Der Begriff Sozialkompetenz als Teilkompetenz der beruflichen Handlungskompetenz ist besonders während den letzten zehn Jahren in der Berufswelt zu einem Modewort geworden, obwohl das Wort selbst nicht als neu zu bezeichnen ist. Bereits in den Empfehlungen der Sekundarstufe II des Deutschen Bildungsrats von 1974 wird auf die Handlungskompetenz als Bildungsziel hingewiesen. Durch Lernprozesse sollen allgemeine und berufliche Lerninhalte miteinander kombiniert und unter Berücksichtigung fachlicher, aber auch humaner und gesellschaftlich-politischer Kompetenzen vermittelt werden. Aufgrund des Berufsneuordnungsverfahrens in den 1980er Jahren und den Bemühungen in der betrieblichen und schulischen Berufsausbildung gewann der Kompetenzbegriff mehr an Bedeutung, sodass die Handlungskompetenz als Ziel der Berufsausbildung im Jahre 1996 in den Handreichungen für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz integriert wurde.
In vielen Stellenanzeigen werden am häufigsten die Vokabeln Team-, Kooperations-, Kommunikationsfähigkeit, selbstständige Lern- und Arbeitsweisen und Flexibilität, Ideenreichtum sowie Kreativität als berufliche Voraussetzungen genannt. Weitere Begriffe, wie z.B. eigenverantwortliches, kooperatives, kreatives und flexibles Handeln werden ebenfalls als Anforderung an die zukünftigen Arbeitnehmer gestellt. Aufgrund des Bedeutungszuwachses in der Wirtschaft rückt in vielen Berufen neben der Fachkompetenz somit auch die Sozialkompetenz in den Mittelpunkt der Berufsanforderungen. Die immer steigenden Anforderungen an die Arbeitnehmer machen es erforderlich, den Berufsschulunterricht ebenfalls an die sich ändernden Bedingungen auszurichten. Somit kommt der Berufsschule eine wichtige Funktion zu.
Um dem Veränderungsprozess in der Arbeits- und Berufswelt gerecht zu werden, müssen bereits in der Berufsausbildung Konzepte erarbeitet und entwickelt wer-den, inwiefern soziale Handlungskompetenz im Berufsschulunterricht gefördert werden kann. Aus diesem Grund möchte ich mich in meiner Hausarbeit mit dem Konstrukt der sozialen Handlungskompetenz auseinander setzen sowie Möglichkeiten und Grenzen der Förderung aufzeigen.
Inhaltsverzeichnis
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Einordnung des Begriffs soziale Handlungskompetenz
2.1 Historischer Rückblick – die Bedeutung von Sozialkompetenz
2.2 Kompetenzverständnisse
2.2.1 Erste Ansätze
2.2.2 Der Kompetenzbegriff in der Sozialphilosophie
2.2.3 Der Kompetenzbegriff in der Psychologie
2.2.4 Der Kompetenzbegriff in der Pädagogik
2.3 Kompetenz und Qualifikation – zwei Wörter, ein Begriff?
2.4 Sozialkompetenz – eine Annäherung an den Begriff
2.4.1 Begriffsbestimmung
2.4.2 Wichtige Aspekte der Sozialkompetenz
2.5 Sozialkompetenz als Schlüsselqualifikation?
2.6 Berufliche Handlungskompetenz
2.6.1 Handlungskompetenz in der Pädagogik
2.6.2 Zum Begriff der Handlung
2.6.3 Zum Begriff der Kompetenz
2.6.4 Begriffverständnis
2.6.5 Der handlungsorientierte und kompetenzanalytische Ansatz
2.6.6 Kompetenzklassen
2.6.6.1 Fachkompetenz
2.6.6.2 Personalkompetenz
2.6.6.3 Sozialkompetenz
2.7 Emotionale Intelligenz
2.8 Soziale Handlungskompetenz
3 Dimensionen der sozialen Handlungskompetenz
3.1 Facetten der sozialen Handlungskompetenz
3.1.1 Kommunikationsfähigkeit
3.1.1.1 Vier Ebenen der Kommunikation
3.1.1.2 Störungen in der sozialen Kommunikation
3.1.2 Kooperationsfähigkeit
3.1.3 Teamfähigkeit
3.1.4 Konfliktfähigkeit
3.1.5 Interpersonale Flexibilität
3.1.6 Durchsetzungsfähigkeit
3.1.7 Empathie
3.2 Grundmodell des sozial-kommunikativen Handelns nach Euler / Reemtsma-Theis
3.2.1 Agentiver Schwerpunkt
3.2.2 Reflexiver Schwerpunkt
3.2.3 Situationstypen
3.2.4 Wechsel zwischen agentivem und reflexivem Schwerpunkt
3.3 Zwischenfazit
4 Bedeutung der Förderung für die berufliche Erstausbildung
5 Förderung von sozialer Handlungskompetenz
5.1 Anforderungen zur Förderung
5.1.1 Anforderungen an die Lehrenden
5.1.2 Anforderungen an die Ausbildungsbetriebe
5.1.3 Weitere Kriterien
5.2 Entwicklung von Sozialkompetenzen
5.3 Gestaltung von Lernumgebungen
5.4 Sozialformen
5.4.1 Gruppenarbeit
5.4.1.1 Kriterien zur Gruppenbildung
5.4.1.2 Ziele des Gruppenunterrichts
5.4.1.3 Stärken und Schwächen
5.4.2 Rollenspiel
5.4.2.1 Kriterien des Rollenspiels
5.4.2.2 Ziele des Rollenspiels
5.4.2.3 Stärken und Schwächen
5.4.3 Zwischenfazit
6 Schwierigkeiten und Grenzen der Förderung
6.1 Akteure
6.1.1 Lehrkraft
6.1.2 Schüler
6.2 Unterrichtsmethoden / Sozialformen
6.3 Organisation der Schule
6.4 Betriebe
6.5 Transfer
6.6 Prüfungen
7 Schlussbetrachtung und Ausblick
8 Quellenverzeichnis
9 Anlage
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tab. 1:Vielfalt der Sozialkompetenzen
Tab. 2:Die fünf Dimensionen der emotionalen Intelligenz
Tab.3:Facetten der Sozialkompetenz im Ausbildungsberuf Industriekaufmann / -frau
Tab.4:Facetten der Sozialkompetenz im Ausbildungsberuf Groß-und Außenhandelskaufmann / -frau
Tab.5:Facetten der Sozialkompetenz im Ausbildungsberuf Kaufmann / -frau im Einzelhandel
Abb. 1: Handlungskompetenz-Modell nach Faix / Laier
Abb. 2: Ansätze zur Beschreibung und Erfassung von Handlungskompetenz
Abb. 3: Agentiver Schwerpunkt in der sozialen Kommunikation
Abb. 4: Agentiver und reflexiver Schwerpunkt der Kommunikation
Abb. 5: Grundmodell des sozial-kommunikativen Handelns
Abb. 6: Merkmale von Situationstypen
Abb. 7: Schwerpunkte des sozial-kommunikativen Handelns
Abb. 8: Lernschritte in der Entwicklung von Sozialkompetenzen
Abb. 9: Prinzip des problemorientierten Lernens durch Erfahrung
Abb. 10: Gruppenarbeit im Rahmen der Projektarbeit nach Euler
Abb. 11: Einflussfaktoren der sozialen Handlungskompetenz
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Vorbemerkung
- Für den Fall, dass es eine männliche und eine weibliche Sprachform gibt, wird in der gesamten Examensarbeit zugunsten einer guten Lesbarkeit i. d. R. nur die männliche Form verwendet. Inhaltlich ist die weibliche Form jeweils mit eingeschlossen, sofern ein Ausschluss nicht ausdrücklich erwähnt ist.
- Zitate wurden wortwörtlich aus den Originaltexten übernommen. Einige weisen jedoch veraltete oder fehlerhafte Schreibweisen auf. In diesen Fällen habe ich diese Wörter bewusst fehlerhaft übernommen und mit einem Ausrufezeichen in eckiger Klammer „[!]“ gekennzeichnet.
1 Einleitung
Der Begriff Sozialkompetenz als Teilkompetenz der beruflichen Handlungskompetenz ist besonders während den letzten zehn Jahren in der Berufswelt zu einem Modewort geworden, obwohl das Wort selbst nicht als neu zu bezeichnen ist. Bereits in den Empfehlungen der Sekundarstufe II des Deutschen Bildungsrats von 1974 wird auf die Handlungskompetenz als Bildungsziel hingewiesen.[1] Durch Lernprozesse sollen allgemeine und berufliche Lerninhalte miteinander kombiniert und unter Berücksichtigung fachlicher, aber auch humaner und gesellschaftlich-politischer Kompetenzen vermittelt werden. Aufgrund des Berufsneuordnungsverfahrens in den 1980er Jahren und den Bemühungen in der betrieblichen und schulischen Berufsausbildung gewann der Kompetenzbegriff mehr an Bedeutung, sodass die Handlungskompetenz als Ziel der Berufsausbildung im Jahre 1996 in den Handreichungen für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz integriert wurde.[2]
In vielen Stellenanzeigen werden am häufigsten die Vokabeln Team-, Koopera-tions-, Kommunikationsfähigkeit, selbstständige Lern- und Arbeitsweisen und Flexibilität, Ideenreichtum sowie Kreativität als berufliche Voraussetzungen genannt.[3] Weitere Begriffe, wie z. B. eigenverantwortliches, kooperatives, kreatives und flexibles Handeln werden ebenfalls als Anforderung an die zukünftigen Arbeitnehmer gestellt.[4] Aufgrund des Bedeutungszuwachses in der Wirtschaft rückt in vielen Berufen neben der Fachkompetenz somit auch die Sozialkompetenz in den Mittelpunkt der Berufsanforderungen. Die immer steigenden Anforderungen an die Arbeitnehmer machen es erforderlich, den Berufsschulunterricht ebenfalls an die sich ändernden Bedingungen auszurichten. Somit kommt der Berufsschule eine wichtige Funktion zu.
Um dem Veränderungsprozess in der Arbeits- und Berufswelt gerecht zu werden, müssen bereits in der Berufsausbildung Konzepte erarbeitet und entwickelt werden, inwiefern soziale Handlungskompetenz im Berufsschulunterricht gefördert werden kann. Aus diesem Grund möchte ich mich in meiner Hausarbeit mit dem Konstrukt der sozialen Handlungskompetenz auseinander setzen sowie Möglichkeiten und Grenzen der Förderung aufzeigen.
Um die Förderungsmöglichkeiten der sozialen Handlungskompetenz aufzuzeigen, muss zunächst eine curriculare Präzisierung und Konkretisierung des Begriffs erfolgen. Aus diesem Grund soll zu Beginn der Arbeit die Frage geklärt werden, was unter dem Begriff der sozialen Handlungskompetenz zu verstehen ist. Augrund der Komplexität des Konstruktes unterteile ich den Begriff in seine einzelnen Wörter. Dabei gehe ich zunächst auf unterschiedlich motivierte Ansätze des Kompetenzbegriffs ein. In einem weiteren Schritt erfolgt eine Darstellung unterschiedlicher Verständnisse von Sozialkompetenz und die Darstellung des Begriffs der beruflichen Handlungskompetenz. Hierbei gehe ich auf dessen pädagogisches Verständnis ein, um zum Schluss des zweiten Kapitels Kriterien der sozialen Handlungskompetenz aufzuzeigen.
Da in den Stellenanzeigen häufig die Anforderungen anhand von Fähigkeiten aufgezählt werden, erfolgt im dritten Kapitel eine genaue Darstellung der Facetten von sozialer Handlungskompetenz. Aufgrund der Vielfältigkeit beschränke ich mich auf die wesentlichen und am häufigsten erwähnten Facetten. Ein weiterer Bereich des Kapitels stellt der sozial-kommunikative Ansatz der Handlungskompetenz von Euler und Reemtsma-Theis dar. Es erfolgt eine Darstellung des Konzeptes, was als Grundlage für die Förderungsmöglichkeiten dient.
Im vierten Kapitel wird exemplarisch anhand von drei verschiedenen Ausbildungsberufen untersucht, inwiefern das Konstrukt der Sozialkompetenz aufgrund der steigenden beruflichen Anforderungen in den Rahmenlehrplänen verankert ist. Es erfolgt eine tabellarische Auflistung der einzelnen Lernfelder, um festzustellen, ob Inhalte und Lernziele formuliert wurden, die die Förderung von Sozialkompetenz mit beinhalten.
Das fünfte Kapitel beinhaltet Möglichkeiten zur Förderung von sozialer Handlungskompetenz. Neben verschiedenen Anforderungskriterien der Akteure werden Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt. Da die Situationsgestaltung für die Förderung von großer Bedeutung ist, wird in einem weiteren Abschnitt auf die Gestaltung von Lernumgebungen eingegangen. Anhand von zwei Sozialformen soll aufgezeigt werden, inwiefern das Grundmodell des sozial-kommunikativen Handelns von Euler und Reemtsma-Theis Hilfestellungen zur Förderung bietet. Zum Schluss werden in einem weiteren Kapitel Schwierigkeiten und Grenzen erörtert, die bei der Umsetzung in der beruflichen Ausbildung auftreten können.
2 Einordnung des Begriffs soziale Handlungskompetenz
Aufgrund gesellschaftlicher und technologischer Veränderungen gewinnt die soziale Kompetenz nicht nur im beruflichen, sondern auch im privaten Umfeld an Bedeutung. In vielen Berufen ist somit nicht nur die reine Fachkompetenz gefordert, sondern die Sozialkompetenz rückt ebenfalls in den Mittelpunkt der Arbeitsanforderungen.
In der wissenschaftlichen Literatur wird der Begriff soziale Kompetenz vielfach diskutiert. Jedoch ist es den Wissenschaftlern bis heute nicht gelungen, eine allgemein gültige Definition zu entwickeln. Um eine Annäherung des Begriffs soziale Handlungskompetenz aufzuzeigen, wird dieser im Folgenden aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet.
Zunächst werden die ersten Ansätze und Verständnisse des Kompetenzbegriffs aufgezeigt. Hierbei beschränke ich mich auf drei wesentliche Richtungen. Anschließend erfolgt eine Abgrenzung des Kompetenzbegriffs zum Verständnis der Qualifikation. Es wird aufgezeigt, ob beide Begriffe als Synonyme verwendet werden können. Im nächsten Abschnitt erfolgt eine Annäherung an den Begriff Sozialkompetenz, unter Berücksichtigung verschiedener Blickwinkel. In diesem Zusammenhang werden wesentliche Kriterien zum Terminus dargestellt. Inwiefern soziale Kompetenz als Schlüsselqualifikation zu bezeichnen ist, wird im darauffolgenden Abschnitt untersucht. In Bezug auf die Pädagogik wird weiterhin die Handlungskompetenz und für die berufliche Bildung der Begriff berufliche Handlungskompetenz genauer durchleuchtet. Ein weiterer Abschnitt beschäftigt sich mit der emotionalen Intelligenz nach Goleman. Hierbei sollen ebenfalls Parallelen zur sozialen Kompetenz gezogen werden. Zum Schluss gehe ich auf das Verständnis der sozialen Handlungskompetenz ein.
2.1 Historischer Rückblick – die Bedeutung von Sozialkompetenz
Um den Stellenwert von Sozialkompetenzen im Berufsleben beurteilen zu können, werde ich in diesem Punkt einen historischen Überblick herausarbeiten. Damit soll eine Entwicklung nachgewiesen werden, die den wachsenden Bedarf an Sozialkompetenzen erklärt. Ich beschränke mich ausschließlich auf den geschichtlichen Wandel der Gesellschaft vom religiös geprägten Arbeitsbegriff bis in die Gegenwart. Ein weiterer ausführlicher Rückblick würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und für die Klärung der Bedeutung von Sozialkompetenz nicht erforderlich sein.
Im 17. Jahrhundert entwickelte sich die Gesellschaft in Europa durch den Fortschritt von Technik und den Naturwissenschaften von einer merkantilistisch geprägten Volkswirtschaft zu einer Industrienation. Damit veränderte sich auch der Begriff Arbeit. Die protestantische Ethik verpflichtete den Menschen zur Arbeit; Müßiggang oder Faulheit kennzeichnete kein gottgefälliges Leben.[5] Das dabei entstandene Produkt wurde nach seiner Nützlichkeit beurteilt. Dies änderte sich mit der Industrialisierung zunehmend. Nicht mehr das durch einen Menschen hergestellte Arbeitsergebnis war entscheidend, sondern der Herstellungsprozess an sich rückte in den Fokus der Betrachtung.[6] Daraus entwickelte sich eine Entfremdung des Menschen zu seinem bisherigem Verständnis von Arbeit. Die Weiterentwicklung von Arbeit in den Manufakturen gestaltete sich zunehmend maschinell. Parallel dazu verlief eine Säkularisierung des Arbeitsbegriffes. Arbeit wurde nicht mehr als Erfüllung einer christlichen Pflicht angesehen, sondern als Möglichkeit zur Entfaltung seiner Lebensziele.[7] John Locke definiert Eigentum als Ergebnis menschlicher Arbeit. Damit hatte sich der Arbeitsbegriff gründlich verändert. Arbeit wurde nicht mehr als irdisches Muss an Mühe und Qual angesehen, sondern zur Befriedigung von menschlichen Bedürfnissen. Mit der Technisierung der Manufakturen verschwindet der einzelne Mensch. Er wird leichter austauschbar und findet sich in einer großen Masse der arbeitenden Bevölkerung wieder. Weiterhin muss er sich der Ökonomisierung unterordnen, indem er möglichst produktiv arbeitet, um nicht von dem volkswirtschaftlichen Wertschöpfungsprozess aussortiert zu werden.[8]
Während der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts wurden immer mehr Maschinen eingesetzt, um den Arbeitsprozess möglichst effektiv zu gestalten. Das hatte zur Folge, dass einzelne Wissenschaftler Arbeitsmethoden und Maschinen weiterentwickelten und verbesserten. Frederick Winslow Taylors Grundgedanke war, die Arbeitsabläufe so zu optimieren, dass mit einem geringen Aufwand an Arbeitskraft eine möglichst hohe Produktivität erzielt wird. Faktisch führte dies zu einer Zergliederung des Arbeitsprozesses in einzelne Arbeitsschritte. Somit wurde das Fachwissen eines einzelnen Arbeiters unwichtig; die betreffende Handarbeit am richtigen Ort zur richtigen Zeit wurde maßgebend.[9] Henry Ford, ein Automobilhersteller aus den USA, nutzte als erster Unternehmer das Fließband. Mit dieser Produktionsweise wurde das tayloristische Prinzip der Arbeitszergliederung per-fekt angewendet.[10] Der wirtschaftliche Erfolg dieses Verfahrens gab Taylor und Ford recht. Allerdings vernachlässigte diese Produktionsweise die Einbindung eines Arbeitnehmers in soziale Kontexte. Der Arbeitstakt der Maschinen und insbesondere des Fließbandes ließen keine Möglichkeiten für soziale Kompetenzen zu.
Professor Elton Mayo von der Universität Harvard USA untersuchte in den 1930er Jahren die zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb eines nach tayloris-tischem Muster arbeitenden Betriebes. Er wählte den Betrieb Western Elextric Company bei Hawthorne/Chicago. Mayo und seine Mitarbeiter analysierten, inwiefern die Bedingungen der Arbeitsumgebung und der Arbeitsgestaltung Einfluss auf die Leistungen der Arbeitnehmer dieses Unternehmens nehmen. Dazu führten sie verschiedene Experimente durch. Das auffälligste Experiment war das Beleuchtungsexperiment. Es sollte herausgefunden werden, inwiefern die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer systematisch mit der Lichtstärke variiert.[11] Die Versuchsergebnisse verliefen nicht wie geplant; nach mehreren Modifikationen bekamen die Wissenschaftler verschiedene Ergebnisse, die zu absurden Schlussfolgerungen geführt hätten und auch nicht reproduzierbar waren.
Die Methoden, Ergebnisse und Interpretationen dieser „Hawthorne Studien“ sind inzwischen umstritten, dennoch ist ein signifikanter Zusammenhang zwischen mitmenschlichen Beziehungen und dem Führungsverhalten von Vorgesetzten festgestellt worden, der mit als Initialzündung für eine Humanisierung des Arbeitsplatzklimas gesorgt hat.
Mayo ging es mit seinem Versuch nicht primär um eine Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen am Arbeitsplatz, sondern um eine Revision von der Zerstückelung der Arbeit in Kopf und Hand getrennte Arbeitsschritte.
Humanistisch orientierte Wissenschaftler, wie z. B. Maslow 1954, Mc Gregor 1960 und Likert 1961 / 1967 verfolgten denselben Ansatz wie Mayo, jedoch mit dem Ziel, den Arbeitnehmern eine Verbesserung der am Arbeitsplatz vorherrschenden sozialen Gegebenheiten zu ermöglichen. Parallel dazu gelang Vroom 1964 und Bass 1965 der Nachweis, dass Motivation, Produktivität und Arbeitsplatzzufriedenheit der Arbeitnehmer stiegen, wenn die zwischenmenschlichen Bedingungen am Arbeitsplatz verbessert wurden.
Um eine derartige Arbeitsplatzverbesserung durchzuführen, rückte die Notwendigkeit in den Brennpunkt, Sozialkompetenzen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber zu fördern.
2.2 Kompetenzverständnisse
Der Kompetenzbegriff wird heutzutage in unterschiedlichen Zusammenhängen, wie z. B. in der Psychologie, im Bereich der Sozialwissenschaften, in der Sprachwissenschaft und in der Pädagogik verwendet. Daher scheint es auch nicht verwunderlich, dass viele verschiedene Definitionen des Begriffes, die jeweils verschiedene Teilaspekte ansprechen, in der Literatur zu finden sind. Je nach Thematik gibt es eine Vielzahl domänenspezifischer Auffassungen, die sich z. T. widersprechen.[12] Eine bereichsübergreifende Definition wurde bisher nicht gefunden. Nach Gilbert und Parlier liegt der Erfolg im Begriff Kompetenz in seiner Doppeldeutigkeit.[13] Um dem Leser einen Überblick zu verschaffen, wird zum einen in diesem Kapitel der geschichtliche Hintergrund des Begriffes und zum anderen die unterschiedlichen Verständnisse aufgezeigt.
Die Wissenschaftler Arnold und Schüssler gliedern den Begriff Kompetenz in sechs fachwissenschaftliche Disziplinen, die im Folgenden dargestellt werden, um eine Annäherung an den Begriff aufgrund des jeweiligen wissenschaftlichen Zusammenhangs zu gewährleisten:[14]
1. Die soziologische Konnotation
2. Die arbeitswissenschaftliche Konnotation
3. Die psychologische Konnotation
4. Die betriebswirtschaftliche Konnotation
5. Die linguistische Konnotation
6. Die pädagogische Konnotation
Durch die verschiedenen Ansätze wird deutlich, dass es keine einheitliche Definition des Begriffs „Kompetenz“ geben kann, da sich die oben aufgeführten Ansätze jeweils nur die für das Forschungsgebiet notwendigen Teilaspekte der Kompetenz beziehen. Auch Wollert sieht das Problem, eine allgemein gültige Definition des Begriffs Kompetenz zu bestimmen: „Der Begriff ’Kompetenz’ wird zwar häufig verwendet, aber selten trennscharf definiert. In der Alltagssprache wird mit ihm zumeist ein diffuses Begriffsfeld von ’Leistung’, ’Effizienz’ und ’Aktivität’ verbunden. Betrachtet man Definitionsversuche aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen, wird deutlich, daß [!] Kompetenz an sich nicht definierbar ist.“[15] In den folgenden Punkten sollen daher die wesentlichen Forschungsansätze dargestellt werden.
2.2.1 Erste Ansätze
Die ersten wissenschaftlichen Arbeiten zum Begriff der sozialen Kompetenz gehen auf Thorndike von 1920 zurück. Er prägte den Ansatz zur sozialen Intelligenz und bezeichnete darunter „die Fähigkeit, Menschen zu verstehen und mit Ihnen umzugehen sowie in sozialen Beziehungen klug zu handeln“.[16] Die Definition von Thorndike beinhaltete zwei Aspekte: Zum einen benannte er das Verstehen anderer Personen als kognitiven Teil und zum anderen das handlungsorientierte Coping.[17] In den darauffolgenden Jahren wurden u. a. von Moss und Hunt Tests zur Messung von sozialer Intelligenz entwickelt, die wiederum andere Wissenschaftler, wie z. B. Pintner und Upshall, kritisieren. Lange Zeit wurden die Begriffe soziale Intelligenz und soziale Kompetenz miteinander gleichgesetzt. Heute ist man überwiegend der Auffassung, dass soziale Kompetenz ein Teilaspekt der sozialen Intelligenz darstellt.[18]
2.2.2 Der Kompetenzbegriff in der Sozialphilosophie
Erste Ansätze zur Begriffsbestimmung gab es bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Noam Chomksy entwickelte für die Sprachtheorie und -philosophie eine der grundlegendsten theoretischen Ansätze zur Kompetenz. Dabei unterscheidet Chomsky zwischen den Begrifflichkeiten Kompetenz von Performanz. Als Kompetenz bezeichnet er die Fähigkeit, generell über Sprachmuster zu verfügen und als Performanz die Fähigkeit, in bestimmten Situationen diese Sprachmuster erfolgreich anzuwenden.[19] In seinen Ausführungen weist Chomsky ausdrücklich darauf hin, dass sein linguistischer Ansatz der Kompetenz von bereits bestehenden Ansätzen, z. B. von Piaget und den behavioristischen Ansatz abzugrenzen sei.[20] Im Sinne Chomsky besteht die Sprachkompetenz aus den Komponenten, die Regeln einer Sprache zu kennen, diese anzuwenden und in der Lage zu sein, welchen Einfluss das Gesprochene auf den Kommunikationspartner haben kann.[21]
Habermas setzte mit seiner sprachphilosophischen Theorie in den 1960er und 1970er Jahren an Chomskys linguistischen Ansatz an und entwickelte diesen unter dem Blickpunkt der „kommunikativen Kompetenz“ weiter. Unter der kritischen Betrachtung des Begriffs Sprachkompetenz nach Chomsky, versteht Habermas darunter eine Fähigkeit, die über das sprachliche Verständnis hinausgeht. Seiner Ansicht nach kann nur durch das Vorhandensein der kommunikativen Kompetenz der Sprechende in die Lage versetzt werden, nicht nur erfolgreich Redesituationen zu lösen, sondern auch selbst Situationen zu schaffen.[22] Zentrale Begriffe in seinen Überlegungen waren „Empathie“, „Rollendistanz“ und „Ambiguitätstoleranz“, die in der Berufspädagogik und in der Moralpädagogik in den 1970er und 1980er Jahren weiterentwickelt und spezifiziert wurden.[23]
Baacke entwickelte eine Theorie zum Begriff der kommunikativen Kompetenz, indem er ebenfalls Chomskys Verständnis von Kompetenz und Performanz aufgriff und seinen Ansatz in Bezug auf Habermas „kommunikativen Kompetenz“ unter dem Aspekt des Verhaltens erweiterte. Somit spielt das Verhalten der beteiligten Personen, wie z. B. Gesten und Expressionen im Bereich der kommunikativen Kompetenz ebenfalls eine wesentliche Rolle.[24] Der Ansatz der kommunikativen Kompetenz ist somit eine Erweiterung der Sprachkompetenz nach Chomsky.
Während Habermas Theoriebildung entwickelte Geißler zeitgleich das Konzept der „kritischen Kompetenz“ in Bezug auf die Berufserziehung. Ziel des Ansatzes war die Förderung des kritischen Denkens und Handelns in der Berufsbildung. Mit eingeschlossen ist ebenfalls die eigene Kritikfähigkeit.[25]
2.2.3 Der Kompetenzbegriff in der Psychologie
Im Bereich der Psychologie unterscheiden Baltes und Wilms vier wesentliche Richtungen der Begriffsbedeutungen:[26]
- Kompetenz als Grundbedürfnis
- Kompetenz als Verfügung über Fertigkeiten
- Kompetenz als Lebensmeisterung
- Kompetenz als Effektivität des Verhaltens
White (1959) war der erste Wissenschaftler, der den Begriff Kompetenz in der Psychologie einführte. Bei diesem Ansatz sieht White „Kompetenz als Grundbedürfnis“; es wird untersucht, inwiefern Menschen beharrlich, konsequent, aber auch individuell versuchen, ihr gewünschtes Ziel zu erreichen.[27] Er setzte somit sein Verständnis von den zuvor bekannten behavioristischen Modellen ab. Dieser Ansatz legt ein Menschenbild zugrunde, der sich mit neuen Anforderungen und Problemen in seiner Umwelt auseinander setzt.[28]
Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Psychologie liegt im Schwerpunkt der „Fähigkeiten“, wobei sich das Potenzial eines jeden Individuums durch ein breites Repertoire an differenzierten Fähigkeiten widerspiegelt. Ziel dieses Ansatzes ist die Untersuchung, über welche Fähigkeiten eine Person verfügen muss, die zum Erreichen gewisser Ziele erforderlich sind.[29]
Die dritte Orientierung richtet sich auf den subjektiv zentrierten Kompetenzbegriff. Bandura u. a. stellt die Selbstbeurteilung der Individuen in den Vordergrund. Wichtiger Aspekt ist hierbei die Einschätzung, inwiefern in bestimmten Situationen vorhandene Fähigkeiten erfolgreich eingesetzt werden können.[30]
McClelland entwickelte 1974 einen Ansatz, in dem die „Kompetenz als Effektivität des Verhaltens“ gesehen wird. Die Anpassung der Individuen an die jeweiligen Umweltfaktoren, die dadurch erfolgreiche Bewältigung und das Erreichen der Ziele bestimmt das Handeln. Dennoch sind nicht nur die vielfältigen Fähigkeiten zur Bewältigung von Bedeutung, sondern das erreichte Ziel und das Ergebnis sind ebenfalls ausschlaggebend.[31]
2.2.4 Der Kompetenzbegriff in der Pädagogik
In der Pädagogik bezieht sich der Kompetenzbegriff sowohl auf die Grundlagen der soziologischen als auch auf die psychologischen Untersuchungen. Der Schwerpunkt liegt hierbei im Bereich der Förderung, Bildung und Erziehung des Subjektes zur Bewältigung von Aufgaben im beruflichen und im privaten Bereich.[32] Erforderlich hierfür ist die Handlungskompetenz, auf die jedoch in einem weiteren Punkt näher eingegangen wird. Im Gegensatz zum Kompetenzverständnis von Chomsky wird in der Pädagogik davon ausgegangen, dass Kompetenzen nicht angeboren, sondern durch Entwicklungs- bzw. Lernprozesse erworben werden. Die Forschungen von Piaget haben maßgeblich zu dieser Erkenntnis beigetragen.[33]
Heinrich Roth thematisierte zu Beginn der 1970er Jahre den Begriff Sozialkompetenz in der Pädagogik und lehnt seinen Ansatz an den entwicklungspsychologischen Begriff von White an. Unter Sozialkompetenz versteht Roth „ein Element der Mündigkeit als Kompetenz für verantwortliche Handlungsfähigkeit“.[34] Er unterteilt Kompetenz in drei Bereiche:
- Selbstkompetenz:
Fähigkeit zum selbst verantwortlichen Handeln.
- Sachkompetenz:
Fähigkeit, für Sachbereiche urteils- und handlungsfähig zu sein.
- Sozialkompetenz:
Fähigkeit, für sozial, gesellschaftlich und politisch relevante Sachbereiche urteils- und handlungsfähig zu sein.[35]
Die Veröffentlichungen von Roth über den Kompetenzbegriff und dessen Verständnis haben maßgeblich in der Erziehungswissenschaft beigetragen, sodass dieser zu Beginn der 1970er Jahre vom Deutschen Bildungsrat aufgenommen wurde.[36]
Es lässt sich somit zusammenfassen, dass Roth den Kompetenzbegriff in die allgemeine Erziehungswissenschaft eingeführt hat. Des Weiteren entstand zu Beginn der 1970er Jahre die Auseinandersetzung mit dem Begriff Schlüsselqualifikationen, auf die ich unter Punkt 2.5 (S. 20 ff.) näher eingehe. Dieses mündete schließlich in die Diskussion zur Kompetenzentwicklung, dessen Auseinandersetzung wiederum mit dem Begriff der sozialen Kompetenz erforderlich macht.
2.3 Kompetenz und Qualifikation – zwei Wörter, ein Begriff?
In der Literatur besteht Unklarheit, ob die Begrifflichkeiten Kompetenz und Qualifikation gleichzusetzen sind oder ob diese Unterschiede aufweisen. Aufgrund der Ähnlichkeit werden beide Begriffe häufig als Synonyme verwendet.[37] Daher soll im folgenden Abschnitt ein kurzer Überblick über die verschiedenen Positionen gegeben werden.
Der Begriff Qualifikation stammt aus dem Lateinischen „qualitas“ und bedeutet „Beschaffenheit“.[38] Während der 1960er Jahre gewann der Begriff in Verbindung mit den Begrifflichkeiten „Bildung“ und „Beschäftigung“ aufgrund der „Deutschen Bildungskatastrophe“ mehr an Bedeutung. Ein wesentliches Merkmal ist der darin ausgedrückte Dualismus bei der Verwendung des Qualifikationsbegriffs. Zum einen wird er als Anforderung des Arbeits- und Berufsfeldes und zum anderen als Voraussetzung des Individuums zur erfolgreichen Bewältigung von Situationen verstanden. Somit erfordert die Qualifikation die Fähigkeit zur Anpassung und Realisierung individueller Situationen in der Berufswelt.[39]
Schneider weist auf die unterschiedliche Bedeutung beider Begrifflichkeiten hin. Unter Kompetenz versteht er die Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Handeln. Während er somit dem Kompetenzbegriff einen stärkeren persönlichkeits- und handlungsorientierten Bezug beimisst, sieht er den Qualifikationsbegriff als arbeitsplatzbezogen und subjektunabhängig.[40]
Breyde u. a. sieht die wesentlichen Unterschiede von Kompetenz und Qualifikation in Bezug auf die Eigenständigkeit der Individuen beim Bewältigen unterschiedlicher Situationen. Während sich der Begriff Qualifikation auf die im betrieblichen Bereich zu erfüllenden Prozesse bezieht, geht der Begriff Kompetenz über die betriebliche Verwendung hinaus.[41]
Der Deutsche Bildungsrat unterscheidet bereits 1974 den Terminus Qualifikation von Kompetenz. Während Qualifikation „die äußere, objektive, beobacht- und überprüfbare Seite der Leistungsanforderungen“ darstellt, bezeichnen sie Kompetenzen hingegen als „innere, subjektive Seite der Leistungsfähigkeit, die sich einer direkten Beobachtung, Überprüfung und objektiven Bewertung entzieht“.[42]
In den KMK-Handreichungen wird ebenfalls auf die unterschiedlichen Definitionen beider Begrifflichkeiten eingegangen. In den Handreichungen wird Kompetenz als „Lernerfolg in bezug [!] auf den einzelnen Lernenden und seine Befähigung zu eigenverantwortlichem Handeln in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen“ bezeichnet. Der Begriff Qualifikation ist demgegenüber der „Lernerfolg in Bezug auf die Verwertbarkeit, d. h. aus der Sicht der Nachfrage in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen.“[43]
In den Veröffentlichungen der „Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildung“ wird zum Ausdruck gebracht, dass der Qualifikationsbegriff, entstanden in den 1970er Jahren, durch den Kompetenzbegriff und dessen Entwicklung verdrängt würde.[44] Aus pädagogischer Sicht spiegeln die erforderlichen Qualifikationen einer Kompetenz nur Teilaspekte wider, die durch die berufliche Handlungskompetenz umschrieben werden. Da der Kompetenzbegriff die Fähigkeit zum Entwickeln von Verhalten durch selbstorganisiertes Handeln beinhaltet, ist der Begriff gegenüber dem Qualifikationsbegriff umfassender.[45]
Auch Erpenbeck und Heyse sehen Unterschiede zwischen Kompetenz und Qualifikation. Während sie Kompetenzen als Dispositionen des selbstorganisierten Handelns bezeichnen, verstehen sie unter dem Begriff Qualifikation Wissens- und Fertigkeitsdispositionen. Qualifikationen spiegeln ihrer Ansicht nach anhand von Ergebnissen nur das aktuelle Wissen und die verfügbaren Fähigkeiten zur Bewältigung von Prüfungssituationen wider.[46]
In den Ausführungen von Damm-Rüger und Stiegler werden soziale Kompetenz und soziale Qualifikation gleichgesetzt. Sie begründen ihr Vorgehen damit, dass in der psychologischen, sozialwissenschaftlichen und berufspädagogischen Wissenschaft der „erfolgreiche Umgang mit Menschen“ als zentraler Aspekt zu benennen ist.[47] Zusammenfassend können nach Arnold und Schüssler drei Thesen festgestellt werden, warum der Qualifikationsbegriff nicht dem Kompetenzverständnis entspricht:[48]
These der Subjektorientierung:
Der Kompetenzbegriff orientiert sich nach Erpenbeck und Heyse stärker an der Persönlichkeit des einzelnen Menschens und geht somit von einer ganzheitlichen Betrachtungsweise aus. Der Begriff Qualifikation hingegen bezieht sich lediglich auf gesellschaftliche Bedürfnisse.
These der Ganzheitlichkeit:
Der Begriff Kompetenz vereinigt kognitive, motivationale und voluntative Aspekte miteinander. Hierbei steht das Individuum mit seinen Interessen und Bedürfnissen im Mittelpunkt.
These der Selbstorganisation:
Im Gegensatz zur Qualifikation verfügt der Kompetenzbegriff über die Fähigkeit zur Selbstorganisation, da dieser in der Lage ist, die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten abzubilden. Er beinhaltet die Motivation zum eigenen Erwerb von Wissen und dessen Entwicklung und Anwendung in bestimmten Situationen.
2.4 Sozialkompetenz – eine Annäherung an den Begriff
Der Begriff Sozialkompetenz ist eine Wortbindung und setzt sich aus den Wörtern „Sozial“ und „Kompetenz“ zusammen. Beide Bezeichnungen stammen aus dem Lateinischen. Das Wort Sozial stammt vom Adjektiv „socius“, welches mit „gemeinsam“ und „verbunden“ übersetzt werden kann. Als Subjekt bedeutet der Begriff „Gefährte“ oder „Verbündeter“.[49] Der Begriff ist Bestandteil vieler Fremdwörter und impliziert die Gemeinschaft.
Der Begriff Kompetenz ist juristischen Ursprungs und wird im Lateinischen als Adjektiv „competens“ mit „zutreffend“, „sachgemäß“, „passend“ und das Verb „competere“ mit “zusammentreffen“ und „zusammenfallen“ übersetzt.[50] Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der Begriff „competere“ als Synonym für „Zuständigkeit“ verwendet. Somit enthält der Begriff „Kompetenz“ sowohl die Qualifikation als auch die Zuständigkeit und Befugnis zur Übernahme von Verantwortung. Zusammenfassend wird der Begriff in Gablers Wirtschaftslexikon als „Befugnis verstanden [„eingefügt durch den Verfasser“], Maßnahmen zur Erfüllung von Aufgaben zu ergreifen, für deren Bewältigung der Kompetenzträger die Verantwortung trägt“.[51]
2.4.1 Begriffsbestimmung
Eine genaue Definition des Begriffs „Sozialkompetenz“ scheint unmöglich, da viele Fähigkeiten, Motivationen, Bereitschaften und Einstellungen als Kriterium für die Beschreibung herangezogen werden. Dennoch wird versucht, in Bezug um die Kompetenzdiskussion einzelne Ansätze und Definitionen aufzuzeigen.
Aufgrund der Vielschichtigkeit des Begriffs Sozialkompetenz bestehen Schwierigkeiten, diesen einer Wissenschaftsdisziplin zuzuordnen. Unterschiedliche Ansätze von Wissenschaftlern weisen auf die Uneinigkeit hin. Während Anwander zwischen fünf unterschiedlichen Ansätzen sozialer Kompetenz unterscheidet (psychologisch, pädagogisch, organisationstheoretisch, linguistisch und soziologisch motivierte Ansätze), teilt Friede den Terminus in die drei Wissenschaftsdisziplinen ein. Im Bereich der Pädagogik sind die Bereiche der Schul-, Berufs-, Wirtschafts- und Sozialpädagogik zu nennen.[52]
Die Definitionsansätze der Sozialkompetenz lassen sich nach Bauer-Klebl in zwei Bereiche unterteilen; zum einen in den extensionalen und zum anderen in den intensionalen Ansatz.[53] Aus extensionaler Betrachtungsweise werden zum Begriff der Sozialkompetenz einzelne Facetten oder auch Teilkompetenzen aufgelistet, um diesen näher zu umschreiben. Faix und Laier z. B. führen u. a. folgende Teilkompetenzen auf: Aufrichtigkeit, Kritikfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Rollendistanz, Kooperationsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Toleranz, Solidarität, usw.[54] In einer Untersuchung, durch das Bundesinstitut für Berufsbildung 1996 in Auftrag gegeben, sollte untersucht werden, welche soziale Kompetenz[55] im Beruf gefordert ist, um die Anforderungen erfolgreich zu bewältigen. Wesentliche Merkmale der sozialen Kompetenz sind Kommunikationsfähigkeit, Kontaktfähigkeit, Fähigkeit zur Selbstreflexion, Sensibilität, Kompromissfähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit, Kritikfähigkeit und Konfliktfähigkeit.[56] Nach Seyfried reichen die Begriffe von Empathie, sozialer Sensibilität, Rollendistanz, Ambiguitätstoleranz, Spontanität, Independenz, Kommunikationsfähigkeit, Kreativität bis hin zu Offenheit, Konflikttoleranz und Vertrauen.[57] Die folgende Tabelle zeigt ebenfalls unterschiedliche Merkmale von Sozialkompetenz verschiedener Wissenschaftler. Dabei lassen sich die Facetten in zwei Bereiche unterteilen. Es werden Aspekte aufgeführt, die einerseits einen konkreten Verhaltensbezug, wie z. B. Konfliktfähigkeit und Teamfähigkeit und andererseits eine erklärende Funktion, wie z. B. Empathie und Durchsetzung aufweisen.[58]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Vielfalt der Sozialkompetenzen[59]
Die hier aufgeführten Facetten erheben keinen Anspruch zur Vollständigkeit. Aufgrund der Vielfältigkeit ist es kaum möglich, alle Facetten aus Untersuchungen und Veröffentlichungen aufzuzeigen.
Aus intensionaler Sicht wird der Begriff über sein Bedeutungsverständnis definiert. Münch bezeichnet den Terminus Sozialkompetenz als die „Fähigkeit, im Team zu handeln und gemeinsam mit anderen Probleme zu lösen“.[60] Faix und Laier verstehen unter Sozialkompetenz „im menschlichen Miteinander: Das Ausmaß, in dem der Mensch fähig ist, im privaten, beruflichen und gesamtgesellschaftlichen Kontext selbständig [!], umsichtig und nutzbringend zu handeln“.[61]
Durch die Darstellung der unterschiedlichen Perspektiven und Ansätze ist deutlich geworden, dass keine Übereinstimmung des Begriffs Sozialkompetenz vorhanden ist. Somit kann keine eindeutige Definition gegeben werden. Dennoch lassen sich wesentliche Kriterien herausarbeiten.
2.4.2 Wichtige Aspekte der Sozialkompetenz
Obwohl viele Definitionen und Ansätze der Sozialkompetenz in der Literatur zu finden sind, lassen sich nach Schuler und Barthelme vier wesentliche Aspekte als Komponenten eines Definitionsversuches ableiten:[62]
1. Interaktion
2. Situationsspezifität
3. Zielrealisierung
4. Zweckrationalität
Interaktion:
Soziale Kompetenz entfaltet sich durch Interaktion der Individuen gegenüber ihren Mitmenschen. Je nach Gegebenheiten und Erfordernissen interagieren sie in der jeweiligen Art und Weise.[63] Dieser Ansatz spiegelt u. a. folgende Definition von Anwander wider: Er versteht darunter „Fähigkeiten, die helfen, zwischenmenschliche Beziehungen besser zu gestalten.“[64]
Situationsspezifität:
Die Situation entscheidet über das Verhalten der Individuen. Aus dem verfügbaren Verhaltensrepertoire wird das Handeln der jeweiligen Situation gewählt. Gleiche bzw. ähnliche Gegebenheiten weisen ebenfalls ähnliche Verhaltensmuster auf. Zur Bewältigung gewisser Anforderungen werden Fähigkeiten benötigt. Die Wahl der Fähigkeiten richtet sich nach der jeweiligen Situation und den Rollenvorgaben.[65] Nach Piontkowski stellen soziale Situationen bestimmte Anforderungen an die Beteiligten. Um dieser Forderung gerecht zu werden, benötigen die Individuen als Teilaspekt der sozialen Kompetenz „die Fähigkeit zur Produktion von situationsangemessenem Verhalten“.[66]
Zielrealisierung:
Durch die Interaktion strebt das Individuum ein bestimmtes Ziel an. Dabei soll der Prozess zur Realisierung der Ziele optimiert werden. Die Zielrealisierung spiegelt sich in der Definition von Erpenbeck und Heyse wider. Sie verstehen unter Sozialkompetenz „die Dispositionen, kommunikativ und kooperativ selbstorganisiert [!] zu handeln, d. h. sich mit anderen kreativ auseinander- und zusammenzusetzen, sich gruppen- und beziehungsorientiert zu verhalten, um neue Pläne und Ziele zu entwickeln“.[67]
Zweckrationalität:
Nicht jedes Mittel zur Realisierung eines Ziels ist zweckorientiert. Dieser Punkt ist eng mit der Zielrealisierung verbunden.[68] Faix und Laier bezeichnen dies als „ein Balanceakt zwischen Selbstverwirklichung und gelungener Anpassung an die Normen, Werte und Anforderungen, die Dritte an uns stellen“.[69]
Werden alle oben genannten Aspekte in einer Definition integriert, so könnte man diese wie folgt darstellen: „Soziale Kompetenz drückt sich abhängig von situativ vorzufindenden Normen und Rollenvorgaben in der (mehr oder minder) zweckrationalen Aktualisierung von Verhaltensweisen aus, die auf die (mehr oder minder konsequent verfolgte) Realisierung der individuellen Ziele im Rahmen des jeweiligen Interaktionskontextes ausgerichtet sind.“[70]
2.5 Sozialkompetenz als Schlüsselqualifikation?
Während der Schlüsselqualifikationsdebatte in den 1970er Jahren entwickelte Mertens 1974 den Begriff der Schlüsselqualifikationen. Seitdem wird dieser in verschiedenen bildungs- und qualifikationstheoretischen Zusammenhängen verwen-det. Mit seinem Ansatz schuf er einen neuen Qualifikationsbegriff, der sich nicht an den „unscharfen Arbeitsmarkt“ orientieren sollte, sondern die Anpassungsfähigkeit unvorhersehbarer Situationen zum Ziel hat. Diese übergreifenden Qualifikationen bezeichnet Mertens als Schlüsselqualifikationen.[71] Durch die Förderung von Schlüsselqualifikationen sollte den Arbeitnehmern die Möglichkeit geschaffen werden, sich der schnellen verändernden und spezialisierenden Gesellschaft anzupassen.[72] Seiner Auffassung nach kann man den Anforderungen der Wirtschaft nicht mehr nur durch fachliches Können gerecht werden. Überfachliche Qualifikationen, wie z. B. Teamfähigkeit, lebenslanges Lernen, Selbstständigkeit in der Arbeit, etc. nehmen ebenfalls eine wichtige Rolle ein.[73]
Unter Schlüsselqualifikationen versteht Mertens „[…] solche Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, welche nicht unmittelbaren und begrenzten Bezug zu bestimmten, disparaten praktischen Tätigkeiten erbringen, sondern vielmehr
a) die Eignung für eine große Zahl von Positionen und Funktionen als alternative Optionen zum gleichen Zeitpunkt, und
b) die Eignung für die Bewältigung einer Sequenz von (meist unvorhersehbaren Änderungen von Anforderungen im Laufe des Lebens.“[74]
Den Begriff Schlüssel definiert Mertens hierbei als Aneignung von Methoden, die durch Training allgemeiner Qualifikationen gefördert werden. Somit sollen die Individuen in der Lage sein, in nicht vorhersehbaren Situationen selbstständig das benötigte Faktenwissen anzuwenden.[75]
Alle weiteren Ansätze der Schlüsselqualifikationen stützen sich auf die Definition von Mertens. Im Bereich der Berufspädagogik entwickelte sich der Begriff in den 1980er Jahren zu einem Modewort, sodass in den darauffolgenden Jahren mehrere Definitionsansätze zum Begriff der Schlüsselqualifikationen entwickelt wurden, dessen Schwerpunkte auf den jeweiligen Konzepten und Projekten liegen. Dennoch ist eine gemeinsame Richtung in der Berufspädagogik zu verzeichnen. Obwohl Mertens seinen Ansatz für den Allgemeinbildenden Bereich der Schule entwickelt hat, griff die Berufspädagogik Mertens Verständnis der Schlüsselqualifikation auf. Mitte der 1980er Jahre gewann der Begriff somit in der Berufspädagogik an Bedeutung. Besonders durch die rasche Technisierung und Weiterentwicklung wurden größere Anforderungen an die Arbeitnehmer gestellt. Durch diesen Modernisierungsprozess ergaben sich ebenfalls Änderungen im Konzept der Schlüsselqualifikationen. Um den beruflichen Anforderungen der modernen Arbeitswelt gerecht zu werden, wurden „Bildungskonzepte“ auf der Grundlage des Ansatzes von Mertens entwickelt.[76]
Eine Weiterentwicklung in der Berufspädagogik stellt u. a der Ansatz von Reetz (1990) dar. Im Mittelpunkt seines Ansatzes steht die menschliche Handlungsfähigkeit, die in drei Dimensionen zu unterteilen ist: 1. sacheinsichtiges Verhalten und Handeln (Sachkompetenz und intellektuelle Mündigkeit), 2. sozialeinsichtiges Verhalten (Sozialkompetenz und soziale Mündigkeit) und 3. werteinsichtiges Verhalten (Selbstkompetenz und moralische Mündigkeit).[77] Die gliedern sich wiederum in drei Fähigkeitsgruppen:
1. persönlich-charakterliche Grundfähigkeiten
z. B. Einstellungen, normative Orientierungen, charakterliche Eigenschaften, Aktivität, Initiative, Lernbereitschaft; zusammenfassend: „Ich-Kompetenz“
2. leistungstätigkeits-aufgabengerichtete Fähigkeiten
z. B. Problemlösen, Entscheiden, Konzepte entwickeln; zusammenfassend: „sachbezogene Methodenkompetenz“
3. sozial gerichtete Fähigkeiten
z. B. Kooperationsfähigkeit, Konfliktbewältigung, Verhandlungsfähigkeit; zusammenfassend: „Sozialkompetenz“
Diese Fähigkeiten werden auch als Schlüsselqualifikationen bezeichnet, die als allgemeine Lernziele gesehen werden. In handlungsorientierten Lernprozessen soll sich hierbei die Persönlichkeit und Erkenntnis der Auszubildenden bilden.[78] Das Konzept der Schlüsselqualifikation von Reetz knüpft an die Persönlichkeitstheorie von Roth an. Er definiert das Lernen als aktiven Prozess, dessen Ziel die Vermittlung von beruflicher Handlungskompetenz ist.[79]
Den zentralen Aspekt der Sozialkompetenz in den Schlüsselqualifikationen hebt besonders der Wirtschaftspädagoge Bunk hervor. Seiner Ansicht nach sollen die Schlüsselqualifikationen den Menschen aufgrund der Unverzichtbarkeit des lebenslangen Lernens mehr Selbstständigkeit und Mündigkeit ermöglichen. Somit bezeichnet er Sozialkompetenz als „Bildungsprinzip des Konzepts der Schlüsselqualifikationen“.[80]
Zunächst wurde das Konzept der Schlüsselqualifikation nach erfolgreicher Einführung in der Wirtschaft auch für die berufliche Bildung interessant. Es entstand eine pädagogische Diskussion über den Terminus. Zu Beginn der 1990er Jahre entstand, wie es Zabeck bezeichnet, ein „Schlüsselqualifikations-Dilemma“. Grund hierfür war der erfolglose Versuch der Curriculumsforschung, anhand der Schlüsselqualifikationen Lehrpläne zu entwickeln. Da sich zukünftige Anforderungen nicht exakt an die Wirtschaft planen lassen, sollten Qualifikationen vermittelt werden, die an Unvorhersehbares leicht anzupassen sind. Diese „Verallgemeinerung der Bildung“ hatte das Dilemma zufolge. Obwohl die Handlungskompetenz für die Berufspädagogik an Bedeutung gewonnen hat, ist Bunk 1990 der Ansicht, dass sich die Schlüsselqualifikationen in der Forderung nach der Entwicklung von Kompetenzen wiederfinden.[81] Somit kann u. a. die Sozialkompetenz als Schlüsselqualifikation bezeichnet werden.
2.6 Berufliche Handlungskompetenz
Während der Ausbildung verfolgen die Berufsbildenden Schulen und die Betriebe einen doppelten Bildungsauftrag. Ziel der Ausbildung ist die Förderung der beruflichen Handlungskompetenz. Bereits 1974 wurden die Überlegungen von Heinrich Roth zum Kompetenzverständnis im Deutschen Bildungsrat aufgenommen, in dessen Mittelpunkt die Förderung von Handlungskompetenz mithilfe der Teilkompetenzen (Sach-, Sozial- und Selbstkompetenz) stand.[82]
Der Begriff berufliche Handlungskompetenz wird in der Literatur vielfach diskutiert. In diesem Kapitel soll daher eine Annäherung an den Begriff erfolgen. Zunächst werden unterschiedliche Ansätze der Handlungskompetenz in der Pädagogik aufgezeigt. Anschließend erfolgt zum einen eine genauere Betrachtung der Begriffe Handlung und Kompetenz und zum anderen eine Annäherung an den Begriff berufliche Handlungskompetenz. Hierbei werden zwei Ansätze aufgezeigt. Im Anschluss erfolgt eine Darstellung der einzelnen Dimensionen des Begriffs.
2.6.1 Handlungskompetenz in der Pädagogik
Im Bereich der Pädagogik werden unterschiedliche Ansätze zur Handlungskompetenz diskutiert. Hierbei unterscheiden sich diese in Bezug auf die Diemsionen der Handlungskompetenz.
Faix und Laier unterscheiden bei dem Begriff Handlungskompetenz drei Teilkompetenzen, die fachliche, methodische und soziale Kompetenz. Diese bedingen sich wechselseitig, was anhand der folgenden Abbildung veranschaulicht wird:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Handlungskompetenz-Modell nach Faix / Laier[83]
Fachliches Wissen und eine gute Allgemeinbildung reichen in der heutigen Gesellschaft nicht mehr aus, um sich erfolgreich im Berufsalltag behaupten zu können. Neben der fachlichen Kompetenz benötigen die Arbeitnehmer ebenfalls methodische und soziale Kompetenzen. Dabei kommt der sozialen Kompetenz eine besondere Bedeutung zu. Im Ansatz von Faix und Laier wird der Begriff als „Wettbewerbsfaktor der Zukunft“ angesehen, da diese für erfolgreiches Kommunizieren, Lösen von Aufgaben in Teams und verantwortungsbewusstes Handeln Voraussetzung sind.[84]
Hülshoff hingegen unterteilt Handlungskompetenz in vier Kompetenzbereiche: Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und Persönlichkeitskompetenz. Wie im vorherigen Ansatz stehen die vier Teilkompetenzen in wechselseitiger und gleichberechtigter Beziehung zueinander. Bei der Entwicklung von Führungsmöglichkeiten kommt diesem Ansatz eine zentrale Bedeutung zu.[85]
Ein weiteres Modell orientiert sich an folgenden Teilaspekten der Handlungskompetenz: Fachkompetenz, Methoden- und Selbstlernkompetenz sowie Sozial- und Mitwirkungskompetenz. Im Mittelpunkt dieses Ansatzes nach Münch steht das handlungsorientierte Lernen zur Förderung und Entwicklung einer umfassenden beruflichen Handlungskompetenz. Vorhandene Handlungsmuster werden hierbei angewendet und erweitert. Durch die kritische Auseinandersetzung mit sich selbst und der Umwelt sollen die Individuen nicht nur Fachkompetenz, sondern Handlungskompetenz erwerben.[86]
1991 entwickelte Schäffner ein Kompetenzmodell in Anlehnung an Reetz und Sievert, dessen zentraler Aspekt die Schlüsselqualifikation beinhaltet. Dabei untergliedert er diese in folgende Teilkompetenzen: Methodenkompetenz, Selbstkompetenz, Sozialkompetenz und Fachkompetenz. Hierbei entspricht jede Qualifikation einem Schlüssel, mit dem man sich Zugang zu den jeweiligen Lösungen verhilft. Somit können die Schlüsselqualifikationen als „Generalschlüssel“ angesehen werden, mit denen man die Qualifikationen erwerben kann. Um jedoch „Zugang“ zur Fachkompetenz zu bekommen, müssen die Schlüsselqualifikationen Methoden-, Selbst- und Sozialkompetenz gefördert werden. Diese dienen als Schlüssel zur Erlangung der Fachkompetenz.[87]
Obwohl den Ansätzen unterschiedliche Teilkompetenzen zugrunde liegen, können in Bezug auf die Teilkompetenzen der Handlungskompetenz folgende übereinstimmende Kompetenzen genannt werden: Fachkompetenz, Methodenkompetenz und Sozialkompetenz. Je nach Wissenschaftsbezug wird die Handlungskompetenz in drei bzw. vier Teilkompetenzen gegliedert. Im Bereich der Wirtschaftspädagogik wird die berufliche Handlungskompetenz ebenfalls in drei Teilkompetenzen gegliedert. Hierauf wird in den folgenden Punkten näher eingegangen. Zunächst soll im Folgenden der Begriff der Handlung und der Kompetenz dargestellt werden.
2.6.2 Zum Begriff der Handlung
Es gibt verschiedene Ansätze, um den Begriff der Handlung zu definieren. Hackers Ansicht nach handelt es sich bei der Handlung um „die kleinste psychologische Einheit der willensmäßig gesteuerten Tätigkeit“.[88] Aebli hingegen präzisiert den Begriff genauer, indem er Handlungen als „zielgerichtete, in ihrem inneren Aufbau verstandene Vollzüge, die ein faßbares [!] Ergebnis erzeugen“.[89] Um wesentliche Merkmale der Handlung aufzuzeigen, werden diese im Folgenden nach Laur-Ernst kurz dargestellt:[90]
1. Intentionalität
Das Handeln des Individuums erfolgt immer zielgerichtet und somit ebenfalls motiviert.
2. Bewusstheit
Das Handeln geschieht stets bewusst und ist somit diskutier- und abänderbar.
3. Resultat
Durch das Handeln entstehen Folgen, die positive oder negative Aspekte aufweisen. Daraus entstandene Folgen können beurteilt werden.
4. Mehrdimensionalität
Beim Handeln werden mehrere Fähigkeiten miteinander verbunden, z. B. fachliche, soziale und methodische Fähigkeiten. Dennoch kann nicht immer davon ausgegangen werden, dass alle Handlungen mehrdimensional sind.
5. Subjektivität
Handeln ist nicht standardisierbar; es beinhaltet stets individuelle Aspekte und Gestaltungsspielräume. Die Handlungsschemata können nur subjektiv erworben werden.
6. Gestaltbarkeit
Das Subjekt ist durch das Handeln in der Lage, in seine Umwelt einzugreifen und diese kreativ-konstruktiv zu gestalten. Dabei besteht die Möglichkeit, dass das Subjekt ebenfalls durch die eigene Entwicklung zum veränderbaren Objekt wird.
7. Prozesshaftigkeit
Das Handeln ist ein dynamischer Prozess, der über einen bestimmten Zeitraum andauert. Subjektivität, Gestaltbarkeit und Prozesshaftigkeit sind hierbei wechselseitig miteinander verbunden. Im Prozess verändert sich die Person durch die Auseinandersetzung mit seiner Umwelt selbst. Hierbei werden nicht nur Handlungsschemata erworben die angewendet werden, sondern sie werden je nach Gegebenheit und Erfahrung auf die jeweilige Situation angepasst.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Handlungen zielgerichtete Prozesse sind und ein Ergebnis erzeugen. Dabei können Subjekte durch ihre Spielräume ihre Umwelt oder sich selbst ändern. Häufig sind Handlungen mehrdimensional; dennoch können Handlungen auch nur gedankliche Vorstellungen sein.[91]
Aebli unterscheidet bei Handlungen zwischen Handlungsschemata und Handlungsfolgen. Handlungsschemata sind als Ganzes gespeichert und somit leicht wiederaufrufbar, da das Schema nicht neu erfunden werden muss. Handlungsfolgen hingegen werden aufgrund neuer Situationen neu konstruiert, oder durch bereits vorhandene Schemata kombiniert.[92]
[...]
[1] Vgl. Deutscher Bildungsrat 1974: 49.
[2] Vgl. Bader / Müller 2002: 176.
[3] In der Anlage ist ein Ausschnitt aus der BIBB Stellenausschreibungsanalyse von 2001 (siehe Anlage 1) enthalten, in der 25.000 Stellenanzeigen aus dem gesamten Arbeitsmarkt von dem Institut u. a. auf ihre Qualifikationsanforderungen hin untersucht wurden. Weiterhin wurden 329 Stellenangebote aus diversen Online-Jobbörsen aus dem IT-Bereich analysiert. Als weitere Beispiele dienen einige Stellenanzeigen aus dem Internet, in denen als Anforderungen weitere Teilkompetenzen der Sozialkompetenz aufgeführt werden (siehe Anlage 2).
[4] Vgl. Wittwer 1997: 382.
[5] Vgl. Vonken 2005: 79.
[6] Vgl. Heinz 1995: 18.
[7] Vgl. Vonken 2005: 79.
[8] Vgl. Vonken 2005: 82 f.
[9] Vgl. Rosenstiel 1995: 43 f.
[10] Vgl. Faix / Laier 1996: 28 f.
[11] Vgl. Rosenstiel 1995: 45 f.
[12] Vgl. Evers 1999: 15.
[13] Vgl. Max 1999: 64.
[14] Vgl. Arnold / Schüssler 2001: 61 f.
[15] Wollert 1997: 328, zitiert in: Vonken 2005: 35.
[16] Thorndike 1920, zitiert in: Schmidt 1995: 117.
[17] Vgl. Wolf 2004: 25.
[18] Vgl. Schuler Barthelme 1995: 79 f.
[19] Vgl. Chomsky 1970: 14.
[20] Vgl. Max 1999: 81.
[21] Vgl. Vonken 2005 21.
[22] Vgl. Vonken 2005: 22 f.
[23] Vgl. Arnold / Schüssler 2001: 57.
[24] Vgl. Vonken 2005: 24.
[25] Vgl. Vonken 2005: 25 f.
[26] Vgl. Max 1999: 65.
[27] Vgl. Max 1999: 65.
[28] Vgl. Evers 1999: 19.
[29] Vgl. Max 1999: 65.
[30] Vgl. Max 1999: 65.
[31] Vgl. Max 1999: 65 f.
[32] Vgl. Arnold / Schüssler 2001: 62.
[33] Vgl. Reetz 1999b: 39.
[34] Evers 1999: 20.
[35] Vgl. Evers 1999: 20.
[36] Vgl. Reetz 1999b: 34.
[37] Vgl. Beck 2004: 15.
[38] Vgl. Stowasser 1994: 421.
[39] Vgl. Beck 2004: 12 f.
[40] Vgl. Vogel 2001: 37.
[41] Vgl. Beck 2004: 15 f.
[42] Deutscher Bildungsrat 1974, zitiert in Beck 2004: 15.
[43] KMK 2000: 9.
[44] Vgl. Vogel 2001: 37.
[45] Vgl. Reetz 1999b: 39.
[46] Vgl. Erpenbeck / von Rosenstiel 2003: XI.
[47] Vgl. Damm-Rüger / Stiegler 1996: 35.
[48] Vgl. Arnold / Schüssler 2001: 55 f.
[49] Vgl. Stowasser 1994: 473.
[50] Vgl. Stowasser 1994: 102.
[51] Gabler 1997: 2176.
[52] Vgl. Evers 1999: 24.
[53] Vgl. Bauer-Klebl 2003: 10.
[54] Vgl. Faix / Laier 1996: 63 f.
[55] Die Untersuchung wurde von Damm-Rüger und Stiegler durchgeführt. In ihren Ausführen beziehen sich beide Autoren u. a. auf die synonyme Verwendung von „soziale Kompetenz“ und „so-ziale Qualifikation“, was unter Punkt 2.3 (S. 13 ff.) kurz aufgezeigt wurde. Im Folgenden werde ich, aufgrund der Gleichsetzung, nur den Begriff soziale Kompetenz verwenden, um den Leser nicht zu irritieren.
[56] Vgl. Damm-Rüger / Stiegler 1996: 14.
[57] Vgl. Seyfried 1995: 23.
[58] Vgl. Schuler / Barthelme 1995: 82.
[59] Vgl. Lenzen 1998: 47.
[60] Münch 1997: 11.
[61] Faix / Laier 1996: 62.
[62] Vgl. Schuler / Barthelme 1995: 81.
[63] Vgl. Schuler / Barthelme 1995: 81.
[64] Anwander 1992: 16.
[65] Vgl. Schuler / Barthelme 1995: 81.
[66] Piontkowski 1976, zitiert in Udris 1993: 102.
[67] Erpenbeck / Heyse 1999: 157.
[68] Vgl. Schuler / Barthelme 1995: 81.
[69] Faix / Laier 1995: 64.
[70] Evers 1999: 47.
[71] Vgl. Beck 2004: 33.
[72] Vgl. Evers 1999: 21.
[73] Vgl. Vonken 2005: 47.
[74] Mertens 1988: 40, zitiert in Beck 2004: 33 f.
[75] Vgl. Beck 2004: 34.
[76] Vgl. Beck 2004: 41 ff.
[77] Vgl. Arnold / Lipsmeier 1995: 15.
[78] Vgl. Dubs 1995: 175.
[79] Vgl. Arnold / Lipsmeier 1995: 15.
[80] Vgl. Evers 1999: 22.
[81] Vgl. Dubs 1996: 51 f.
[82] Vgl. Vogel 2001: 37.
[83] Vgl. Steig 2000: 35.
[84] Vgl. Faix / Laier 1996: 41.
[85] Vgl. Steig 2000: 37 f.
[86] Vgl. Steig 2000: 39 f.
[87] Vgl. Steig 2000: 41.
[88] Hacker 1980: 62 f., zitiert in Schwadorf 2003: 60.
[89] Aebli 2001: 182, zitiert in Schwadorf 2003: 60.
[90] Vgl. Schwadorf 2003: 60 ff.
[91] Vgl. Schwadorf 2003: 63.
[92] Vgl. Schwadorf 2003: 64.
- Arbeit zitieren
- Dipl.-Hdl. Hilke Noffz (Autor:in), 2006, Möglichkeiten und Grenzen der Förderung sozialer Handlungskompetenz in der beruflichen Erstausbildung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69809
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