Elias Canettis 'Die Blendung' - typische österreichische Nationalliteratur?


Seminararbeit, 2002

20 Seiten, Note: 1,75


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Wesensmerkmale österreichischer Literatur
2.1. Inhaltsangabe
2.2. Grundkomponenten der österreichischen Literatur
2.3. Historischer Exkurs
2.3.1. Das Nationalbewusstsein Österreichs
2.3.2. Die Geschehnisse der Zeit
2.4. Das Entstehen österreichischer Literaturmerkmale
2.5. Merkmale österreichischer Nationalliteratur
2.6. Textanalyse
2.6.1. Peter Kien und Therese Krumbholz
2.6.2. Erläuterungen

3. Die Blendung - Ein Werk österreichischer Nationalliteratur

Literatur

1. Einleitung

Der Absturz des Sinologen Dr. Peter Kien von einem weltfremden Menschen (Ein Kopf ohne Welt) zu einem in einer chaotischen Welt lebenden Menschen (Kopflose Welt) bis hin zu einem völlig von der „realen“ Welt abgeschnitten lebenden Menschen (Welt im Kopf) stellt die grobe Rahmenhandlung des Romans „Die Blendung“ von Elias Canetti dar. Der Roman gestaltet in grotesker Überzeichnung den Zusammenprall von Geisteswelt und Instinkten der Masse. Er ist eine Metapher für die Auseinandersetzung des Kopfes mit der Wirklichkeit der Welt. Ein Mensch in der Schwebe, zwischen „Wirklichkeit und Möglichkeit“, Bewusstsein und Wahnsinn, realer Welt und Utopie.

Im Folgenden soll untersucht werden, in wie weit Elias Canetti als typisch österreichischer Autor und sein Roman „Die Blendung“ als typische österreichische Nationalliteratur bezeichnet werden kann. Hierzu werde ich einen kurzen historischen Exkurs von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges vornehmen und untersuchen, welche charakteristischen Merkmale sich für Autoren aus dem österreichischen, bzw. ehemals österreichisch-ungarischen Raum, ableiten lassen. Für das bessere Verständnis meiner Arbeit, werde ich zunächst mit einer kurzen Inhaltsangabe des Romans beginnen.

2. Wesensmerkmale österreichischer Literatur

2.1. Inhaltsangabe

Der Privatgelehrte Dr. Peter Kien ist nicht nur mit ausgesprochen scharfem Intellekt und einem über die Maßen beeindruckenden Gedächtnis gesegnet, sondern nennt auch eine Bibliothek sein eigen, deren wertvoller Bestand mehr als 25.000 Bücher umfasst. Kien ist so sehr um seine Bücher bekümmert, dass er beschließt, eine Haushälterin anzustellen, die sich neben seinem Haushalt pingeligst um die Pflege seiner Bücher kümmern soll. Er gibt dazu in der Zeitung eine Annonce auf, worauf sich Therese Krumbholz bei ihm meldet. Therese ist, wie sich herausstellt, eine geldgeile, ruhmsüchtige Person und versucht an das Vermögen von Kien heranzukommen. Im Laufe der Zeit schafft es Therese, Kiens Frau zu werden. An sein Vermögen kommt sie aber trotzdem nicht heran. Therese treibt es mit ihrer Habsucht soweit (Psychoterror gegen den ohnehin labilen Kien), dass sie ihn schließlich aus seiner eigenen Wohnung vertreibt und er seine Bibliothek zurücklassen muss. (Das Unheil nimmt seinen Lauf!)

Kien der nun völlig verstört durch die Stadt irrt, und den der Verlust seiner geliebten Bücher im wahrsten Sinne des Wortes in den Wahnsinn treibt, beginnt sich seine Bibliothek neu anzulegen - allerdings nur in seinem Kopf! (Der Realitätsverlust nimmt seinen Lauf) Auf seinen Streifzügen durch Wien lernt Kien Fischerle, einen kleinen buckeligen Ganoven kennen, den nach eigenen Angaben größten Schachspieler aller Zeiten. Kien stellt Fischerle als seinen Gehilfen an. Er soll ihm helfen, seine „neue“ Bibliothek zu verwalten. Fischerle, dem klar ist, dass Kien nicht mehr so ganz Herr der Lage ist, versucht daraufhin, ähnlich wie Therese, an Kiens restliches Hab und Gut zu kommen (das Geld vom Sparbuch) und sich damit seinen lange gehegten Traum zu erfüllen, nämlich seinem Krüppel- und Ganovendasein ein Ende zu bereiten, mit dem Geld nach Amerika zu fahren und dort als

Schachweltmeister zu Ruhm und Ansehen zu gelangen. Fischerle stellt dazu drei Gehilfen ein. Die Angestellten sollen mit einem verpackten Stapel von Büchern zu Kien gehen, der inzwischen, getrieben von seinen Sorgen um „herrenlose, verlorene und unschuldige“ Bücher und von seinem schlechten Gewissen, im Pfandleihhaus Personen abfängt, die Bücher umsetzen wollen. Er gibt ihnen Geld von seinem Sparbuch, damit sie die Bücher wieder mit nach Hause nehmen können. Kien hält die Bücher somit für gerettet und fühlt Genugtuung für seine Bücher, die er zurücklassen musste. Als Kien im Pfandleihhaus eines Tages Therese (die er für tot hält) und den Hausverwalter trifft, die dort Kiens Bücher gegen Geld eintauschen wollen (der Hausverwalter und Therese wohnen inzwischen zusammen in Kiens Wohnung), verliert Kien komplett den Bezug zur Realität. Er denkt, er sieht Thereses Geist der ihn verfolgt. Er hat sich nach seiner Flucht eingeredet, er habe Therese getötet, indem er sie bei seiner Flucht vor ihr in seiner Wohnung eingesperrt hat. Es kommt zu einem Handgemenge und einer Menschenansammlung, bis schließlich die Polizei eingreift und Kien verhaftet. Da ihm aber keine Schuld nachgewiesen werden kann, wird er wieder laufen gelassen. Der Hausverwalter sperrt den mittlerweile völlig in seiner eigenen Welt lebenden Kien in seine alte Wohnung, in der er vor sich hin vegetiert. Er selber wohnt weiterhin mit Therese in Kiens Wohnung.

Kiens Bruder, ein berühmter Psychiater aus Paris, der durch Fischerle anonym informiert wurde, dass mit seinem Bruder Peter etwas nicht stimme, kommt nach Wien, um sich um Peter zu kümmern. Er versucht Peter in sein gewohntes Umfeld zurück zu führen und ihn somit wieder an die Wirklichkeit heranzuführen. So sorgt er dafür, dass Peter seine Wohnung wieder beziehen kann und versucht Therese aus Peters Leben fern zu halten, indem er ihr und dem Hausverwalter ein Haus am anderen Ende der Stadt kauft. (Er deutet allerdings Peters wahnsinnige Reaktionen auf Therese falsch). Als er Peter für einigermaßen geheilt hält, fährt er wieder zurück nach Paris. Kurz darauf verbrennt sich Peter Kien in seiner Bibliothek.

2.2. Grundkomponenten der österreichischen Literatur

Um nun im Weiteren die in der Einleitung angesprochene Untersuchung des Romans in Bezug auf typischen Merkmale österreichischer Literatur vornehmen zu können, halte ich es für angebracht, zunächst einen kurzen Überblick über die historische Entwicklung österreichischer Literatur, bzw. deren Entstehungsgeschichte, zu vermitteln.

(Die Beschäftigung mit der Rolle und Funktion der österreichischen Literatur kann als Modell dienen zur Erhellung von Verständnismöglich- und Schwierigkeiten zwischen verschiedenen Kultursystemen desselben Sprachbereichs, einer Situation, die trotz der Entstehung einer modernen globalen Kultur auch an vielen anderen Orten der Welt zum wichtigen Problem geworden ist!)

2.3. Historischer Exkurs

2.3.1. Das Nationalbewusstsein Österreichs

Die Nation ist kein mystischer, rassischer und kein idealer Begriff, sondern nach dem historischen Materialismus zu definieren, als stabile, historisch entstandene Gemeinschaft von Territorium, Sprache und gemeinsamer Kulturausrichtung. Historisch entstanden, ist ihre Stabilität freilich relativ - sie hat ihren Anfang und ihr Ende. Die objektive Existenz einer Nation ist nicht das Gleiche wie ihre Konstituierung als souveräner Staat, doch steht das eine mit dem anderen in einer dialektischen Beziehung. Was das subjektive Nationalgefühl betrifft, so geht sein Entstehen fast immer der staatlichen Konstituierung voraus, oder es erfolgt im Zuge des Kampfes um die politische Unabhängigkeit. Dass das Nationalbewusstsein erst nach der Bildung eines souveränen Staatswesens entsteht, ist eine sehr seltene Ausnahme. Dies aber ist gerade in Österreich der Fall gewesen. (vgl. http://www.inst.at/trans/7Nr/bauer7.htm).

2.3.2. Die Geschehnisse der Zeit

Die deutsche Revolution 1848-49 hatte "großdeutschen" Charakter, dass heißt, sie schloss Österreich mit ein, und wäre sie siegreich gewesen, so wäre das Volk Österreichs in einer republikanisch konstituierten deutschen Nation aufgegangen. Aber die Revolution endete mit einer Niederlage. Die nationale Zersplitterung wurde erst zwei Jahrzehnte später, in Bismarcks "Revolution von oben" unter Preußens Führung, überwunden.

Diese Lösung der nationalen Frage war "kleindeutsch", dass heißt, sie schloss Österreich nicht mit ein. Es blieb der kosmopolitische, multinationale Donaustaat als konstitutionelle Monarchie bestehen. Eine Umwandlung in eine freiwillige Föderation freier Völker lag durchaus im Bereich des Möglichen. Diese historisch gegebene, sehr viel versprechende Gelegenheit wurde allerdings vertan, da nicht nur die Wiener liberale Bourgeoisie, sondern auch die Sozialdemokratie "deutsch" orientiert und somit zu einer echt demokratischen Lösung der nationalen Frage nicht bereit war. Der große Donaustaat brach zusammen und spaltete sich in viele kleine. Die Großstadt Wien wurde von ihrem einst großen Österreich-Ungarn getrennt und verlor, ebenso wie das neu entstandene Österreich selbst, wesentlich an Beachtung vor der Welt. (vgl. J.Pattillo-Hess, Mario R.Smole: Canettis Aufstand gegen Macht und Tod, Löcker Verlag Wien, 1996, S.30) Dennoch war Österreich "ein Volk", ein souveräner Staat geworden. Nicht, weil sie es gewollt oder auch nur das Mindeste dazu getan, sondern, weil es die Umstände und zumal die Großmächte, die aus dem Ersten Weltkrieg als Sieger hervorgegangen waren, so gefügt hatten. Ein Staat ohne Staats- und Nationalbewusstsein.

[...]

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Details

Titel
Elias Canettis 'Die Blendung' - typische österreichische Nationalliteratur?
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für deutsche Philologie)
Veranstaltung
Österreichische Literatur
Note
1,75
Autor
Jahr
2002
Seiten
20
Katalognummer
V69152
ISBN (eBook)
9783638595896
ISBN (Buch)
9783638802758
Dateigröße
425 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Elias, Canettis, Blendung, Nationalliteratur, Literatur
Arbeit zitieren
M.A. Marcus Puknatis (Autor:in), 2002, Elias Canettis 'Die Blendung' - typische österreichische Nationalliteratur?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69152

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