar. Wie bereits aufgezeigt wurde, besaßen die staatlichen Getreideverteilungen auch nicht den Umfang, um alle in der Stadt lebenden Menschen zu versorgen, da es lediglich ein Privileg für den römischen Bürger war, von anderen Lebensmitteln ganz zu schweigen. Somit lässt sich die Frumentation als eine Art politische Privilegierung der hauptstädtischen Bevölkerung bezeichnen, hinter der aber auch machtpolitische Absichten der Regierenden standen.[11] Desweiteren verbirgt sich hinter der staatlichen Getreideversorgung auch ein wirtschaftlicher Aspekt.

Durch die Subventionierung der Getreideversorgung wurde gleichzeitig die Kaufkraft der Plebs urbana für Wein und Olivenöl aus Italien erhöht, was zur Förderung der inländischen Wirtschaft und zur Steigerung der Wirtschaftskraft führte.[12]

Dennoch besaß die Getreidefrage für die breite Masse der Bevölkerung eine besonders große Bedeutung, die einen wichtigen Einfluss auf das politische Bewusstsein der Plebs urbana hatte. Die Annona war ein wichtiges Machtmittel der Regierenden, ihren politischen Einfluss auf die römische Bevölkerung auszuüben. Wer auch in schwierigen Zeiten die Getreideversorgung aufrechterhielt, konnte lange Zeit auf einer Welle der Sympathie von der Stadtbevölkerung getragen werden und auf personellen Beistand hoffen.

Doch diesem Thema, der Entpolitisierung und der politischen Manipulation der römischen Bevölkerung, wird ein extra Kapitel gewidmet.

Das Prinzip des Euergetismus in der Antike

1.2.1. Terminologie

Schenkungen und die Großzügigkeit der Regierenden gegenüber den Städten oder der Plebs nimmt in der antiken Lebenswelt eine bedeutende Stellung ein. Doch welche Beweggründe gab es, die die Mäzenaten zu diesen Handlungen trieben? War es nur die Jagd nach Wählerstimmen oder stand wirklich das Interesse am Wohle des Volkes dahinter? Im folgenden Abschnitt wird diesem Problem nachgegangen, was sich hinter dem Phänomen des Euergetismus verbirgt.

Terminologisch betrachtet stehen die Worte Mäzen und Euerget in einem engen Zusammenhang. Das Wort „Mäzen“ geht auf den Vertrauten Kaisers Augustus, Gaius Cilinus Maecenas, zurück, der ein besonderer Gönner der Dichter Horaz und Vergil war. Der Mäzen bezeichnet somit einen wohlhabenden Privatmann, der sich vor allem der finanziellen Unterstützung in den Bereichen Kunst, Kultur und Sport widmet.

Aber auch im Bereich der großzügigen Getreideschenkungen und Verteilungen findet dieser Begriff seine berechtigte Verwendung.

Hingegen ist das Wort „Euergetismus“ ein Neologismus, eine Wortneuschöpfung, die auf André Boulanger und Henri Marrou zurückgeht. Geprägt wurde dieser Bgriff durch die offizielle Formel hellenistischer Dekrete, in der es die Aufgabe einer Stadt sein, durch Geld oder Aktivitäten etwas Gutes zu tun. Euergesie beschreibt somit eine Art Wohltätigkeit, hinter der der Hunger nach Ruhm und Ehre steht.[13]

Der Begriff des Euergetismus lässt sich in zwei Varianten gliedern. Zum einen spricht man vom freiwilligen Euergetismus, wenn der Reiche spontan und bereitwillig Geld für öffentliche Ausgaben spendet, die in erster Linie dem öffentlichen Vergnügen, in Form von Arenen, Circusspielen und Banketten dienten, Ausgaben die außerhalb jedweder Verpflichtung stehen. Zum anderen spricht man vom verpflichtenden Euergetismus, euergetismus ob honorem, wenn sich eine Privatperson aus Anlass der Wahl für ein öffentliches Amt, also einer Magistratur oder städtischen Funktion, bewirbt und im Vorfeld durch großzügige Spenden oder Ausgaben zum Wohle der Öffentlichkeit seinen moralischen und rechtlichen Verpflichtungen nachkommt. Allerdings lässt sich diese Differenzierung in Wirklichkeit nicht immer genau nachvollziehen und begründen. Festzuhalten bleibt, dass die spontane Großzügigkeit bei der Entwicklung des Euergetimus von grundlegender und ausschlaggebender Bedeutung war.[14]

1.2.2. Bedeutung von Schenkungen

In diesem Zusammenhang sollen auch einige Ausführungen zum Phänomen der Schenkungen, als einem bedeutenden Bestandteil der Lebensführung in der römischen Gesellschaft, gemacht werden.

Die Bedeutung von Schenkungen war in der Antike ungleich höher als in der heutigen Zeit. Sie umfassten neben den bereits aufgeführten Brot- und Getreideschenkungen, die Spiele, auf die später noch genauer eingegangen wird, aber auch Zuwendungen der Beamten oder Kaiser in Form von Banketten oder Bestechungsgeldern. Dabei profitierten alle gesellschaftlichen Schichten von diesen Schenkungen, die Armen, die Bauern, die Reichen aber auch öffentliche Institutionen, Städte und Provinzen.[15] Darin lag auch ihr hoher Wert und ihre Bedeutung, dass sie sich nicht nur auf eine bestimmte Personengruppe bezogen, sondern der Gesamtheit und der Allgemeinheit dienten. Da sie in der Antike lange Zeit verbreitet waren, stellten sie schon ein Ritual von quantitativ beträchtlicher Bedeutung dar.

Dass Schenkungen in der Antike häufig und verschiedenartig auftraten, erscheint bereits in philosophischen Schriften als selbstverständlich. In ihnen wird die Tugend der Großzügigkeit thematisiert, wie zum Beispiel in der Nikomachischen Ethik des Aristoteles, in der es heißt: „Sie (die Großzügigkeit) gilt als die Mitte bei unserem Verhalten zu Geld und Geldeswert. Denn der Großzügige erwirbt sich die allgemeine Anerkennung nicht in den Situationen des Krieges und nicht auf demselben Gebiet wie der Besonnene, auch nicht bei Rechtsentscheidungen, sondern in Hinsicht auf das Geben und Nehmen von Geld und Geldeswert und zwar in höherem Grade beim Geben.“[16]

Die Einheit von Geben und Nehmen ist seiner Ansicht nach unerlässlich, wobei die Tugend des Gebens höher einzuschätzen ist als die des Nehmens. So schreibt er: „Und es ist kein Zweifel, daß Geben, Wohltaten erweisen und edles Handeln einerseits - Nehmen, Wohltaten empfangen und Unedles vermeiden andererseits - zusammengehören. Und unsere Dankbarkeit gilt dem, der gibt, nicht dem, der sich nur darauf beschränkt, zu nehmen, und auch Lob wird ersterem lieber gespendet. Und auch nichts zu nehmen ist leichter als geben, denn schwerer fällt es dem Menschen, sich vom Eigenen zu trennen, als fremdes Gut nicht anzunehmen. Und die Bezeichnung „großzügig“ gilt nur dem, der gibt.“[17]

Er rechtfertigt aber auch, dass die Menschen die Geben das Recht haben zu nehmen. Beides erkennt er als natürliche Einheit an:

[...]


[1] Iuv. Sat. 10, 81

[2] Vgl. Koehne, Eckart/Ewigleben, Cornelia (Hg.); Caesaren und Gladiatoren. Die Macht der Unterhaltung im antiken Rom, Mainz 2000.

[3] Vgl. Veyne, Paul; Brot und Spiele. Gesellschaftliche Macht und politische Herrschaft in der Antike, Frankfurt am Main/New York 1992, S. 396.

[4] Vgl. ebenda, S. 398.

[5] Sall. Catilina, 37, 3

[6] Vgl. Veyne, S. 399.

[7] Cic. de off. 2, 21, 74

[8] Vgl. Veyne, S. 402.

[9] Mommsen, Theodor; Römische Geschichte III, 13.Auflage, Berlin 1922, S. 506.

[10] Suet. Aug. 40, 2.

[11] Vgl. Deininger, Jürgen; Brot und Spiele. Tacitus und die Entpolitisierung der plebs urbana, in: Gymnasium 86, 1979, S. 285.

[12] Vgl. Hopkins, K.; Conquerors and Slaves (=Sociological Studies in Roman History I), Cambridge 1978, S. 73. (übersetzt von T. Schenk)

[13] Vgl. Veyne, S. 22.

[14] Vgl. Veyne, S. 23.

[15] Vgl. Veyne, S. 16.

[16] Aristoteles, Nikomachische Ethik 4, 1

[17] Ebenda.

Ende der Leseprobe aus 59 Seiten

Details

Titel
"Panem et circenses - Brot und Spiele". Die Macht der römischen Unterhaltungskultur
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Altertumswissenschaften)
Veranstaltung
Volk und Volksversammlung in Rom
Note
1,0
Jahr
2001
Seiten
59
Katalognummer
V68673
ISBN (eBook)
9783638611169
ISBN (Buch)
9783640677160
Dateigröße
641 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Panem, Macht, Unterhaltungskultur, Volk, Volksversammlung
Arbeit zitieren
Anonym, 2001, "Panem et circenses - Brot und Spiele". Die Macht der römischen Unterhaltungskultur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68673

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