Fieldings Jonathan Wild


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

26 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhalt

Fieldings Jonathan Wild – Eine Abrechnung

Jonathan Wild – historische Hintergründe

Henry Fielding – Autor und Jurist

Jonathan Wild – the Great

Schauplatz Newgate

Jedem, was er verdient

Literaturverzeichnis

Fieldings Jonathan Wild – Eine Abrechnung

Gegenstand dieser Arbeit ist Henry Fieldings Erzählung Jonathan Wild. Die Erzählung erschien erstmalig 1743 in Fieldings Sammlung Miscellanies und basiert zum einen auf dem Leben des berüchtigten Diebes und thief-takers Jonathan Wild und zum anderen auf fiktiven Elementen. Die Anzahl von Fielding hinzu gedichteter Begebenheiten und Charaktere ist so groß, dass man nicht mehr von einer Biographie von Jonathan Wild sprechen kann. Sein Leben und der schlechte Ruf, der ihm vorauseilte, dienen lediglich als Grundgerüst für eine bissige Erzählung, die sich die Verbrecher seiner Zeit vornimmt. Viele Kritiker sind der Meinung, dass Jonathan Wild in erster Linie eine politische Satire auf den damaligen Premierminister Englands Robert Walpole ist. Dies ist auch nicht von der Hand zu weisen. Die Moralvorstellungen die Fielding zu vermitteln versucht sind außerdem durchaus aktuell und können auch für „große Männer“ unserer Zeit gelten.

Des Weiteren ist Fieldings Version von Jonathan Wilds Lebensgeschichte eine satirisch-ironische Darstellung der damaligen Londoner Gesellschaft. Vom kleinen Dieb über die untreue Ehefrau bis zum großen Politiker bekommt jeder sein Fett weg. Fielding rechnet geschickt und mit unnachahmlicher Ironie mit jedem Lügner und Betrüger ab. Trotz aller Übertreibungen zeichnet er dabei ein Bild der Gesellschaft, das der damaligen Realität recht nahe kommt.

Diese Arbeit gliedert sich in vier Teile. Zunächst wird das Leben des wahren Jonathan Wild beschrieben, um eine Vorstellung davon zu vermitteln, auf welcher Grundlage Fieldings Werk entstand. Danach folgt ein Kapitel über Henry Fielding, seine Vorstellungen von Moral und welche Bedeutung diese für sein Werk haben. Danach wird die Geschichte des fiktiven Jonathan Wild umrissen und verglichen, inwieweit sich Fielding an das Original hielt, bzw. seiner Fantasie freien Lauf ließ. Anschließend wird auf den wichtigsten Schauplatz in Jonathan Wild, das Newgate Gefängnis, eingegangen. Im Laufe der Arbeit soll außerdem dargestellt werden, wie sich Fieldings Roman in das Bild der Londoner Gesellschaft des 18. Jahrhunderts einfügt.

Jonathan Wild – historische Hintergründe

Es sind nur wenige Fakten aus dem frühen Leben des Jonathan Wild bekannt. Einige erfasst W. Irwin in seinem Buch The Making of Jonathan Wild, a Study in the literary method of H. Fielding. Er beginnt mit einem kurzen Kapitel über das Leben des wahren Jonathan Wild.

Mit ziemlicher Sicherheit lässt sich laut Irwin sagen, dass Wild 1683 in Wolverhampton, Staffordshire geboren wurde. Über seine Eltern ist lediglich bekannt, dass sie sehr arm waren. Nach kurzer Zeit an der Dorfschule in Wolverhampton begann Jonathan Wild eine Ausbildung zum Schlosser. Diese dauerte allerdings nicht lange. Schon nach kurzer Zeit musste Wild, um der Strafe für eines seiner ersten Verbrechen zu entgehen, Meister und erste Ehefrau verlassen. Man geht davon aus, dass er sich direkt nach London begab, wo er kurz nach seinem Eintreffen verhaftet wurde. Vermutlich wegen nicht beglichener Schulden oder Landstreicherei. Wild verbrachte die nächsten fünf Jahre im Wood Street Compter. In dieser Zeit traf er auch seine zukünftige Frau und Komplizin Mary Milliner, die selbst über ein großes Maß an krimineller Energie verfügte. Unter ihrer Anweisung lernte und verübte Wild diverse Bagatellverbrechen und verdingte sich durch Erpressung seiner Mitgefangenen und Aufseher. Wild kam schnell wieder frei.

Mary Milliner und Wild verlagerten ihr Hauptquartier in ein Bordell in der Lewkenor Lane und begannen ihre Verbrechen zu organisieren. Ihr „Büro“ wurde Umschlagplatz verschiedenster gestohlener Wertgegenstände und Wild zum Empfänger und Händler dieser Waren. Wilds Methode war raffiniert. Zum einen bereicherte er sich auf kriminelle Weise, und gleichzeitig stand er scheinbar auf der richtigen Seite des Gesetzes. Er leitete eine Bande von Dieben, behielt deren gestohlene Güter ein und wartete ab, bis der Diebstahl in den Zeitungen erschien. Kurz danach behauptete er, seine private Polizeiarmee, die „Thief taking agents“, habe durch sorgfältige Detektivarbeit die gestohlenen Güter gefunden und brachte sie dem rechtmäßigen Besitzer zurück. Dieser zahlte ihm eine Gebühr für diesen Fund, mit der Wild seine Privatpolizei entlohnte.

Neben dem „Auffinden“ gestohlener Güter unterstützte er die Polizei bei der Festnahme von Dieben. Die Diebe, zu deren Verhaftung Wild beitrug, waren entweder Mitglieder rivalisierender Banden oder solche, die sich einer Kooperation mit ihm entzogen.

Dieser Beschäftigung ging Wild bis zu seinem Galgentod 1725 nach. Lange Zeit ahnte niemand, dass Wild in Wirklichkeit ein Verbrecher war. Beispielsweise 1716 erntete er großen Applaus für seine Mithilfe zur Aufklärung eines Mordes, in den er selbst verstrickt war. 1718 ernannte sich Wild selbst zum Thief-Catcher General of Great Britain and Ireland und verlagert sein Büro in eine bessere Gegend.

Wilds System war gut durchdacht. Nicht nur die Bestohlenen waren froh über Wilds „Fundbüro“. Auch die Justiz, die damals noch wesentlich lückenhafter war, war sehr dankbar für die Hinweise, die sie von Wild zur Ergreifung gesuchter Diebe bekam. Die Bevölkerung, die nichts von Wilds Machenschaften ahnte, bewunderte ihn und die Justiz ignorierte lange Zeit Wilds kriminelles Treiben.

Die beste Zusammenfassung von Wilds Aktivitäten findet sich in der Anklage die lange Zeit später gegen ihn erhoben wurde. Hier einige Punkte daraus:

That he had for many Years past, been a Confederate with great Numbers of Highwaymen, Pick-pockets, House-breakers &c. That he had form’d a kind of Corporation of Thieves, of which he was the Director; and that his pretended Services in detecting and prosecuting Offenders, consisted only in bringing those to the Gallows who concealed their Booty or refused to share it with him. That he had divided the Town and Country into Districts, and appointed distinct Gangs for each, who regularly accounted with him for their Robberies. He had also a particular Set to steal at Churches in time of Devine Service; and also other moving Detachments to attend at Court at Birth-days, Balls, &c. and upon both Houses of Parliament, Circuits and County Fairs.[1]

Ausschlaggebend für diese Anklage gegen Wild war ein Gesetz, dass 1718 verabschiedet wurde, als an die Öffentlichkeit kam, wie Wilds System funktionierte. Man vermutet, dass das Gesetz extra für den Fall von Jonathan Wild in Kraft trat. Dieses Gesetz besagte, dass es illegal sei, Belohnungen für das Zurückgeben gestohlener Dinge zu erhalten. Dies erst machte Wilds System offiziell kriminell. Allerdings hielt das Wild nicht davon ab, noch weitere sieben Jahre mit diesem System sein Geld zu verdienen. Er gab die Belohnung des Bestohlenen und das Schweigegeld des Diebes als „Geschenk“ aus und weder die Obrigkeit noch die Öffentlichkeit zwangen ihn, seine Geschäfte niederzulegen.

Gründe dafür sind vielfältig. Die größte Rolle spielte wohl aber, dass Wild über lange Zeit der Justiz mehr nützte als schadete, indem er bei der Ergreifung von Dieben half. Den Bestohlenen verhalf er immerhin dazu, ihre geliebten Stücke, die sie im Falle eines „gewöhnlichen“ Raubes wohl nie wieder gesehen hätten, wiederzubekommen.

Tatsächlich las man in der damaligen Zeit oft Anzeigen die wie folgt lauteten:

Stolen out of shop of Mr. John Chiswell, at Lutterworth in Leicestershire, the following Goods: [Here a list given.] If any Person concern’d in the said Robbery will discover Accomplices, so that they be brought to Justice, to Mess. Thomas and Alexander Dyer, Linnen-Drapers, at the Blue Anchor, Stocks-Market, or to Mr. Jonathan Wild in the Old Bailey, he shall have Ten Guineas Reward.[2]

Noch üblicher laut William R. Irwin waren allerdings Bekanntmachungen in denen die Rede davon war, wen Wild als Dieb überführen und der Polizei übergeben konnte:

Of the three men lately apprehended by Mr. Jonathan Wild, for a Robbery committed lately […] upon Mr.Wasey, a surgeon, one is committed for Newgate, another to the Marchalsea, and the third, who hath made considerable Discoveries, and is to be Evidence against his Accomplices, is secured in the Compter.[3]

Diese Meldungen taten zunächst nicht nur Wilds Ruf gut, sie bedeuteten für ihn auch ein gutes Geschäft. Pro verurteiltem Dieb erhielt Wild 40£. Auf lange Sicht machte er sich damit aber keine Freunde. Seine Denunziationen brachten ihn indirekt schließlich hinter Gitter und an den Galgen. Denn es dauerte nicht lange, da waren die Bürger Londons gar nicht mehr angetan von dem skrupellosen Wild.

Der Ärger über ihn kam zu einem Höhepunkt während der Jagd auf die berüchtigten Verbrecher Blueskin und Jack Sheppard. Wenn auch aus heutiger Sicht nicht ganz nachvollziehbar, genossen diese beiden im Volke Heldenstatus und Wild machte sich mit ihrer Verfolgung keine Freunde. Blueskin war ein Einbrecher und stand in Kontakt zu Wilds Bande. Eines Tages kam es wegen einer von Blueskin gegründeten Bande zu Unstimmigkeiten zwischen den beiden. Wild drohte Blueskin daraufhin ihn auszuliefern und Blueskin floh. Wild jagte ihn unermüdlich, bis er ihn schließlich 1724 fing und dem Richter übergab. Blueskin wurde nach Newgate gebracht, wo ihn Wild kurze Zeit später besuchte. Bei diesem Besuch trug es sich zu, dass Blueskin Wild mit einem Messer lebensgefährlich am Hals verletzte. Blueskin endete am Galgen.

Kurz darauf schnappte Wild Jack Sheppard das erste Mal. Sheppard war Wild deshalb ein Dorn im Auge, weil er sich weigerte, mit ihm zusammen zu arbeiten. Außerdem entpuppte sich Sheppard als wahrer Entfesselungskünstler. Ganze sieben Mal entkam er aus den Gefängnissen, in die man ihn gesteckt hatte. Fünf Mal war es Wild höchstpersönlich, der ihn wieder einfing. Doch wie erwähnt kam dies Wilds Ruf nicht zugute. Sheppard wurde immer mehr zu einem „outlaw hero“. Vor seiner Hinrichtung wurde er sogar von diversen Berühmtheiten besucht. Viele wollten Geld zahlen, um ihn zu sehen.

Als dann auch noch bekannt wurde, dass Wild ein Doppelleben führte, sah die Obrigkeit sich schließlich gezwungen zu handeln. Wild wurde immer unvorsichtiger und beteiligte sich wieder selbst an Überfällen. Als sein Verbündeter Roger Johnson Anfang 1725 verhaftet und nach Newgate gebracht wurde, organisierte Wild dessen Flucht. Er wurde daraufhin festgenommen und ebenfalls nach Newgate gebracht. Doch selbst aus dieser Position organisierte Wild noch die Raubzüge seiner Banden. Als er im Gefängnis 10 Guineas „Belohnung“ für die Rückerstattung einer gestohlenen Halskette bekam, schnappte die Falle zu und Wild wurde endlich auf der Grundlage des extra für ihn verabschiedeten Gesetzes von 1718 verurteilt. Es gab mehr als genug Beweise gegen ihn, und man bewachte ihn Tag und Nacht. Er sollte auf keinen Fall entkommen. Wild entschloss sich, seine Taten zu gestehen, und bot dem Gericht im Gegenzug für ein mildes Urteil seine Mithilfe bei der Verbrecherjagd an. Seine Bitte statt der Todesstrafe in die Kolonien gebracht zu werden, wurde jedoch abgelehnt.

Wild wurde am 15. Mai 1725 zum Tode durch den Strick verurteilt. Das Urteil sollte, wie es die Regel war, zehn Tage später vollstreckt werden. Wilds Verhalten in diesen letzten Tagen war angeblich recht merkwürdig. Wild soll sehr verwirrt gewesen sein. In Irwins Beschreibung fällt auch der Ausdruck feige.

Am Tage vor seinem Tode wurde Wild von den Geistlichen Thomas Purney, Pfarrer im Dienste des Newgate Gefängnisses, und Pfarrer Nicholson von der St. Sepulchure’s Church besucht. Nachdem er von ihnen das Sakrament erhalten hatte, soll er begonnen haben wirre Fragen zu stellen. Fragen über seine Seele und wo sich die „andere Welt“ befinden würde. Später erkundigte er sich, ob Selbstmord ein Verbrechen wäre, und wenn dem so wäre, wie es dann wohl die edlen Griechen und Römer zu soviel Ruhm in der Geschichte unserer Menschheit gebracht hätten. Mitten in der Nacht machte er einen Selbstmordversuch. Er nahm eine Überdosis Opium, überlebte jedoch.

[...]


[1] Irwin, William R.: The Making of Jonathan Wild, A Study in the literary method of H. Fielding, Hamden 1966. S. 5-6

[2]

[3] Beide Irwin, William R.: The Making of Jonathan Wild, A Study in the literary method of H. Fielding, Hamden 1966. S. 7

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Fieldings Jonathan Wild
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Englische Philologie)
Note
2,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
26
Katalognummer
V69921
ISBN (eBook)
9783638622868
Dateigröße
474 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fieldings, Jonathan, Wild
Arbeit zitieren
Janna Falkenstein (Autor:in), 2006, Fieldings Jonathan Wild, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69921

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