Hat der Mensch einen freien Willen oder ist er in seinen Entscheidungen und Verhaltensweisen determiniert? Anders gefragt: Sind wesentliche Grundannahmen über unser menschliches Weltbild eine Illusion? Auf diese - an sich philosophische Frage - glaubt nun seit einigen Jahren die Neurowissenschaft eine Antwort gefunden zu haben.
Mit seinem Buch „Ein neues Menschenbild?“ hat der Neurophysiologe Prof. Wolf Singer eine öffentliche Diskussion entfacht, die weit über die Kreise der Wissen- schaft hinausgeht und auch in den Medien einen breiten Widerhall findet. Zusammen mit dem Biologen Prof. Gerhard Roth behauptet Singer, dass der freie Wille – im traditionellen und alltäglichen Verständnis – nicht existiert. Vielmehr sei alles Wollen, Wissen und Handeln ein Ergebnis der neurobiologischen Disposition und der Mensch damit nicht in der Lage, sein Verhalten über Einsicht und Willen zu ändern.
Naturgemäß haben diese - zum Teil bewusst provokativ formulierten - Ausführungen heftige Reaktionen hervorgerufen, insbesondere bei Philosophen und Theologen, die sich mitunter auch über den Vorstoß der Hirnforschung auf ihr ureigenes Terrain überrascht zeigten. Aber auch andere wissenschaftliche Disziplinen, wie die Psychologie, die Rechtswissenschaft und nicht zuletzt die Soziologie sind von den Konsequenzen dieser Diskussion betroffen. Im folgenden soll nun erläutert werden, welches Weltbild Singer, Roth und andere Vertreter des Determinismus propagieren, wie ihre Gegner - u.a. so prominente Persönlichkeiten wie Jürgen Habermas - darauf reagieren und wie die Diskussion in den Medien möglicherweise verkürzt und verfälscht wiedergegeben wird. Im Anschluss daran soll geklärt werden, wie die Sozialwissenschaften von dieser Debatte beeinflusst werden, welche Auswirkungen die neurobiologischen Theorien für die Konstitution unserer Gesellschaft hätten. Schlussendlich soll die Frage beleuchtet werden, ob die Ergebnisse der Hirnforschung tatsächlich im absoluten Widerspruch zu unserem menschlichen Selbstverständnis in Geschichte und Gegenwart stehen, oder ob die Aussagen dieser beiden scheinbar unversöhnlichen Lager aus der interdisziplinären Perspektive möglicherweise relativierbar sind.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Begriffsbestimmung Determinismus
- Die neurowissenschaftlichen Forschungsergebnisse
- Das Libet-Experiment
- Die Theorien von Wolf Singer und Gerhard Roth
- Gegenreaktionen
- Erwiderungen der Philosophie
- Erwiderungen der Psychologie
- Soziologische Konsequenzen
- Gesellschaften und Determination
- Werte, Normen und Schuld
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, ob der Mensch einen freien Willen hat oder in seinen Entscheidungen und Verhaltensweisen determiniert ist. Sie analysiert die neurobiologischen Forschungsergebnisse zum Thema Willensfreiheit und Determinismus und untersucht deren soziologische Bedeutung. Dabei werden die Theorien von prominenten Wissenschaftlern wie Wolf Singer und Gerhard Roth beleuchtet, die die Existenz des freien Willens in Frage stellen.
- Das neurobiologische Verständnis von Willensfreiheit und Determinismus
- Die Auswirkungen der Hirnforschung auf unser menschliches Selbstverständnis
- Soziologische Konsequenzen des Determinismus
- Die Rolle von Werten und Normen in einer deterministischen Gesellschaft
- Die Kritik an den Theorien des Determinismus aus verschiedenen Perspektiven
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung führt in das Thema der Willensfreiheit und des Determinismus ein und stellt die zentrale Frage nach dem Einfluss der neurowissenschaftlichen Forschung auf unser Weltbild.
- Kapitel 2 definiert den Begriff des Determinismus und unterscheidet zwischen allgemeinem und persönlichem Determinismus.
- Kapitel 3 präsentiert die neurowissenschaftlichen Forschungsergebnisse zum Thema Willensfreiheit, insbesondere das Libet-Experiment und die Theorien von Wolf Singer und Gerhard Roth.
- Kapitel 4 beleuchtet die Gegenreaktionen auf die neurobiologischen Theorien des Determinismus, insbesondere aus der Philosophie und Psychologie.
- Kapitel 5 erörtert die soziologischen Konsequenzen des Determinismus, mit einem Fokus auf die Auswirkungen auf Gesellschaften, Werte und Normen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Schlüsselwörter Willensfreiheit, Determinismus, Hirnforschung, Neurobiologie, Soziologie, Gesellschaft, Werte, Normen, Schuld, Selbstverständnis, Libet-Experiment, Wolf Singer, Gerhard Roth, Jürgen Habermas.
- Arbeit zitieren
- Christian Hesse (Autor:in), 2007, Eine Frage der Perspektive, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70084