Anfang April diesen Jahres - zeitnah dem 60jährigen Jahrestag der Kapitulation Japans am 5. August 1945 -wurde ein Schulgeschichtsbuch vom japanischen Erziehungsministerium
genehmigt, das durch seine verharmlosende Darstellung von Verbrechen, die die kaiserliche Armee vor und während des Zweiten Weltkrieges in Asien begangen hatte, ins Kreuzfeuer der internationalen Kritik geriet. Vor allem in China und Korea reagierte die Bevölkerung mit antijapanischen Demonstrationen. Trotzdem rang sich die japanische Regierung unter Junichiro Koizumi erst Wochen später und nur auf internationalen Druck hin zu einer Entschuldigung durch. Doch ist diese Kontroverse um Geschichtsdarstellung - in Schulbüchern sowie im Allgemeinen - in Japan nicht neu. Schon seit den 80er Jahren und verstärkt nach dem Einbruch des japanischen Wirtschaftswunders Mitte der 90er, wurde die Forderung laut, sich von dem bis dahin so ‚masochistischen’ Selbstbild zu befreien, um somit ein Wiedererstarken einer nationalen Identität zu ermöglichen (Kapitel 1).
Sowie Deutschland in Europa war Japan in Asien der zentrale Aggressor. Jedoch könnte der Umgang beider Nationen mit ihrer jüngeren Vergangenheit unterschiedlicher nicht sein. Zum Verständnis der aktuellen Debatte ist es hilfreich, sich die Hintergründe der im Vergleich zur Bundesrepublik sehr anders gearteten Diskussion um die Schuldfrage in Japan vor Augen zu halten. Im zweiten Kapitel soll daher ein kurzer Überblick gegeben werden, welchen Aspekten die sehr divergierende erinnerungskulturelle Entwicklung der beiden Staaten Rechnung trug. Bei der japanischen Identitätsstiftung spielt der Kaiser eine zentrale Rolle. Im dritten Kapitel werde ich versuchen, die Gründe für den absichtlich inszenierten Kaiserkult aufzudecken, um damit zu erklären, weshalb die ‚Weißwaschung’ der Kaiserfigur für die konservative Regierung in Japan nach wie vor von größtem Interesse ist.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- 1. DIE SCHULBUCHDEBATTE
- 1.1. DIE AKTUELLE DEBATTE
- 1.2. DIE, GESELLSCHAFT FÜR DIE ERSTELLUNG NEUER GESCHICHTSBÜCHER'
- 1.3. DAS, NEUE GESCHICHTSLEHRBUCH'
- 2. ,VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG' IN JAPAN UND DEUTSCHLAND
- 2.1. JAPAN ALS OPFER, DEUTSCHLAND ALS TÄTER
- 2.2. ÄUBERE RAHMENBEDINGUNGEN
- 2.3. ,SÄUBERUNGEN'
- 3. DER KAISER
- 3.1. DIE, MEIJI-RESTAURATION'
- 3.2. VOM KRIEGSVERBRECHER ZUM SYMBOL DER UNSCHULD?
- 4. DIE SCHULBUCHDEBATTE IN CHINA
- SCHLUSS
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der aktuellen Debatte um die Geschichtsdarstellung in japanischen Schulbüchern. Die Autorin analysiert die Hintergründe der Kontroverse, die durch ein neu aufgelegtes Geschichtsbuch entbrannte, das Verbrechen der kaiserlichen Armee während des Zweiten Weltkriegs verharmlosend darstellt. Ziel ist es, die unterschiedlichen Perspektiven auf die Vergangenheit in Japan und China aufzuzeigen und die Rolle des Kaisers in der japanischen Identitätsstiftung zu beleuchten. Die Arbeit befasst sich mit dem Umgang beider Länder mit ihrer jüngeren Vergangenheit und den Ursachen für die sehr unterschiedlichen Erinnerungskulturen.
- Die aktuelle Debatte um die Geschichtsdarstellung in japanischen Schulbüchern
- Der Einfluss von Nationalismus und Geschichtsrevisionismus auf die japanische Identität
- Die Rolle des Kaisers in der japanischen Geschichte und seine symbolische Bedeutung
- Der Umgang mit der Vergangenheit in Japan und China
- Die Auswirkungen der japanischen Erinnerungskultur auf die internationalen Beziehungen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und beschreibt die Kontroverse um das neue Geschichtsbuch, das in Japan im Jahr 2005 veröffentlicht wurde.
Kapitel 1 beleuchtet die aktuelle Debatte um die Geschichtsdarstellung in japanischen Schulbüchern. Die Autorin stellt die Gesellschaft für die Erstellung neuer Geschichtsbücher (tsukuru kai) vor und analysiert deren Ziele und Motivationen.
Kapitel 2 widmet sich der,Vergangenheitsbewältigung' in Japan und Deutschland. Die Autorin vergleicht die unterschiedlichen Umgangsformen der beiden Länder mit ihrer jeweiligen Vergangenheit und analysiert die Gründe für diese Diskrepanz.
Kapitel 3 untersucht die Rolle des Kaisers in der japanischen Identitätsstiftung. Die Autorin beleuchtet die Gründe für den Kaiserkult und erklärt, warum die,Weißwaschung' der Kaiserfigur für die konservative Regierung in Japan von großer Bedeutung ist.
Schlüsselwörter
Schulbuchstreit, Geschichtsdarstellung, Japan, China, Nationalismus, Identität, Kaiser, Vergangenheit, Erinnerungskultur, Zweiter Weltkrieg, Imperialismus, ,Trostfrauen', ,Yasukuni-Affäre', Vergangenheitsbewältigung.
- Arbeit zitieren
- Rike Pätzold (Autor:in), 2005, Der Schulbuchstreit - Eine Kontroverse in Japan und China, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70592