Leseprobe
Inhalt
1 Einleitung
2 Bisherige Überlegungen zur Periodisierung des Friesischen
2.1 Klassisch und nachklassisch
2.2 Abkehr vom Altfriesischen
2.3 Rückkehr zu Alt-Mittel-Neu
3 Methodische Vorgehensweise
3.1 Korpus
3.2 Überlegungen zur Analyse
4 Hauptmerkmale alter Sprachstufen
4.1 Vokalqualität in unbetonten Silben
4.2 Vokaldehnung und Konsonantendegemination
4.3 Verbendungen
4.4 Flexion der Substantive
5 Zusammenfassung
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
In der diachronen Linguistik stellt sich nicht mehr die Frage, ob eine Sprache in unterschiedliche Sprachstufen eingeteilt werden sollte. Manche gängigen Einführungen für Studenten ins Alt- oder Mittelenglische behandeln die Problematik der Periodisierung äusserst kurz (vgl. Baker 2012, 9) oder auch in keiner Weise (vgl. Fulk 2012). Dass das Gliedern eines geschichtlichen Zeitstrahls, wie jenes der Sprachen, in unterschiedliche Perioden nicht unumstritten ist, zeigt sich unter anderem durch alternative Ansätze zur Zeitdefinition. Zum Beispiel bestimmt Koselleck historische Zeit nicht als linear und homogen, sondern als komplex und mehrschichtig (vgl. Jordheim 2012, 170). Der Entwicklung einer Sprache von 'alt' über 'mittel' zu 'neu' könnte ein solches Zeitmodell nicht mehr entsprechen.
Im sprachwissenschaftlichen Diskurs kann vielmehr zur Debatte stehen, ob einer Sprachstufe das prestigeträchtige Attribut 'alt' zusteht. Insbesondere bei der friesischen Sprache wird angezweifelt, dass sich eine alte Sprachperiode mit den vorliegenden ältesten Sprachzeugnissen nachweisen lässt (vgl. Bremmer 2009, 119-125). De Haan (vgl. 2001, 179) wirft in seinem Artikel zur Nomenklatur und zeitlichen Einteilung friesischer Sprachstufen auf, dass die allgemein akzeptierte Dreiteilung dieser Sprache zu hinterfragen und das altbekannte 'Altfriesisch' eine Fehlbezeichnung sei (vgl. ebd., 201). Damit stellt de Haan die Arbeit vieler seiner Vorgänger, die von einer altfriesischen Sprachstufe ausgehen (vgl. bspw. Heuser 1903), drastisch in Frage. Als Antwort auf diesen möglichen Umbruch in der Periodisierung des Friesischen kritisiert Versloot (vgl. 2004, 264) de Haans linguistischen Kriterienkatalog und bringt seinerseits einen eigenen Katalog ein, mithilfe dessen er die ursprüngliche Dreiteilung in modifizierter Form wieder aufstellt (vgl. ebd., 288). In seinen Feststellungen räumt Versloot jedoch ein, dass die ältesten westfriesischen Urkunden aus der Zeit vor 1410 noch einer genaueren Untersuchung bezüglich ihrer Einteilung als alt- oder mittelfriesisch bedürfen (vgl. ebd.). Mit dem Ziel, die Periodisierung alter westfriesischer Sprachzeugnisse voranzubringen, soll nun die folgende Fragestellung untersucht werden: Lässt sich eine der ältesten westfriesischen Urkunden von vor 1410, die "Wilkerran van Wildinge" (OFO II 2), anhand der Hauptpunkte aus Versloots linguistischem Kriterienkatalog als altfriesischer Text einstufen?
In einem ersten Schritt werden bisherige Konzepte zur Periodisierung des Friesischen nachgezeichnet. Anschliessend sollen das Korpus und das methodische Vorgehen dieser Arbeit präsentiert werden. Auf diese Präsentation folgt dann die Analyse der ausgewählten Urkunde hinsichtlich der vier Hauptmerkmale alter Sprachstufen nach Versloot. Zuletzt werden die Ergebnisse dieser Analyse zusammengefasst.
2 Bisherige Überlegungen zur Periodisierung des Friesischen
Die Überlieferung altfriesischer Sprachquellen im Bereich der Rechtstexte wird von Krogmann auf den Zeitraum "vom 13. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts" festgelegt (1970, 202). Dadurch grenzt er das Altfriesische explizit von der vorherigen Stufe des Urfriesischen (vgl. ebd., 192) und implizit vom nachfolgenden Stadium des Mittelfriesischen ab. Krogmann hält sich zudem an die dialektale Zweiteilung des Altfriesischen in Altwest- und Altostfriesisch, die sich insbesondere durch "die verschiedene Entwicklung von germ. a vor Nasal in geschlossener Silbe" unterscheiden (ebd., 203). Diese traditionelle geographisch-dialektale Einteilung und Periodisierung des Altfriesischen wurde mehrmals mit dem Ziel, eine präzisere linguistische Gliederung der friesischen Sprache zu entwickeln, kritisch beleuchtet. Im Folgenden sollen die Einwände und Ansätze von Sjölin (1966), de Haan (2001) und Versloot (2004) kurz präsentiert werden, um einen Überblick über diesen Diskurs zur Periodisierung des Friesischen zu geben.
2.1 Klassisch und nachklassisch
Dass man von einer Ost-West-Trennung im Altfriesischen sprechen sollte, wird von Sjölin angezweifelt, wenn er darauf hinweist, dass die "altfriesischen Handschriften […] nicht als Gesetze […], sondern als Rechtshandbücher, […] als private Kompilationen […] zusammengetragen worden sind" (1966, 29). Eine geographische Verortung lasse sich demnach nur als "Vermutung" anstellen (ebd.). Ausserdem weist Sjölin darauf hin, dass die Kennzeichen, die das Altwest- vom Altostfriesischen trennen, nicht auf dialektale Entwicklungen, sondern auf "Neuerungen im Laut- und Formensystem" oder auf "das Eindringen einer jüngeren, vom Mnd. und Mnl. beeinflußten Orthographie" zurückzuführen sind (ebd., 30). Daher lehnt Sjölin "die Gliederung des Altfriesischen in zwei Mundarten" als "irreführend und mehrdeutig" ab (ebd., 33).
Als Alternative schlägt er vor, die älteren Texte, die in die Zeit des Altfriesischen fallen, als "'klassisch'" und die jüngeren als "'nachklassisch'" zu kennzeichnen (ebd., 34). Zudem solle "die Sprache der Urkunden", die gewissermassen ein "Eigenleben" von den Entwicklungen des restlichen Altfriesischen führe, im Besonderen als "'Urkundensprache'" betitelt werden (ebd.). Diese Dreiteilung beruht nach Sjölin jedoch nur "auf Schrift und Wortbeugung" (ebd.), weshalb er die Gliederung noch in den Bereichen des Wortschatzes, der Wortinhalte, der Wortbildung und des Stils belegt (vgl. 34-38).
2.2 Abkehr vom Altfriesischen
In seinem Artikel zur Periodisierung des Friesischen geht de Haan auf die Unterscheidung des klassischen und nachklassischen Altfriesischen ein, wobei er diese chronologische Zweiteilung verwirft und sich dafür entscheidet, bei seiner Untersuchung zu den linguistischen Kriterien des Friesischen unter "Old Frisian" alle dialektalen Ausprägungen zusammenzufassen und nicht ferner zu unterscheiden (2001, 184). Den zweiten Schritt begründet er damit, dass es zu wenige frühe altwestfriesische und späte altostfriesische Sprachbelege gibt, die Sjölins Einteilung unterstützen würden (vgl., ebd.).
Des Weiteren bezweifelt de Haan, dass man von einer altfriesischen Sprachstufe sprechen kann, die in den Zeitraum von "ca. 1275-1550" gesetzt wird (ebd., 179), während in dieser Zeit andere germanische Sprachen bereits ihr mittleres Sprachstadium erreicht haben (vgl. ebd., 184f.). Er führt weiterhin aus, dass Merkmale bezüglich "style, content, lexicon and orthography" nicht als Belege dafür gelten, dass das Altfriesische in linguistischer Hinsicht von seinen zeitgenössischen mittelgermanischen Geschwistersprachen abweicht und eher den altgermanischen Vorgängersprachen entspricht (vgl. ebd., 187). Man müsse sich daher mit der Frage auseinandersetzen, ob das bis anhin betitelte Altfriesische nicht eher Mittelfriesisch sei (vgl. ebd.).
Mithilfe eines eigenen Kriterienkatalogs, der nicht willkürliche, sondern "general linguistic properties" einbeziehe (ebd., 200), stellt de Haan fest, dass der Begriff 'Altfriesisch' eine Fehlbezeichnung sei und man die friesische Sprachstufe in der Zeit von "ca. 1275-1550" vielmehr 'Mittelfriesisch' nennen sollte (ebd., 201).
2.3 Rückkehr zu Alt-Mittel-Neu
In seiner Antwort auf de Haans Versuch einer neuen Periodisierung des Friesischen geht Versloot darauf ein, dass nicht jede alte germanische Sprache in der gleichen Weise 'alt' sei (vgl. 2004, 261). Anstatt wie de Haan einen Vergleich mit Althochdeutsch, Altsächsisch und Altniederländisch anzustellen, betont Versloot die enge Verwandtschaft des Altfriesischen mit dem Altenglischen und spricht sich für einen Vergleich derselben aus, wenn es um die linguistische Periodisierung gehe (vgl. ebd., 263).
Darüber hinaus kritisiert Versloot manche Punkte von de Haans Kriterienkatalog und präsentiert anschliessend eine eigene Aufstellung linguistischer Merkmale, die alte Sprachstufen repräsentieren (vgl. ebd., 264f.). Dabei weist er darauf hin, dass er sich, wie de Haan, auf Phänomene der Silbenstruktur und deren Konsequenzen für das morphologische System konzentriert und daneben noch lexikologische, syntaktische und andere phonologische Gesichtspunkte in seine Analyse miteinbezieht (vgl. ebd., 265). Auch hebt Versloot in seinen Überlegungen hervor, dass die Präsenz eines archaischen Merkmals in späteren Sprachstufen dieses Merkmal nicht als Kriterium zur Periodisierung untauglich macht (vgl. ebd., 267).
Ausgehend von dieser kritischen Auseinandersetzung mit de Haans Einschätzungen zum Altfriesischen zeigt Versloot auf, dass manche mittelalterlichen friesischen Texte einer alten Sprachstufe entsprechen (vgl. ebd., 288). Er ordnet die friesischen Sprachzeugnisse aus der Zeit von "ca. 1200 – ca. 1400" dem Alt- und die von "ca. 1400 – 1550" dem Mittelfriesischen zu, wobei er seine Einteilung strenger einschätzt als die von Sjölin (vgl. ebd.). Spätere Texte werden als (früh-)neufriesisch gekennzeichnet (vgl. ebd.). Ausserdem gesteht Versloot ein, dass die ältesten westfriesischen Urkunden sowie die Quellen F, E2 und E3 noch im Detail zu untersuchen sind (vgl. ebd.). Damit grenzt sich Versloot von den vorab genannten Konzepten ab, indem er sich für eine Periodisierung ausspricht, die auf dem Vergleich des Altfriesischen mit der ihr am nächsten stehenden Alt-Sprache aufbaut: dem Altenglischen.
3 Methodische Vorgehensweise
Nachdem in Kapitel 2 vier Ansätze zur Periodisierungsfrage der früheren friesischen Quellen vorgestellt wurden, um einen Überblick über die aktuelle Forschungslage zu geben, sollen nun das Korpus und das methodische Vorgehen der Analyse dargelegt werden.
3.1 Korpus
Wie oben festgehalten, stellt sich für Versloot die Frage, ob gemäss seinen Kriterien die ältesten westfriesischen Urkunden von vor 1410 als alt- oder mittelfriesisch zu bezeichnen sind (vgl. 2004, 288). Dementsprechend wurde für die vorliegende Arbeit die ältere Urkunde "Wilkerran van Wildinge" aus der Sammlung Oudfriesche Oorkonden II von Sipma (1933, 2f.) ausgewählt. Die zu behandelnde Urkunde OFO II 2 aus dem Jahr 1379 ist die drittälteste Urkunde der Sammlungen von Sipma (1933-1941) und Vries (1977). Die beiden älteren Urkunden (OFO I 1 & OFO II 1) wurden nicht zur Analyse in Betracht gezogen, da bei diesen Schriftstücken grössere Textteile in Latein verfasst wurden, wodurch sich die Frage stellt, ob sie als lateinische oder friesische Urkunden zu bezeichnen sind (vgl. Vries 2001, 595). Der Anteil an Latein in "Wilkerran van Wildinge" ist auf der anderen Seite sehr gering: Nur der erste Satz und eine kleine Zusatzangabe zum Verfassungsdatum am Ende sind nicht in Friesisch gehalten. Die Korrekturen, die Vries zur Urkunde OFO II 2 angegeben hat (vgl. 1984, 50), wurden bei der Analyse berücksichtigt.
3.2 Überlegungen zur Analyse
In Einklang mit Versloots Vorgehen basiert die hier vorgenommene Analyse auf seinen vier linguistischen Hauptkriterien alter Sprachstufen. In einem ersten Schritt werden alle Tokens von Substantiven und Verben des Textes mithilfe von Wörterbüchern, Datenbanken und einem Glossar zum Altfriesischen identifiziert und, wenn möglich, einer Deklinations- oder Konjugationsklasse zugeordnet. Zu diesen Hilfsmitteln gehören Bremmer (2009), Buma (1996), Hofmann/Popkema (2008), Köbler (2014, online), Deutsches Rechtswörterbuch (online) und die Integrated Frisian Language Database (= IFLD, online). Bisweilen konnten manche Wortformen in OFO II 2 keinem eindeutigen Lemma zugeordnet werden. Dies hat seine Ursache darin, dass ein separates Glossar für die altfriesische Urkundensprache noch nicht erarbeitet werden konnte (vgl. Vries 2001, 597f.). Obwohl die hier untersuchte Urkunde in die IFLD aufgenommen wurde, sind weder alle Tokens mit einem Lemma verlinkt, noch kann man alle angegebenen Lemmata bedenkenlos übernehmen.1
In einem zweiten Schritt werden die identifizierten Wortformen hinsichtlich ihrer Flexionsendungen untersucht und tabellarisch zur Analyse präsentiert. Die Festlegung von Kasus und Numerus der Substantive sowie Person, Numerus, Tempus und Modus der Verben orientiert sich an Stellers Festlegungen zur altfriesischen Deklination und Konjugation (vgl. 1928, 36-45, 56-71). Daraufhin soll gezeigt werden, ob sich die Merkmale alter Sprachstufen bei diesen Wortformen wiedererkennen lassen. Dabei wird auch die sprachliche Situation des Alt- und Mittelenglischen mit der der vorliegenden friesischen Formen verglichen. Diese Vorgehensweise beruht auf Versloots Hinweis, dass sich aufgrund der engen Sprachverwandtschaft zwischen dem Altfriesischen und Altenglischen eine Gegenüberstellung mit anderen germanischen Altsprachen erübrigt (vgl. 2004, 263).
4 Hauptmerkmale alter Sprachstufen
Versloot folgt de Haans (vgl. 2001, 185f.) Überlegungen insofern, dass er bei der Periodisierung sprachlicher Formen den Fokus auf linguistische Merkmale legt (vgl. Versloot 2004, 264). Demnach gilt beispielsweise eine konservative Orthographie für Versloot nicht als linguistisches Kriterium alter Sprachstufen (vgl. ebd.). Er hebt in seinem Artikel die zentralen linguistischen Kennzeichen hervor, unter deren Berücksichtigung eine Sprachform als 'alt' betitelt werden kann. Eine alte Sprache:
1. unterscheidet zwischen mehreren Vokalqualitäten in unbetonten Silben,
2. zeigt keine Vokaldehnung in offenen Silben und bewahrt die Konsonantengemination,
3. besitzt eine ausführliche formale Unterscheidung von Numerus und Person in der verbalen Flexion,
4. unterscheidet aufbauend auf historischen Deklinationsklassen formal zwischen Genus und Kasus (vgl. ebd., 265f.).
In den folgenden Unterkapiteln werden diese einzelnen Kriterien näher erläutert. Darauf aufbauend soll die Sprache der ausgewählten Urkunde analysiert werden, und es wird ferner entschieden, ob sie eher dem Alt- oder dem Mittelfriesischen zugeordnet werden kann.
Versloot geht in seinen Ausführungen zur Periodisierung auch auf einige weitere Merkmale mittlerer Sprachstufen ein: die fehlende Distinktion zwischen lang- und kurzsilbigen jan -Verben, der Zusammenfall von jan- und ōian- Verben, die Tilgung von westgermanisch /w/ und /j/, das Auftreten kontrahierter Verben sowie weitere phonologische, morphologische, lexikalische und syntaktische Phänomene (vgl. 273-275, 277-285). Solche Nebenaspekte werden im Rahmen dieser exemplarischen Arbeit für die Urkunde "Wilkerran van Wildinge" nicht behandelt.
4.1 Vokalqualität in unbetonten Silben
Campbell legt für das Altenglische dar, dass die ursprünglich unbetonten Vokale a, æ, e, i und u sich im Laufe des Mittelalters mehrmals in ihrer Qualität veränderten (vgl. 1959, 153-157). Neben dem Zusammenfall von æ, e, i > e verweist er darauf, dass a, u und o später auf unterschiedliche Weise in altenglischen Sprachgebieten zu einem unbetonten Hinterzungenvokal verschmolzen sind (vgl. ebd., 157). Dennoch lässt sich für das klassische Altenglisch bestimmen, dass zwischen drei Vokalqualitäten in unbetonten Silben unterschieden wurde: e, a und u (vgl. Versloot 2004, 270).
In Bezug auf unbetonte Vokale im Altfriesischen zeigt Boutkan in seiner Untersuchung zum ersten Rüstringer Manuskript, dass dort die Vokale i, e, a, o, u in unbetonten Silben deutlich voneinander zu unterscheiden sind (vgl. 1996, 32). Boutkan spricht trotzdem von einem System mit drei Vokalqualitäten, da die Verteilung von /i–e/ und /u–o/ vom Wirken der Vokalbalance und -harmonie abhängig ist (vgl. ebd., 27).
Dass zu einer bestimmten Zeit im Altfriesischen eine Unterscheidung von /a/ und /e/ bestanden haben muss, zeigt Versloot in seiner Untersuchung zur unterschiedlichen Entwicklung dieser Vokale in den modernen friesischen Dialekten Fēstewālnoardfrysk, Harlingerlānsk und Skiermūtseagersk (vgl. 2002, 66–68). Abgesehen vom Rüstringer Dialekt kann in den restlichen altfriesischen Dialekten nur diese qualitative Unterscheidung beobachtet werden (vgl. Versloot 2004, 271). Die Schreibung <u> lässt sich allein noch an der Endung des Dativs Plural <um> erkennen, die allerdings schon im älteren Text B neben den Formen <em>, <im> und <en> auftritt (vgl. ebd.). In späterer Zeit verliert sich auch die Prägnanz in der Unterscheidung von /a–e/ und es werden neue Endungen im Friesischen eingeführt (vgl. ebd., 272). Versloot zieht damit den Schluss, dass nur die archaische Sprache des Rüstringer Dialekts sich noch auf der alten Sprachstufe neben dem späteren Altenglischen befindet, während alle anderen altfriesischen Texte in einem Zwischenstadium zum Mittelfriesischen zu positionieren sind (vgl. ebd.). Er bezieht sich dabei ausschliesslich auf die Endungen von Substantiven (vgl. auch ebd., 294–298).
In OFO II 2 können insgesamt 157 Substantiv-Tokens erfasst werden. Von diesen können fünf Tokens nicht eindeutig einem Lemma zugeordnet werden.2 Zudem lässt sich für die Lemmata von vier weiteren Tokens keine eindeutige Deklinationsklasse eruieren, weshalb sie nicht in die Analyse aufgenommen werden.3
[...]
1 So wird z. B. für "del", das in Zeile 3 auftritt (OFO II 2), in der IFLD das Lemma dāddēl ('Totschlag') anstatt des naheliegerenden Lemmas dēl ('Teil') angegeben.
2 Siehe OFO II 2: "fetsengha" (Z. 18); "fessengha" (Z. 19); "bres" (Z. 27); "mia" (Z. 32); "wald" (Z. 53).
3 Siehe OFO II 2: "absolutio" (Z. 24, absolutie); "mothe" (Z. 45, mōd); "compania" (Z. 52, companīe); "compenia" (Z. 49, companīe).
- Arbeit zitieren
- Christian Schulz (Autor:in), 2019, Zur Sprachstufe einer westfriesischen Urkunde von 1379. Auf der Schwelle von 'Alt' zu 'Mittel', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/703375
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