Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Jugendsexualität
2.1 Physische Veränderungen im Jugendalter
2.2 Psychische Veränderungen im Jugendalter
3. Teenagerschwangerschaften in Deutschland
3.1 Definition Teenagerschwangerschaft
3.2 Aktuelle Zahlen aus Deutschland
4. Erklärungsansätze und Ursachen
4.1 Frühe sexuelle Aktivität
4.2 Mangelnde Verhütung
4.3 Schulbildung und soziale Benachteiligung
4.4 Migrationshintergrund
4.5 Sehnsucht nach Geborgenheit
4.6 Sinnfindung bei Lebenskrisen
5. Präventionsmodelle und sexualpädagogische Mädchenarbeit
5.1 Allgemeine Empfehlungen
5.2 Beispiel ÄGGF
5.3 Beispiel Initiative Mädchen-Sprechstunde
5.4 Lehrkraft als wichtige Person in der Sexualaufklärung
6. Fazit
7. Abbildungsverzeichnis
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Jugend ohne Jugend – Sie sehen Pornos mit 12, haben Sex mit 13, sind schwanger mit 14: Warum haben es unsere Kinder so eilig mit dem Erwachsenwerden? Ein Krisengespräch“ (Cadenbach & Zerwes, 2009). Diese Schlagzeilen aus dem Magazin der Süddeutschen Zeitung aus dem Jahr 2009 würden heute noch genauso passen. Ein viel zu großer Anteil der Gesellschaft geht davon aus, dass die Entwicklung der Jugend von heute immer früher beginnt. Dies verdeutlicht auch eine Befragung von Statista aus dem Jahr 2017, die zum Inhalt hat, wie die Deutschen ihr Land einschätzen. So überschätzen die 2000 Befragten den Anteil der Teenagerschwangerschaften enorm. Sie gehen davon aus, dass ein Anteil von 16,0 % der deutschen Mütter auf Teenagermütter entfällt, obwohl es tatsächlich nur 0,6 % sind (Statista, 2017). Da wird schon sehr deutlich, wie verzerrt Wahrnehmung und Wirklichkeit sind. TV-Sendungen wie „Teenie-Mütter“ leisten ebenfalls einen Beitrag dazu, dass das Wort Teenagermütter meist negativ konnotiert ist. Meist wird in den Medien ein sehr einseitiges Bild von Teenagerschwangerschaften geliefert. Oft wird eine Teeangerschwangerschaft vorschnell auf mangelndes Verhütungsverhalten zurückgeführt, aber das ist ein sehr eindimensionaler Blick. In den meisten Fällen spielen mehrere Aspekte und Entwicklungen ineinander, die letztendlich zu einer Schwangerschaft in jungen Jahren führen können. Die fällt dann in die Entwicklungsphase der Pubertät, welche bereits ohne Schwangerschaft von zahlreichen und teilweise auch schwierigen Veränderungen geprägt ist.
Vor diesem Hintergrund soll in dieser Arbeit dargestellt werden, welche konkreten Erklärungsansätze und Ursachen für Teeangerschwangerschaften in Erwägung gezogen werden können und welche Präventionsmodelle existieren.
Um diese Themenstellung umfassend zu erläutern, wird nach der Einleitung im zweiten Kapitel die Lebensphase der Jugend umfassend untersucht. Hierbei wird der Fokus auf physische und psychische Veränderungen während der Pubertät gelegt. Das dritte Kapitel beschäftigt sich konkret mit einer Definition von Teenagerschwangerschaft und mit aktuellen Geburtenzahlen junger Mütter aus den Jahren 2013 bis 2017 in Deutschland. Im vierten Kapitel werden potentielle Erklärungsansätze und Ursachen untersucht, wobei hier nur auf sechs näher eingegangen wird, so dass in den Kapiteln fünf und sechs sexualpädagogische Prävention im außerschulischen und schulischen Bereich als Hilfestellung und Unterstützung für Mädchen erörtert werden kann.
2. Jugendsexualität
„Menschliche Sexualität ist nach heutiger Ansicht nicht altersgebunden, sondern permanenter Bestandteil menschlichen Daseins“ (Günder, 2011, S. 292). Sexualität entwickelt sich im Laufe des kompletten Lebens weiter, dies betrifft sowohl den Körper als auch das konkrete Verhalten. In diesem Zusammenhang lässt sich das sexuelle Verhalten als Ausdruck der eigenen Persönlichkeit bezeichnen (Günder, 2011, S. 292). Der lebenslange Prozess beginnt bereits als Baby und erhält in den Kindheits- und Jugendjahren eine bedeutende Prägung (Staats, 2019, S. 22). Dieser Entwicklungsabschnitt ist von zahlreichen Veränderungen in verschiedenen Lebensbereichen gekennzeichnet, welche in den folgenden beiden Abschnitten ausführlicher erläutert werden.
2.1 Physische Veränderungen im Jugendalter
Die körperlichen und zugleich offensichtlichsten Veränderungen im Rahmen der Pubertät beginnen bei Mädchen mit etwa 11 und bei Jungen mit etwa 13 Jahren. Ausgelöst durch Veränderungen im Hormonhaushalt verändern sich primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale. Zu den primären Geschlechtsmerkmalen zählen diejenigen, welche zur Fortpflanzung notwendig sind, wobei sekundäre Geschlechtsmerkmale für Geschlechtszugehörigkeit und -reife stehen. (Lohaus & Vierhaus, 2015, S. 247) Explizit löst ein Anstieg von Östrogen (Mädchen) beziehungsweise Testosteron (Jungen) die für die Pubertät typischen körperlichen Entwicklungen aus. Zu den wichtigsten körperlichen Veränderungen zählen die folgenden Aspekte. Jugendliche erleben in der Pubertät einen enormen Wachstumsschub. Mädchen wachsen bis zu 9 cm und Jungen bis zu 10,5 cm pro Jahr. Zudem verändert sich die Statur bei beiden Geschlechter dahingehend, dass Mädchen und Jungen an Gewicht zunehmen. Jungen legen an Muskelgewebe zu, wohingegen bei jungen Frauen hauptsächlich der Körperfettanteil steigt. Neben dem Gewicht nimmt auch die Kraft und Ausdauer in der Pubertät zu. Durch Auswirkungen auf Herz-Kreislauf-System, Lunge und Muskeln steigt die körperliche Leistungsfähigkeit. Ab etwa 14 Jahren zeigt sich eine Differenz zwischen weiblicher und männlicher Leistungsfähigkeit, Jungen sind körperlich leistungsfähiger. (Grob & Jaschinski, S. 33-35)
Wie zu Beginn des Abschnitts bereits erwähnt, reifen die primären Geschlechtsorgane in dieser Entwicklungsphase. Neben diesen verändern sich auch die sekundären Geschlechtsmerkmale. Bei beiden Geschlechtern wachsen die ersten Schamhaare und die Genitalien wachsen in ihrer Größe. Viele Jugendlichen leiden zudem an Hautunreinheiten (Akne). Bei Jungen setzt der Bartwuchs ein und es kommt zum ersten Samenerguss (Ejakularche) und bei Mädchen zur ersten Regelblutung (Menarche). (Grob & Jaschinski, S. 33-35) Generell ist es so, dass bei Mädchen früher pubertäre körperliche Entwicklungen eintreten als bei Jungen und sich auch innerhalb eines Geschlechts zeitliche Unterschiede nachweisen lassen. (Lohaus & Vierhaus, 2015, S. 248) Obwohl viele Mädchen bereits auf die erste Menstruation durch den Sexualkundeunterricht oder das Elternhaus, speziell durch die Mutter, vorbereitet sind, löst die erste Regelblutung meist Ablehnung und negative Emotionen aus. Mit ihr kommen zugleich unangenehme Nebenerscheinungen zum Vorschein, wie vor allem Bauchschmerzen, Stimmungsschwankungen und ein unsauberes Gefühl. Der Beginn des Erwachsenwerdens und damit einhergehend der Beginn der Fruchtbarkeit muss von den Mädchen zunächst in ihre sexuelle Identität integriert werden; dies kann einige Zeit in Anspruch nehmen. (Gille, 2010, S. 304f.) Insgesamt lässt sich anmerken, dass speziell Mädchen hinsichtlich gewaltiger körperlicher Veränderungen während der Pubertät verunsichert werden. Der eigene Körper fühlt sich oft erstmals fremd an. Das geht soweit, dass die Mädchen einzelne Körperteil als nicht schön und unattraktiv empfinden. (Gille, 2010, S. 338)
Neben den körperlichen Veränderungen treten in der Pubertät auch neurobiologische Veränderungen auf. Das bedeutet, dass sich das Gehirn der Jugendlichen weiterentwickelt. Der zunehmende Abbau überschüssiger Neuronen führt zu einer beschleunigten Informationsverarbeitung. Darüber hinaus kommt es zu vielen weiteren neurobiologischen Veränderungen, auf welche in dieser Arbeit aufgrund des eingeschränkten Rahmens nicht näher eingegangen wird. Allerdings bleibt festzuhalten, dass diese neurobiologischen Veränderungen eine „kognitive, emotionale und soziale Neuorientierung“ ermöglichen (Lohaus & Vierhaus, 2015, S. 249). Die Veränderungen werden als Basis dafür betrachtet, eigenständig ein Leben führen zu können und bieten die Chance, sich aus bisherigen Strukturen zu lösen. Diese physischen Weiterentwicklungen bilden die Grundlage für das Verständnis der psychischen Veränderungen, die im Folgenden näher beleuchtet werden, (Lohaus & Vierhaus, 2015, S. 248f.)
2.2 Psychische Veränderungen im Jugendalter
Im Rahmen der psychischen Veränderungen sind auch die bereits im Punkt 2.1 beschriebenen kognitiven Veränderungen zu nennen. Der Anstieg bei der Verarbeitungsgeschwindigkeit von Informationen führt zu höheren Gedächtnis- und Intelligenzleistungen. Die konkrete Handlungsplanung und -kontrolle werden deutlich verbessert, das heißt, dass sich die Jugendlichen selbst Ziele stecken können und ihr Verhalten so regulieren können, dass sie die gesteckten Ziele auch erreichen. Obwohl sich die Jugendlichen in der Pubertät kognitiv erheblich weiterentwickeln, begreifen sie sich oft selbst als Mittelpunkt der Welt. Dieses Phänomen wird Jugendegozentrismus genannt und kann zeitglich zu Minderwertigkeitsgefühlen und Zweifel an der eigenen Person führen. Und nicht nur sie selbst beobachten sich scharf, sondern sie fühlen sich auch häufig von ihrer Umgebung beobachtet und bewertet. Die Jugendlichen halten sich selbst für einzigartig und ziehen daraus den Schluss, dass die Umgebung sie nicht versteht. (Lohaus & Vierhaus, 2015, S. 250f.)
Die Emotionalität im Jugendalter ist oft von Stimmungsschwankungen und einem „Wechselbad der Gefühle“ gekennzeichnet. Selbst im Laufe eines Tages kann die Gefühlslage der Jugendlichen in der Pubertät stark schwanken; viel stärker als bei Erwachsenen. Es wird angenommen, dass die Ursache dieser wechselnden Gefühlszustände in den starken Hormonschwankungen der Pubertät begründet ist. (Grob & Jaschinski, S. 36) Nicht nur schwankende Emotionen sind zu beobachten, sondern vor allem bei Mädchen zunehmend negative Emotionen. Die Jugendlichen unterziehen ihre eigene Persönlichkeit einer starken Kontrolle und setzen sich bewusst mit einzelnen Stärken und Schwächen auseinander. Dies führt mitunter dazu, dass beim Übergang von der Kindheit zum Jugendalter eine negative Entwicklung hinsichtlich des eigenen Selbstwertgefühls festzustellen ist, welche vorübergehend einen Tiefpunkt im Laufe der Pubertät erreicht, dann aber unter normalen Gegebenheiten wieder ansteigt. Mit ihrem Selbstwertgefühl haben Mädchen mehr als Jungen zu kämpfen, weil sie häufig durch die körperlichen Veränderungen der Pubertät mit ihrem eigenen Körper unzufrieden sind. Inwieweit die emotionalen Schwankungen in der Pubertät Probleme verursachen, ist dabei mitunter von den eigenen Fähigkeiten und der sozialen Hilfe durch Elternhaus und Freundeskreis abhängig. (Lohaus & Vierhaus, 2015, S. 251f.)
Ein weiterer wichtiger Aspekt liegt im sozialen Umfeld der Jugendlichen. Dies betrifft sowohl das unmittelbare Umfeld inklusive Familie und Peers als auch sozial-kulturelle Einflüsse und Medien. Hinsichtlich Eltern als Bezugspersonen und Ratgeber hat sich in den letzten Generationen eine deutliche Veränderung ergeben. Für Jugendliche sind Eltern mittlerweile oft ein wichtiger Ansprechpartner bei sexualpädagogischen Fragestellungen. Neben dem Elternhaus spielen Freundinnen und Freunde im Leben der jungen Erwachsenen eine immer wichtiger werdende Rolle. (Jungbauer, 2017, S. 174f.) Mit diesen können sie offen altersbezogene sexuelle Themen besprechen. In der Peergruppe fühlen sich Jugendliche aufgehoben und den anderen ebenbürtig: „Ich bin so wie die anderen, die anderen sind so wie ich“ (Grob & Jaschinski, S. 66). Die Peergruppe kann Orientierung hinsichtlich sexueller Bedürfnisse und Umgang mit dem eigenen Körper liefern, aber zugleich Druck und Gruppenzwang auslösen, wenn man selbst andere Orientierungen sucht. Das Jugendalter ist durch zahlreiche Entwicklungsaufgaben im Bereich der Sexualität gekennzeichnet. In dieser Zeit entwickelt sich die eigene sexuelle Identität, deren Entwicklung auf unterschiedlichen Ebenen in eigenem Tempo und auf der Basis verschiedener Motive stattfindet. (Staats, 2019, S. 25-26) Neben den Menschen im direkten Umfeld, gewinnen gesellschaftliche Normen und Medien in der Pubertät zunehmend an Bedeutung. Vor allem die Medien liefern zahlreiche Orientierungsmöglichkeiten und Ideale. (Jungbauer, 2017, S. 174f.)
Insgesamt lässt sich anmerken, dass viele Jugendliche in der Pubertät noch sehr unsicher und auf der Suche nach ihrer eigenen Identität sind. Die Identitätsentwicklung kann somit als zentraler Aspekt innerhalb der Persönlichkeitsentwicklung im Jugendalter angesehen werden. Manche Jugendlichen bedienen sich auf der Suche nach ihrer Identität verschiedener Rollenbilder, um bei sich selbst anzukommen. (Lohaus & Vierhaus, 2015, S. 253)
Die Zusammenstellung der verschiedenen Veränderungen während der Pubertät in diesem Kapitel soll die Vielschichtigkeit dieser Entwicklungsphase erklären, da Teenagerschwangerschaften unter Berücksichtigung dieser Aspekte gesehen werden sollen. Die Veränderungen und Erfahrungen, welche vor allem junge Frauen in dieser Lebensphase erleben, finden sich teils in den Erklärungsansätzen und Ursachen von Teenagerschwangerschaften wieder.
3. Teenagerschwangerschaften in Deutschland
Bevor im nächsten Kapitel Erklärungsansätze und Ursachen ausgeführt werden, werden in diesem Kapitel neben einer kurzen Definition des Begriffs Teeangerschwangerschaft die aktuellen Erhebungszahlen der Bundesstatistik über Geburten von Mädchen und jungen Frauen in Deutschland vorgestellt, um einen kurzen Einblick in die aktuelle Zahlenlage zu ermöglichen.
3.1 Definition Teenagerschwangerschaft
Ausgehend von der Wortzusammensetzung wird international von dem Begriff Teenagerschwangerschaft gesprochen, wenn eine Schwangerschaft bei einer unter 20-jährigen Frau festgestellt wird. Zu beachten bleibt, dass manche Studien im Hinblick auf Teenagerschwangerschaft nur minderjährige, das heißt Schwangere oder Eltern unter 18 Jahren, berücksichtigen. Bei den Interventionsprogrammen wird weniger der Fokus auf das Alter gelegt, sondern eine Einstufung dahingehend vorgenommen, ob die jungen Mütter und Väter die Entwicklung in das Erwachsenenalter vollständig abgeschlossen haben. (Doege, Engel-Otto & Nakhla, 2012, S. 334)
3.2 Aktuelle Zahlen aus Deutschland
Die nachfolgende Tabelle enthält die Zahl der Lebendgeburten für die Jahre 2013 bis 2017 des Statistischen Bundesamtes. Die Auswahl beschränkt sich dabei auf Mädchen und junge Mütter bis zum 20. Lebensjahr, um die unter Punkt 3.1 erläuterte Definition einzuhalten. Farblich abgegrenzt sind dabei die minderjährigen Mütter und die jungen Frauen über 18 Jahre. Die Tabelle bezieht sich auf die letzten fünf Erhebungsjahre und das Jahr 2002, da das Statistische Jahrbuch aus dem Jahr 2019 erst die Zahlen von 2017 veröffentlicht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Eigene Darstellung nach Statistische Jahrbücher 2015-2019, 2004
Wie aus der vorangestellten Tabelle ersichtlich ist, lässt sich im 5-Jahresvergleich (Vergleich 2013 bis 2017) ein Rückgang in allen sechs Alterskategorien feststellen. Je älter die Mutter, umso geringer ist der prozentuale Rückgang von dem Jahr 2013 im Vergleich zum Jahr 2017. In der Betrachtung der Gesamtzahlen ist von 2013 auf 2017 ein Rückgang von ca. 20,3 % zu verzeichnen. Für die Jahre 2014 bis 2016 ist keine klare Aussage zu treffen. Die Zahlen aus dem Jahr 2002 sollen einen längeren Rückblick ermöglichen. Die Zahlen aus dem Vergleichsjahr 2002 lassen keineswegs auf die zu Beginn der Arbeit angebrachte Schlagzeile schließen, dass immer mehr junge Frauen Mütter werden. Der Vergleich der Jahre 2002 und 2017 lässt eher Gegenteiliges vermuten. Auf die Zahlen zu Schwangerschaftsabbrüchen bei jungen Schwangeren wird im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen, da der Fokus auf den Erklärungsansätzen und Ursachen im nächsten Kapitel liegt und hierfür diese Zahlen nicht von Relevanz sind.
4. Erklärungsansätze und Ursachen
Es gibt vielfältige Ursachen von Teenagerschwangerschaften. Zu den Risikofaktoren einer Schwangerschaft in sehr jungen Jahren zählen unter anderen Bildungsfaktoren wie geringe Schulleistungen und ein vorzeitiger Schulabbruch, jedoch auch „Arbeitslosigkeit, Migrationshintergrund, Alkohol und Drogengebrauch sowie frühe sexuelle Aktivität“ (Doege, Engel-Otto & Nakhla, 2012, S. 335). Im Widerspruch zu diesen Ursachen stehen Studien, welche zu dem Ergebnis gekommen sind, dass Teenagerschwangerschaften nicht primär einer spezifischen sozialen Schicht zuzuordnen sind, weshalb in diesem Kapitel der Fokus auf potenziellen Ursachen liegt. (Stucke, 2004) Außerdem werden hier nur auszugsweise potenzielle Ursachen erläutert, da jede Schwangerschaft individuell ist und keine allgemeingütigen Aussagen getroffen werden können.
4.1 Frühe sexuelle Aktivität
Wie bereits in der Einleitung angeklungen, gibt es in Gesellschaft immer wieder Stimmen, welche verfrühte sexuelle Aktivitäten von Jugendlichen zur Diskussion stellen. Allerdings wird dies durch nachfolgende Studie nicht bekräftigt. Eine Repräsentativbefragung des BZgA aus dem Jahr 2015 von Jugendlichen zwischen 14 und 25 Jahren kommt zum Ergebnis: Tendenz zu einem späterem Einstieg in das Sexualleben. Sowohl bei den 14-, 16- als auch 17-Jährigen ist ein Rückgang der sexuell aktiven Jugendlichen (deutscher Herkunft) im Vergleich mit den Ergebnissen der letzten Befragung aus dem Jahr 2010 festzustellen. Am deutlichsten zeigt sich dies beim Vergleich der Zahlen der 14-Jährigen, bei denen der Prozentsatz von zwischen 10 und 12 % (Spanne für 1998 bis 2005) auf 6,3 % gesunken ist. Bei den Mädchen hat die Altersgruppe der 16-Jährigen den größte Rückgang um fünf Prozentpunkte zu verzeichnen, wohingegen der bei den Jungen mit einem Ergebnis von minus sieben Prozentpunkten in der Altersgruppe der 17-Jährigen liegt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die in den Jahren zuvor festgestellte frühere sexuelle Aktivität bei Jugendlichen mit dieser Studie nicht bestätigt werden kann. (Bode & Heßling, 2015, S. 8)
4.2 Mangelnde Verhütung
Als potentielle Ursache für eine Teenagerschwangerschaft wird mitunter die mangelnde Verhütung durch die Interventionsstudie bekräftigt, bei der 76 % der an der Studie teilgenommenen Teenagermütter angegeben haben, dass ihre Schwangerschaft ungeplant war. Hinzu kommt, dass 69 % der Befragten nicht oder nur unregelmäßig verhütet haben. (Dreisörner et al., 2003, S. 608-612) Als Gründe für die mangelnde Verhütung werden dabei folgende genannt. Sexuelle Aktivitäten können nur in gewissen Maße vorhergesehen werden und teilweise fehlt entweder das nötige Wissen über die richtige Anwendung von Verhütungsmitteln oder das Selbstbewusstsein, mit dem Sexualpartner den Einsatz von Verhütungsmitteln zu besprechen beziehungsweise ihn zu fordern. (Remberg, 2001, S. 15) Junge Frauen werden oft dadurch verunsichert, dass sich der Partner nicht aktiv an der Verhütung beteiligt. Dies führt leicht zur Überforderung der Mädchen, was letztlich in einer falschen Einschätzung bezüglich Verhütung enden kann. (Häußler-Sczepan, Michel & Wienholz, 2005, S. 31-33) Ferner wird das Risiko, schwanger zu werden, falsch eingeschätzt oder es wird unter Alkohol und Drogen komplett auf Verhütung verzichtet. Teilweise führen auch Vorurteile gegenüber bestimmten Verhütungsmitteln wie „Kondome stören generell“ dazu, dass sie von den Jugendlichen bewusst nicht verwendet werden wollen. Die Notfallverhütung der „Pille danach“ ist bei vielen unbekannt. (Busch, 2004, S. 36) Dies bestätigte auch eine Untersuchung des Robert Koch-Instituts mit der Ärztlichen Gesellschaft zur Gesundheitsförderung der Frau e.V. aus dem Jahr 2002, wonach 74 % der befragten jungen Frauen zwischen 15 und 16 Jahren nicht wussten, wie lange nach dem Geschlechtsverkehr eine Einnahme der „Pille danach“ möglich ist. 82 % waren unwissend hinsichtlich des Zeitpunkts des Konzeptionsoptimums1. (Gille, 2010, S. 46)
Das Alter spielt dabei eine wichtige Rolle. Eine Untersuchung mit 14- bis 17-jährigen Jugendlichen der BZgA aus dem Jahr 2001 hat ergeben, dass gewissenhaftes Verhütungsverhalten und Wissen über den weiblichen Zyklus mit dem Alter zusammenhängen. Je jünger die Befragten, desto nachlässiger und unwissender sind sie. Zusammenfassend lässt sich ein Mangel im Verhütungsverhalten eher auf fehlende Gesprächskompetenz mit dem Partner beziehungsweise geringes Selbstwertgefühl zurückführen als nur auf fehlendes Wissen und Verantwortung. (Häußler-Sczepan, Michel & Wienholz, 2005, S. 32)
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1 Günstigster Zeitpunkt für eine Befruchtung