Die Astrologie in Calderón "La vida es sueno"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

29 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die zwei Seiten der Astrologie bei Calderón

3. Das Horoskop
3.1 Das Horoskop – erfüllt oder unerfüllt?
3.2 Der Himmel als Buch

4. Basilio als Astrologe
4.1 Basilio als “astrólogo fingido”?
4.2 Basilio als Wissenschaftler
4.3 Astrologie und Macht

5. Willensfreiheit und Astrologie in „La vida es sueño“
5.1 Segismundos Freiheitsklage als Exposition
5.2 Die Sterne und die Leidenschaften
5.3 Segismundo als Vertreter der menschlichen Willensfreiheit

6. Die Astrologie in einem Leben als Traum

7. Schluss

Literaturverzeichnis
Primärliteratur:
Sekundärliteratur:

1. Einleitung

Der Astrologie als Lehre vom angeblichen Einfluss der Gestirne auf das menschliche Schicksal wurde auch im spanischen Siglo de Oro der Vorwurf entgegengehalten, eine Lehre des Aberglaubens zu sein. Umso erstaunlicher erscheint zunächst die Tatsache, dass gerade Calderón de la Barca als unangefochtener Vertreter des spanischen Katholizismus der Astrologie in seinem Werk eine so große Rolle zugesteht.

„Pues el verdadero Filósofo que conoce las virtudes y propiedades de las estrellas, podrá con ellas conocer los efectos sobredichos en los elementos y en los hombres, y aves y animales y árboles ; y podrá naturalmente, decirlos antes que vengan, es saber si el año, o el día, o el mes será sereno o nublado, (…), si el niño nacido será de bueno o de rudo ingenio para las letras, o para las artes y ejercicios. Y en estos juicios no hay vanidad ni superstición alguna, porque aplica a los efectos sus causas que tienen virtud natural para los hacer como arriba dijimos de los médicos. Y esta astrología es lícita y verdadera como la filosofía natural o como la medicina.”[1]

Laut Valbuena Briones stammt diese Quelle aus dem Jahre 1547 von einem Theologen aus Salamanca. Sie gilt ihr und anderen Kritikern als Beleg dafür, dass die Astrologie zur Zeit Calderóns an Boden gewonnen haben müsse. Derartige Ausführungen seien zur Zeit Augustinus oder Isidor von Sevilla unvorstellbar gewesen. Die Kirche habe sich zwar bemüht Falsches und Richtiges an der Astrologie nachzuweisen, nicht aber sie als Ganzes in Frage zu stellen.[2]

Die Interessen der Calderón-Forschung bewegen sich von der Betrachtung der literarisch-symbolischen Verwendung des Astrologie-Motivs bis hin zu Calderóns persönlicher Astrologieauffassung durch Einflüsse seiner Zeit. Viele Kritiker beschäftigen sich ausführlich mit der Frage, ob Calderón an die Astrologie glaubte, welche astrologischen Publikationen ihm bekannt waren und Niederschlag in seinen Werken fanden. Der Versuch das astrologische Denken Calderóns durch die Analyse seiner Dramen aufzuzeigen, erscheint problematisch. Ist empirische Ungenauigkeit zu Gunsten der Dramatik doch für Calderóns Werk geradezu charakteristisch.

„Hier fließt der Rhein durch Italien, aber auch durch Thüringen; Babylon liegt am Nil, die Hauptstadt Polens am Meer.“[3]

Vorhersagen und Urteile abgeleitet von Kometenkonstellationen bilden eine der charakteristischsten Publikationen der Astrologie im Siglo de Oro.[4] Das lässt zu Recht vermuten, dass astrologische Phänomene in der Mentalität der Menschen eine Rolle gespielt haben müssen. In diesem Zusammenhang erscheint ein Blick auf zeitgenössischen Auffassungen schlüssig. „ Trotz aller wissenschaftlichen Bildungselemente ist es ein sehr starkes Band, das ihn mit dem Volk verbindet, in dem die schicksalhafte Weltanschauung als ein wesenhafter Zug seines geistigen Lebens ruht.“[5]

Letztendlich soll im Kontext dieser Arbeit aber deutlich werden, dass sich die Frage nach der Rolle der Astrologie im Schaffen Calderóns vor allem aus seinem Werk heraus beantworten lässt. So dass auf Einflüsse der Zeit nur am Rande Bezug genommen werden wird. Im Mittelpunkt steht die Astrologie in der Comedia „La vida es sueño“, da hier das Horoskop – wie im Folgenden deutlich werden soll – als Vorraussetzung und Anreger der dramatischen Handlung eine tragende Rolle spielt. Da sich die Astrologie als „Leitmotiv“[6] im gesamten Werk Calderóns wiederfindet, wird diese Arbeit sich – wo es sinnvoll erscheint- auch auf andere Werke Calderóns beziehen.

2. Die zwei Seiten der Astrologie bei Calderón

Ein erster Blick auf die Äußerungen der Figuren zur Astrologie in „La vida es sueño“ offenbart zunächst ein sehr doppelseitiges Bild der Astrologie. Da heißt es zum einen in der Rede des Astrologen Basilio über die Aussagekraft des Sternenhimmels: „Escribe con líneas de oro,/en caracteres distintos,/ el cielo nuestors sucesos“.[7] In eben dieser Rede sagt er aber auch: „El planeta más impío / sólo el albedrío inclinan,/no fuerzan el albedrío.”[8] Dann wieder äußert sich Segismundo am Schluß des Stückes darüber, dass die Sterne niemals lügen. „Nunca engaña, nunca miente”[9].

Auch in anderen Werken Calderóns scheinen die Äußerungen über die Astrologie nicht eindeutig. In „La devoción der la cruz“ werden zunächst die guten Eigenschaften des Eusebio zweifelsfrei den Sternen zugeschrieben.[10] Andererseits enthält das selbe Stück eine außerordentlich Häme gegenüber der Astrologie. In der Grabschrift eines Astrologen heißt es spöttisch: „Yace un astrólogo, cuya / ciencia a todos anunciaba / la suerte, y nunca acertaba / a pronosticar la suya.“[11]

Diese Doppelbödigkeit der Astrolgie bei Calderón wird auch an den zum Teil weit auseinandergehenden Auffassungen der Kritiker deutlich, die sich mit der Frage nach Calderóns Astrologiegläubigkeit befasst haben. Positive oder negative Äusserungen der Figuren dienen dann jeweils zum Beleg für oder gegen eine Astrologiegläubigkeit Calderóns oder aber führen zu dem Schluss, dass eine dezidierte Meinung aus seinen Werken abzuleiten unbefriedigend bleiben muss.[12]

So meint z.B. Picatoste Calderón übernehme die astrologischen Themen der Zeit, habe aber selbst nicht daran geglaubt. Hurtado dagegen ist davon überzeugt, dass Calderón den Glauben an die Wirkungen der Sterne mit den Menschen seiner Epoche teilte.[13]

Nun gilt die Astrologie als eine der Wissenschaften, die am umstrittensten sind. Problematisch und gleichzeitig belebend wirkt ihre Nähe zur Astronomie, die die Astrologie als „gleichermaßen attraktiv durch ihre mysteriöse, wie durch ihre rational-kausale Seite wirken lässt.“[14] Die bereits in der Einleitung genannte zeitgenössische Diskussion um das Falsche und Richtige an der Astrologie kommt hinzu. So kennzeichnet dieses Nebeneinander von Annahme und Ablehnung die astrologischen Anschauungen allgemein. „Dogmatische Bedenken und Vernunftgründe führen einen eigenartigen Kampf.“[15]

3. Das Horoskop

3.1 Das Horoskop – erfüllt oder unerfüllt?

Die meisten Kritiker, die sich mit „La vida es sueño“ befassen, gehen ohne weitergehende Erläuterungen davon aus, daß das Horoskop in diesem Stück nicht erfüllt wird.[16] An dieser Stelle soll dieser Aspekt differenzierter betrachtet werden.

Das Horoskop, das Basilio aufstellt, setzt sich aus mehren Faktoren zusammen. Der eigentliche Einfluss der Gestirne in der Stunde der Geburt besteht darin, daß eine Sonnenfinsternis Segismundo ein schlechtes Horoskop beschert. Basilio nennt zwei weitere Zeichen der Natur, die ihn zu seinem Urteil über Segismundo gelangen lassen. Zum einen ist es ein Erdbeben, das zeitgleich zur Sonnenfinsternis stattfindet. Außerdem zieht Basilio die Tatsache hinzu, dass seine Frau schon während der Schwangerschaft mehrmals träumt, das Baby werde sie töten. Tatsächlich bewahrheiten sich die Träume der Clorilene, denn sie stirbt bei der Geburt Segismundos. Nach Befragung seiner Schriften leitet Basilio aus diesen Beobachtungen ein Horoskop ab:

„que Segismundo sería

el hombre más atrevido,

el príncipe más crüel

y el monarca más impío;

por quien su reino vendría

a ser parcial y diviso,

escuela de las traiciones,

academia de los vicios;

y él, de su furor llevado,

entre asombros y delitos,

había de poner en mí

las plantas ; y yo, rendido

a sus pies me había de ver

(…)

siendo alfombra de sus plantas

las canas del rostro mío.”[17]

Basilio macht einerseits Aussagen über den Charakter seines Sohnes, nämlich, dass er barbarisch, grausam und roh werde, zum anderen Angaben zu künftigen Ereignissen.

Das Horoskop sieht Segismundo bereits als Monarch und Oberhaupt eines Königreiches, es macht Vorraussagen darüber, dass dieses Reich einst in Streit, Verrat und Verbrechen geteilt sein wird und Segismundo sich in dieser Situation über seinen Vater erheben werde. Was passiert nun im weiteren Verlauf des Geschehens? Segismundo erweist sich im Palast tatsächlich als roh und gewaltsam und wird zum Mörder. Nachdem das Volk von Segismundos Existenz weiß, verfällt das Reich tatsächlich in den kriegsähnlichen aufständischen Zustand und wirft dem König Verrat am Volk vor, dem er den standesgemäßen Thronfolger verweigert hat. Schließlich wird Segismundo tatsächlich König und erhebt sich damit über den Vater. Die Schlussszene enthält die fast wörtliche Darstellung einer Situation die das Horoskop prophezeite:

„Si a mí buscándome vas,

ya estoy, príncipe, a tus plantas.

Sea dellas blanca alfombra

esta nieve de mis canas. “[18]

Die Absicht jegliche Deutungsbestrebungen der Zukunft anhand der Sterne abzuwerten und zu kritisieren, hätte Calderón sehr viel eindeutiger gestalten können, wenn er dies vorgehabt hätte. Man kann also nicht von einer vollkommenen Abwertung der Astrologie sprechen.[19] In diesem Zusammenhang sei auf ein anderes Werk Calderóns hingewiesen. In „El mayor monstruo del mundo“ erfüllt sich die Vorhersage des Horoskops, auch wenn Herodes zu Anfang sagt, man dürfe der Astrologie nicht glauben.[20]

3.2 Der Himmel als Buch

Warum ist es möglich, dass sich Horoskope in Calderóns Dramen ganz oder zum Teil erfüllen? Der Grund für diese Tatsache ist in der christlichen Lehre zu suchen, die die Zeichenhaftigkeit der Welt und der Natur lehrt und durch das Verfahren der Allegorese umsetzt.

...ein universales Bezugsdenken, der geborgene Glaube, dass die göttliche Schöpfungsordnung auch aus den Geheimnissen der Sprache ablesbar ist und überall Zeichen hinterlassen hat, die, recht gedeutet, sich zum immer Ganzen der Wahrheit zusammenfügen.[21]

[...]


[1] Zitiert bei Valbuena Briones , Dramas, S.363.

[2] vgl. Lorenz, Calderón und die Astrologie, S.270.

[3] Friedrich, Der fremde Calderón, S.134.

[4] vgl. Hurtado Torres, La Astrología en el teatro de Calderón, S.935. Hillach, Barocker Universalismus und die Rücknahme der Willensfreiheit, S.50.

[5] Berens, Calderóns Schicksalstragödien, S.10.

[6] Frenzbach, Untersuchungen zum Theater Calderóns, S.74.

[7] Calderón, La vida es sueño, V.636-638.

[8] Ebd., V.789-791.

[9] Calderón, La vida es sueño, V.3169.

[10] vgl Valbuena Briones, Dramas, S.287.

[11] Ebd., S.305.

[12] vgl. Frenzbach, Untersuchungen zum Theater Calderóns, S.74.

[13] Hurtado, La Astrología en el teatro de Calderón, S.934.

[14] Lorenz, Calderón und die Astrologie, S.265.

[15] Berens, Calderóns Schicksalstragödien, S.5.

[16] vgl. Lorenz, Calderón und die Astrologie, Strosetzki, Calderón.

[17] Calderón, La vida es sueño, V.710-725.

[18] Calderón, La vida es sueño, V. 3146-3149.

[19] vgl. Teuber, Calderón de la Barca: La vida es sueño, S.157.

[20] vgl. Valbuena Briones, Dramas.

[21] Friedrich, Der fremde Calderón, S.127.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Die Astrologie in Calderón "La vida es sueno"
Hochschule
Universität zu Köln  (Romanisches Institut)
Veranstaltung
Pedro Calderón: La vida es sueno
Note
1,7
Autor
Jahr
2003
Seiten
29
Katalognummer
V69201
ISBN (eBook)
9783638612982
Dateigröße
478 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Astrologie, Calderón, Pedro, Calderón
Arbeit zitieren
Alice Ahlers (Autor:in), 2003, Die Astrologie in Calderón "La vida es sueno", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69201

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