"Institutions matters". Dieser Devise des Neuen Institutionalismus folgend, haben Renate Mayntz und Fritz W. Scharpf den "Akteurszentrierten Institutionalismus" (AI) in der modernen Policy-Forschung etabliert. Grundaussage des AIs ist dabei, dass verschiedene institutionelle Kontextbedingungen den Policy-Prozess beeinflussen und unterschiedliche Policy-outcomes letztlich über diese institutionellen Kontextbedingungen zu erklären sind.
Der Autor untersucht in einer expliziten Anwendung des AI auf den kommunalen Entscheidungsprozess Baden-Württembergs zunächst die Handlungsorientierungen und Handlungssituationen der beteiligten Akteure. In einem nächsten Schritt analysiert er die Akteurskonstellationen im kommunalen Entscheidungsprozess und unterteilt den Entscheidungsprozess in zwei Phasen: die Vorentscheiderphase und die Beschlussphase. Anschließend untersucht er ausgehend von dieser Einteilung die Interaktionsformen und institutionellen Arrangements der relevanten Akteure in den beiden Entscheidungsphasen.
Er zieht dabei den Schluss, dass der kommunale Entscheidungsprozess in Baden-Württemberg, wesentlich geprägt ist von der Machtfülle die die Gemeindeordnung für den Bürgermeister, als Chef der Verwaltung (Exekutiven) und des Rates (Legislativen), bereithält. Der Bürgermeister verfügt nach Ansicht des Autors in der Vorentscheiderphase, als "Verwaltungsprofi" unter Laien, wie auch in der Beschlussphase, als stimmberechtigter Vorsitzender des Gemeinderates, über die Macht der Agenda-Setzung und kann dadurch den kommunalen Entscheidungsprozess in Baden-Württemberg wesentlich prägen.
Gliederung
1 Einleitung
2 Der akteurzentrierte Institutionalismus
3 Der institutionelle Kontext der kommunalpolitischen Entscheidungsfindung
3.1 Formelle Elemente im institutionellen Kontext
3.2 Der überörtliche Rahmen
3.3 Nicht-politische Institutionen und informelle Elemente im institutionellen Kontext
4 Akteure im kommunalen Entscheidungsprozess
4.1 Handlungsorientierungen der Akteure
4.2 Handlungssituationen der Akteure
5 Akteurkonstellationen im kommunalen Entscheidungsprozess
6 Interaktionsformen und institutionelle Arrangements
6.1 Interaktionsformen und institutionelles Arrangement des Vorentscheiderkonzeptes
6.2 Interaktionsformen und institutionelles Arrangement in der Phase der Beschlussfassung
7 Schlussfolgerung
8 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Der kommunale Entscheidungsprozess in Baden-Württemberg ist eingebettet in institutionelle und nicht-institutionelle Rahmenbedingungen. Zur Analyse der kommunalen Entscheidungsfindung bediene ich mich der Annahmen des Akteurzentrierten Institutionalismus.
Zunächst werde ich die Grundannahmen des Akteurzentrierten Institutionalismus beschreiben. Ich werde dann den institutionellen Kontext und seine Wirkungsweise auf Akteure und Akteurkonstellationen darstellen. Abschließend werde ich erörtern welche Interaktionsform in welchem institutionellen Arrangement des kommunalen Entscheidungsprozesses am wahrscheinlichsten ist. Ich werde dabei hauptsächlich mit Annahmen über die Beeinflussung des institutionellen Kontextes auf Handlungssituationen, Handlungsorientierungen und Interaktionsformen der beteiligten Akteure arbeiten.
Ich werde schließen, dass der kommunale Entscheidungsprozess in zwei Phasen gegliedert werden kann und jede dieser Phasen verschiedene institutionelle Arrangements und daher auch unterschiedliche Interaktionsformen zur Folge hat.
2 Der akteurzentrierte Institutionalismus
Der institutionelle Rahmen übt einen wesentlichen Einfluß auf den Prozess der kommunalen Entscheidungsfindung aus. Zur Erklärung des Einflusses von Institutionen bediene ich mich der Annahmen des „Akteurzentrierten Institutionalismus“ von Mayntz und Scharpf. Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus „geht von der Annahme aus, dass soziale Phänomene als das Produkt von Interaktionen zwischen intentional handelnden- individuellen, kollektiven oder korporativen- Akteuren erklärt werden müssen.“ (Scharpf, 2000:17) Der „Akteurzentrierte Institutionalismus“ entstammt dem politologischen Neo-Institutionalismus. An diesem kritisiert er dessen reine Ausrichtung auf Institutionen als maßgeblich bestimmende Faktoren für das politische Outcome. Der Annahme des Neo-Institutionalismus „...institutional actors are driven by institutional duties...“ (March und Olsen, 1989. S. 159) hält er entgegen, dass Institutionen nicht determinierende sondern lediglich Kontextwirkung hätten. Denn der Einfluß von Institutionen auf Wahrnehmungen und Präferenzen kann nie vollständig sein. Scharpf (2000) behauptet, dass politische Akteure nicht immer nach kulturellen Normen oder institutionellen Regeln handeln. Daher wird die Bedeutung institutioneller Faktoren zwar anerkannt aber dennoch in Bezug zu akteursspezifischen Variablen relativiert. (Mayntz et al. 1995: 40ff)
Folglich ist der Ansatz akteursbezogen und institutionalistisch zugleich und basiert auf der folgenden zentralen Annahme „...politische Entscheidungen (sind) als das Resultat von Interaktionen zwischen individuellen, kollektiven und korporativen Akteuren anzusehen, die von dem jeweiligen institutionellen Kontext, in dem sie stattfinden beeinflußt werden.“ (Scharpf, 2000: 41) Es ist demnach möglich den akteurzentrierten Institutionalismus zur Analyse des kommunalen Entscheidungsprozess zu verwenden.
Von analytischem Interesse sind daher die Interaktionen der korporativen Akteure innerhalb eines institutionellen Kontextes, der weiter durch nicht-institutionelle Faktoren beeinflußt wird.
Scharpf zieht es vor den Begriff Institution „...auf Regelsysteme zu beschränken, die einer Gruppe von Akteuren offenstehende Handlungsverläufe strukturieren.“ (Scharpf, 2000: 77). Institutionen umfassen nach dieser Definition nicht nur formale rechtliche Regeln, sondern auch soziale Normen, die von den Akteuren beachtet werden und bei Verletzung gesellschaftliche Sanktionen zur Folge haben. Eine Systematisierung müsste demnach alle Arten rechtlicher Regeln- z.B. das Verwaltungsrecht und Gemeindeordnungen- wie auch die gesamte Bandbreite informeller Regeln, Normen und Konventionen umfassen. Der Ansatz bezieht dementsprechend nicht ausschließlich politische Institutionen in die Analyse mit ein. Des weiteren geht der Ansatz davon aus, dass Institutionen durch Akteure gestaltbar und veränderbar sind und aufgrund dessen als abhängige wie auch unabhängige Variable eingestuft werden können.
Scharpf verwendet das Konzept des „institutionellen Kontext“ als einen Sammelbegriff der wichtigsten Einflüsse auf die erklärungsrelevanten Faktoren- den Handlungsorientierungen und Fähigkeiten der Akteure, den Akteurkonstellationen und den Interaktionsformen. In den folgenden Abschnitten möchte ich den Zusammenhang von Akteuren, Akteurkonstellationen und Interaktionsformen im kommunalen Entscheidungsprozess erörtern und die Beeinflussung durch den institutionellen Kontext, der Gemeindeordnung Baden-Württembergs und weiterer formeller wie informeller Faktoren, darstellen.
3 Der institutionelle Kontext der kommunalpolitischen Entscheidungsfindung
3.1 Formelle Elemente im institutionellen Kontext
Der formelle Rahmen des kommunalpolitische Entscheidungsprozess in Baden-Württemberg wird hauptsächlich durch die Gemeindeordnung gebildet. Ich möchte hierbei besonders die rechtlichen Grundlagen der Entscheidungsträger ausarbeiten.. Die Gemeindeordnung etabliert bestimmte Verfahrensregelungen wie die Einberufung der Sitzungen und Beschlußfassungen , die Relation zwischen Akteuren, Abhängigkeits- und Autoritätsverhältnisse. Daher bietet sie, neben der organisatorischen Ausgestaltung der Gemeinde, ein„...bestimmtes rechtsstaatliche Entscheidungsverfahren, mit dem inhaltlich möglichst richtige und am Gemeinwohl orientierte Entscheidungen getroffen werden.“ (Schliesky, 1998, S.309) Hierdurch werden Interaktionsanlässe und Arenen geschaffen, in denen festgelegte Akteure zu bestimmten Themen zusammenkommen und wiederum unter Betrachtung spezifischer Regeln beraten oder entscheiden. Korporative Akteure, wie etwa die Gemeindeverwaltung werden zudem erst durch institutionelle Regelungen konstituiert.
Unter den im kommunalen Entscheidungsprozess beteiligten Akteuren verleiht die GO Baden-Württemberg besonders dem Bürgermeister eine starke Rechtstellung. Der Bürgermeister ist Leiter der Verwaltung und gleichzeitig Vorsitzender des parlamentarischen Kontrollorgans, dem Gemeinderat. Die Wahl zum Bürgermeister wie auch zum Gemeinderat erfolgt direkt. Dies garantiert eine hohe demokratische Legitimation. Die Amtszeit des Bürgermeisters beträgt acht Jahre. Die Legislaturperiode des Gemeinderates beträgt lediglich fünf Jahre. Eine Amtsenthebung des Bürgermeisters durch den Gemeinderat ist nicht möglich. Lediglich die obere Rechtsaufsichtsbehörde hat das Recht den Bürgermeister, sofern andere Maßnahmen nicht ausreichen, vom Amt zu entheben, wenn der Bürgermeister den Anforderungen seines Amts nicht gerecht wird und dadurch erhebliche Missstände in der Verwaltung eintreten, sodass eine Weiterführung des Amts im öffentlichen Interesse nicht vertretbar ist (§128 Abs.1 BWGemO).
Als Vorsitzender des Gemeinderates kommt dem Bürgermeister die Aufgabe zu Sitzungen vorzubereiten und die Tagesordnung zu gestalten. (§34 Abs.1 BWGemO). Zudem garantieren die Paragrafen 40, Abs.3 und 41 Abs.2 die Rolle des Bürgermeisters als „geborenen Vorsitzenden der Ausschüsse“. (Knemeyer 1998: 26). Des weiteren kann der Bürgermeister Gemeinderats- wie auch Ausschussbeschlüsse überprüfen und beanstanden (§§43 Abs.2, Abs. 3 BWGemO). Er verfügt im Gemeinderat und in den Ausschüssen über das Hausrecht und kann Sanktionen verhängen (§36 Abs.1, Abs.3 BWGemO). Die Beschlüsse des Gemeinderates hat der Bürgermeister eigenverantwortlich auszuführen (§43 Abs.1 BWGemO). Unter besonderen Umständen bei besonders dringlichen Geschäften und wenn der Gemeinderat nicht mehr fristgerecht befasst werden kann, kann der Bürgermeister sogar die Aufgabe des Gemeinderates selbst übernehmen (§43 Abs. 4 BWGemO).
Als Leiter der Verwaltung ist der Bürgermeister für die sachgemäße Erledigung der Aufgaben und den ordnungsmäßigen Gang der Verwaltung verantwortlich (§44, Abs.1 BWGemO). Er erledigt eigenverantwortlich die laufenden Geschäfte und die ihm gesetzlich oder durch den Gemeinderat übertragenen Aufgaben (§44, Abs.2 BWGemO). Der Bürgermeister ist außerdem noch Dienstvorgesetzter für alle Gemeindebediensteten (§44, Abs.4 BWGemO). Seine politische Aufgabe besteht darin Rat und Verwaltung zusammenzuführen und die jeweils spezifischen Funktionen zur Geltung zu bringen (Knemeyer.2000: 27).
Der Gemeinderat ist die Vertretung der Bürger und das Hauptorgan der Gemeinde. Er entscheidet über die Grundsätze der Gemeindeverwaltung und entscheidet über alle Angelegenheiten, insofern der Bürgermeister nicht kraft Gesetzes zuständig ist. Dem Gemeinderat wird zudem durch die Gemeindeordnung die Rolle des exekutiven Kontrollorgans zugewiesen. Er überwacht die Beschlüsse und sorgt beim Auftreten von Mißständen für deren Beseitigung durch den Bürgermeister. (BWGemO §24 Abs.1).
Bei Personalfragen ist der Gemeinderat lediglich auf Augenhöhe mit dem Bürgermeister. Entscheidungen über die Ernennung, Einstellung und Entlassung von Gemeindebediensteten müssen nach der Gemeindeordnung im Einvernehmen getroffen werden. (BWGemO §24 Abs.2).
Wie bereits erwähnt hat der Gemeinderat keine Möglichkeit den Bürgermeister abzuwählen. Der Bürgermeister ist lediglich verpflichtet den Gemeinderat über einen bestimmten Sachverhalt zu unterrichten, wenn dies ein Viertel der Gemeinderäte beantragen. (BWGemO §24 Abs.3)
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