Der Kern der modernen Demokratie ist die Wahl. Am Wahltag hat der Souverän, das Volk, die Gelegenheit seine Stimme zu erheben. Zwar gibt es auch andere Formen der politischen Partizipation, jedoch ist die Beteiligung an Wahlen die wichtigste Möglichkeit für die Bürger, ihre Interessen zu artikulieren. Um das Funktionieren eines demokratischen Gemeinwesens zu gewährleisten, muss diese
Artikulationsmöglichkeit allerdings auch in ausreichendem Maße genutzt werden. Die Relevanz der Teilnahme an Wahlen - und damit die Relevanz der Untersuchung ihrer Determinanten - stützt sich im Wesentlichen auf zwei Säulen: Zum einen erhöht eine breite Beteiligung der Bürger die Akzeptanz politischer Entscheidungen in der Bevölkerung. Die politischen Entscheidungen werden als legitim angesehen, „wenn und weil sie den ‚Willen des Volkes’ widerspiegeln“ (Scharpf, 1999: 16). Diese Input-orientierte Sichtweise wird zum anderen durch die Bedeutung der Wahlbeteiligung auf der Output-Seite ergänzt: Der politische Prozess kann nur dann optimale, d.h. unverzerrte Ergebnisse hervorbringen, wenn möglichst alle Bürger ihre Präferenzen mitteilen. Je niedriger die Wahlbeteiligung, desto weniger repräsentieren die gewählten Vertreter die gesamte Gesellschaft, und desto unwahrscheinlicher werden Ergebnisse die sich dem Ideal eines maximalen gesamtgesellschaftlichen Nutzens annähern (Lijphart, 1997: 3-4).
Die Stimmabgabe ist allerdings nicht kostenneutral, da der Gang zur Wahlurne selbst Kosten verursacht, vor allem aber, da durch die Informationsbeschaffung über die zur Wahl stehenden Alternativen und ihre Bewertung Kosten entstehen (vgl. Downs, 1957: 265; Lassen, 2005). Dem oben beschriebenen kollektiven Nutzen einer hohen Wahlbeteiligung stehen also individuelle Kosten gegenüber. Dies qualifiziert den Wahlvorgang als Problem kollektiven Handelns (Olson, 1998[1965]: 13-5, 32-5, 161), denn es gibt für jeden Wahlberechtigten einen Anreiz, diese individuellen Kosten zu umgehen, in der Erwartung, dass das Kollektivgut einer ausreichenden Wahlbeteiligung durch die anderen Wahlberechtigten bereitgestellt wird. In der Praxis schwankt die Höhe der Wahlbeteiligung allerdings sowohl in der räumlichen, wie auch in der zeitlichen Dimension erheblich.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Theorie: Sozialkapital und Wahlbeteiligung
- 3. Operationalisierungen und Daten
- 4. Datenanalyse
- 5. Schlussfolgerungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Einfluss von Sozialkapital auf die Wahlbeteiligung in 94 europäischen Regionen. Sie befasst sich mit dem Problem kollektiven Handelns im Wahlprozess und der Rolle, die Sozialkapital dabei spielt, die individuellen Kosten der Stimmabgabe zu überwinden.
- Das Konzept des Sozialkapitals und seine unterschiedlichen Definitionen
- Der Zusammenhang zwischen Sozialkapital und Wahlbeteiligung
- Die Operationalisierung von Sozialkapital und Wahlbeteiligung
- Die Analyse der Daten in 94 europäischen Regionen
- Die Schlussfolgerungen und Implikationen der Ergebnisse
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung
Der erste Abschnitt stellt die Bedeutung von Wahlbeteiligung für die Funktionsfähigkeit demokratischer Systeme heraus und erklärt den Zusammenhang zwischen Wahlbeteiligung und dem Problem kollektiven Handelns. Die Arbeit führt das Konzept des Sozialkapitals als möglichen Faktor zur Erklärung der Wahlbeteiligung ein und formuliert die Forschungsfrage: Welchen Einfluss hat Sozialkapital auf die Wahlbeteiligung?
2. Theorie - Sozialkapital und Wahlbeteiligung
Dieser Abschnitt behandelt das theoretische Konzept des Sozialkapitals, beleuchtet verschiedene Definitionen von Sozialkapital und diskutiert die Rolle des Sozialkapitals im Hinblick auf die Überwindung des Problems kollektiven Handelns.
3. Operationalisierungen und Daten
Der dritte Abschnitt beschreibt die Operationalisierung des Sozialkapitals und der Wahlbeteiligung in der vorliegenden Studie. Außerdem werden die verwendeten Datenquellen und die Methode der Datenerhebung erläutert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Themen Sozialkapital, Wahlbeteiligung, Problem kollektiven Handelns, europäische Regionen, Datenanalyse und empirische Forschung.
- Arbeit zitieren
- Christian Rauh (Autor:in), Roland Kappe (Autor:in), Antje Kirchner (Autor:in), 2006, Bowlen am Wahltag - Sozialkapital und Wahlbeteiligung in 94 europäischen Regionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70836