Zum Erscheinungsbild jeder entwickelten Gesellschaft gehört die gewerbliche Prostitution, welche ein gewisses Maß an Urbanisierung, Mobilität und Geldwirtschaft bedingt. Das spätmittelalterliche Dirnenwesen bzw. die frühneuzeitliche Prostitution konzentriert sich demzufolge besonders in den werdenden und wachsenden Städten.
In einer strikt monogamen Gesellschaft, in der kaum mehr als dreißig Prozent der Bevölkerung die Möglichkeit hatte auf Eheschließung und Familiengründung zu hoffen, in der die Jungfräulichkeit der Braut nicht diskutierbar war, durch lange Ausbildungszeiten in vielen Berufsgruppen nur eine Spätehe realisiert werden konnte und die einen erheblichen Frauenüberschuss produzierte, in so einer gesellschaftlichen Ordnung konnte nicht auf die Ventilfunktion der Prostitution für angestaute Triebüberschüsse verzichtet werden. Besonders in einer Stadt mit vielen Fremden wäre jedes absolute Verbot illusorisch gewesen.
Demzufolge haben sich die städtischen Obrigkeiten auch sehr früh für die pragmatische Auffassung des Kirchenlehrers Augustinus begeistern können und sich diese zu eigen gemacht. Dieser Lehrer von „Sünde und Gnade“ sah in der Prostitution ein unvermeidbares Übel, was man um schlimmere Gefahr für das Seelenheil zu vermeiden, in Kauf nehmen müsse.
Um Auswüchsen des Dirnenwesens vorzubeugen wurden seitens der Obrigkeit Maßnahmen zur Kontrolle und Organisation der städtischen Prostitution ergriffen. Im Rahmen dieser Aktionen wurde ein bestimmtes Maß an Vergünstigungen oder Privilegien gewährt, womit das Dirnenwesen einen quasi „öffentlichen“, beinahe legalen Charakter bekam.
Die Bandbreite reicht hier von der Konzentration der Dirnen auf bestimmte Straßen (Strichbildung) über die Einrichtung von so genannten Frauenhäusern, auf welche später noch ausführlicher einzugehen sein wird, die in Obhutgabe eines Frauenwirts, gesundheitliche Kontrollen durch den Stadtchirurgen, aber auch die Kennzeichnung durch Kleidung.(z.B. war den Dirnen häufig das Tragen bestimmter Abzeichen vorgeschrieben oder verboten sich in bestimmte Stoffe zu kleiden, sowie einen bestimmten Schmuck anzulegen)
Kirchliche Anstalten, welche bekehrte Dirnen aufnahmen, konnten in manchen Städten mit Förderung rechnen bzw. wurden erstmalig zu diesem Zweck eingerichtet.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Definition von Prostitution im Mittelalter bzw. in der Frühneuzeit
- Wege in die Prostitution
- Prostitution im Frauenhaus
- Das Frauenhaus (Prostibulum)
- Der Frauenwirt
- Die Prostituierte im Frauenhaus
- Schließung der Frauenhäuser
- Die freie städtische Prostitution
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem Phänomen der Prostitution im Spätmittelalter und der Frühneuzeit, insbesondere in städtischen Kontexten. Sie analysiert die Entwicklung der Prostitution von ihrer kontrollierten Organisation in Frauenhäusern bis hin zur Entstehung der freien städtischen Prostitution. Dabei wird der Fokus auf die sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekte des Dirnenwesens gelegt.
- Definition und Abgrenzung der Prostitution im Mittelalter und der Frühneuzeit
- Die Rolle der Frauenhäuser und ihre Organisation
- Die Entstehung der freien städtischen Prostitution und ihre Auswirkungen
- Die sozialen Ursachen für den Weg in die Prostitution
- Die rechtliche und gesellschaftliche Wahrnehmung von Prostitution
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einführung gibt einen Überblick über die Bedeutung der Prostitution in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gesellschaft und beleuchtet deren Funktion als Ventil für angestaute Triebüberschüsse. Sie schildert die Herausforderungen, die sich für die städtischen Obrigkeiten aus der Prostitution ergaben, und beleuchtet deren Bemühungen zur Kontrolle und Organisation des Dirnenwesens. Die Maßnahmen zur Regulierung reichten von der Konzentration von Prostituierten auf bestimmte Straßen bis hin zur Einrichtung von Frauenhäusern, die unter der Aufsicht von Frauenwirten standen.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der Definition von Prostitution im Mittelalter und der Frühneuzeit. Es wird deutlich, dass die Käuflichkeit und der rasche Partnerwechsel als Hauptkriterien für die Einordnung einer Frau als Prostituierte galten. Die Arbeit beleuchtet auch die unterschiedliche Wahrnehmung von Prostitution im Vergleich zu anderen Formen von sexueller Aktivität, wie z.B. Konkubinen oder Landknechtshuren.
Das dritte Kapitel untersucht die Ursachen und Wege in die Prostitution im Spätmittelalter und der Frühneuzeit. Dabei wird Armut als zentraler Faktor genannt, der Frauen oft in die Prostitution trieb. Es werden Beispiele aus zeitgenössischen Berichten und Chroniken sowie aus Gerichtsakten angeführt, die die verschiedenen Lebenswege von Prostituierten verdeutlichen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den folgenden Schlüsselbegriffen: Prostitution, Mittelalter, Frühneuzeit, Frauenhaus, Frauenwirt, freie Prostitution, Armut, soziale Randgruppen, Recht, Gesellschaft, Moral, Quellenforschung.
- Arbeit zitieren
- Christian Zarend (Autor:in), 2006, Bordelle. Frauenhaus und Prostitution im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70135