Sozialkompetenz - Begriffsbestimmungen und diagnostische Verfahren


Bachelorarbeit, 2006

49 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Soziale Kompetenz – Begriffsbestimmungen, Definitionen und Abgrenzung gegen verwandte Konzepte
1.1. Begriffsbestimmungen und Definitionen
1.2. Abgrenzung gegen verwandte Konzepte
1.3. Zusammenfassung

2. Soziale Kompetenz – Diagnostik
2.1. Ansätze und Arten diagnostischer Methoden
2.2. Die kognitiven Leistungstests
2.2.1. Tests zur sozialen Intelligenz
2.2.2. Die Messung normbezogenen Wissens
2.2.3. Zusammenfassung
2.3. Die Verhaltensbeobachtung
2.3.1. Die Selbstbeobachtung
2.3.2. Exkurs: Der Beurteilungsbogen smk
2.3.3. Die Fremdbeobachtung
2.3.4. Zusammenfassung
2.4. Die Verhaltensbeschreibung
2.4.1. Die Selbstbeschreibung
2.4.2. Die Fremdbeschreibung
2.4.3. Zusammenfassung
2.5. Die Messung komplexer Kompetenzindikatoren
2.5.1. Die Selbsteinschätzung
2.5.2. Die Fremdeinschätzung
2.5.3. Zusammenfassung
2.6. Zusammenfassung und Ausblick

Anhang

Literatur

Vorwort

Soziale Kompetenz gewinnt seit einigen Jahren nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Berufswelt zunehmend an Bedeutung. Dies liegt nicht zuletzt an der kontinuierlich steigenden Verbreitung von Teamarbeit, die verschiedene soziale Kompetenzen zwingend voraussetzt. Das Funktionieren des Wissenstransfers innerhalb und zwischen Gruppen ist vor allem für mittlere und große Unternehmen von existentieller Bedeutung. Dennoch ist das Konstrukt der sozialen Kompetenz weder normiert, d.h., es gibt kein allgemeingültiges Verständnis über deren Wesen und Bestandteile, noch existieren allgemein anerkannte und fachübergreifend anwendbare diagnostische Verfahren. Wie sich im Verlaufe dieser Arbeit zeigen wird, gibt es eine Vielzahl sehr spezifisch konstruierter Methoden und Verfahren, die Teilaspekte sozialer Kompetenz adäquat erfassen. Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblick der definitorischen Versuche verschiedener Autoren zu geben und darauf aufbauend diagnostische Verfahren vorzustellen. Neben der allgemeinen Klassifizierung werden einige ausgewählte Verfahren im Detail dargestellt. Hierzu erfolgt zu Beginn eines jeden Kapitels eine kurze Einleitung und Hinführung auf den Aufbau und den jeweiligen Inhalt. Am Ende eines jeden Kapitels erfolgt eine Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte und Erkenntnisse. Anhand dieser Arbeit soll der Leser ein eigenes Verständnis von sozialer Kompetenz erlangen und grundlegende Methoden und Verfahren zur Sozialkompetenzdiagnostik kennen lernen. Es folgen einige Schlüsselbegriffe, die im weiteren Verlauf thematisiert werden.

Sozialkompetenz, soziale Intelligenz, Teamfähigkeit, Kompetenzdiagnostik

1. Soziale Kompetenz – Begriffsbestimmungen, Definitionen und Abgrenzung gegen verwandte Konzepte

Der Begriff soziale Kompetenz wird auf unterschiedlichste Art und Weise gebraucht und verstanden. Es gibt eine große Anzahl von Abhandlungen zu diesem komplexen Begriff, die oftmals durch den wissenschaftlichen Hintergrund des Verfassers geprägt sind. Eine einheitliche oder allgemeingültige Beschreibung gibt es jedoch nicht. Sicher ist nur, dass in den meisten Publikationen die Begriffe „Fähigkeiten“, „Fertigkeiten“ und „Interaktionen zwischen Menschen“, sowie die plurale Verwendung eine bedeutende Rolle spielen. Ziel dieses ersten Kapitels ist es, die unterschiedliche Verwendung der sozialen Kompetenz darzustellen, und auf der Basis verschiedener Definitionsansätze ein eigenes Verständnis zu erklären. Des Weiteren wird die soziale Kompetenz gegen andere verwandte Konzepte und Konstrukte abgegrenzt, um schließlich ein praktikables und messbares Verständnis von sozialer Kompetenz zu generieren.

1.1. Begriffsbestimmungen und Definitionen

Versucht man die Bedeutung des Begriffs der sozialen Kompetenz unabhängig von seiner Verwendung zu erklären, so bietet sich die genaue Betrachtung der beiden Bestandteile „sozial“ und „Kompetenz“ an. Sozial lässt sich hierbei durch zwischenmenschlich, gemeinschaftlich etc. ersetzen. Kompetenz hingegen umfasst Schlagworte wie Befugnis, Fähigkeit, Zuständigkeit, Vermögen, Qualifikation etc.

Eine weitere Herangehensweise stellt die etymologische Untersuchung dar. „Competentia“ stammt aus der lateinischen Sprache und leitet sich aus dem Verb competere ab. Dies bedeutet soviel wie zustehen oder zusammentreffen. In der Verwendung als Adjektiv bedeutet es jedoch rechtmäßig, zuständig oder auch befugt.

Im Lauf der Zeit folgten Verwendungen von Kompetenz als rechtmäßiges Einkommen und als Beschreibung von Rechtmäßigkeit im Staatsrecht.

Die rein sprachliche Betrachtung von sozialer Kompetenz lässt bereits die Komplexität des Begriffs erahnen. Um sie besser beschreiben und definieren zu können, beschränkt sich diese Arbeit im weiteren Verlauf auf die in der Psychologie gebräuchliche Verwendung, wobei der Bereich der klinischen Psychologie, in der der Begriff eine große Bedeutung im Zusammenhang mit Entwicklungsstörungen von Kindern (insbesondere körperliche und geistige Behinderungen) hat, weitestgehend ausgeklammert wird.

Als einer der ersten Autoren hat White (1959) den Begriff der Kompetenz im Bereich der nicht – klinischen Psychologie verwendet. In seinem motivationspsychologischen Ansatz beschreibt er Kompetenz als grundlegende Fähigkeiten, die der Mensch mittels eigens motivierter Interaktion mit seinem Umfeld entwickelt. Kompetenz wird hier als Sammelbegriff für Ergebnisse und Entwicklungen des Mensch-Umwelt-Interaktionsprozesses verstanden. Diese Form der Kompetenz ist somit nicht genetisch bedingt und wird vom Verfasser als Voraussetzung für Performanz, also der praktischen Anwendung der grundlegenden Fähigkeiten beschrieben.

Neben dieser ersten Annäherung an eine Definition des Begriffs soziale Kompetenz fällt auf, dass Kompetenzen meist in direktem Zusammenhang mit beobachtetem oder beobachtbarem Verhalten stehen. Auch Stangl (2004) bringt Kompetenz direkt mit Performanz in Zusammenhang. Demnach schreibt ein Beurteiler einer Person aufgrund von Beobachtungen gewisse Attribute zu, die als Kompetenzen zusammengefasst werden. Stangl bezeichnet diese Attribute als Dispositionen und definiert Kompetenz als Summe von Selbstorganisationsdispositionen. Kompetenz verändert sich somit im Zeitablauf, da mit jeder neuen Prüfungssituation eine neue Disposition hinzugerechnet werden kann. Dieser Ansatz, bei dem sich Kompetenz als Summe von beobachtetem kompetenten Verhalten darstellt, soll später noch vertieft werden.

Erpenbeck & von Rosenstiel (2003) nähern sich dem Konstrukt der sozialen Kompetenz, indem sie verschiedene Ausprägungen von Kompetenz klassifizieren. Es ergeben sich bei diesem Ansatz vier Kompetenzklassen:

1. Personale Kompetenzen: Hierunter verstehen die Verfasser die Fähigkeit selbst organisiert zu handeln, eine positive Einstellung zum eigenen Handeln und die Disposition der Selbstreflexion und –einschätzung. Hinzu kommt die Einstellung zu Kreativität, Leistung und der Notwendigkeit von überdauernden Lernprozessen.
2. Aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenzen: Diese lassen sich als eine Form von integrativer Kompetenz beschreiben. Die betrachtete Person kann im positiven Fall ganzheitlich, selbstorganisiert und aktiv unter Einbeziehung interner und externer Pläne handeln. Es wird ergo die simultane Verwendung aller zur Verfügung stehenden Kompetenzen während einer bestimmten Handlung verlangt.
3. Fachlich – methodische Kompetenzen: Unter der Verwendung von Kenntnissen fachlicher und instrumenteller Art sollen kreativ Sachaufgaben gelöst werden. Hierbei ist die Weiterentwicklung bekannter Methoden erwünscht.
4. Sozial – kommunikative Kompetenzen: In dieser Kompetenzklasse werden Dispositionen aus den Bereichen Kooperation und Kommunikation zusammengefasst. Ziel ist es, selbstorganisiert und beziehungsorientiert in Gruppen zu handeln, gemeinsam Pläne zu entwickeln und diese auszuführen.

Das Modell von Erpenbeck & von Rosenstiel zeigt, dass die Einteilung von sozialer Kompetenz in kleinere Einheiten, hier Klassen genannt, zum Verständnis durchaus sinnvoll ist. Es offenbart aber auch, dass es schnell zu Überschneidungen kommt.

Eine noch feiner unterteilte Beschreibung von sozialer Kompetenz liefert Holtz (1994). Er nennt sechs soziale Kompetenzen und ordnet ihnen einen ansteigenden Schwierigkeitsgrad zu:

1. Ausdruck: Die Person ist in der Lage, sich zu artikulieren. Die eigenen Wünsche, Meinungen und Bedürfnisse können verständlich gemacht werden. Eigenes Wissen kann in Gespräche eingebracht werden.
2. Empfang: Die Fähigkeit des Zuhörens und des Beobachtens ist vorhanden. Das Verhalten anderer kann verstanden werden, ebenso Formen von Gruppendynamik.
3. Offenheit: Hierunter fallen u.a. Kritikfähigkeit, sowie der Wille zu konstruktiven Auseinandersetzungen etc.
4. Kooperation: Dazu zählt der Autor die Fähigkeit sich anzupassen und das Erkennen persönlicher Verantwortung und Handlungsalternativen.
5. Gestaltung: Die Person kann sich auf eine bestimmte Gruppe einstellen und sich in ihr zurechtfinden. Dazu gehören auch ein angemessenes Verhalten in gruppendynamischen Prozessen und die Fähigkeit selbst zu kritisieren.
6. Identifikation: Auf dieser sechsten Stufe hat die betrachtete Person ein angemessenes Verständnis von den eigenen Handlungsmöglichkeiten. Sie kann in Konfliktsituationen adäquat handeln und den richtigen Zeitpunkt für eigenes Engagement und passives Verhalten bestimmen.

Holtz’ Betrachtungsweise unterscheidet sich in einem ganz wesentlichen Punkt von Erpenbeck & von Rosenstiel. Während diese versuchen, soziale Kompetenz in kleinere charakterisierbare Einheiten zu unterteilen, beschreibt Holtz verschiedene Ausprägungsstufen.

Eine methodisch ähnliche Betrachtung von Kompetenz auf einer allgemeineren Ebene haben Greenspan & Gransfield (1992) unter dem Titel „Modell der generellen Kompetenz“ veröffentlicht. Ihr allgemeiner Kompetenzbegriff setzt sich zum einen aus sozialer, zum anderen aus instrumenteller Kompetenz zusammen. Beiden Kompetenzformen ordnen sie intellektuelle und nicht – intellektuelle Aspekte zu.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Generelle Kompetenz nach Greenspan & Gransfield (1992)

Greenspan & Gransfield verwenden in ihrem Modell zur Beschreibung von Kompetenz den Begriff Intelligenz, was zu der Vermutung führt, dass es zwischen diesen Begriffen Überschneidungen gibt. Darauf wird jedoch erst im Verlauf der Begriffsabgrenzung detailliert eingegangen. Dennoch sollen die drei verwendeten Intelligenzformen näher erläutert werden.

Unter konzeptueller Intelligenz verstehen die Autoren Denk- und Analysefähigkeit. Praktische Intelligenz hingegen zeichnet sich durch adäquates Verhalten in Alltagssituationen aus, soziale Intelligenz umfasst u.a. interpersonale Aspekte wie Rollenverhalten oder das Erkennen von Gruppenstrukturen. Die beiden letztgenannten Intelligenzformen weisen starke Parallelen zur 4. Kompetenzklasse von Erpenbeck & von Rosenstiel auf. Obwohl das Modell von Greenspan & Gransfield für geistige Behinderungen entwickelt wurde, liefert es doch viele transferierbare Erkenntnisse. Schon jetzt kann behauptet werden, dass soziale Kompetenz bewusste und unbewusste Komponenten enthält und, dass Intelligenz Einfluss auf diese hat.

Anders als die bisher erwähnten Autoren nähert sich Zimmer (1978a, 1978b) der Thematik. Er stellt fest, dass soziale Kompetenz durch situative soziale Aufgaben und Anforderungen determiniert wird. Nicht nur die reine mentale und körperliche Funktionalität, die in der klinischen Psychologie von Bedeutung ist, sondern auch die individuellen situativen Anforderungen werden betrachtet. Zimmer stellt fest, dass sozial kompetentes Verhalten immer auch an Wertevorstellungen des persönlichen und gesellschaftlichen Umfeldes gekoppelt ist. So ist es bspw. als sozial kompetent zu bezeichnen, sich in Gesellschaft eines indonesischen Eingeborenenstammes unbekleidet zu bewegen. Dagegen würde dieses Verhalten in Deutschland als sozial inkompetent klassifiziert. Aus diesem Grund lehnt Zimmer die Festlegung von allgemein als sozial kompetent zu bezeichnenden Verhaltensregeln und –mustern ab.

An dieser Stelle setzt auch Hellman (1963) an. Auch er stellt die starke Bindung von sozial kompetentem Verhalten an diverse Kontextvariablen fest. Der sozial kompetenten Person ist es durch Denken und Fühlen möglich, situationsgerecht zu handeln, wobei jede neue Situation auf kompetentes Verhalten geprüft werden muss. Wenig hilfreich ist dabei die Feststellung, dass sozial kompetentes Verhalten als Gegenteil zu sozial inkompetentem Verhalten gesehen werden kann. In diesem Zusammenhang stellt Hellman fest, dass die Fähigkeit zu sozial kompetentem Verhalten nicht automatisch auch zu diesem führt.

Ein sehr greifbarer Definitionsansatz geht auf Hinsch & Pfingsten (1983, 1998) zurück. Ihr Verständnis von sozialer Kompetenz umfasst das Vorhandensein von motorischen, emotionalen und kognitiven Verhaltensmustern, sowie deren Anwendung. Das Verhältnis aus positiven und negativen Verhaltensfolgen aus bestimmten Situationen soll durch die Anwendung der verschiedenen Fähigkeiten und Fertigkeiten positiv gestaltet werden. Hierzu nennen sie einige Verhaltensmuster und –weisen, die Bestandteil sozial kompetenten Verhaltens sind: Nein sagen können, Gefühle zeigen können, Gespräche führen und gestalten können, Kontaktfähigkeit, Kritik äußern und akzeptieren können, Entschuldigungen akzeptieren und aussprechen können etc.

Ähnlich wie Erpenbeck & von Rosenstiel beschreibt Scala (2001) soziale Kompetenz. Bei ihm taucht der Begriff der Schlüsselqualifikation auf. Soziale Kompetenz ist die Voraussetzung für interpersonale Kommunikation auf den verschiedensten Ebenen und lässt sich in sieben Ebenen aufschlüsseln:

1. Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion: Die Fähigkeit, zeitgleich zu agieren und sich zeitgleich zu beobachten fällt genauso unter diese Ebene wie die richtige Einschätzung eigener Vorlieben. Dies hat vor allem in der Berufswelt einen hohen Stellenwert, da viele Arbeiten nicht allein sondern im Team gelöst werden müssen. Jedes Mitglied eines solchen Teams muss sowohl aktiv gestalten, als auch sich als Teil eines Ganzen sehen.
2. Soziale Diagnosefähigkeit: Ziel hierbei ist es, neben einer (berufs-)spezifischen Beobachtungsfähigkeit eine soziale Beobachtungsfähigkeit zu entwickeln. Mit deren Hilfe können unterschiedliche zwischenmenschliche Situationen erfasst und ausgewertet werden. Dies ist eine Grundvoraussetzung, um eine Vereinbarkeit zwischen dem eigenen Handeln und der persönlichen Umwelt zu erreichen.
3. Gesprächsführung: Da die Zusammensetzung von Gesprächsgruppen genauso berufsspezifisch ist wie die jeweilige Zielsetzung eben dieser Gruppen, muss eine sozial kompetente Person das eigene Interaktionsverhalten nach diesen Einflussfaktoren ausrichten. Grundvoraussetzungen hierfür sind z.B. Flexibilität, Kommunikationsfähigkeit oder Empathie.
4. Teamfähigkeit: Unter diesem Begriff versteht Scala die Fähigkeit, die eigene Meinung bzw. Position innerhalb einer Gruppe zu vertreten und unter Berücksichtigung anderer Meinungen in einem gemeinsamen Prozess eine Problemlösung zu entwickeln. Hierbei gilt es, eigenes Wissen und Ideen an der richtigen Stelle des Entwicklungsprozesses zur Verfügung zu stellen. Ein weiterer wichtiger Faktor ist das aktive Zuhören.
5. Steuern von Arbeitsprozessen: Diese Fähigkeit hat vor allem auf höheren Managementebenen eine große Bedeutung. Die unter 4. genannte Teamfähigkeit ist äußerst wichtig, auf den genannten Managementebenen muss nun entschieden werden, in welchen Tätigkeitsfeldern Teamarbeit in welchem Maße angewendet werden soll. Gleichzeitig muss ein förderliches Klima geschaffen und Gruppenprozesse moderiert werden.
6. Organisationskompetenz: Laut Scala ist soziale Kompetenz die existenzielle Grundlage für Organisationsfähigkeit. Diese hat mit der immer weiter steigenden Komplexität von Tätigkeiten im beruflichen und privaten Bereich enorm an Bedeutung gewonnen. Die Leistungsfähigkeit eines jeden hängt somit direkt von seiner Fähigkeit ab, verschiedene Aspekte aus ebenso verschiedenen Lebensbereichen zu integrieren.
7. Kompetenz in der Kommunikation mit neuen Medien: Durch die immer weiter steigende Verfügbarkeit neuer Medien wie bspw. E-Mail, Internet - Telefonie etc. werden traditionelle Kommunikationswege zum einen ergänzt, zum anderen aber auch ersetzt. Neue Medien verlangen also eine jeweilige spezifische Bewertung durch den Anwender. Kompetenter Umgang zeichnet sich dadurch aus, dass situationsspezifisch der am besten geeignete Kommunikationsweg gewählt wird, ohne die Fähigkeit der traditionellen Kommunikation zu verlieren.

Scala unterteilt soziale Kompetenz vor allem im Hinblick auf deren Anwendung im Berufsleben. Somit betitelt er die von ihm gewählten Ebenen anders als Erpenbeck & von Rosenstiel ihre vier Klassen. Dennoch fällt auf, dass bspw. durch deren erste Klasse der personalen Kompetenzen im Kern dieselben Fähigkeiten beschrieben werden, wie in Scalas erste beiden Ebenen. Zudem nennt Scala den Begriff der Teamfähigkeit als Bestandteil sozialer Kompetenz. Hierauf soll im Verlauf der Begriffsabgrenzung verstärkt Bezug genommen werden.

Im Gegensatz zu Scala, der soziale Kompetenz als Oberbegriff einer Reihe von Teilaspekten versteht, beschreibt Gardner (1991) sozial intelligentes Verhalten als Dimension eines übergeordneten Intelligenzbegriffes. Soziale Kompetenz ist für ihn eine spezielle Ausbringungsform von Intelligenz. Da er diverse Intelligenzformen benennt, spricht er auch von multiplen Intelligenzen. Dazu gehören u.a. die räumliche Intelligenz, die es einer Person ermöglicht, sich räumlich zu orientieren und bildhaft zu denken. Hinzu kommt auch die linguistische Intelligenz, die das persönliche Ausdrucksvermögen und die Verständnisfähigkeit bezüglich verschiedener Sprachbilder umfasst. Auch die logisch –mathematischen Fähigkeiten wie Rechnen oder das Erkennen und Prognostizieren kausaler Zusammenhänge werden von Gardner genannt, ebenso wie musikalische Intelligenz und körperlich – kinästhetische Intelligenz. Letzteres bezeichnet die Fähigkeit, kontrollierte Bewegungen auszuführen. Die eingangs erwähnte soziale Intelligenz unterteilt Gardner in drei weitere Intelligenzformen:

1. Intrapersonelle Intelligenz: Die Fähigkeit der Selbstreflexion und der verbalen Formulierung der Ergebnisse dieses Prozesses.
2. Interpersonale Intelligenz: Die Fähigkeit, das eigene Handeln mit dem des eigenen Umfeldes abzustimmen etc..
3. Spirituell – existenzielles Denkvermögen: Die Grenz- und Grundfragen des eigenen Lebens akzeptieren und beantworten können.

Wieder ist festzustellen, dass auch Gardners Verständnis von sozialer Intelligenz im Kern starke Überschneidungen mit den Definitionsversuchen der bisher aufgeführten Autoren zum Thema soziale Kompetenz aufweist.

Goleman (1995) erweitert die Diskussion noch um den Begriff der emotionalen Intelligenz. Diese ermöglicht es einer Person, eigene und fremde Gefühle objektiv wahrzunehmen und zu verarbeiten. Zudem kann sie aus den generierten Erkenntnissen ein angemessenes Handeln ableiten und umsetzen. Der häufig verwendete Begriff der Empathie spielt somit auch bei Goleman eine tragende Rolle. Die Überschneidungen mit Gardners Definition sozialer Intelligenz oder auch mit den Ausführungen von Greenspan & Gransfield sind mehr als offensichtlich.

Das Studium dieser und weiterer Quellen, deren Erwähnung aufgrund ihrer beinahe grenzenlosen Anzahl den Rahmen dieser Arbeit übersteigen würde, erlaubt bereits erste Erkenntnisse. Der Begriff der sozialen Kompetenz ist extrem vielschichtig. Die Überschneidung mit teilweise besser abgrenzbaren Konstrukten wie Teamfähigkeit und sozialer oder emotionaler Intelligenz ist offensichtlich. Die Definition eines messbaren Verständnisses von sozialer Kompetenz wird u.a. dadurch erschwert, dass verschiedene Autoren im Kern eine kongruente Vorstellung haben, diese aber durch unterschiedliche Notationen abweichend erscheint.

Prinzipiell gibt es zwei grundlegende Verständnisse von sozialer Kompetenz. Ein Teil der Autoren sieht Kompetenz als Potential einer Person, auf deren Ausprägung sie selbst wenig Einfluss hat. Der andere Teil leitet soziale Kompetenz aus dem beobachteten sozial kompetenten Verhalten in verschiedenen Situationen ab. Diese Unterscheidung in deduktive und induktive Verfahren gibt es auch in vielen anderen wissenschaftlichen Disziplinen. Für die Definition und Messung sozialer Kompetenz erscheint die induktive Methode praktikabler, da das Verständnis von sozialer Kompetenz als Potenzial das Vorhandensein eben dieser trotz nicht sichtbarer bzw. messbarer Ausprägungen beinhaltet.

Somit schließe ich mich denjenigen Autoren an, die soziale Kompetenz als Summe von beobachtetem sozial kompetentem Verhalten in verschiedenen Situationen verstehen. Es ist offensichtlich, dass hierin auch ein wichtiger Ansatzpunkt für diagnostische Verfahren besteht. Außerdem ist es von hoher Bedeutung die Situationsspezifität von sozial kompetentem Verhalten zu erkennen und zu verstehen. Ein einfaches Beispiel soll dies verdeutlichen. Im Bereich der Begrüßungsrituale gibt es verschiedene Formen von als sozial kompetent empfundenen Verhalten. Gegenüber einer fremden Person würde wahrscheinlich die namentliche Vorstellung der eigenen Person in Zusammenhang mit einem Händeschütteln und einer verbalen, die Tageszeit beinhaltenden Begrüßung als sozial kompetent gelten. Gegenüber einem nahe stehenden Familienmitglied jedoch würde dies eher für Verwunderung sorgen.

Sozial kompetentes Verhalten ist also situationsspezifisch und beinhaltet immer eine Wertung. Eine Person kann sich nur bezüglich einer bestimmten meist externen Erwartung kompetent bzw. inkompetent verhalten. Die Grundlage für dieses Handeln ist die Summe von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person, die im Zeitablauf als dynamisch angesehen werden muss, da sie durch Lernprozesse verändert wird. Jede sinnvolle Diagnostik ist somit zeitpunktspezifisch und muss multidimensional erfolgen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Soziale Kompetenz als Summe sozial kompetenten Verhaltens

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass während jeder Interaktion zwischen zwei Individuen mehr als eine, in den meisten Fällen eine weitaus höhere Zahl sozialer Kompetenzen erforderlich ist. Das führt zu der Frage, ob es generell unterschiedlich wichtige soziale Kompetenzen gibt und wie sich diese Vermutung fundieren ließe. Wichtige Hinweise zur Lösung des Problems liefert Kanning (2003). Zum einen begründet er die Multidimensionalität des Konstruktes soziale Kompetenz durch die Differenzierung in Wissen (kulturell geprägtes Wissen über die Grundlagen menschlicher Interaktionen), Fähigkeiten (teils genetisch begründete Basiskompetenzen) und Fertigkeiten (erlernte und konkrete Anwendungskompetenzen). Diese verschiedenen Ausprägungen wiederum bedingen sich gegenseitig. Zum anderen stellt Kanning fest, dass eine Einteilung in grundlegende und weniger wichtige soziale Kompetenzen nicht sinnvoll sein kann. Er begründet dies durch die unterschiedlichen Anforderungsprofile verschiedener Berufsbilder oder auch sozialer Schichten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Versuch der Integration verschiedener Kompetenzkataloge (nach Kanning, 2002a)

Zur Visualisierung dieses Sachverhaltes wählt Kanning die Darstellung individueller sozialer Kompetenzen als Puzzleteile. Puzzleteil A symbolisiert die konkrete Situation, der zwei Personen gegenüberstehen, die Puzzleteile B und C hingegen zwei beliebige Personen. Während A und B zusammenpassen und somit sozial kompetentes Verhalten der ersten Person in dieser spezifischen Situation vorliegt, passen A und C nicht zusammen. Dies bedeutet nicht, dass die zweite Person über keinerlei soziale Kompetenzen verfügt, jedoch die Ausprägung dieser nicht auf die Situation A anzuwenden ist.

Während Kanning vorerst keine Einteilung in grundlegende und spezifische soziale Kompetenzen unternimmt, verfolgt Reschke (1995) genau diesen Ansatz. Unter allgemeinen sozialen Kompetenzen versteht er u.a. Extraversion oder auch Empathie, also nicht situationsspezifische Kompetenzen. Als spezifische soziale Kompetenzen bezeichnet Reschke Kompetenzen, die durch Lernen und Üben in verschiedenen Situationen generiert werden. Vor allem im Berufsleben kann es bei der langjährigen Ausübung einer bestimmten Tätigkeit zu extremen Ausprägungen bestimmter Kompetenzen kommen, was im Bereich der Volkswirtschaft als Akkumulation betriebs- und aufgabenspezifischen Humankapitals zu bezeichnen wäre. Dennoch bedingen sich auch bei Reschke allgemeine und spezifische soziale Kompetenzen gegenseitig.

Kanning (1999, 2002a) versucht aus den ihm zur Verfügung stehenden Quellen einen Kompetenzkatalog zu erstellen. Dazu wurde ein vierstufiges Verfahren angewendet. Zuerst wurde durch das Zusammenstellen verschiedenster Definitionsversuche ein Pool von ca. 100 Quellen generiert. Im zweiten Schritt wurden diese Quellen auf Basis des Inhalts und der Ausrichtung der jeweiligen Definition geordnet. Anschließend wurde versucht, die neu geordneten Quellen bzw. Definitionen zu Synonymen zusammenzufassen. Um dem Anspruch der Standardisierung möglichst gerecht zu werden, wurden vor allem bereits in der Psychologie etablierte und hinreichend abgegrenzte Begriffe verwendet. Nach diesem dritten induktiven Schritt folgte eine Durchsicht neu definierter Kompetenzen und deren Bewertung, sowie ggf. einen Einordnung in die bisherigen Ergebnisse.

Kanning stellt im Zuge dieses Entwicklungsprozesses fest, dass sein Kompetenzkatalog ausschließlich allgemeine soziale Kompetenzen enthalten könne, da eine Berücksichtigung spezifischer sozialer Kompetenzen kontraproduktiv sei. Außerdem sei ein fünfter Schritt zur Validierung der Ergebnisse notwendig. Die rein qualitativ entwickelten Ergebnisse müssten falls möglich empirisch belegt werden, hierzu gibt es jedoch noch keine passenden Studien.

1.2. Abgrenzung gegen verwandte Konzepte

Wie bereits unter 1.1. erwähnt, gibt es mehrere verwandte Konzepte im Bereich der Psychologie, die zumindest eine Teilschnittmenge mit dem Konzept der sozialen Kompetenz aufweisen und von verschiedenen Autoren teils analog verwendet werden. In diesem Abschnitt soll eine Abgrenzung dieser Konzepte erfolgen.

Aufgrund der frühen Verwendung in der psychologischen Literatur soll als erstes die soziale Intelligenz behandelt werden. Von Thorndike (1920) geprägt beschreibt sie vor allem die Basis sozialer Interaktion im kognitiven Bereich. Dieses Verständnis teilt auch Gardner (1991). Andere Autoren verstehen sie als Teilaspekt menschlicher Intelligenz, die vor allem im Bereich der nonverbalen Kommunikation zum Tragen kommt. Wieder andere verwenden soziale Intelligenz synonym zur sozialen Kompetenz, bspw. Marlowe (1986). In verschiedenen empirischen Studien konnte nachgewiesen werden, dass Testverfahren zur sozialen Intelligenz hoch mit allgemeiner Intelligenz korrelieren, jedoch nicht mit Selbst- und Fremdbeobachtungen sozialen Verhaltens. Soziale Intelligenz kann somit nicht ausschließlich als Determinante von Sozialverhalten gelten, ist aber dennoch eine der Grundvoraussetzungen hierfür. Dies führt dazu, soziale Intelligenz als eine Teilmenge des Konstruktes der sozialen Kompetenz zu verstehen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 49 Seiten

Details

Titel
Sozialkompetenz - Begriffsbestimmungen und diagnostische Verfahren
Hochschule
Universität Paderborn
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
49
Katalognummer
V69788
ISBN (eBook)
9783638607629
ISBN (Buch)
9783638688901
Dateigröße
656 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sozialkompetenz, Begriffsbestimmungen, Verfahren
Arbeit zitieren
Benjamin Schäfer (Autor:in), 2006, Sozialkompetenz - Begriffsbestimmungen und diagnostische Verfahren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69788

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