Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Deutschland zu einer der weltweit
führenden Industriemächte. Weitgreifende wirtschaftliche, geistige und soziale
Veränderungen waren die Folge. Die ökonomische Wissenschaft musste sich
zwangsläufig auch mit den neuen Gegebenheiten arrangieren. Sie wurde so zum
Spiegel des allgemeinen Zeitgeistes, gekennzeichnet durch ein neues Verhältnis zur
Geschichte und durch ein neues geschichtliches Bewusstsein.
Thema dieser Arbeit ist Gustav Schmoller und „seine“ Historische Schule. Sein
Anliegen als ihr Hauptprotagonist war es, der zeitlosen Theorie der Klassiker eine
geschichtliche zur Seite zu stellen, die die zeitgebundenen wirtschaftlichen
Erscheinungen, ihre Institutionen, ihren geschichtlichen Wandel und kulturellen
Verschiedenheiten zum Gegenstand hat.
Für lange Zeit war Schmollers Werk einer „systematischen Ignoranz“1 ausgesetzt.
So wurde sein Schaffen oft als Irrweg bezeichnet. Wir haben zu klären, warum die
klassische Ökonomie damals umgekehrt selber als Irrweg galt. Erst seit kurzer Zeit
beschäftigt sich die moderne Ökonomie wieder mit dem Gedankenkonstrukt der
Historischen Schule und lässt ihr nachträglich Reputation zukommen. Besonderes
Augenmerk liegt auf den folgenden Fragen:
1) Was unterscheidet die historische Schule von der englischen Klassik?
und
2) Wie wird Schmollers Wirken aus der heutigen Sicht beurteilt?
Diese Arbeit erhebt nicht den Anspruch umfassend alle Forschungsergebnisse
wiederzugeben, denn das wäre bei dem Umfang der Schmollerschen Literatur auch
kein leichtes Unterfangen. Vielmehr ist es das Ziel, die Unterschiede der neu
aufkommenden Historischen Schule der klassischen sog. Manchesterschule
gegenüberzustellen, um die Grundpositionen und Besonderheiten, v.a. im Bezug auf
die methodologische Vorgehensweise zur ökonomischen Erkenntnisge-winnung,
herauszuarbeiten sowie einen Einblick in den derzeitigen Forschungsstand zu geben. Auf eine nähere Betrachtung der weitreichenden Bedeutung, die Schmoller in
anderen Bereichen erlangte, z.B. als Sozialpolitiker und Wissenschaftsorganisator,
kann aufgrund des vorgegebenen Umfangs nur kurz eingegangen werden. Bevor wir unser Augenmerk auf die Methodologie der Historischen Schule richten,
geben wir im zweiten Kapitel und im dritten Kapitel eine kurze Einführung zu seiner
Person und die äußeren Umstände seines Wirkens. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Biographie - Wer war Gustav Schmoller?
- Zeitgeist - Hintergrund und Beziehungen
- wirtschaftliche Entwicklung
- Politische Situation und soziales Umfeld
- Entstehung der Historischen Schule
- Kritik an der „Klassik“ und an der „Österreichischen Schule“
- Stellung der „jüngeren“ Historischen Schule
- Kernideen der ökonomischen Analyse
- Bevorzugung der induktiven Methode
- Die Bedeutung der Geschichte und historischen Methode
- Entwicklungsgedanke und Stufentheorie
- Die Institutionentheorie
- Gustav Schmoller aus heutiger Sicht
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit Gustav Schmoller und der Historischen Schule, die er maßgeblich prägte. Ihr Ziel ist es, die Historische Schule von der klassischen englischen Ökonomie abzuheben und ihre methodischen Besonderheiten im Hinblick auf die ökonomische Erkenntnisgewinnung hervorzuheben. Zudem wird die aktuelle Rezeption Schmollers und seiner Ideen beleuchtet.
- Die Entstehung und Entwicklung der Historischen Schule
- Methodische Unterschiede zwischen der Historischen Schule und der klassischen Ökonomie
- Schmollers Beitrag zur Institutionalismus
- Die Bedeutung der Geschichte und des historischen Kontextes in der ökonomischen Analyse
- Die Rezeption Schmollers und der Historischen Schule in der heutigen Zeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Arbeit ein und erläutert die Bedeutung Schmollers und der Historischen Schule für die ökonomische Wissenschaft im Kontext der Industrialisierung. Kapitel 2 und 3 bieten eine Einführung in Schmollers Biographie sowie die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seines Wirkens. Kapitel 4 untersucht die Entstehung der Historischen Schule, ihre Kritik an der klassischen Ökonomie und die Entwicklung der „jüngeren“ Historischen Schule. Kapitel 5 beschäftigt sich mit den Kernaussagen der Historischen Schule, insbesondere mit der Bedeutung der induktiven Methode, der Geschichte und der Institutionentheorie. Das letzte Kapitel behandelt die Rezeption Schmollers aus heutiger Sicht.
Schlüsselwörter
Gustav Schmoller, Historische Schule, klassische Ökonomie, induktive Methode, historische Methode, Institutionalismus, Entwicklungsgedanke, Stufentheorie, Zeitgeist, Industrialisierung, Deutschland, Rezeption, moderne Ökonomie.
- Quote paper
- Stephan Fuchs (Author), 2002, Gustav von Schmoller und die Historische Schule, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6882