Die PISA-Studie und deren Ergebnisse wurden 2001 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.
In dieser, von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in 32. Ländern durchgeführten Schulleistungsstudie, belegten die deutschen Teilnehmer nur den 21. Rang. Was vor fünf Jahren als „PISA-Schock" fast zum Wort des ahres geworden ist, bewegt seitdem Bildungspolitiker, Erziehungswissenschaftler, Lehrerverbände, Lernpsychologen und Elternorganisationen in der ganzen Republik. Die Reaktionen auf die Veröffentlichung sind von einer derart großen Vielfalt, dass sie zu einer
kaum noch überschaubaren Menge von Stellungnahmen, Kommentaren, Analysen und
Empfehlungen geworden ist. Die Rezeption auf die PISA-Studie in der Fachwelt des Sports kann auch als äußerst vielschichtig angesehen werden und ist in ihren Auswirkungen für den Schulsport als
uneinheitlich einzuschätzen. In einer Internetbefragung der Online-Zeitschrift
sportuntericht.de unter insgesamt 732 Sportlehrerinnen und Sportlehrern, denken 37%, dass
die negativen Ergebnisse der PISA-Studie die Bedeutung des Sportunterrichts erhöhen werde.
43% der Befragten waren jedoch vom Gegenteil überzeugt und befürchteten eine Reduzierung
der Bedeutung des Sportunterrichts in der Zukunft. Der Rest der Befragten war der Ansicht,
dass die Ergebnisse keine Auswirkungen auf den Schulsport hätten.
Die zentrale Frage, die sich dadurch dem Autor dieser wissenschaftlichen Hausarbeit stellt ist
daher: Welche Bedeutung haben die PISA-Studien für den Schulsport in Deutschland?
Zur Beantwortung dieser Frage werden im ersten Teil dieser Arbeit zunächst die PISA-Studie
und andere, durch den Autor ausgesuchte Sportleistungsstudien, vorgestellt. Die erste
Sportleistungsstudie ist die WIAD-AOK-DSB-Studie, die Ende 2000 durch eine
Gemeinschaftsinitiative der Krankenkasse AOK, des Deutsche Sportbundes (DSB) und des
Wissenschaftlichen Institutes der Ärzte Deutschlands (WIAD) initiiert wurde. Die zweite
Sportleistungsstudie, die in dieser Arbeit vorgestellt wird, ist die SPRINT-Studie. Diese
wurde vom Deutschen Sportbund und der Deutschen Sportjugend im Jahr 2003 in Auftrag
gegeben und 2005 erstmals veröffentlicht. Als dritte Studie wird in dieser Arbeit die ICSP-Studie vorgestellt. Die Ausführungen geben die zentralen Befunde einer Studie wieder, die
vom International Council of Sport Science and Physical Education (ICSSPE) in Auftrag
gegeben und im Jahr 2002 als ICSP-Studie veröffentlicht wurde...
I Inhaltsverzeichnis
I Inhaltsverzeichnis
II Abbildungsverzeichnis
III Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
2. Überblick ausgesuchter Schul- und Sportleistungsstudien 3
2.1 Die Pisa-Studie
2.1.1 Ziele und Inhalte
2.1.2 Methoden
2.1.3 Durchführung der Erhebung und Erhebungszyklus
2.1.4 PISA-Teilnehmer
2.1.5 Nationale Erweiterung von PISA (PISA-E Deutschland)
2.1.6 Inhaltliche Erweiterung der PISA-E Studie in Deutschland
2.1.7 Durchführung und Erhebung der PISA-E Studie in Deutschland
2.1.8 Ergebnisse für Deutschland
2.2 Die WIAD-AOK-DSB-Studie
2.2.1 Datenbasis und Datenstruktur
2.2.2 Beschreibung von Instrument und Ablauf
2.2.3 Ergebnisse in der Zusammenfassung
2.3 Die SPRINT-Studie
2.3.1 Konzeption der Studie
2.3.2 Inhalte der Studie
2.3.3 Ergebnisse und Handlungsempfehlungen
2.3.3.1 Die programmatischen Grundlagen des Schulsports
2.3.3.1 Die derzeitigen Rahmenbedingungen des Schulsports
2.3.3.2 Die Gestaltung des Sportunterrichts
2.3.3.3 Der außerunterrichtliche Schulsport
2.3.4 Ergebnisse in der Zusammenfassung
2.4 Die ICSP-Studie
2.4.1 Konzeption der Studie
2.4.2 Ergebnisse der Studie
3 Sport und Gesundheit
3.1 Der Sportbegriff
3.2 Der Gesundheitsbegriff
3.3 Sport und Gesundheit - Eine Wechselbeziehung
3.4 Auswirkungen des Sports auf die Gesundheit
3.5 Auswirkungen des Sports auf Intelligenz- und Gedächtnisprozesse
4. Der Schulsport zwischen PISA, WIAD, SPRINT und ICSP
4.1 Der Schulsport
4.1.1 Ziele und Aufgaben
4.2. Der Schulsport in der Geschichte
4.3 Schulsport - Wozu?
4.3.1 Eine Argumentation contra Schulsport
4.3.2 Eine Argumentation pro Schulsport
4.4 Der Schulsport und PISA
4.5 PISA - und was dann?
5. Zusammenfassung und Schlussfolgerung
IV Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
II Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Übersicht der an PISA teilnehmenden Staaten
Abbildung 2: Anzahl und Anteil der 15-Jährigen in der dt. Erweiterungsstichprobe
Abbildung 3: Check-Up-Erfassungsbogen
Abbildung 4: Darstellung der Wechselbeziehung zwischen körperlicher Aktivität, Fitness und Gesundheit
Abbildung 5: Zusammenhang von Bewegungsmangel, motorischer Leistungsschwäche, Motivationsverlust, Verhaltensauffälligkeiten und Störungen des Lern -und Leistungsverhalten von Kindern und Jugendlichen
Tabellenverzeichnis
III Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Münchner Fitnesstest (MFT) nach Rusch/Irrgang
Tabelle 2: Design der ICSP-Studie
Tabelle 3: Fitness-Items der ICSP-Studie
Tabelle 4: Gesellschaftliche Funktionen des Sports
Einleitung 1
1. Einleitung
Die PISA-Studie und deren Ergebnisse wurden 2001 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. In dieser, von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in 32. Ländern durchgeführten Schulleistungsstudie, belegten die deutschen Teilnehmer nur den 21. Rang. Was vor fünf Jahren als „PISA-Schock“1fast zum Wort des Jahres geworden ist, bewegt seitdem Bildungspolitiker, Erziehungswissenschaftler, Lehrerverbände, Lernpsychologen und Elternorganisationen in der ganzen Republik. Die Reaktionen auf die Veröffentlichung sind von einer derart großen Vielfalt, dass sie zu einer kaum noch überschaubaren Menge von Stellungnahmen, Kommentaren, Analysen und Empfehlungen geworden ist.
Die Rezeption auf die PISA-Studie in der Fachwelt des Sports kann auch als äußerst vielschichtig angesehen werden und ist in ihren Auswirkungen für den Schulsport als uneinheitlich einzuschätzen. In einer Internetbefragung der Online-Zeitschrift sportuntericht.de unter insgesamt 732 Sportlehrerinnen und Sportlehrern, denken 37%, dass die negativen Ergebnisse der PISA-Studie die Bedeutung des Sportunterrichts erhöhen werde. 43% der Befragten waren jedoch vom Gegenteil überzeugt und befürchteten eine Reduzierung der Bedeutung des Sportunterrichts in der Zukunft. Der Rest der Befragten war der Ansicht, dass die Ergebnisse keine Auswirkungen auf den Schulsport hätten.2
Die zentrale Frage, die sich dadurch dem Autor dieser wissenschaftlichen Hausarbeit stellt ist daher: Welche Bedeutung haben die PISA-Studien für den Schulsport in Deutschland?
Zur Beantwortung dieser Frage werden im ersten Teil dieser Arbeit zunächst die PISA-Studie und andere, durch den Autor ausgesuchte Sportleistungsstudien, vorgestellt. Die erste Sportleistungsstudie ist die WIAD-AOK-DSB-Studie, die Ende 2000 durch eine Gemeinschaftsinitiative der Krankenkasse AOK, des Deutsche Sportbundes (DSB) und des Wissenschaftlichen Institutes der Ärzte Deutschlands (WIAD) initiiert wurde. Die zweite Sportleistungsstudie, die in dieser Arbeit vorgestellt wird, ist die SPRINT-Studie. Diese wurde vom Deutschen Sportbund und der Deutschen Sportjugend im Jahr 2003 in Auftrag gegeben und 2005 erstmals veröffentlicht. Als dritte Studie wird in dieser Arbeit die ICSP- Studie vorgestellt. Die Ausführungen geben die zentralen Befunde einer Studie wieder, die vom International Council of Sport Science and Physical Education (ICSSPE) in Auftrag gegeben und im Jahr 2002 als ICSP-Studie veröffentlicht wurde.
Im zweiten Teil dieser Arbeit wird sich der Autor ausführlich mit der Wechselbeziehung von Sport und Gesundheit befassen. Anschließend werden der Einfluss und die Auswirkungen von körperlicher Aktivität und Bewegung auf die Gesundheit und auf Intelligenz- und Gedächtnisprozesse untersucht.
Der dritte Teil dieser Arbeit wird sich ausschließlich mit dem Schulsport und seiner Position zwischen PISA, WIAD, SPRINT und ICSP befassen. Der Autor wird die Bedeutung des Schulsports in der Geschichte herausarbeiten, eine Diskussion pro und contra Schulsport führen, und Verknüpfungen und Beziehungen zwischen dem Schulsport und PISA herstellen. Anschließend wird ein Ausblick für die Zeit nach PISA gegeben. Die Arbeit endet mit einer Zusammenfassung und einer Schlussfolgerung.
2. Überblick ausgesuchter Schul- und Sportleistungsstudien
In diesem Teil der Arbeit werden zunächst fünf Schul- und Sportleistungsstudien vorgestellt und beschrieben.
2.1 Die Pisa - Studie
Das Akronym PISA steht für „Programme for International Student Assessment“. Die Studie ist ein Programm zur zyklischen Erfassung basaler Kompetenzen von Schülern und Schülerinnen, das von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) durchgeführt und entwickelt wurde und von allen Mitgliedsstaaten gemeinschaftlich verantwortet und getragen wird. PISA ist Teil eines Indikatorenprogramms der OECD, dessen Aufgabe und Ziel es ist, den OECD - Mitgliedsstaaten vergleichende Daten über die Ressourcenausstatung, individuelle Nutzung sowie Funktions- und Leistungsfähigkeit ihrer Bildungssysteme zur Verfügung zu stellen. Die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich an diesem Programm gemäß einer Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder.3
2.1.1 Ziele und Inhalte
Allgemeine Zielsetzungen und Inhalte von PISA lassen sich knapp zusammenfassen und wie folgt definieren. Primäre Aufgabe des Programms ist es, den Regierungen der teilnehmenden Länder auf periodischer Grundlage Prozess- und Ertragsindikatoren zur Verfügung zu stellen, die für politisch-administrative Entscheidungen zur Verbesserung der nationalen Bildungssysteme geeignet sind. Die Indikatoren beziehen sich auf die Bereiche Lesekompetenz (Reading Literacy), mathematische Grundbildung (Mathematical Literacy), naturwissenschaftliche Grundbildung (Scientific Literacy) und fächerübergreifende Kompetenzen (Cross-Curricular-Competencies). Die Untersuchung von fächerübergreifenden Kompetenzen ist ein fundamentaler Bestandteil von Pisa. Ein weiteres Hauptaugenmerk liegt auf der Beherrschung von Prozessen, dem Verständnis von Konzepten sowie die Fähigkeit, innerhalb eines Bereiches mit bestimmten Situationen umzugehen.4
2.1.2 Methoden
Die Testreihe besteht aus einer Mischung aus Fragen und Multiple Choice-Aufgaben. Die Items sind in Gruppen zusammengefasst, die sich jeweils auf eine Beschreibung einer realitätsnahen Situation beziehen. Alles in allem werden Items für eine Testdauer von sieben Stunden eingesetzt. In dieser Zeit müssen die Schüler und Schülerinnen jeweils eine unterschiedliche Anzahl von Kombinationen bearbeiten. Die Schülern und Schülerinnen müssen außerdem einen Fragebogen mit Hintergrundfragen über sich selbst beantworten. Weiterhin wurden auch die Schulleiter gebeten Fragen über die Schule zu beantworten. Die Beantwortung der Schülerfragebogen nimmt ungefähr 20 bis 30 Minuten in Anspruch.5
2.1.3 Durchführung der Erhebung und Erhebungszyklus
Im Zeitraum Mai bis Juni 2000 wurden an zwei Testtagen die Tests für die erste Hauptuntersuchung durchgeführt. Die Erhebungen dauerten jeweils etwas über drei Stunden, wovon der eigentliche Leistungstest zwei Stunden in Anspruch nahm. Die restliche Zeit wurde für das Ausfüllen des Schülerfragebogens und Erhebungen zu fächerübergreifenden Kompetenzen verwendet. In Sonderschulen wurde eine verkürzte, einstündige Version des internationalen Tests eingesetzt. Auch der zusätzliche Fragebogen wurde auf ein Minimum reduziert. Der zweite Testtag entfiel in diesen Schulen komplett. Da PISA sich durch sehr hohe Anforderungen an die Qualität der Erhebung auszeichnet, mussten mehrere qualitätssichernde Maßnahmen getroffen wurden. So wurde schon die Stichprobenziehung eng vom internationalen Konsortium betreut und dokumentiert, damit anschließend jeder Schritt nachvollzogen werden kann. Die Erhebungen wurden im Beisein der Schulkoordinatorin oder des Schulkoordinators, bei denen es sich häufig um Lehrkräfte handelte, durchgeführt. Damit die Vergleichbarkeit zwischen den Ländern absolut gewährleistet werden kann, folgten die Testleiter einem detailliert vorgegebenen Ablaufplan und lasen alle Instruktionen aus einem Skript vor. Um sicher zu gehen, dass diese Vorgaben eingehalten wurden und die Tests in allen Teilnehmerländern unter den gleichen Bedingungen stattfinden, wurden vom internationalen Konsortium zusätzliche Qualitätskontrollen durchgeführt. Zu diesem Zweck besuchten unabhängige Beobachter die Schulen während der Testdurchführung. Auch in Bezug auf die Repräsentativität mussten sich die Teilnehmer an enge Richtlinien halten. So durften die Beteiligungsquoten nicht unter einem bestimmten Wert liegen von den für die Stichprobe gezogenen Schulen mussten sich mindestens 85% beteiligen, von den ausgesuchten Schülerinnen und Schülern 80%. Nur die Niederlande schafften es nicht, diesen Wert zu erreichen. Da sie auch anderweitig die Repräsentativität der Stichprobe nicht nachweisen konnten, wurden sie vom internationalen Vergleich ausgeschlossen. Die Beteiligungsquote Deutschlands auf Schülerebene betrug 86%.6
Laut OECD erfolgen die Erhebungen in einem Dreijahreszyklus. Die erste Erhebung fand im Frühjahr 2000 statt. 2003 erfolgte die zweite und in diesem Jahr, also 2006 wird die dritte Erhebung durchgeführt. In jedem Zyklus wird ein Hauptbereich gründlicher getestet, dem dann zwei Drittel der Testzeit zugeteilt werden. In den beiden anderen Bereichen werden jeweils nur zusammenfassende Leistungsprofile erfasst. Das Hauptaugenmerk lag im Jahr 2000 auf der Lesekompetenz (Reading Literacy), im Jahr 2003 auf der mathematische Grundbildung (Mathematical Literacy), und in diesem Jahr wird der Fokus auf der naturwissenschaftlichen Grundbildung (Scientific Literacy) liegen.7
2.1.4 PISA-Teilnehmer
Weltweit nahmen im ersten Zyklus, im Frühsommer 2000, rund 180.000 Schülerinnen und Schüler aus 33 Staaten, davon 28 OECD-Staaten an der PISA - Studie teil. Die Zielpopulation der Erhebung sind zufällig ausgewählte 15-jährige Schülerinnen und Schüler. Diese Altersgruppe unterliegt in nahezu allen Teilnehmerstaaten noch der Vollzeitschulpflicht. In jedem Teilnehmerstaat wurde eine repräsentative Stichprobe gezogen. In Deutschland bestand diese repräsentative Stichprobe aus ca. 8000 Schülern aus insgesamt 220 Schulen, wobei in der Regel 38 Schüler pro Schule untersucht wurden.
Damit die Ergebnisse der PISA - Studie innerhalb Deutschlands jedoch auch auf der Ebene der Länder verwertet werden konnten, wurden diese 220 Schulen umfassende Stichprobe auf 1466 Schulen erhöht. Diese nationale Stichprobenergänzung wurde in PISA-E ausgewertet. Diese hohe Zahl von Schulen mit insgesamt knapp 60.000 Schülern war notwendig, um statistisch abgesicherte Aussagen über die Ergebnisse in den einzelnen Bundesländern und pro Schulform machen zu können.8
Abbildung 1: Übersicht der an PISA teilnehmenden Staaten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Baumert, J. Klieme, E. Neubrand, M. Prenzel, M. Schiefele, U. Schneider, W. Stanat, P. Tillmann, K.-J. Weiß, M., 2001, S.18)
2.1.5 Nationale Erweiterung von PISA (PISA-E Deutschland)
Als Reaktion auf die Dritte Internationale Mathematik- und Naturwissenschaftsstudie der IEA (TIMSS) haben die Kultusminister der Länder den Beschluss gefasst, sich an der internationalen Schulleistungsstudie PISA zu beteiligen. Für die Durchführung der Studie in Deutschland ist ein Konsortium verantwortlich, an dem sich sieben Forschungseinrichtungen unter der Führung des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung beteiligen. Das deutsche
Konsortium hat die internationale Untersuchung durch eine Reihe von nationalen Optionen ergänzt. Diese Ergänzungen zielen unter anderem darauf ab, Ursachen für interindividuelle Leistungsunterschiede und Ansatzpunkte für konstruktive Interventionsmaßnahmen aufzufinden. Weiterhin wird mit den Ergänzungen gewährleistet, dass Stoffgebiete und Problemstellungen, die in deutschen Schulen gelehrt werden, aber in den internationalen PISA-Tests nur unzureichend repräsentiert sind, getestet werden. Fachunabhängiges Problemlösen, das international erst ab dem Jahr 2003 gemessen werden soll, wird national bereits im ersten Zyklus erhoben. Damit nimmt PISA-Deutschland in diesem Bereich eine Vorreiterrolle ein. Als weitere Schlüsselqualifikation werden Aspekte von Kooperation und Kommunikation erfasst. Schließlich wird auf Beschluss der Kultusminister der Länder im Rahmen von PISA erstmalig ein Leistungsvergleich zwischen den Ländern in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt. Damit wird die Studie zu einem wichtigen Element eines sich allmählich entwickelnden nationalen Programms zur Qualitätssicherung im Schulwesen. Die wichtigste nationale Erweiterung besteht in der Vorbereitung eines intranationalen Leistungsvergleichs, bei dem nicht nur die Kompetenzen von 15-Jährigen, sondern auch von Neuntklässlern untersucht werden. Der Vergleich der Länder der Bundesrepublik Deutschland basiert auf den gleichen Testinstrumenten und Auswertungsmethoden, die auch beim internationalen Vergleich in PISA 2000 verwendet wurden. Auch der Testzeitpunkt und die Testbedingungen waren identisch. Zusätzlich bearbeiteten alle in Deutschland getesteten Schülerinnen und Schüler nationale Ergänzungstests. Während für den internationalen Vergleich der Leistungen 15-jähriger Schülerinnen und Schüler eine repräsentative Stichprobe von knapp 5.000 Schülerinnen und Schülern aus 219 Schulen untersucht wurde, beruht der Vergleich der Länder der Bundesrepublik Deutschland auf zwei überlappenden Stichproben von 33.809 15-Jährigen und 33.744 Neuntklässlern aus insgesamt 1.460 Schulen.9
Abbildung 2: Anzahl und Anteil der 15-Jährigen in der deutschen Erweiterungsstichprobe
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Baumert, J. Blum, W. Lehmann, R. Prenzel, M. Schiefele, U. Leutner, D. Rolff, H.-G. Rost, J. Pekrun, R., 2003, S. 16)
2.1.6 Inhaltliche Erweiterung der PISA-E Studie in Deutschland
Um Fragestellungen bearbeiten zu können, die für die bildungspolitische Diskussion in Deutschland von besonderer Bedeutung sind, wurde das internationale Untersuchungsdesign in verschiedener Hinsicht ergänzt. Das nationale PISA-Konsortium entwickelte eigene Leistungstests und Fragebögen, die an einem zweiten Testtag eingesetzt wurden. So dienten beispielsweise zusätzliche Mathematik- und Naturwissenschaftstests unter anderem dazu, diese Bereiche bereits im ersten Zyklus möglichst breit und differenziert zu erfassen und Zusammenhänge zwischen den internationalen PISA-Aufgaben mit stärker an deutschen Lehrplänen orientierten Fragen zu untersuchen. Weiterhin wurden am zweiten Testtag zusätzliche fächerübergreifende Kompetenzen - die Fähigkeit, schulnahe Planungsprobleme zu lösen und Aspekte von Kooperation und Kommunikation - erhoben. Im nationalen Schülerfragebogen wurden zum Beispiel die Beziehungen der Schülerinnen und Schüler zu Gleichaltrigen genauer erfasst, und der nationale Schulfragebogen enthielt unter anderem eine Reihe von Fragen zur Qualitätssicherung und regionalen Kooperation. Eine Befragung der Eltern, für die es im internationalen Design kein Äquivalent gab, diente schließlich dazu, die Angaben der Schülerinnen und Schüler zum familiären Hintergrund zu bestätigen und die Schullaufbahn des Kindes zu erfassen.10
2.1.7 Durchführung und Erhebung der Studie in Deutschland
Die Verantwortung für die Organisation der PISA-Erhebung in den einzelnen Bundesländern lag bei den Ländern selbst. Hierzu wurde in jedem Land ein PISA-Beauftragter oder eine PISA-Beauftragte und ein PISA-Koordinator oder eine PISA-Koordinatorin benannt. Die Planung und Organisation der Untersuchung erfolgte in enger Zusammenarbeit mit dem IEA Data Processing Center in Hamburg und mit dem deutschen PISA-Konsortium. Die Tests für die Hauptuntersuchung des ersten Zyklus fanden im Zeitraum Mai bis Juni 2000 jeweils an zwei Testtagen statt. Die Erhebungen dauerten jeweils etwas über drei Stunden. In Sonderschulen wurde eine verkürzte, einstündige Version des internationalen Tests eingesetzt, und auch der Fragebogen wurde dort auf ein Minimum reduziert. Auf den zweiten Testtag wurde in Sonderschulen verzichtet.11
2.1.8 Ergebnisse für Deutschland
Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass deutsche Schülerrinnen und Schüler in allen drei durchgeführten Erhebungen ziemlich schwach abschnitten. In allen Bereichen lagen sie teilweise deutlich unter dem OECD-Durchschnitt. Fast jedes vierte Kind hat enorme Schwierigkeiten beim Lesen: 13% der Jugendlichen schafften gerade mal die unterste Stufe der Lesekompetenz und können damit nur einfache Informationen herausfinden oder das Hauptthema erfassen. Beim Rechnen und in den Naturwissenschaften sind die Werte ähnlich. Ein Viertel der Schüler erreicht höchstens Kompetenzstufe 1, was Grundschulniveau bedeutet. Außerdem zählt Deutschland zu den Ländern, wo der Unterschied zwischen den leistungsstärksten und leistungsschwächsten Schülern am extremsten ist. Im Gegensatz zu anderen Ländern wird es nicht geschafft, dass auch schwache Schüler ein gewisses Leistungsniveau erreichen. Die Studie hat zudem gezeigt, dass der Einfluss der sozialen Herkunft auf die Schülerleistungen überdurchschnittlich groß ist und dies durch die Schule nicht aufgefangen werden kann. Welche Aussagen sich nun über den sportlichen Zustand deutscher Schülerinnen und Schüler und über Schulsport im speziellen treffen lassen, wird in den nächsten Studien untersucht, die im weiteren Verlauf dieser Arbeit vorgestellt werden.12
2.2 Die WIAD-AOK-DSB-Studie
Mit der Ende 2000 ins Leben gerufenen Gemeinschaftsinitiative „Fit sein macht Schule“ der Krankenkasse AOK, des Deutsche Sportbundes (DSB) und des Wissenschaftlichen Institutes der Ärzte Deutschlands (WIAD) wurde erstmals für Deutschland eine bundesweite Datenbasis geschaffen, die eine kontinuierliche Beobachtung des Bewegungsstatus von Kindern und Jugendlichen erlaubt und über einen längeren Zeitraum fundierte Daten zu dessen Entwicklung bereitstellen wird. Die Ergebnisse dieser Datenbank fanden sich in den beiden Studien, WIAD-AOK-DSB-Studie I und WIAD-AOK-DSB-Studie II wieder. Die letztere wurde im Jahr 2003 veröffentlicht.
Darüber hinaus zielt die Initiative darauf ab, erkannte Defizite bei den Schülern und in den Schulen im direkten Dialog mit den Lehrern und weiteren Verantwortlichen zu beheben. Im Rahmen dieser Initiative können Schulen einen für sie kostenlosen, von der AOK bereitgestellten Bewegungs-Check-up ihrer Schülerinnen und Schüler durchführen, mit dem sie deren körperliche Fitness messen und Daten zum Bewegungsstatus erfassen. Kernstück des Bewegungs-Check-up ist ein sportmotorischer Leistungstest, der Münchner Fitnesstest (MFT) nach Rusch/Irrgang. In einem Kurzfragebogen werden darüber hinaus bewegungsbezogene Einstellungen und Verhaltensweisen sowie Sportvorlieben der Kinder und Jugendlichen erfragt. Die Ergebnisse werden vom WIAD wissenschaftlich ausgewertet, mit bundesweiten Trends verglichen und den AOKs und Schulen für gezielte Interventionen zur Verfügung gestellt. Bis zum Jahresende 2002 beteiligten sich 20.599 Schülerinnen und Schüler zwischen 6 und 18 Jahren an der Gemeinschaftsinitiative. Auf der Grundlage dieses bundesweit umfangreichsten Datensatzes zu dieser Thematik erfolgt halbjährlich eine Statusbestimmung und Trendfortschreibung auf Bundesebene.13
2.2.1 Datenbasis und Datenstruktur
Seit Beginn der Aktion nimmt laut Studie die Zahl der beteiligten Schulen und Schulklassen stetig zu. Waren es 2001, im ersten Jahr der Aktion, insgesamt 353 Klassen, stieg die Zahl in 2002 bereits auf 668 Schulklassen. Die Gesamtklassenzahl lag Ende des Jahres 2002 bei 1.021 Klassen, was einer Schülerzahl von 20.599 entspricht.
Da die Beteiligung an dem Bewegungs-Check-up nicht über einen Stichprobenplan zentral gesteuert ist, sondern freiwillig erfolgt, kann es zu regionalen Abweichungen in der Zusammensetzung der Populationen kommen. Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen und Thüringen bleiben weiterhin unbeteiligt. Am stärksten engagiert sind bis Ende 2002 die Bundesländer Nordrhein-Westfalen mit 6.481, Bayern mit 4.852, Berlin mit 2.408, Rheinland-Pfalz mit 1.876, Mecklenburg-Vorpommern mit 1.719 und Niedersachsen mit 1.482 Schülerinnen und Schülern. Abbildung 3 zeigt, wo die jetzige Stichprobe von den Vergleichswerten für das Bundesgebiet abweicht: Mädchen sind leicht, die mittlere Altersgruppe der 11- bis 15-Jährigen ist stärker überrepräsentiert Grundschulen und berufliche Schulen sind unterrepräsentiert, Realschulen und Gymnasien überrepräsentiert. Unterdurchschnittlich beteiligt sind bisher Schulen aus dem ländlichen Raum. Dennoch kann die erreichte Verteilung als sehr gut angesehen werden. Sie lässt fundierte repräsentative und vergleichende Aussagen zu.14
2.2.2 Beschreibung von Instrument und Ablauf
Der Erfassungsbogen des Bewegungs-Check-up, setzt sich aus dem Münchner Fitnesstest (MFT) und einem Kurzfragebogen zusammen, mit denen folgende Übungen und Fragestellungen erfasst werden: Die sechs Übungen des MFT wurden von RUSCH/IRRGANG nach aufwändigen statistischen Analysen aus 30 Übungen als die hinsichtlich Aufwand und Handhabbarkeit am besten geeigneten und mit Blick auf die motorischen Hauptbeanspruchungsformen (Kraft, Schnellkraft, Ausdauer, Flexibilität, Koordination) auch aussagekräftigsten ausgewählt. Die gute Auswertbarkeit, das Vorliegen von alters- und geschlechtsspezifischen Normierungstabellen und der geringe Zeit- und Geräteaufwand im Vergleich zu anderen sportmotorischen Testverfahren waren weitere Gründe für den Einsatz des MFT im Rahmen der Initiative.15 Tabelle 1 zeigt den Fitnesstest nach RUSCH/IRRGANG.
Tabelle 1: Münchner Fitnesstest (MFT) nach RUSCH/IRRGANG
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Klaes, L. Cosler, D. Rommel, A. Zens, Y. C. K., 2003, S. 34, 2003)
Ziel des MFT ist die Erfassung bzw. Überprüfung der sportmotorischen Leistungsfähigkeit bei Schülerinnen und Schülern aller Altersgruppen. Der Test liefert eine Grobdiagnose der Muskel-, Ausdauer- und Koordinationsfähigkeit zur Ermittlung des jeweiligen Leistungsvermögens. Lehrer erhalten auf der Basis von Schüler-, Klassen- und Schulprofilen Informationen über den aktuellen Fitness- bzw. Trainingszustand (Querschnittuntersuchung) und dessen Veränderung im Zeitablauf (Längsschnittuntersuchung). Mit Hilfe der Ergebnisse können beispielsweise Schülerinnen und Schüler nun gezielter gefördert werden, Unterrichtsschwerpunkte angepasst und Schülerwünsche stärker berücksichtigt werden und Kooperationen von Schulen und Sportvereinen gezielter angegangen werden. Weiterhin können sich Schülerinnen und Schüler jetzt auch aktiv mit der eigenen körperlichen Leistungsfähigkeit im Vergleich mit anderen Schülerinnen und Schülern, Klassen oder Schulen (z.B. im Rahmen von Schulwettbewerben) auseinander setzen. Neben der Erfassung der motorischen Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler werden mit einem Kurzfragebogen auch Informationen zur Soziodemographie, zur Häufigkeit des Sporttreibens, zu Interessen bzw. Präferenzen für verschiedene Bewegungs- und Sportaktivitäten, zur persönlichen Leistungsbeurteilung, zur Mitgliedschaft in einem Sportverein und zum Schulsport erhoben. Insgesamt können mit den Daten wesentliche Basisinformationen zum Bewegungsstatus von Kindern und Jugendlichen gewonnen werden, Informationen zur körperlichen Leistungsfähigkeit ebenso wie zu sport- und bewegungsbezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen.16
Abbildung 3: Check-Up-Erfassungsbogen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Klaes, L. Cosler, D. Rommel, A. Zens, Y. C. K., 2003, S. 35)
2.2.3 Ergebnisse in der Zusammenfassung
Nach den jetzt verfügbaren Daten hat sich der in zahlreichen Untersuchungen berichtete Rückgang der körperlichen Leistungsfähigkeit bei Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren nicht nur fortgesetzt, sondern möglicherweise sogar noch verstärkt. So ist allein bei den 10- bis 14-Jährigen ein Rückgang der Fitness um mehr als 20% zu verzeichnen. Laut
Überblick ausgesuchter Schul- und Sportleistungsstudien 14
Studie erreichen heute nur noch durchschnittlich 80% der Jungen und 74% der Mädchen die Ausdauer-, Kraft- und Koordinationsleistungen ihrer Altersgenossen aus dem Jahre 1995. Und auch damals gab es bereits zahlreiche Hinweise auf eine sich seit längerem vollziehende Abnahme der sportmotorischen Fähigkeiten im Kindes- und Jugendalter.17
Erstmals ist es jetzt auch möglich, auf einer sehr umfassenden Datenbasis solche Trends differenzierter zu analysieren. So kann selbst für den relativ kurzen Zeitraum von zwei Jahren zwischen 2001 und 2002 ein signifikanter Rückgang der körperlichen Leistungsfähigkeit der 6- bis 18-Jährigen verzeichnet werden. Dieser Rückgang konnte bei Jungen wie Mädchen sehr stark im koordinativen Bereich und bei Mädchen stärker als bei Jungen auch im Ausdauerbereich beobachten werden. Es gibt Anzeichen, dass diese negative Entwicklung sich in jüngeren Jahrgängen, die bisher im Vergleich zu älteren Jugendlichen noch über eine relativ bessere körperliche Leistungsfähigkeit verfügen, besonders stark vollzieht.18
Sollte sich dieser Trend bestätigen, hätte dies derzeit noch unabsehbare Konsequenzen, da sich solche Entwicklungen festigen und mit zunehmendem Alter immer schwerer korrigiert werden können. Eine schlechte körperliche Fitness bereits im Kindesalter hat nicht nur häufig lebenslange negative Auswirkungen auf die Gesundheit, sie beeinträchtigt auch die Lebensqualität sowie das Sozialverhalten und das Lernvermögen von Kindern und Jugendlichen. Zu bedenken ist außerdem, dass die Kinder von heute die Eltern von morgen sind. Die Tatsache, ob Eltern aktive Sportler sind, beeinflusst das Sportverhalten ihres Nachwuchses erheblich, d.h. Kinder aktiver Eltern treiben signifikant häufiger Sport, ihnen ist Sport wichtiger, ihre Leistungsfähigkeit ist besser und sie tendieren dazu, eher regelmäßig und zu festen Zeiten, z.B. im Verein, Sport zu treiben.19
Sollte es nicht gelingen, die negative Entwicklung in der Fitness von Kindern und Jugendlichen umzukehren, werden sportmotorisch immer schwächere Generationen nachwachsen, die ihrerseits ihren Kindern zunehmend schlechtes Vorbild wären, was den Abwärtstrend nochmals verstärken würde.20
Das tatsächlich hohe Sportpensum und die allgemein sehr positiven Einstellungen zu Sport und Bewegung müssen laut Studie als Potenziale verstärkt genutzt werden. Der hohe Stellenwert, den der Sport im Spektrum aller möglichen Freizeitaktivitäten bei Kindern und Jugendlichen einnimmt, steht in krassem Gegensatz zu den Ergebnissen vergleichender sportmotorischer Untersuchungen. Daraus kann geschlossen werden, dass ein hohes Sportengagement an sich noch nicht für eine ausgewogene Balance motorischer Grundfähigkeiten sorgt. Somit ergibt sich zum einen die Notwendigkeit, die Erforschung der Defizite weiter voranzutreiben. Zum anderen sind alle Bereiche der Gesundheitsversorgung sowie des organisierten und schulischen Sports aufgefordert, Angebot und Durchführung sportlicher Aktivitäten verstärkt auch auf eine Kompensation motorischer Defizite hin auszurichten. Der Bewegungs-Check-Up in Schulen, wie er im Rahmen dieser Studie, aufbauend auf dem Münchner Fitnesstest von Rusch/Irrgang, entwickelt und getestet wurde, erfüllt neben seiner wissenschaftlichen Funktion insbesondere auch den Zweck, dass er Schülern, Sportlehrern und den für den Schulsport und Sport im Allgemeinen Verantwortlichen einen steten Überblick über die Entwicklung der sportmotorischen Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen und damit auch über Ansatzpunkte gibt, wie erkennbare Stärken gezielt unterstützt und Schwächen behoben werden können.21Dieser Zielsetzung unterwirft sich auch die SPRINT-Studie, die speziell die Situation des Schulsports in Deutschland untersuchte und die im nächsten Kapitel dieser Arbeit vorgestellt wird.
2.3 Die SPRINT - Studie
Die Studie ist eine Untersuchung zur Situation des Schulsports in Deutschland unter Beteiligung mehrerer Forschergruppen der Universitäten Frankfurt, Magdeburg, Paderborn, Duisburg-Essen, Augsburg und der Deutschen Sporthochschule Köln. Die Gesamtleitung hatte Prof. Dr. Wolf-Dietrich Brettschneider von der Universität Paderborn. Der Bericht gibt die zentralen Befunde einer Studie wieder, die vom Deutschen Sportbund und der Deutschen Sportjugend im Jahr 2003 in Auftrag gegeben und im Juni 2005 als SPRINT-Studie veröffentlicht wurde. Insgesamt nahmen über 8800 Schüler im Alter zwischen 10 und 15 Jahren, mehr als 1150 Sportlehrer und ca. 100 Schulleiter sowie 4350 Eltern an der Studie teil.22
2.3.1 Konzeption der Studie
Konzeptionell gesehen ist der Bericht in acht Module gegliedert, welche im Folgenden benannt werden. Das erste Modul befasst sich mit den objektiv-strukturellen Vorgaben des Schulsports in den einzelnen Ländern der Bundesrepublik Deutschland und zwar sowohl für den verbindlichen Sportunterricht als auch für den außerunterrichtlichen Schulsport. Das zweite Modul befasst sich mit der Auswertung und weitere Nutzung von bereits vorhandenen Forschungsleistungen zum Schulsport in Deutschland. Das dritte Modul beschäftigt sich mit dem Kern des Sporttreibens in der Schule. Das vierte Modul betrifft den eher offenen Bereich des so genannten außerunterrichtlichen Schulsports, der sich prinzipiell u. a. durch Freiwilligkeit, Ausgleich, Neigungs- und Interessenförderung kennzeichnen lässt. Das fünfte Modul betrifft die Akzeptanz und die Wirkungen des Schulsports bei den Schülern. Das sechste Modul betrifft die Lehrkräfte, die im Schulsport professionell tätig sind, da die Qualität des Schulsports in entscheidendem Maße von ihrer Aus- und Fortbildung, ihrer beruflichen Sozialisation, ihrer Einstellung und ihrem alltäglichen Engagement abhängt. Das siebte Modul betrifft eine Bestandsanalyse der für den Schulsport zur Verfügung stehenden Sportstätten hinsichtlich Größe, Beschaffenheit und Ausstattung, aber auch in Bezug auf ihren Bauzustand und die Nutzungsmöglichkeiten für bestimmte Sportarten und -bereiche sowie die Erreichbarkeit mit Blick auf die Entfernung zum Schulgebäude. Das achte Modul betrifft die Verzahnung des Schulsports mit der Schule bzw. dem Schulleben insgesamt.23
2.3.2 Inhalte der Studie
Inhaltlich beschäftigt sich der Bericht mit Ausführungen zu zwei zentralen Rahmenbedingungen für den Sport in der Schule. Analysiert werden zunächst die Lehrpläne für das Fach Sport in allen Schulformen und -stufen, die in den 16 Bundesländern jeweils existieren. Den Lehrplänen kommt besonderes Augenmerk in der Studie zu, da sie das Unterrichtsgeschehen legitimieren, dem Fach Orientierungen geben und Steuerungsfunktion übernehmen sollen.24
Weiterhin bedarf es zur Realisierung eines qualitativ hochwertigen Schulsports geeigneter Sportstätten mit einer Geräteausstattung, die Bewährtes sichert und Innovationen ermöglicht.
Konsequenterweise erfährt die Sportstättensituation eine differenzierte Analyse. Das Kernstück der Untersuchung bildet eine Teilstudie, die den Sportunterricht hinsichtlich seines Umfangs und seiner Qualität mit Hilfe quantitativer und qualitativer Verfahren analysiert. Um den Sportunterricht in seiner Komplexität erfassen und in seinen Wirkungen einschätzen zu können, wird er aus vier vernetzten Perspektiven beleuchtet - aus Schüler-, Lehrer-, Schulleiter- und Elternsicht. Dabei sind zunächst die konkreten Rahmenbedingungen des Sportunterrichts, seine Organisation und sein Status aus Sicht der Schulleitung in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten. Schwerpunktmäßig geht es in der Teilstudie aber um die Wahrnehmung des Sportunterrichts aus Schüler- und Lehrersicht. Bei den Schülern waren vor allem Fragen interessant, die auf die Bedeutungszuschreibung und Qualitätseinschätzung des Sportunterrichts abzielten.25
Darüber hinaus wurden aber auch Vorstellungen analysiert, die sich auf Ziele, Inhalte und das Arrangement sowie auf Erwartungen beziehen, die wiederum mit dem Sportunterricht verbunden werden. Das Sportlehrerkapitel widmete sich zunächst Fragen nach der Qualifikation derer die Sport unterrichten und dem Umfang ihres Facheinsatzes. Besonders wichtig sind aber auch die Befunde, die Aussagen zu den Belastungen der Sportlehrer und ihrer Berufszufriedenheit zulassen. Zudem wurden diejenigen Faktoren identifiziert, die aus Lehrersicht auf den Sportunterricht in besonderer Weise qualitätssteigernd bzw. -mindernd wirken.26
Thematisiert wurde außerdem das sportive Klima des Elternhauses in seinem Einfluss auf die Wertschätzung, die Väter und Mütter dem Sport in der Schule widmen. Wie die Vernetzung der Akteursperspektiven mittels komplexer Auswertungsstrategien vorgenommen werden kann, zeigt exemplarisch das vorletzte Kapitel der Teilstudie zum Sportunterricht. Darin werden Motive der Schüler und ihr Wohlbefinden einerseits, sowie ihr außerschulisches Sporttreiben im und außerhalb des Vereins andererseits, in Abhängigkeit von den Rahmenbedingungen der Schule und des Elternhauses thematisiert. Darüber hinaus gibt der Abschnitt Aufschluss über das Klima an den Schulen, das für den Sport und Sportunterricht förderlich ist. Während die Sicht der Schulleitung, Schüler, Lehrer und Eltern bislang ausschließlich mit Hilfe quantitativer Befunde wiedergegeben wird, erfolgt im letzten Kapitel der auf den Sportunterricht bezogenen Teilstudie ein Wechsel in der Methode der Überblick ausgesuchter Schul- und Sportleistungsstudien 18 Datenerhebung und -auswertung. Das letzte Kapitel der SPRINT-Studie gilt dem außerunterrichtlichen Sport in der Schule, dem - nicht zuletzt im Kontext innovativer Schulentwicklung - eine immer wichtiger werdende Rolle zukommt. Eruiert wurden Quantität und Qualität des Angebots schulischer Maßnahmen - von den regelmäßig durchgeführten Veranstaltungen bis zu den Einmal-Events.27
2.3.3 Ergebnisse und Handlungsempfehlungen
Die außerordentlich große Menge an Ergebnissen und Erkenntnissen aus den schriftlichen Befragungen und mündlichen Interviews wurde nach Abschluss der Studie gebündelt und in zentrale Handlungsempfehlungen für die einzelnen untersuchten Bereiche zusammengefasst. Diese Empfehlungen wurden in vier verschiedene Teilbereiche untergliedert, die im Weiteren nun vorgestellt werden.
2.3.3.1 Die programmatischen Grundlagen des Schulsports
Bezüglich eines erweiterten Spektrums der Unterrichtsinhalte stellt sich im Moment die Frage, auf welche Weise die Identität des Unterrichtsfaches „Sport“ eigentlich noch bewahrt werden kann und wie der inhaltliche Kern aussehen soll. Klärungsbedarf besteht hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmung des Begriffs Bewegungsfeld. Hier herrscht gegenwärtig eine erhebliche Verwirrung. Durch Vereinbarungen, etwa im Rahmen der Kultusminister- konferenz, könnte dieses Problem zukünftig vermieden werden. In Bezug auf die aktuelle schulpädagogische Diskussion sind laut den Empfehlungen bildungstheoretisch reflektierte Standards zu entwickeln.28
Im Kontext eines Erziehenden Sportunterrichts werden des Weiteren hohe pädagogische Ansprüche an die Unterrichtskompetenz der Sportlehrer gestellt. Kultusministerien und Schulämter sind laut Handlungsempfehlung daher aufgefordert, flächendeckende Fortbildungsmaßnahmen zur inhaltlichen und methodischen Gestaltung eines Erziehenden Sportunterrichts durchzuführen. Interessant für die Sportlehrerausbildung an den Hochschulen ist die folgende Empfehlung: Durch die Einführung der neuen BA/MA-Studiengänge an einigen Universitäten, dürfte sich das Problem vor allem in der Ausbildung der Studierenden verschärfen - sowohl was die Vermittlung der sportpraktischen als auch der pädagogischen Kompetenz angeht. Die Sportlehrerausbildung ist folglich in diesem Zusammenhang zu überdenken und zu reformieren.29
2.3.3.1 Die derzeitigen Rahmenbedingungen des Schulsports
Laut Studie sind neue Investitionen in Schulsportstätten dringend notwendig und dürfen nicht weiter hinausgezögert werden. Soll das bildungs- bzw. schulpolitische Programm der Ganztagesbetreuung erfolgreich umgesetzt werden, sind Sportstättennutzungsgebühren für freiwillige und kooperative Schulsportangebote zu reduzieren bzw. zu modifizieren. Bei der Schließung von Schulen in Regionen mit stark rückläufigen Schülerzahlen sollte die Sportstättenversorgung von Schulen unbedingt als Kriterium in die Entscheidungsfindung eingehen. Der organisierte Sport sollte eine umfassende Bäderpolitik starten, die insbesondere auch auf die hinreichende Versorgung von Schulen mit Schwimmsportstätten abzielt. Bezüglich des Umfanges des Sportunterrichts und der Qualifikation der Sportlehrer muss sichergestellt werden, dass der Sportunterricht zumindest im vereinbarten und in den meisten Lehrplänen verankerten Umfang erteilt wird. Dies gilt für alle Schulformen und -stufen, vor allem aber für die Hauptschule. In der Grundschule ist die tägliche Spiel- und Bewegungszeit anzustreben. Für Sportlehrer sind „schöpferische Phasen“ vorzusehen. Dabei sind die Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen im Interesse eines zeitgemäßen Sportunterrichts an die Veränderungen der Bewegungswelten der Heranwachsenden anzupassen.30
Laut Studie ist besonders der Anteil des fachfremd erteilten Sportunterrichts zu reduzieren. Dies gilt vor allem für den Grund- und Hauptschulbereich. Herrscht in der Grundschule das Klassenlehrerprinzip vor, so ist in der ersten Phase der Lehrerausbildung und/oder durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen die notwendige fachliche Kompetenz sicherzustellen. Für die Zielgruppe der fachfremd unterrichtenden Sportlehrer sind zielgruppenadäquate Fortbildungsangebote zu konzipieren. Diese Angebote könnten sich auch an den bereits von der Deutschen Sportjugend für den Kinder- und Jugendsport initiierten Programmen und Konzepten orientieren. Qualitätssicherung ist im Bereich des Schulsports noch Neuland. Hier
[...]
1z.B. Naul, R. Hoffmann, D. Nupponen, H. Telama, R. in Sportunterricht, Heft 5, 2003, S. 137
2 vgl. www.sportunterricht.de/umfragen.html, 20.11.2006
3 vgl.Baumert, J. Klieme, E. Neubrand, M. Prenzel, M. Schiefele, U. Schneider, W. Stanat, P. Tillmann, K.J. Weiß, M, 2001, S.15
4vgl. Baumert, J. Klieme, E. Neubrand, M. Prenzel, M. Schiefele, U. Schneider, W. Stanat, P. Tillmann, K.J. Weiß, M, 2001, S.17
5 vgl. Baumert, J. Klieme, E. Neubrand, M. Prenzel, M. Schiefele, U. Schneider, W. Stanat, P. Tillmann, K.J. Weiß, M, 2001, S.17
6vgl. Baumert, J. Klieme, E. Neubrand, M. Prenzel, M. Schiefele, U. Schneider, W. Stanat, P. Tillmann, K.J. Weiß, M., 2001, S.17
6 vgl. Baumert, J. Klieme, E. Neubrand, M. Prenzel, M. Schiefele, U. Schneider, W. Stanat, P. Tillmann, K.J. Weiß, M., 2001, S.17
8 vgl. Baumert, J. Klieme, E. Neubrand, M. Prenzel, M. Schiefele, U. Schneider, W. Stanat, P. Tillmann, K.J. Weiß, M., 2001, S.18
9 vgl. Baumert, J. Klieme, E. Neubrand, M. Prenzel, M. Schiefele, U. Schneider, W. Stanat, P. Tillmann, K.-J. Weiß, M., 2001, S.18
10vgl. Baumert, J. Blum, W. Lehmann, R. Prenzel, M. Schiefele, U. Leutner, D. Rolff, H.-G. Rost, J. Pekrun, R., 2003, S.22
11vgl. Baumert, J. Blum, W. Lehmann, R. Prenzel, M. Schiefele, U. Leutner, D. Rolff, H.-G. Rost, J. Pekrun, R., 2003, S.30
12 vgl. Baumert, J. Blum, W. Lehmann, R. Prenzel, M. Schiefele, U. Leutner, D. Rolff, H.-G. Rost, J. Pekrun, R., 2003, S.30
13 vgl. Klaes, L. Cosler, D. Rommel A. Zens, Y. C. K., 2003, S. 6
14vgl. Klaes, L. Cosler, D. Rommel, A. Zens, Y. C. K., 2003, S. 32
15 vgl. Klaes, L. Cosler, D. Rommel, A. Zens, Y. C. K, 2003, S. 33
16 vgl. Klaes, L. Cosler, D. Rommel, A. Zens, Y. C. K., 2003, S. 34
17vgl. Klaes, L. Cosler, D. Rommel, A. Zens, Y. C. K., 2003, S. 7
18vgl. Klaes, L. Cosler, D. Rommel, A. Zens, Y. C. K., 2003, S. 7
19vgl. Klaes, L. Cosler, D. Rommel, A. Zens, Y. C. K., 2003, S. 7
20 vgl. Klaes, L. Cosler, D. Rommel, A. Zens, Y. C. K., 2003, S. 7
21vgl. Klaes, L. Cosler, D. Rommel, A. Zens, Y. C. K., 2003, S. 32
22 vgl. Brettschneider, W-D. Prohl, R. Breuer, C. Heim, R. Schmidt, W., 2005, S. 3
23vgl. Brettschneider, W-D. Prohl, R. Breuer, C. Heim, R. Schmidt, W., 2005, S. 4
24 vgl. Brettschneider, W-D. Prohl, R. Breuer, C. Heim, R. Schmidt, W., 2005, S. 10
25vgl. Brettschneider, W-D. Prohl, R. Breuer, C. Heim, R. Schmidt, W., 2005, S. 10
26 vgl. Brettschneider, W-D. Prohl, R. Breuer, C. Heim, R. Schmidt, W., 2005, S. 10
27vgl. Brettschneider, W-D. Prohl, R. Breuer, C. Heim, R. Schmidt, W., 2005, S. 10
28 vgl. Brettschneider, W-D. Prohl, R. Breuer, C. Heim, R. Schmidt, W., 2005, S. 275
29vgl. Brettschneider, W-D. Prohl, R. Breuer, C. Heim, R. Schmidt, W., 2005, S. 275
30 vgl Brettschneider, W-D. Prohl, R. Breuer, C. Heim, R. Schmidt, W., 2005, S. 276
- Arbeit zitieren
- Kay Hossbach (Autor:in), 2006, Die Bedeutung der PISA-Studien für den Schulsport in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70143
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