Zusammenhang von Islam und Unterdrückung der Frau bei Necla Kelek


Essay, 2006

9 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1.Einleitung

2.Zusammensetzung und Struktur
2.1.Einleitung
2.2.Vorfahren- und Familiengeschichte
2.3.„Der Prophet und die Frauen“
2.4.„Geschichten von den 'Importbräuten'“

Literatur:

1. Einleitung

Sind Frauenrechte mit dem Islam kompatibel? So lautet eine der Fragen, die sowohl in der Integrationsdebatte um die in Deutschland lebenden (türkischen) Migranten, als auch in „großen“ weltpolitischen Debatten im Kontext der Modernisierung und Demokratisierung der islamischen Welt immer wieder auftaucht und Anlass für eine ganze Reihe von Publikationen gibt.

Zumindestens für die Debatte in Deutschland spielt Necla Kelek mit ihrer Publikation „Die fremde Braut“ eine prominente Rolle. Sie hat mit ihrer Publikation auch zu einer Polarisierung dieser Debatte geführt. So haben etwa 60 Soziologen und Migrationsforscher in einem „Offenen Brief“[1] deutliche Kritik an Keleks Methoden und Positionen geäußert. Dabei wurde kritisiert, dass Kelek selbst in ihrer früheren wissenschaftlichen Arbeit festgestellt habe, dass der Islam für die türkischen Migranten ein „Mittel der sozialen Identifikation sei, und weniger eine unhinterfragte religiöse Tradition“[2], während sie in ihrer jetzigen Publikation behauptet: Der Islam als „Kulturmuster prägt das Handeln der muslimischen Migranten in Deutschland bis in den letzten Winkel ihres Alltags“[3]. In einer drastischen Wortwahl wird die Publikation von Kelek folgendermaßen bewertet: „Die 'Analysen' [sind] nichts mehr als die Verbreitung billiger Klischees über 'den Islam' und 'die Türken', angereichert durch schwülstige Episoden aus Keleks Familiengeschichte“[4]. Kelek entgegnete auf die Kritik, dass die Migrationsforscher „Angst um ihre Forschungsmittel“[5] hätten, die sie für „schwätzen“ erhalten würden. Sie dagegen hätte sowohl gegen „eines der bestgehüteten Tabus der türkischen Gemeinschaft“[6] verstoßen und als auch das „ideologische[...] Konzept des Multikulturalismus“[7] in Frage gestellt, das von den Migrationsforschern vertreten werde. So sei die Reaktion der Migrationsforscher zu erklären.

Jetzt könnte der Eindruck entstehen, Kelek sei mit ihrer Meinung in einer Randposition. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Neben der oben erwähnten sehr deutlichen Kritik sind ebenfalls sehr positive Kommentare zu „Die fremde Braut“ erschienen, so auch vom damaligen Innenminister Otto Schily und Alice Schwarzer[8]. Schwarzer bezieht in ihrem Kommentar wiederum Stellung gegen die Migrationsforscher und bezeichnet sie als „Islamisten-Freunde“. Die Auszeichung mit dem Geschwister-Scholl-Preis 2005 und eine Gastprofessur an der Universität Duisburg-Essen 2006 sind ebenfalls Hinweise auf eine positive Bewertung von Kelek durch einen großen Teil der Öffentlichkeit.

Nach diesem kurzen Blick auf die Rezeption folgt eine deskriptive Analyse von „Die fremde Braut“. Dabei sollen die formale Struktur dargestellt, die zentralen Aussagen der einzelnen Kapitel wiedergegeben und kritische Punkte diskutiert werden. Abschließend wird die empirische Basis der Thesen von Kelek problematisiert. Die gesellschafts- und migrationspolitischen Vorschläge von Kelek im letzten Kapiten von „Die fremde Braut“ können dagegen hier nicht diskutiert werden[9].

2. Zusammensetzung und Struktur

Das Buch setzt sich aus 13 Kapiteln zusammen, die wiederum aus mehreren kleineren Texteinheiten bestehen. Die ersten 7 Kapitel nach der Einleitung stellen eine Art Familiengeschichte Keleks und ihrer Vorfahren da, angefangen beim „Exodus der Tscherkessen“ über die Kindheit Keleks in Istanbul bis hin zu ihrer Emanzipation von ihrer Familie und ihrer türkisch-tscherkessischen Herkunft. Kapitel 9 ist eine eigentümliche und geraffte Darstellung der Frühgeschichte des Islams. Die im Buchtitel „Die fremde Braut“ angekündigten Themen „Importbräute“ aus der Türkei und Zwangsheiraten von Musliminnen in Deutschland tauchen im strengen Sinne erst in den Kapiteln 10 und 11 auf. Kapitel 12 beschäftigt sich mit unterschiedlichen Themen angefangen bei „falsch verstandener Toleranz“ über die Kopftuch-Debatte bis hin zur „deutschen Schuldfrage“. Kapitel 13 ist eine abschließende Bewertung, der zufolge die Integration der türkischen Muslime in Deutschland gescheitert sei.

2.1. Einleitung

Die Einleitung beginnt mit „Dies ist eine wahre Geschichte“ (S. 11) und proklamiert somit einen Anspruch, der schwer zu erfüllen ist. Die Geschichte, die erzählt wird, soll von türkischen Frauen, die in „arrangierten Ehen“ wie „Sklavinnen gehalten“ werden, handeln. Zuerst schließt noch in der Einleitung eine Darstellung der Hochzeitsfeier von Keleks Bruder am Marmara-Meer an. Die einzige erkannbare Funktion dieser Darstellung ist die Herstellung von einer Atmosphäre der Authenzitität, der zufolge Kelek die türkische Kultur kenne, und sie den Leser in diese andere Kultur einführen könne. Eine erste Merkwürdigkeit ist die Definition der Umma als „Gemeinschaft der türkischen Muslime“ (S. 19). Die Einleitung schließt mit der Bemerkung, dass sie stolz darauf sei, eine Deutsche zu sein (S. 20).

2.2. Vorfahren- und Familiengeschichte

Die Kapitel über die Vorfahren- und Familiengeschichte von Kelek können in einem wissenschaftlichen Rahmen kaum diskutiert werden. Sie basieren auf zwei Quellen: den Erinnerungen von Keleks Großmutter an die Geschichte der Vorfahren (andere Quellen tauchen nicht auf) und den Erinnerungen von Kelek selbst an ihre Familiengeschichte.

Was aber diskutiert werden kann, sind kleinere Texteinheiten, Halbsätze, Sätze und Absätze, in denen die Ebene der persönlichen und familiären Geschichte verlassen wird, um andere Geschichten einzubauen. Dazu gehört eine Darstellung des Harem als zentrales konstutierendes Element der muslimischen Familie, M.a.W. die These, dass der Harem ein Modell dafür sei, wie muslimische Familien sein wollen. Die Haremgeschichten werden wiederrum mit der Geschichte des Urgroßvaters von Kelek verflochten, der passenderweise im Osmanischen Reich Sklavinnen an Sultan Abdul Hamid für dessen Harem verkauft. Kelek deutet explizit daraufhin, dass die Zustände im osmanischen Harem im 19. Jh. mit den Zuständen in Deutschland des 21. Jh. gleichzusetzen seien (S. 39) und wiederholt dies einige Seiten später: „Wer begreifen will, warum junge türkisch-muslimische Männer und Frauen [...] von ihren Familien [...] verheiratet werden [...], muss den kulturhistorischen Hintergrund [...] kennen“ (S.44). Zur Erinnerung: Mit kulturhistorischem Hintergrund kann in diesem Zusammenhang nur der Harem gemeint sein, denn davon handeln die Geschichten vor und nach dieser These. Der behauptete Zusammenhang zwischen Harem und muslimischer Familienstruktur wird weiter betont: Die „türkisch-muslimische Frau“ könnte „so wie die Sklavin im Osmanischen Harem nicht als Ehefrau, sondern nur als Mutter etwas erreichen“ und „an diesem Prinzip hat sich bis heute in der muslimischen Familie nicht viel geändert“ (S.47). Die türkische Familie sei eine „schlechte Kopie [...] des Hauses Osman“, und „es hat sich seit dem Mittelalter wenig geändert“ (S. 47). Eine weitere Merkwürdigkeit ist, dass einige Seiten später ein anderer Grund für die Unterdrückung der Frau genannt wird. Während es zunächst der „kulturhistorische Hintergrund“, also die auf die Haremsgeschichten reduzierte Darstellung des Osmanischen Reiches, war, ist plötzlich ein nicht näher definiertes „Stammesgesetz“ der zentrale Faktor: „Wer das Schicksal meiner Großmutter mit [...] de[m] [von] türkischen Frauen [...] in Deutschland“ vergleicht, „wird feststellen, dass für sie immer noch die Stammesgesetze gelten“ (S. 56).

Im Folgenden plätschert die Familiengeschichte dahin – unterbrochen von merwürdigen Behauptungen wie der, dass man bei türkischen Festen „Ärger mit den Brüdern bekommen“ kann „und auf solchen Festen, das weiß man (sic!), [...] Fäuste und Messer locker“ sitzen (S. 65), dass Koranunterricht und Kopftuch mit dem Kind-Sein unvereinbar sind (S. 80), dass muslimische Mädchen weder in der Türkei noch in Deutschland auf Schaukeln zu sehen sind (S. 87), dass Atatürk den „Kinder[n] und der Jugend eigens einen Feiertag geschenkt“ (S. 91) habe, dass es in der Türkei „durch die Türkesh-Partei“[10] zu einem „Aufblühen der Scharia in den siebziger Jahren“ gekommen sei (S. 98) und dass sich „türkische Jungen immer auf der Straße herumtreiben und an den Ecken herumlungern“ (S. 127). Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist ein weiteres Mittel zur Herstellung einer Atmosphäre der Authenzitität. Kelek verwendet auch für die banalsten Wörter türkische Ausdrücke, so statt Backblech „Tepsi“ (S. 87), statt Wassermelone „Karpuz“ (S. 87) und statt Teppich „Kelim“ (S. 97).

2.3. „Der Prophet und die Frauen“

Nach der Vorfahren- und Familiengeschichte ist ein Kapitel zu finden, in dem eine eigentümliche Darstellung der Frühgeschichte des Islams zu lesen ist. Dabei wird die Frühgeschichte als Modernisierungs hindernis gesetzt, wodurch der Islam „resistent gegen die Anforderungen der Moderne“ (S. 153) sei. Zu den Eigentümlichkeiten gehört, dass die Bedeutung von Medina für den Islam dadurch erklärt wird, dass Mohammed als Kind mit seiner Mutter nach Medina gereist sei: „Medina wurde für Mohammed zum Ort, wo er seiner Mutter am nächsten war“ (S. 154). Die „Sehnsucht der Muslime“ nach Medina als die „idealisierte[...] Urgemeinde“ sei gleichzusetzen mit der Sehnsucht eines Kindes, das „sich in den Mutterschoß zurücksehnt“ (S. 154). So sei auch die Mutterfixierung der islamischen Männer zu erklären: „Die Liebe ist der Mutter und Allah vorbehalten“ (S.155). Die Spaltung der Muslime in Sunniten und Schiiten wird erklärt aus dem Streit in Mohammeds Harem zwischen Umm Salma und Aischa über die Frage, welche der Frauen von Mohammed bevorzugt würde (S. 160). Mit dieser Darstellung und der psychologisierenden Wortwahl suggeriert Kelek, der Islam sei anti-rational und zentrale Punkte seiner Geschichte würden auf Banalitäten basieren. Eine Merkwürdigkeit in diesem Kapitel ist, dass behauptet wird, Mohammed hätte „auf Kosten der Frauen“ mit dem „Kalifen“ paktiert (S. 162). Die Existenz eines Kalifen während der Lebenszeit Mohammeds ist jedoch sehr fraglich, weil der Kalif per Definition ein Nachfolger des Propheten ist. Kelek nennt hierfür keine Quelle. Die Quellenangaben sind ohnehin insgesamt problematisch, da an einigen Stellen Quellen angegeben werden und an anderen Stellen nicht, ohne dass erkennbar wäre, nach welchem Muster dies passiert.

Am Ende des Kapitels wird wieder Bezug genommen auf die heutige Situation. Ein von dem islamischen Rechtsgelehrten Al-Ghazali im 12. Jh. entwickelter Verhaltendkodex würde die „islamische Ehe“ als „eine Art Sklaverei“ (S. 167) definieren. Dieser Verhaltenskodex gelte „noch heute“ (S. 164) und würde „von Muslimen – auch in Deutschland – vertreten und gelebt“ (S. 167). Beim Anblick von „verschleierten Frauen [...] in Hamburger Parks“ sieht Kelek „den Harem“ (S. 168).

2.4. „Geschichten von den 'Importbräuten'“

Erst in den beiden letzten Kapiteln tauchen erste zusammenhängende Geschichten über die angekündigen Themen „Importbräute“ aus der Türkei und Zwangsheiraten von Musliminnen in Deutschland auf. Die Bezeichnung Geschichte ist hier doppeldeutig zu verstehen, also auch als story. Die erste Geschichte ist die Wiedergabe eines Dialogs zwischen Kelek und einer Freundin ihrer Mutter. Es folgt eine Typisierung einer „typische[n] Importbraut“ (S. 171), wobei unklar bleibt, ob und wie diese Typisierung auf Empirie basiert. Weiter geht es mit Geschichten von drei türkischen Frauen, die über die Heirat eines in Deutschland lebenden Türken nach Deutschland gekommen sind. Die Geschichten werden erzählt, aber eine empirische Methode, wodurch die Geschichten erst bewertbar und weiterverwendbar würden, fehlt. Die Problematik, die dadurch entsteht, müsste Kelek eigentlich bewußt sein, da sie Soziologin ist und dies bei ihren Veröffentlichungen immer wieder betont. Es bleibt je nach Leser ein Gefühl des Mitgefühls für die Frauen und/oder Ablehnung gegenüber „den“ Türken, bzw. Muslimen zurück.

Im zweiten Kapitel wird dieses Anders-Sein „der“ Türken noch weiter betont, wenn behauptet wird, „Geburtstag wird bei den Türken [...] nicht gefeiert“ (S. 205) oder in „einem türkischen Haushalt“ gebe es „keine Blumen in der Wohnung“ (S. 208). Anhand solcher Beispiele wird dann gesagt, dass die Türken in Deutschland in einer „Parallelwelt“ leben würden, in der es keine Demokratie gebe und alles „nach den Regeln der türkisch-muslimischen Umma geregelt“ (S. 212) werde.

Literatur:

1. Beck-Gernsheim: Türkische Bräute und die Migrationsdebatte in Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 1-2/2006 vom 2. Januar 2006
2. Kelek, Necla: Die fremde Braut, Köln 2005
3. Kelek, Necla: Entgegnung, in: Die Zeit vom 2. Februar 2006
4. Schwarzer, Alice: Offene Antwort, in: Emma vom März 2006
5. Terkessidis, Mark / Karakasoglu, Yasemin: Gerechtigkeit für die Muslime, in: Die Zeit vom 2. Februar 2006

[...]


[1] Terkessidis / Karakasoglu 2006

[2] Terkessidis / Karakasoglu 2006

[3] Terkessidis / Karakasoglu 2006

[4] Terkessidis / Karakasoglu 2006

[5] Kelek 2006

[6] Kelek 2006

[7] Kelek 2006

[8] Schwarzer 2006

[9] Für einen Überblick über die Integrationsdebatte im Bezug auf die von Kelek angesprochenen Themen siehe: Aus Politik und Zeitgeschichte 1-2/2006 vom 2. Januar 2006. Eine fundierte Kritik von Beck-Gernsheim an Kelek ist dort ebenfalls nachzulesen.

[10] Eine Partei mit diesem Namen existiert in der Türkei nicht. Gemeint ist wohl die rechtsextrem-nationalistische MHP, die keinen explizit islamistischen Kurs verfolgt. Der langjährige Vorsitzende hieß Alparslan Türkeş.

Ende der Leseprobe aus 9 Seiten

Details

Titel
Zusammenhang von Islam und Unterdrückung der Frau bei Necla Kelek
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Veranstaltung
Menschenrechte, Frauenrechte, Islam
Autor
Jahr
2006
Seiten
9
Katalognummer
V70009
ISBN (eBook)
9783638623100
ISBN (Buch)
9783656843979
Dateigröße
436 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zusammenhang, Islam, Unterdrückung, Frau, Necla, Kelek, Menschenrechte, Frauenrechte, Islam
Arbeit zitieren
Ismail Küpeli (Autor:in), 2006, Zusammenhang von Islam und Unterdrückung der Frau bei Necla Kelek, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70009

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