Die Normierung der Orthographie im 17. Jahrhundert in Frankreich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Begriffsklärung
II. 1 Was ist Orthographie?
II. 2 Was beinhaltet der Normbegriff?

III. Die politische Situation im 17. Jahrhundert in Frankreich

IV. Die Entwicklung der französischen Sprache im 17. Jahrhundert
IV. 1 Die Forderungen der Modernisierer
IV. 2 Terminologie der Orthographiedebatte
IV. 2.1 Wie wird der Begriff „orthographe ancienne“ charakterisiert?
IV. 2.2 Wie wird der Begriff „nouvelle orthographe“ charakterisiert?
IV. 2.3 Der Begriff „Orthographie“ in den Wörterbüchern des 16. und 17. Jahrhunderts

V. -Le bon usage-
VI. Die Aussprache im 17. Jahrhundert
VII. Die Rechtschreibung im 17. Jahrhundert
VIII. Die wichtigsten Persönlichkeiten in der Orthographiedebatte des 17.Jahrhunderts
VIII. 1 François de Malherbe
VIII. 2 Claude Favre de Vaugelas
VIII. 3 Gilles Ménage
VIII. 4 Dominique Bouhours

IX. Fazit

X. Bibliographie

I. Einleitung

Die Sprache unterliegt ständigen Einflüssen, die zu ihrer Weiterentwicklung und Veränderung beitragen. Jede Veränderung der gesellschaftlichen Struktur, der Lebensbedingungen der Menschen, beeinflusst diese Entwicklung. Deshalb befassen sich Personen seit vielen Jahrhunderten mit der Sprache.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts gibt es im Grunde noch keine wirkliche Grammatik des Französischen. In Frankreich hat man erst in dem Moment begonnen, über die Volkssprache nachzudenken, als ausdrücklich Regeln zu ihrem Gebrauch erlassen wurden. Während in Italien die erste Grammatik bereits 1435 erschienen ist. Es handelt sich dabei um die als grammatichetta vaticana bezeichnete Grammatik von Leon Battista Alberti. (vgl. Elisabeth Burr (2000/2001): "Accademia della Crusca und Académie française[1])

Im 16. Jahrhundert kommt es zu ersten Normierungsbestrebungen. Die ersten Grammatiken und Wörterbücher entstehen. Zudem unterbreiten die Drucker Vorschläge für eine Vereinheitlichung der Rechtschreibung und der Grammatik. Robert Estienne (1503-1559) legt in seinem Traicté de la Grammaire Françoise von 1557 erstmals fest, dass es 22 Buchstaben in der französischen Sprache gibt. Er unterscheidet darin aber noch nicht die Buchstaben -u, -v und -w. Er äußert sich auch nicht zu Akzenten oder der Cedille und auch die Satzzeichen werden nur am Rande erwähnt.

Die Sprachnormierung findet im 17. Jahrhundert ihre Fortsetzung, jedoch unter anderen Voraussetzungen. Somit kann das „Grand Siècle“ als eine der ersten wichtigen Perioden der Entwicklung der französischen Orthographie angesehen werden.

Im Vordergrund dieser Arbeit soll nicht stehen, um welche Änderungen man sich im Detail bemühte, sondern vielmehr will die Arbeit einen Überblick geben über die wichtigsten Fragen der Entwicklung einer einheitlichen Orthographie, wobei sich die Arbeit auf das 17. Jahrhundert beschränkt. Es werden also Themen wie der bon usage und die Aussprache erläutert und inwiefern sich diese auf die Orthographiedebatte auswirken. Am Ende sollen einige Hauptvertreter der Orthographiedebatte des 17. Jahrhunderts genannt und deren Ziele kurz dargelegt werden. Um sich der Entwicklung der Orthographie wissenschaftlich nähern zu können, ist zunächst eine Begriffsdefinition der wesentlichen Termini nötig. Darüber hinaus ist eine Skizzierung der politischen Situation sowie des geschichtlichen Hintergrundes sinnvoll, um die Entwicklung der Orthographie beurteilen zu können.

II. Begriffsklärung

Um wissenschaftlich über die Orthographie bzw. Rechtschreibung (diese beiden Begriffe werden in der Arbeit synonym verwandt) in einer bestimmten Zeit schreiben zu können, ist es zunächst einmal notwendig, diese zu definieren. Ebenso ist es unerlässlich, eine Begriffsbestimmung für das Wort Norm bzw. Normierung zu finden. Im folgenden soll dies erarbeitet werden.

II.1 Was ist Orthographie?

Nach Nina Catach[2] ist dieser Begriff griechischen Ursprungs und setzt sich aus den Wörtern όρθως, „richtig“, und γραφείυ, „schreiben“, zusammen.

Orthographie meint also die Normierung der Schreibung der Wörter einer Sprache. Es entsteht also ein regelgeleitetes Schriftsystem.

Man unterscheidet zwei verschiedene Ansätze der Orthographie: Auf der einen Seite die phonetische Rechtschreibung, die eine möglichst einfache Beziehung zwischen Lautfolge und Schriftbild anstrebt. Das heißt einem Graphem soll möglichst auch nur ein Phonem entsprechen. Der phonematische Ansatz ist definiert durch die These: „Schreibe wie du - deutlich und dialektfrei - sprichst!“ Dieses Prinzip geht also immer von der Standard- oder Hochsprache aus.

Dem gegenüber steht der etymologische Ansatz der Orthographie. Dabei wird die Rechtschreibung aus den grammatischen und sprachgeschichtlichen Beziehungen zwischen verschiedenen Wörtern abgeleitet und insbesondere zwischen den konjugierten, komparierten oder deklinierten Formen eines Wortes sichtbar.

In der französischen Schreibung hat man versucht, besonders viele Buchstaben zu bewahren, denen aber kein Laut mehr entspricht. Hierzu gehörte z.B. das auslautende –r aller Infinitive, das im 16. Jahrhundert nicht mehr gesprochen wurde, aber immer noch geschrieben wurde. Im 17. Jahrhundert begann man, bei den Verben auf –oir und –ir dieses –r wieder zu sprechen.

Das Verstummen war zum einen von Sprachpuristen getadelt worden, zum anderen begann mit der Gründung der Académie française[3] die bis heute andauernde, stark schriftorientierte Phase der zentralistischen Sprachpflege in Frankreich. Und so kommt es bis heute auch in vielen anderen Bereichen der französischen Sprache zu spelling pronunciation[4]. (vgl. Sokol, Monika (2001): Französische Sprachwissenschaft. 66f.)

II.2 Was beinhaltet der Normbegriff?

Wolfgang Settekorn stellt bereits 1988 in seinem Werk „Sprachnorm und Sprachnormierung in Frankreich“ fest, dass es zu den Fragen der Sprachnormierung zahlreiche einschlägige Literatur gibt, in der sehr unterschiedliche und zum Teil kontroverse Auffassungen zum Normbegriff vertreten werden. Einigkeit besteht aber zumindest in einem Punkt:

‚Norme’ est un des termes les plus ambigus et les plus polysémiques des sciences du langage.

Obwohl der Normbegriff so vielschichtig ist, gibt es doch einige Merkmale, die einheitlich anerkannt werden und die die linguistische Normauffassungen mit den anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen teilen. Diese Merkmale beziehen sich auf den Handlungsbezug, den Anspruch auf umfassende Geltung und die Bindung an Sanktionen.

Normen unterscheiden sich von Naturgesetzen dadurch, dass sie auf Handlungen bezogen sind. Sie sind nicht individuell oder partiell anwendbar, sondern sie erheben den Anspruch allgemein gültig zu sein und somit eine Verbindlichkeit zu implizieren. Mit diesem Anspruch hängt ein weiteres Merkmal zusammen: Normen haben Gebotscharakter. Wer gegen sie verstößt, muss mit Sanktionen rechnen. Soweit die Definition nach Settekorn, der seine Begriffsbestimmung stark an die Sozialwissenschaft angelehnt hat.

(vgl. Settekorn, Wolfgang (1988): „Sprachnorm und Sprachnormierung in Frankreich“. 3ff.)

III. Die politische Situation im 17. Jahrhundert in Frankreich

Mit der Thronbesteigung Henri IV begann die bedeutendste Epoche der französischen Geschichte: der erneute Aufstieg Frankreichs zur Vormacht in Europa und die Durchsetzung der absolutistisch-zentralistischen Staatsform. Henri IV installierte eine zentral gelenkte, vom König völlig abhängige Bürokratie und schlug eine aggressive Außenpolitik gegenüber Spanien ein. Im Jahre 1593 konvertiert er zum Katholizismus und beendet 1598 mit dem Edikt von Nantes[5] die Religionskriege[6]. Als Eckdatum für den Beginn der Epoche des Neufranzösischen ist das Jahr 1605 zu nennen. Henri IV ruft François de Malherbe (1555 – 1628) an den Pariser Hof. Dieser hat nun die Aufgabe, als offizieller Hofdichter die Literatursprache den Anforderungen der neuen Zeit dienstbar zu machen. Mit Henri IV beginnt folglich die Unterwerfung der sprachlichen Prozesse unter die Kontrolle der Monarchie, die sich allmählich zu einer absolutistischen entwickelt. 1610 fällt Henri IV einem Mord zum Opfer. Unter Verdacht geraten die Jesuiten, gemeinsam mit Marie de Medici (1573 – 1642), seit 1600 Gattin des Königs. Sein Sohn Louis XIII stand zunächst unter der Regentschaft seiner Mutter. Es folgte eine Zeit, in der zwei Kardinäle – Richelieu (1585-1642) und Mazarin (1602-1661) – die Geschicke Frankreichs an Stelle des Königs lenkten und den Protestantismus zum Teil sehr hart zurückdrängten. Unter der Leitung Richelieus wird die Macht der Krone weiter gefestigt, innere Opposition ausgeschaltet und höchst aktive Außenpolitik betrieben. Der Kardinal greift das Haus Habsburg unmittelbar, durch sein Eingreifen in den Dreißigjährigen Krieg[7] an. Die spanische Macht – kaum noch handlungsfähig – verliert zunehmend an Einfluss auf Frankreich. Das Land wird zur militärischen und politischen Führungsmacht Europas und im Laufe des 17. Jahrhunderts entwickelt es sich ebenfalls zur kulturellen und wissenschaftlichen Vormacht des Kontinents.

Der vierjährige König Louis XIV (1638-1715), der so genannte Sonnenkönig, erbte 1643 den Thron, Mazarin führte die Regierung weiter. Die sogenannte Fronde[8] suchte die Minderjährigkeit des Königs zu nutzen und die absolutistische Macht der Krone zu schwächen; der Bürgerkrieg scheiterte. Nach dem Tod Kardinal Mazarins übernahm König Louis XIV 1661 die Regierungsgeschäfte allein. Unter ihm gelangte Frankreich auf den Gipfel seiner Macht. Der König selbst verfügte dabei über eine enorme Autorität im Staat; das Zeitalter des Absolutismus brach endgültig an.

Louis XIV sah sich in der politischen Tradition seines Großvaters und Richelieus, um Frankreichs Machtposition zu stärken. Im Londoner Kutschenstreit[9] erreichte er die Anerkennung der französischen Krone als stärkste Macht in Europa. Er reformierte den Staat von Grund auf, indem er die Bürokratie effektiv ausbaute, die Wirtschaft massiv förderte, die französische Armee zur leistungsstärksten, fortschrittlichsten und größten des Kontinents ausbaute, die Flotte neu formierte und das Rechtswesen vereinfachte. 1661 wird der Finanz- und Wirtschaftsminister Nicolas Fouquet (1615 – 1680) entlassen. Dieses Amt übernimmt Jean-Baptiste Colbert. Dieser fördert den Ausbau der Manufakturen, des Handels, der Verkehrswege (Straßen und Kanäle), die Gründung von Exportgesellschaften, die Entwicklung der Naturwissenschaften und Technologien sowie die Gründung der Académie des Sciences (1666).

Das Schloss Versailles und die staatliche Organisation Frankreichs wurden überall als wegweisend kopiert. Paris wuchs zur größten Stadt der Welt und zum wissenschaftlichen und intellektuellen Zentrums Europas heran.

Während der Herrschaft Louis XIV führte Frankreich vier große Kriege: den Devolutionskrieg (1667 - 1668), den Holländischen Krieg (1672 - 1678), den Krieg gegen die Augsburger Liga (1688 - 1697) und den Spanischen Erbfolgekrieg (1701 - 1713). Letzterer endete in einer Staatsverschuldung, aber auch in der endgültigen Beseitigung der Habsburger als politische Bedrohung. Diese Kriege ergaben eine enorme territoriale Erweiterung und führten schließlich zu den gegenwärtigen Grenzen Frankreichs. Durch das Edikt von Fontainebleau[10] 1685 wurde das tolerante Edikt von Nantes aufgehoben; hugenottische Kirchen wurden zerstört, protestantische Schulen geschlossen, um die Einheit des Staates selbst in der Religion zu vollenden. Louis XIV überlebte seinen Sohn und seinen ältesten Enkel und stirbt am 1. September 1715, wodurch eine Ära sein Ende findet.

(vgl. http://www.lexikon-definition.de/Geschichte_Frankreichs#Zeitalter_des_Absolutismus)

[...]


[1] <www.uni-duisburg.de/FB3/ROMANISTIK/PERSONAL/Burr/Norm/Academia/lecture/Academy.htm>

[2] Catach, Nina (1995): L’orthographe. Presses Universitaires de France. Paris. S.7f.

[3] Académie française: staatl. frz. Gesellschaft zur Pflege der frz. Sprache und Literatur. Sie zählt 40 Mitglieder („die 40 Unsterblichen“), die frei gewordene Plätze durch Zuwahl besetzen.

[4] spelling pronunciation: Ein Wort oder Ausdruck, dessen Lautung in einer Sprache keine oder nur wenig augenscheinliche Entsprechung mit seiner geschriebenen Form zeigt, wird in der Aussprache der Schriftform angepaßt. (vgl. Sokol (2001): 67)

[5] Edikt von Nantes: Das Edikt wurde am 13. April 1598 vom französischen König Heinrich IV. in Nantes unterzeichnet. In dem Erlass wurde das katholische Bekenntnis als Staatsreligion bestätigt, den französischen Calvinisten aber dessen ungeachtet die freie Religionsausübung und eine politische Sonderstellung eingeräumt.

[6] Religionskriege: Die Hugenottenkriege 1562 bis 1598 waren eine Folge von Bürgerkriegen in Frankreich. Sie sind durch das Massaker an den französischen Protestanten, den sogenannten Hugenotten, in der Bartholomäusnacht (24.08.1572) und die politische Beendigung des Krieges durch den populären König Henri IV den Franzosen heute noch bewusst. Ziel einer katholischen Adelspartei war es, die Hugenotten mindestens von den staatlichen und kirchlichen Pfründen auszuschließen und zugleich das Königtum zu kontrollieren.

[7] Dreißigjähriger Krieg: Der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648 war zugleich ein Religionskrieg und ein klassischer Staatenkonflikt um Hegemonie oder Gleichgewicht zwischen den Mächten Europas.

[8] Fronde: Die Fronde (deutsch: die Schleuder) war ein Bündnis des französischen Hochadels, der hohen Richterschaft und Teilen des Volkes gegen den zunehmenden Absolutismus im Frankreich des 17. Jahrhunderts.

[9] Londoner Kutschenstreit: Der Londoner Kutschenstreit (frz. Guerre de préséance) war ein diplomatischer Zwischenfall in London im Oktober 1661. Es handelte sich dabei um einen Rangstreit zwischen Frankreich und Spanien.

[10] Edikt von Fontainebleau: Am 18. Oktober 1685 wurde in Frankreich das Edikt von Nantes im Edikt von Fontainebleau widerrufen. Damit erklärte der König das katholische Bekenntnis zur Staatsreligion und erließ ein Verbot der protestantischen Religionsausübung. Dieses Edikt traf die französischen Protestanten schwer, da es konsequent durchgesetzt wurde. Aus Südfrankreich, wo die meisten Protestanten wohnten, flohen die Angehörigen der Oberschicht zu Tausenden in andere protestantische Länder und wurden Hugenotten genannt. Insgesamt flohen ca. 200.000 Menschen aus Frankreich.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die Normierung der Orthographie im 17. Jahrhundert in Frankreich
Hochschule
Universität Potsdam  (Romanistik)
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
25
Katalognummer
V69792
ISBN (eBook)
9783638613989
ISBN (Buch)
9783640475155
Dateigröße
521 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Normierung, Orthographie, Jahrhundert, Frankreich, 17., Vaugelas, Académie, Akademie, Francaise
Arbeit zitieren
Diana Eckl (Autor:in), 2006, Die Normierung der Orthographie im 17. Jahrhundert in Frankreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69792

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Normierung der Orthographie im 17. Jahrhundert in Frankreich



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden