Regionale Sprachenpolitik der 1980er und 1990er Jahre im Languedoc-Roussillon


Seminararbeit, 2005

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. SYNOPSE

II. Rahmenbedingungen

III.a. Die öffentliche Schule
III.b. die okzitanische Privatschule „Calandreta“
III.c. die katalanische Privatschule „La Bressola“
III.d. Das okzitanische Département der Region Languedoc- Roussillon Hérault
III.e. Die katalanische Stadt Perpignan
III.f. Regionalsprachen und Medien
III.g. Private Institutionen

IV. BIBLIOGRAPHIE:

VI. a. Internet- Quellen:

«Le temps est venu d`un statut des langues et cultures de France qui leur reconnaisse une existence réelle. Le temps est venu de leur ouvrir grandes les portes de l`école, de la radio et de la télévision permettant leur diffusion, de leur accorder toute la place qu`elles méritent dans la vie publique»[1]

François Mitterrand

I. SYNOPSE

Die Region Languedoc- Roussillon

Languedoc- Roussillon liegt im Süden Frankreichs und zieht sich von der katalanisch- spanischen Grenze über die Mittelmeerküste bis zu den Cevennen. Politisch ist das Languedoc- Roussillon in fünf Départements eingeteilt, dem katalanischen Département Pyrénées Orientales mit der Hauptstadt Perpignan und den vier okzitanischen Départements Aude (Carcassonne), Gard (Nimes), Lozere (Mende) und Héraut (Montpellier). Montpellier ist gleichzeitig auch die Hauptstadt der Region. Die Region hat eine Fläche von 27.376 km2 und 2.295.648 Einwohner (Volkszählung 1999). Die Bevölkerungsdichte beträgt damit 84 Einwohner/km2. Hauptort der Region ist Montepellier.

Die heutigen Départements Aude, Gard, Hérault und Lozère waren bis 1789 Teil der historischen Provinz Languedoc[2], das heutige Département Pyrénées Orientales bildete historischen Provinz Roussillon.[3]

Die gesetzlich wahrgenommenen Minderheitensprachen[4] in der Region Languedoc- Roussillon sind das Okzitanische und das Katalanische[5]. Typologisch gehört das Okzitanische[6] zusammen mit dem nahe verwandten Katalanischen in die Gruppe der romanischen Sprachen.[7]

Der Status und die politische Stellung des Katalanischen und Okzitanischen im Languedoc- Roussillon ist vergleichbar mit dem anderer Minderheitensprachen in Frankreich; seit verhältnismäßig wenigen Jahren stehen das Okzitanische, Katalanische und die anderen Minderheitensprachen Frankreichs vor einer neuen Situation: die brutale und offene Linguizidpolitik des französischen Staates kann als beendet angesehen werden[8]. Das heißt aber nicht, dass Frankreich nun auf einmal an der Erhaltung der Sprachenvielfalt interessiert wäre. Offensichtlich ist man auf Regierungsebene überzeugt, dass der bisher angerichtete Schaden ohnehin von selbst das Aussterben der sogenannten Regionalsprachen bewirken würde und dass einfaches untätiges Zusehen bei diesem Prozess eventuell sogar als positive Geste gewertet werden würde. Immerhin hat

Frankreich als einziges Land außer Griechenland die EU- Charta über Minderheitenrechte nicht unterzeichnet, mit der originellen Begründung, in Frankreich gebe es keine Minderheiten, nur Franzosen.[9]

In dieser Arbeit werde ich nun versuchen, das Augenmerk mehr auf die Situation des Okzitanischen richtend, die Maßnahmen in Richtung einer regionalen Sprachenpolitik in der Region Languedoc- Roussillon in den 80er und 90er Jahren, die in dieser Region gesetzt wurden, darzulegen und zu analysieren.

II. Rahmenbedingungen

Die französische Verfassung sieht keinen Schutz von Minderheitensprachen vor. Der Staat ist zentralistisch organisiert; der Artikel 2 der Verfassung erklärt seit 1992 Französisch auch explizit zur einzigen offiziellen Sprache.[11] Die sich auf dem französischen Staatsgebiet befindenden Minderheitensprachen sind derzeit auf den Status von Regionalsprachen reduziert.[12] Nach einer langen Zeit der Assimilation der Regionalsprachen- vermehrt ab der Französischen Revolution, wo etwa der Abbé Grégoire das Urteil fällt, das Französische müsse gegen die zu vernichtenden „patois“ auf dem französischen Gebiet durchgesetzt werden und bis zu den Gesetzen von Jules Ferry 1881/82, der alle nichtfranzösischen Sprachen vom Unterricht ausschließt, da die Alphabetisierung nur auf französischer Sprache erfolgen sollte[13] - entspannt der französische Staat seine Vernichtungspolitik der Regionalsprachen, da offensichtlich wird, dass die Minderheitensprachen keine Gefahr mehr für das Französische darstellen- 1951 wird die Loi Deixonne verabschiedet, die den Unterrichtet etwa des Okzitanischen und Katalanischen ( eine Schulstunde pro Woche) auf freiwilliger Basis und auf Wunsch der Lehrenden zulässt; 1975 sieht die Loi Haby einen Unterricht in allen Regionalsprachen während der gesamten Schulzeit vor. In den 80er Jahren werden die Dezentralisierungsgesetze, die den Départements und den Gemeinden Kompetenzen übertragen, verabschiedet, die aber problematisch sind, weil erstens die Kompetenzen stark aufgefächert[14] sind und dadurch an Effizienz verlieren und zweitens weil nicht klar ist, ob der französische Gesetzgeber dadurch einen Minderheitenschutz erleichtern oder erschweren will. Dazu Gaston Defferre nach der Ratifizierung dieser Gesetze 1981: [10]

«l` idéal serait de redécouper les régions et ultérieurement, s`il le faut, on les redécoupera»[15].

Die regionale Regierungen verfügen nun über ein Kulturbudget, über dessen Verteilung sie frei entscheiden können. Wenn Projektanträge gestellt werden, entscheidet die regionale Regierung über eine Beteiligung oder Ablehnung.

Die Circulaire Savary (82-261) sieht den Unterricht von Regionalsprachen auf freiwilliger Basis vor, der für Schüler als auch für Lehrer stattfinden kann. Es sollen außerdem entsprechende Ausbildungsprogramme für Lehrer und Schulversuche angeboten werden, mit dem Ziel, Modelle für den zweisprachigen Unterricht zu entwickeln.[16]

Die Loi Jospin richtet Lehramtsprüfungen (CAPES) für die Regionalsprachen ein.

1994 wird die Loi Toubon verabschiedet, durch die das Französische im öffentlichen Gebrauch vor Anglizismen geschützt werden soll; der Artikel 21 besagt, die Loi Toubon wende sich nicht gegen den Gebrauch der Regionalsprachen, so wie er gesetzlich geregelt ist.[17]

1998 gibt der damalige Premierminister Jospin einen Bericht über die regionalen Sprachen in Auftrag, mit der Überzeugung, die Zeit sei verstrichen, wo der Staat den Unterricht dieser Sprachen als eine Gefahr der nationalen Einheit betrachten konnte; 1999 wird die EU- Charta über Minderheitensprachen unterzeichnet, aber nicht ratifiziert.[18]

Die Verantwortlichen in diesem Zusammenhang sind der Präsident (von 1986- 2004 Jacques Blanc, ab 2004 Georges Frêche), die Abgeordneten, Beamten etc. Gesetzliche Entscheidungen obliegen dem Parlament oder der zentralen Regierung, Verantwortung für die Durchführung einer realen regionalen Politik wird ihnen nicht zugestanden, also bleibt ihnen mehr oder weniger die Funktion, das regionale Budget zu verwalten.[19]

Die «Mission des Langues et Cultures régionales» ist die für die regionalen Sprachen und Kulturen zuständige Abteilung in der Region Languedoc- Roussillon. Das Budget für das Jahr 1998 betrug hierbei etwa 9 Mio. Francs.[20] Die Phase von 1992- 1998 ist die einzige, in der sich eine regionale Sprachenpolitik ansatzweise festmachen lässt. In dieser Periode wird das Budget zwischen Katalanisch und Okzitanisch im Verhältnis drei zu sieben aufgeteilt. Die Ziele der regionalen Sprachenpolitik dieser Periode ist, Gebrauch und Kompetenz der Sprachen und im kulturellen Rahmen Veranstaltungen zu stabilisieren, moderne Arbeitsmethoden zu entwickeln, um die Weitergabe und den Gebrauch der Sprachen, die kreative Produktion in den Regionalsprachen und die Öffnung der betroffenen Gebiete mit ihren charakteristischen Besonderheiten nach außen zu fördern. 1990 wurde etwa ein Fünftel der zur Verfügung stehenden Gelder für das Dokumentationszentrum „CIRDOC“ ( „Centre Interrégional de Développement de l`Occitan“)[21], 20% für Bücher/ Forschung, etwa 21% für Musik und das restliche Budget wurde auf die Bereiche „Audio- Video“, Initiativen des „Comité regional de la culture“ (Buchpräsentationen, Organisation von Kolloquien und Ausstellungen) verteilt; andere Initiativen in diesem Zusammenhang waren der Auftrag an „Média Pluriel Méditerranée“ („MPM“), die Sprachumfragen über die katalanischen und okzitanischen Sprachkenntnisse im Languedoc- Roussillon vergleichend in den Jahren 1991 bzw. 1993 und 1997 durchzuführen, die Schaffung der Marke „Création Occitane de Languedoc- Roussillon“, als Qualitätssicherung für die kulturelle Produktion auf Okzitanisch und es wurde das Werk des okzitanischen Autors Max Rouquette gewürdigt.[22]

[...]


[1] Rede gehalten am 14. März 1981 in Lorient (Anm. des Verfassers).

[2] zur Geschichte der Provinz Languedoc vgl. auch Mann, G. et al. (Hrsg.):“ Propyläen Weltgeschichte“, Berlin 1999, S.: 6407, 6412f, 7640, 7654, 7677, 7701f, 7775ff, 7838f, 8133, 8204, 10093 und 18490

[3] Die Provinz Roussillon gehörte seit dem frühen Mittelalter zu Katalonien. Nachdem sie zeitweise zum Königreich Mallorca gehört hatte und 1137 der Königstitel von Aragonien an die Grafen von Barcelona fiel, wurde die Provinz Teil des Katalanisch-Aragonischen Königreichs. Durch den Vertrag von Corbeil wurde 1258 die Grenze zu Frankreich festgelegt.Durch die Vereinigung der Kronen Aragoniens und Kastilliens wurde das Roussillon ein Teil Spaniens. Im Jahr 1659 kam das Roussillon durch den Pyrenäenfrieden an Frankreich. Aufgrund der Zugehörigkeit zu Katalonien bis zu diesem Zeitpunkt, wird das Roussillon auch als Nordkatalonien (katal. Catalunya del Nord) bezeichnet. Mit der Bildung der Départements im Jahr 1790 wurde die historische Provinz Roussillon aufgelöst und durch das Département Pyrénées Orientales ersetzt. Der Name Roussillon wird heute als Teil der Bezeichnung der Region Languedoc- Roussillon, zu der das Département Pyrénées Orientales gehört, wieder offiziell verwendet. (siehe auch Dupuy, A.: „Encyclopédie occitane“, Saint-Etienne, 1989, S. 14ff; S.63-184)

[4] Viele Einwanderersprachen, die in dieser Region präsent sind, wären wohl auch als Minderheitensprachen zu betrachten, offizielle Erwähnung als Minderheitensprechen durch die französische Regierung finden in der Region Languedoc- Roussillon aber nur das Okzitanische und das Katalanische (Anm. des Verfassers).

[5] zum Katalanischen siehe auch Wheeler, M.W. et al.: „Catalan: a comprehensive grammar“, NY, London 1999

[6] Für gewöhnlich wird das Okzitanische in drei Dialektzonen eingeteilt, in das Nordokzitanische (mit Limousinisch, Auvergnatisch und Alpinisch), in das Südokzitanische (mit Languedokisch und Provenzalisch) und in das Gaskognische. (Cichon, P.: „Einführung in die okzitanische Sprache“, Bonn 1999, S. 16)

[7] ibidem

[8] Wolf, “Sprachlich-kulturelle Minderheiten in Frankreich. Das Beispiel Okzitanien“, Politische Studien, München 27 ,1976, 581ff

[9] Vgl. dazu auch Bock, A.: „Der Linguizid am Bretonischen“ in : Studia Celtica Austriaca, Wien 1996

[10] Vgl. auch Cichon, P.: “Euròpa plurilingua: Contactes e conflictes”, La Revista occitana n° 1 octòbre de 1993, 67ff

[11] siehe auch Schmitt, C.: „Französisch: Sprache und Gesetzgebung“, in „LRL“, Band 5.1, 1990, S. 354-379

[12] Czernilofsky, B.: „Vergleichende Untersuchungen zur regionalen Sprachenpolitik in Südtirol, Languedoc-Roussillon und im Aosta-Tal“, Wien 2003, S. 45f

[13] der Linguizid an den Minderheitensprachen wurde in der ersten Hälfte des XX. Jh. weiter fortgeführt (Anm. des Verfassers) .

[14] Czernilofsky: 2003, S. 46

[15] Le Monde, 20. 10. 1981

[16] für den genauen Inhalt der Gesetzestexte siehe: www.assemblée-nat.fr (21.05.06)

[17] siehe auch Benoit- Rhomer, F.: „Les langues officieuses de la France“ in „Revue francaise de droit constitutionnel“, Nr. 45 2001, S. 3ff

[18] Poignant, B.: “Langues et cultures régionales “, Paris 1998, S. 8ff

[19] Czernilofsky : 2003, S. 106

[20] www.cr-languedocroussillon.fr (21.06.05)

[21] www.cirdoc.org (21.05.06)

[22] Czernilofsky: 2003, S. 165

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Regionale Sprachenpolitik der 1980er und 1990er Jahre im Languedoc-Roussillon
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Romanistik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
19
Katalognummer
V70298
ISBN (eBook)
9783638627719
ISBN (Buch)
9783638769044
Dateigröße
547 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Regionale, Sprachenpolitik, Jahre, Languedoc-Roussillon
Arbeit zitieren
Mag. Petre Puskasu (Autor:in), 2005, Regionale Sprachenpolitik der 1980er und 1990er Jahre im Languedoc-Roussillon, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70298

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