Was macht das Wesen von Wille und Vernunft bei Thomas von Aquin aus? Verhalten sich Wille und Vernunft konträr zueinander oder stehen sie in engen Zusammenhang?
Werden Wille und Vernunft durch Gott determiniert?
Bevor man sich der spezifischen Fragestellung nach der Vorstellung vom Willen und von der Vernunft zuwendet, sollten einige wichtige Ausgangspunkte hervorgehoben werden. Zunächst sollte man sich stets vor Augen halten, dass Thomas von Aquin seinem Wesen nach Theologe war, auch beim Lesen seiner philosophischen Schriften. Alle seine Thesen gründen in einer theologischen Vorentscheidung. Die theologische Vorentscheidung beinhaltet, dass die Welt eine Schöpfung Gottes ist, und diese ist grundsätzlich positiv bestimmt. „ Das von Gott Geschaffensein macht Größe und Würde der Welt aus, darin gründet ihre Selbstständigkeit und Eigenwertigkeit.“ D.h. obgleich Gott die erste allgemeine Wirkungsursache ist, findet in den Dingen eine eigene Wirkkraft statt. De facto müssen wir uns immer einer Allwirksamkeit Gottes und eine Eigenwirksamkeit der Geschöpfe im Hinterkopf bewahren.
Der Mensch, als Vernunftwesen,als verleiblichter Geist, ist Teil dieser Welt.„Alle Eigenständigkeit, Eigenwertigkeit und Eigenwirksamkeit der Welt sammelt sich gewissermaßen im Menschen, in der Autonomie der Vernunft.“ Die Fähigkeit dieser ´ratio´ ist es die Wahrheit aus eigener Initiative zu finden. Die ´ratio´ weist also zwei Seiten auf. Zum einen erfährt die ´ratio´ von der Theologie selbst her eine Bevormundung durch den Glauben, zum anderen gewinnt die ratio eine Welterkenntnis auf selbstständiger Art und Weise. Außerdem kann man die Vernunft in Hinordnung auf ein bestimmtes Ziel in vier Kategorien einteilen: Die erste befasst sich mit Dingen, die sie betrachtet und entdeckt, aber nicht hervorbringt. Zuständige Wissenschaften wären die Mathematik und die Naturphilosophie. Die formale Logik beschäftigt sich mit der Ordnung der Begriffe und deren sprachlichen Zeichen zueinander.
Eine weitere Ordnung befasst sich mit der Herstellung von Dingen, wie zum Beispiel die Mechanischen Künste. Die letzte Vernunftklasse schafft Vernunft durch Willenshandlungen. Dafür ist die Moralphilosophie zuständig, mit der sich diese Arbeit später noch beschäftigen wird.
Anhand dieser Arbeit soll gezeigt werden, wie sich der Wille und die Moral zueinander verhalten und was das Wesen der Moralphilosophie des Thomas von Aquin ausmacht.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Vorbetrachtung
- II.I. Trennung von Leib und Seele
- II.II Die Vermögen der Seele
- III. Begriffsbestimmung von Wille und Vernunft
- III.I. Wesen von Wille und Vernunft
- III.II. Notwendigkeit des Wollens
- IV Tugend und Moralität als Inbegriff von Wille und Vernunft
- V Fazit
- VI Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit untersucht das Verhältnis von Wille und Vernunft bei Thomas von Aquin. Die Arbeit beleuchtet die ontologische Grundlage dieses Verhältnisses im Kontext der theologischen Anthropologie des Aquinaten und fragt nach der Wechselwirkung und Kohärenz von Wille und Vernunft im menschlichen Handeln. Die Arbeit analysiert, wie Wille und Vernunft als Vermögen der Seele zusammenwirken und inwieweit sie durch göttliche Determination beeinflusst werden.
- Das Verhältnis von Leib und Seele bei Thomas von Aquin
- Die Vermögen der Seele: Vegetatives, sinnliches, intellektuelles Vermögen
- Die Definition von Wille und Vernunft bei Thomas von Aquin
- Die Rolle von Wille und Vernunft in der Moraltheologie
- Die Kohärenz von Wille und Vernunft im menschlichen Handeln
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung: Die Einleitung führt in die Fragestellung der Seminararbeit ein: Sie untersucht das Wesen von Wille und Vernunft bei Thomas von Aquin und deren Verhältnis zueinander. Es werden zentrale Fragen formuliert, die im Laufe der Arbeit beantwortet werden sollen, wie z.B. die Frage nach der gegenseitigen Beeinflussung von Wille und Vernunft und nach dem Einfluss göttlicher Determination. Die Bedeutung der theologischen Vorentscheidung bei Thomas von Aquin wird hervorgehoben, die alle seine philosophischen Überlegungen prägt. Der Mensch als Vernunftwesen und verleiblichter Geist wird als Teil einer von Gott geschaffenen Welt beschrieben, in der sowohl göttliche Allwirksamkeit als auch Eigenwirksamkeit der Geschöpfe bestehen. Die Vernunft wird als Fähigkeit zur eigenständigen Wahrheitssuche charakterisiert und in vier Kategorien eingeteilt, wobei die Moralphilosophie als die Vernunftklasse hervorgehoben wird, die Vernunft durch Willenshandlungen schafft.
II. Vorbetrachtung: Dieses Kapitel beginnt mit der Feststellung, dass der Mensch für Thomas von Aquin kein bloßer Deduktionsapparat allgemeiner Prinzipien ist. Vielmehr wird der Mensch als Kompositum aus Leib und Seele beschrieben, eine von Gott beabsichtigte Einheit. Die Kapitelteile erläutern die Selbstständigkeit von Leib und Seele, betonen aber gleichzeitig deren untrennbare Einheit für die Vollständigkeit des Menschen. Die Seele verleiht dem Menschen seine Artnatur und kann sich ohne Körper nicht verwirklichen. Der zweite Teil des Kapitels differenziert die Vermögen der Seele: das vegetative Vermögen, das Vermögen der Sinneswahrnehmungen, der Begehrungen, der freien und willkürlichen Bewegung und schließlich das intellektuelle Vermögen (Verstand). Wille und Vernunft werden als Vermögen der Seele identifiziert, die untrennbar miteinander verbunden sind. Die Sinneswahrnehmungen bilden die Grundlage für das menschliche Erkennen und Denken.
Schlüsselwörter
Thomas von Aquin, Wille, Vernunft, Seele, Leib, Moral, Moralphilosophie, Gott, Determination, Vermögen der Seele, theologische Anthropologie, Kompositum.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Seminararbeit: Wille und Vernunft bei Thomas von Aquin
Was ist der Gegenstand dieser Seminararbeit?
Die Seminararbeit untersucht das Verhältnis von Wille und Vernunft bei Thomas von Aquin. Sie beleuchtet die ontologische Grundlage dieses Verhältnisses im Kontext der theologischen Anthropologie des Aquinaten und fragt nach der Wechselwirkung und Kohärenz von Wille und Vernunft im menschlichen Handeln. Ein Schwerpunkt liegt auf der Analyse, wie Wille und Vernunft als Vermögen der Seele zusammenwirken und inwieweit sie durch göttliche Determination beeinflusst werden.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende zentrale Themen: Das Verhältnis von Leib und Seele bei Thomas von Aquin; die Vermögen der Seele (vegetatives, sinnliches, intellektuelles Vermögen); die Definition von Wille und Vernunft bei Thomas von Aquin; die Rolle von Wille und Vernunft in der Moraltheologie; und die Kohärenz von Wille und Vernunft im menschlichen Handeln.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in ihnen?
Die Arbeit gliedert sich in folgende Kapitel: I. Einleitung: Einführung in die Fragestellung, zentrale Forschungsfragen und die Bedeutung der theologischen Vorentscheidung bei Aquin. II. Vorbetrachtung: Der Mensch als Kompositum aus Leib und Seele, die Selbstständigkeit und untrennbare Einheit von Leib und Seele, sowie die Differenzierung der Vermögen der Seele (vegetatives, sinnliches und intellektuelles Vermögen). III. Begriffsbestimmung von Wille und Vernunft: Wesen von Wille und Vernunft, Notwendigkeit des Wollens. IV. Tugend und Moralität als Inbegriff von Wille und Vernunft: Zusammenhang von Wille, Vernunft, Tugend und Moralität. V. Fazit: Zusammenfassung der Ergebnisse. VI. Literatur: Literaturverzeichnis.
Wie ist das Verhältnis von Leib und Seele bei Thomas von Aquin dargestellt?
Der Mensch wird als Kompositum aus Leib und Seele beschrieben, eine von Gott beabsichtigte Einheit. Leib und Seele sind zwar selbstständig, aber untrennbar miteinander verbunden für die Vollständigkeit des Menschen. Die Seele verleiht dem Menschen seine Artnatur und kann sich ohne Körper nicht verwirklichen.
Welche Rolle spielen die Vermögen der Seele?
Die Arbeit differenziert die Vermögen der Seele: das vegetative Vermögen, das Vermögen der Sinneswahrnehmungen, der Begehrungen, der freien und willkürlichen Bewegung und schließlich das intellektuelle Vermögen (Verstand). Wille und Vernunft werden als Vermögen der Seele identifiziert, die untrennbar miteinander verbunden sind. Die Sinneswahrnehmungen bilden die Grundlage für das menschliche Erkennen und Denken.
Welche Schlüsselbegriffe sind für das Verständnis der Arbeit relevant?
Wichtige Schlüsselbegriffe sind: Thomas von Aquin, Wille, Vernunft, Seele, Leib, Moral, Moralphilosophie, Gott, Determination, Vermögen der Seele, theologische Anthropologie, Kompositum.
- Citation du texte
- Sylvi Roos (Auteur), 2005, Wille und Vernunft bei Thomas von Aquin, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69236