Jürgen Klauke, Transformer - Konstruktion von Körpern und Blicken


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Jürgen Klauke – Fotografie & Performance
2.1. Performative Aspekte des Fotografischen
2.2. Körper

3. Transformer – Identität und Körper
3.1. Inszenierung des Männlichen und Transvestismus
3.2. Inszeniertes Geschlecht oder: Die Macht des Blicks

4. Abbildungsnachweis

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

You’ve got your mother in a whirl.
She’s not sure if you’re a boy or a girl.

(David Bowie, Rebel Rebel)

Diese Arbeit beschäftigt sich mit Jürgen Klaukes fotografischer Serie Transformer (1973), die die Diskurse um Transvestismus, geschlechtliche Rollenschemata und Körperlichkeit hinsichtlich der Frage nach dem Zusammenhang von Körper und Geschlecht thematisiert. Der Transformer -Serie nähert sich diese Arbeit, indem sie zunächst den Zusammenhang von Fotografie und Identität erörtert. Anschließend werden Identitätskonzepte referiert, die hinsichtlich der Frage nach Geschlechtlichkeit problematisiert werden. Identität, und das heißt im Zusammenhang mit der Transformer -Serie insbesondere geschlechtliche Identität, wird als Konstrukt erörtert, worauf Klauke in den Bildern explizit Bezug nimmt. Dabei wird die These vertreten, dass Klauke in der dreiteiligen Bildersequenz keine Aufhebung der Geschlechtergrenzen propagiert, sondern diese als Effekte eines kulturell normierten Blicks im Bild thematisch hinterfragt.

Evelyn Weiss diskutiert in der Retrospektive von Klaukes Gesamtwerk die Transformer -Serie ausschließlich auf der Folie von Travestie, einer Frau-Mann-Ambivalenz sowie dem Umdenken der Geschlechterrollen.[1] Dies als Ansatzpunkt aufgreifend werden zudem Aspekte des Transvestismus aufgegriffen, um die spezifische Bildsprache von Klaukes Foto-Performance zu analysieren.

Die Inszenierung einer geschlechtlich determinierten Identität erfolgt dabei immer auf der Folie eines performativen Subjektbegriffs. „Geschlechtsidentitäten entstehen performativ; in dem Moment, wo sie gesagt werden, sind sie produziert; Denken/ Sprechen/ Handeln und Bedeutung-Erlangen bzw. –besitzen fallen in eins.“[2] Die im Bild inszenierte Geschlechtsidentität soll somit als Konstrukt betrachtet werden, das Klauke seinem künstlerischen telos entsprechend gebraucht, um mittels der Fotografie eine Dokumentation und Analyse von subjektiver und objektiver Wirklichkeit im Spiegel der Ich-Identität[3] vorzunehmen.

2. Transformer – Fotografie & Performance

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In der dreiteiligen Transformer -Serie von 1973 ist zunächst in jedem Bild der Künstler selbst zu sehen. Er sitzt auf einem roten Sessel in einer nicht weiter definierbaren bzw. in einer nicht verortbaren, fahlen Umgebung.Er trägt - in allen drei Bildern die Beine übereinander geschlagen – rote, lederne Stiefel sowie eine eng anliegende rote Lederhose. Um den nackten Oberkörper trägt er an der Brust einen Riemen, an den auf der Höhe der Brust bzw. anstelle der Brustwarzen je ein

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

phallusförmiges Gebilde befestigt ist. Des weiteren trägt er eine rote Lederjacke mit einem roten Pelzkragen. Das Gesicht ist kalkweiß geschminkt, wobei die rot geschminkten Lippen hervorstechen. Zudem trägt er eine die Augenpartie verdeckende Maske, die er in der dritten Fotografie (Abb. 2) anhebt, während er, sich im Sessel leicht aufrichtend, mit der linken Hand eines der phallusförmigen Gebilde zu seiner herausgestreckten Zunge führt. Durch diese Pose wird zudem der rote Nagellack an der linken Hand des Künstlers sichtbar. Die Körperhaltung in der ersten Fotografie (siehe Abb.1) ist hingegen betont lässig gehalten, der Künstler sitzt zurückgelehnt, die Zunge ist deutlich sichtbar. In der zweiten Fotografie sitzt er ähnlich wie in der dritten leicht aufgerichtet und scheint den um seine Brust gespannten Riemen festzuziehen.

2.1. Performative Aspekte des Fotografischen

Bevor diese Arbeit zu einer Analyse der Transformer -Serie gelangt, sollen zunächst einige Bemerkungen zur spezifischen Medialität der Fotografie und ihren Zusammenhang zur Performativität gemacht werden.

Die Fotografie ist ein indexalisches Bildmedium, d.h. man kann davon ausgehen, dass das Zeichen ein Referential besitzt, das mit ihm in einem kausalen Verhältnis steht. Demnach gibt es etwas in der Realität, auf das das Foto als Zeichen verweist. Mit anderen Worten setzt sich die Fotografie als apparatives Bildmedium mit einem real existierenden, konkreten, einzelnen Objekt in Bezug. Der Fotografie wurde zudem ein hohes Maß an Objektivität zugerechnet, „da sie wie der menschliche Sehprozeß funktioniert und empirisches Wissen mechanisch, objektiv und ohne subjektive Gedanken oder Gefühle zur Verfügung stellt.“[4] Fotografiehistorisch ergaben sich aus soziologischer Perspektive Gebrauchsweisen, die lediglich dokumentarischen Zwecken dienten.[5] Zur Dokumentation von kulturellen Ereignissen und vor allem auch für private Zwecke (Portraitfotos, etc.) fand sie am Ende des 19. Jahrhunderts vorerst eine schnelle Verbreitung, in künstlerischer Hinsicht diente sie ganz zu Beginn lediglich als Gedächtnisstütze. Jedoch kam es zunächst nicht zu einer Hinterfragung der sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie, so dass - zumindest hinsichtlich der Fotografie - die Rolle des Individuums unangetastet blieb.

Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hingegen gerieten Fotografien in den Fokus der semiologischen Kritik. Gemäß Althusser sind Bilder und somit ebenso Fotografien Repräsentationen spezifischer Ideologien, die das Subjekt konstituieren.[6] Unter einer Ideologie wird ein System von Repräsentationen (Bildern, Mythen, Ideen oder Konzepte) verstanden, dass dem Subjekt einen identifikatorischen Bezugsrahmen setzt, der bestimmte Wahrnehmungsmodi, die für die Ideologie und ihr soziales Fortbestehen konstitutiv sind, vorschreibt. Da der Prozess der (bildlichen) Wahrnehmung gleichsam aktiv Bedeutung produziert, kann man davon ausgehen, dass sich über die Repräsentationen gesellschaftliche Normen reproduzieren, die soziale Machtstrukturen, sexuelle und rassische Hierarchien realisieren. Somit „ist der Streit um sie immer auch ein politischer.“[7]

Der vermeintlich allein dokumentarische Charakter der fotografischen Bildlichkeiten hat insbesondere hinsichtlich der Darstellung von Körpern und der repräsentierten gesellschaftlichen Normen dem Subjekt ein Raster an intelligiblen (s. u.) Mustern bereitgestellt, die wiederum als konstitutiv für die Subjektbildung zu betrachten sind.

„Da diese Repräsentationen die Subjekte und ihre Wirklichkeit erst konstituieren, lassen sie sich nicht im Hinblick auf ein Reales (die unverzerrte Wirklichkeit) überprüfen: nicht die Wahrheit der Repräsentationen kann analysiert werden, sondern nur ihre Effekte.“[8]

Die feministische Kritik untersuchte daher vor allem den Effekt der Herstellung bzw. die Zementierung eines männlichen Blicks durch die Fotografie. Der weibliche Körper bzw. das Weibliche wurde gemäß Christina von Braun ohnehin zum Objekt degradiert (z.B. in den naturwissenschaftlichen Diskursen zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert, sowie in der Malerei und Skulptur[9]) und durch die Fotografie wurde die Definition des Betrachters als männlich forciert.

„Die Photographie verschärfte also die Allmachtsphantasien eines ‚definitorischen’ Blicks und die Codierung eines Sehens, das Männlichkeit mit Sehen und Weiblichkeit mit Betrachtet-Werden gleichsetzte.“[10]

[...]


[1] Weiss, Evelyn: Ikonographische Aspekte im Gesamtwerk. In: Jürgen Klauke – Eine Ewigkeit ein Lächeln. Zeichnungen, Fotoarbeiten, Performances 1970/86. Hg. v. Andreas Vowinckel u. Evelyn Weiss. Köln 1986. S. 9-15. Hier: S. 9.

[2] Rüter, Christian: Der konstruierte Leib und die Leibhaftigkeit der Körper – Die Relevanz des Körpers für eine Männer-Erforschung. In: Kritische Männerforschung – Neue Ansätze in der Geschlechtertheorie. Hg. v. BauSteineMänner. Berlin; Hamburg 1996. S. 76-107. Hier: S. 86.

[3] Vowinckel, Andreas: Jürgen Klauke – Obsession und Chiffre. In: Jürgen Klauke – Eine Ewigkeit ein Lächeln. Zeichnungen, Fotoarbeiten, Performances 1970/86. Hg. v. Andreas Vowinckel u. Evelyn Weiss. Köln 1986. S. 137-148. Hier: S. 139.

[4] Pultz, John: Der fotografierte Körper. Köln 1995. S. 9.

[5] Vgl.: Johnson, William; Rice, Mark; Williams, Carla: Geschichte der Photographie. Köln 2005. S. 36-139.

[6] Vgl.: Althusser, Louis: Ideologie und ideologische Staatsapparate. In: Kunsttheorie im 20. Jahrhundert. Bd. II. Hg. v. Charles Harrison u. Paul Wood. Ostfildern-Ruit 2003. S. 1148-1156.

[7] Holschbach, Susanne: Einleitung. In: Diskurse der Fotografie - Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters. Bd. 2. Hg. v. Herta Wolf. Frankfurt am Main 2003. S. 7-21. Hier: S. 10.

[8] Ebd., S. 10.

[9] Vgl.: Braun, Christina von: Typografie der Geschlechter. In: Gender Game. Körper – Medien – Blicke – Männlichkeiten. Hg. v. Marion Strunk. Tübingen 2002. S. 11-25.

[10] Ebd., S. 14.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Jürgen Klauke, Transformer - Konstruktion von Körpern und Blicken
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Kunsthistorisches Institut)
Veranstaltung
Intermedialität und Performativität: Identität und Identitätskonstruktionen seit 1970
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
18
Katalognummer
V69101
ISBN (eBook)
9783638612593
Dateigröße
496 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit reflektiert die fotografische Serie "Transformer" von Klauke vor dem Hintergrund der zeitgenössichen und aktuellen Identitäts- und Performativitätsdiskussionen. Performativität wird dabei als konstitutives Merkmal der Identitäsbildung verstanden, was in Klaukes Bildwelten näher analysiert und problematisiert wird.
Schlagworte
Jürgen, Klauke, Transformer, Konstruktion, Körpern, Blicken, Intermedialität, Performativität, Identität, Identitätskonstruktionen
Arbeit zitieren
Nils Wiegand (Autor:in), 2007, Jürgen Klauke, Transformer - Konstruktion von Körpern und Blicken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69101

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