Die slawischen Nachbarn der Ottonen. Das politische, soziale und religiöse Leben der Slawen


Seminararbeit, 2006

25 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Ursprünge und Anfänge der Slawen
2.1 Theorien über die Urheimat der Slawen und ihre Wanderung
2.2 Slawische Stämme und Stammesgruppen an der Grenze zum Deutschen Reich

3. Entwicklungsstufen des gesellschaftlichen und politischen Lebens

4. Gesellschaft und politische Strukturen der Slawen

5. Slawische Götterwelt und heidnische Kulte
5.1 Die Bedeutung von Kultstätten und die sozial-politische Stellung der Priester
5.2 Heidnische Religion und christliche Mission – Das Deutsche Reich und der Osten

Literaturverzeichnis:

1. Einleitung

Die Ottonen regierten von 919 bis 1024 im ostfränkischen-deutschen Reich und seit 962 im römischen Imperium. An der Ostgrenze des Reiches, die sich von der Ostsee bis zur Adria erstreckte, hatte sich im 6. Jahrhundert ein Volk angesiedelt, dessen Herkunft unbekannt und dessen religiöser Glauben fremd und heidnisch war, und welches doch in den folgenden Jahrhunderten eine bedeutende Rolle in der christlichen Missions- und Expansionspolitik der mitteleuropäischen Staaten einnahm.

In dieser Arbeit gilt es, die gesellschaftlichen, politischen und religiösen Hintergründe der jenseits der Reichsgrenze lebenden slawischen Völkerschaften darzustellen und letztendlich in die Geschehnisse der Ottonischen Ostpolitik sinngemäß einzugliedern. Für diesen zeitlichen und geographischen Rahmen sind von daher die slawischen Völker der Elb- und Ostseestämme entscheidend. Dabei soll zunächst auf das kontrovers diskutierte Problem der slawischen Altertumskunde eingegangen werden, um sich so ein genaueres Bild über die Schwierigkeiten bei der Suche nach den urslawischen Anfängen zu machen. Des Weiteren sollen die Grundzüge der slawischen Stammesverfassung, die sozialen Strukturen und die gesellschafts-politischen Entwicklungen betrachtet werden. Zusammen mit den herrschenden religiösen Anschauungen, der hohen Bedeutung des Götterkultes, der führenden Stellung der Priesterkaste bildeten sie die gesellschaftlichen Gegebenheiten, die die Deutschen nach Einsetzen der christlichen Eroberungszüge im 10. Jahrhundert in den östlichen Gebieten vorfanden und größtenteils abzuschaffen versuchten.

Erst nach eingehender Betrachtung dieser Grundvoraussetzungen können einzelne Ereignisse, Entwicklungen und Zusammenhänge der langjährigen deutschen Ostpolitik miteinander in einen Kontext gesetzt werden.

2. Ursprünge und Anfänge der Slawen

Die Suche nach dem Ursprung und den Anfängen der Slawen in Mittel- und Osteuropa, ihrer sprachlichen und kulturellen Differenzierung, sowie ihrer politischen und geistigen Entwicklung bewirkte, aufgrund der Armut an historisch überlieferten Quellen bis zu dem Zeitpunkt ihres "plötzlichen" Eintritts in die europäische Geschichtsschreibung, ein ungewöhnliches Interesse bei Geisteswissenschaftlern unterschiedlichster Fachrichtungen. So beschäftigten sich Historiographen, Archäologen, Ethnologen, Anthropologen, Religionswissenschaftler und viele weitere bis zum heutigen Tag mit der Frage nach dem Ursprung der slawischen Stämme, der Urheimat und der ethnischen Zugehörigkeit dieses im 6. Jahrhundert aus dem "geschichtslosen Nichts"[1] auftauchenden Volkes. Der Name dieses Volkes war in der Antike noch völlig unbekannt. Wider Erwarten tauchte er dann allerdings nicht in zentral- oder osteuropäischen Quellen auf, sondern wurde erstmals in byzantinischen Schriften, unter anderem vom griechischen Autor Prokop von Kaisereia, im Verlauf des 6. nachchristlichen Jahrhunderts erwähnt.[2] Von daher hat sich dieses Jahrhundert auch als die "zeitliche Richtschnur slawischer Historizität"[3] in der Erforschung der Ethnogenese dieses Volkes etabliert.

Im Fränkischen Reich jedoch wurden die Slawen weiterhin bis weit in das 8. Jahrhundert nur geringfügig wahrgenommen. Erst gegen Mitte des 9. Jahrhunderts wurde mit Hilfe der heute als Bayerischen Geographen bezeichneten Aufzählung der Völker in septentrionalem plagnam Danubii[4] der Versuch unternommen, die Bewohner des riesigen Gebietes zwischen der Ostsee, der Wolga, dem Schwarzen Meer und der Donau jenseits der ostfränkischen Grenzen genauer zu erfassen.

2.1 Theorien über die Urheimat der Slawen und ihre Wanderung

Bei der Frage nach der Urheimat der Slawen ist grundsätzlich zwischen Urheimat und Ethnogenese zu unterscheiden.[5] Während letztere die ethnische Formierung, also die Loslösung und den Übergang von der indoeuropäischen in eine slawische Sprachengemeinschaft beschreibt,

bezieht sich die Suche nach der Urheimat auf das Ende dieses ethnogenetischen Prozesses in einem eigenen durch Siedlungsgebiete historisch nachweisbaren Lebensraum und somit auf längerer Sicht auf die Entwicklung hin zu einer stammesorganisatorischen und politischen Einheit. Wie bereits erläutert, weist die Erforschung des slawischen Ursprungs, aufgrund fehlender sicherer Hinweise darauf, einige kaum überwindbare Schwierigkeiten auf. Das unbekannte Gebiet, das sich zwischen den beiden europäischen Mächten des frühen Mittelalters, dem Frankenreich und dem Byzantinischen Reich, erstreckte, war von der zeitgenössischen Geschichtsschreibung stark vernachlässigt worden. So dass im Laufe der langjährigen Forschungsgeschichte zahlreiche Theorien über den Ursprung und das "Einwandern" der Slawen, die sich bis zum Ende des 9. Jahrhunderts bereits von der Ostsee bis zur Ägäis und zwischen Elbe und Dnjepr ausgebreitet hatten, aufgeworfen wurden. Es gilt in dieser Arbeit nicht, derartige wissenschaftliche Thesen darzustellen, gegenüberzustellen oder gar den Versuch zu unternehmen sie auszuwerten. Es soll lediglich, anhand eines knappen Umrisses einiger solcher Lokalisierungsversuche, das Problem der geographischen Zuordnung des slawischen Volkes demonstriert werden.

Heinrich Kunstmann stellt hierzu folgende Versionen vor. Bei der Westlichen Theorie[6], die überwiegend von westslawischen Historikern, Linguisten und Archäologen vertreten wird, werden die Urhabitate der Slawen weit nach Westen im Zentrum zwischen Oder und Weichsel angesiedelt, mehr oder weniger im Territorium des heutigen Polens, und verleihen somit ihrer Auffassung einer im Westen anzuordnende Urheimat einen stark autochthonen Charakter, abgeleitet von der Lehre der Alteingesessenheit der Slawen in Europa.

Die Östliche oder auch Große Version[7] wiederum setzt die Ostgrenze der slawischen Ursprünge bis an den oberen und mittleren Dnepr. Der tschechische Altertumsforscher L. Niederle verschob diese Grenze gar noch über den Dnepr hinaus bis zur mittleren Desna. In dieser Theorie, die bis in die 1960er Jahre weit verbreitet war, spielt also die nordwestliche Ukraine eine entscheidende Rolle beim Versuch, den Ursprung der urslawischen Verbreitung zu lokalisieren.

Unter Berücksichtigung der balto-slawischen Sprachverwandtschaft, richtet die Nordöstliche Version[8] ihren Kern auf das Gebiet zwischen Oder und Memel aus. Gestützt auf gewisse keltisch-finnische und keltisch-slawische Sprachkontakte, versuchten hier Wissenschaftler, die Urheimat der Slawen im nordwestlichen Russland im Bassin der Memel und der Düna anzusiedeln.

Auch wenn sie durch die europäischen mehrheitlich vertretenden Auffassungen in den Hintergrund gedrängt wurde, gilt es die Asiatische Version[9] ebenso in seinen groben Zügen darzustellen. Innerhalb dieser Version wird unter anderem eine Auffassung vertreten, wonach die Indoeuropäer, deren Ursitze in den vorderasiatischen Steppen vom Schwarzen Meer bis Kasachstan anzufinden sind, sich in zeitlich verschiedenen Wellen auf Europa zubewegt haben sollen. Im Zuge dieser Wanderungsphase der Germanen, Balten und Slawen haben sich letztere vom mittleren Dnepr zur Weichsel aufgemacht, um letztendlich die Oder zu erreichen.

In den neueren Auffassungen finden sich zahlreiche Widersprüche. Es werden Ansätze alter Denkmodelle aufgegriffen, neue Ansätze hinzugefügt, zeitliche Einteilungen verschoben, demographische Größenordnungen unterschiedlich berechnet und interpretiert, Wanderbewegungen immer wieder aufs neue lokalisiert und dargestellt und doch kann keine Einigkeit auf der Suche nach der Urheimat der Slawen erreicht werden. Je nach Ausrichtung des Schwerpunktes auf sprachliche oder archäologischer Überreste und deren Auswertungen, kommen die zahlreichen Linguisten, Archäologen, Anthropologen und Ethnologen zu verschiedenen Schlussfolgerungen. Geradezu unmöglich lassen sich diese Theorien über eine, in die zentral- und osteuropäischen Gebiete einwandernde Menschenmasse slawischen Ursprungs, mit der Tatsache vereinen, dass die Geschichtsschreibung kein Wort über diese Völkerschaften bis in das 6. Jahrhundert hinein verliert.[10]

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass trotz intensiver Untersuchung der historischen Quellen, der sprachlichen Beziehungen, der Archäologie an Siedlungs- und Kultstätten, Wissenschaftler oft gezwungen waren, Fragen unbeantwortet zu lassen, wenn sie nicht auf der Suche nach den Anfängen der slawischen Völkerschaften in widersprüchlichen Theorien enden wollten. Festzuhalten ist hier lediglich, dass laut dem Prager Archäologen Zdenek Vána, "die Urheimat nicht in entfernten Gebieten irgendwo im Kaukasus, in Mittelasien oder Sibirien zu suchen, …sondern auf dem europäischen Kontinent, in einem verhältnismäßig gut abgrenzbaren Bereich nördlich der Karpaten, in der westlichen Ukraine…, wo sich die baltischen, germanischen und iranischen Volksgruppen durchdrangen."[11] Des weiteren fügt er hinzu, dass "die Slawen nicht zu den schon im Altertum bekannten Völkern gehören – in jener Zeit existieren sie als eine gesonderte, selbstständige Volksgruppe noch nicht. Aus dem ursprünglich großen Ganzen der alteuropäischen Menschheit differenzieren sie sich als letzte heraus und erscheinen als entwickelter ethnischer Organismus erst im 6. Jahrhundert n. Chr., als auch ihr Name zum ersten Mal genannt wurde."[12] Es ist bisher nicht gelungen, den Ursprung altslawischer Kultur ausfindig zu machen, noch den zeitlichen Ablauf ihrer Wanderung und ihrer Besiedlung Osteuropas genauer ergründen zu können.

[...]


[1] Wittmann, 1998, S. 31

[2] vgl. hierzu Lübke in: Ottonische Neuanfänge, 2001, S. 113-114 sowie Kunstmann, 1996, S. 51

[3] Kunstmann, 1996, S. 51

[4] Lübke in: Ottonische Neuanfänge, 2001, S. 117

[5] Kunstmann, 1996, S. 58

[6] Kunstmann, 1996, S. 59-60

[7] Kunstmann, 1996, S. 60-61

[8] Kunstmann, 1996, S. 61-62

[9] Kunstmann, 1996, S. 62

[10] vgl. hierzu auch Linnenkohl, 1993, S. 8-9 über Angebliche Wege und Anzahl der sogenannten Slawen

[11] Vána, 1992, S. 19

[12] Ebenda.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die slawischen Nachbarn der Ottonen. Das politische, soziale und religiöse Leben der Slawen
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Historisches Institut, Lehrstuhl für Geschichte des Mittelalters)
Veranstaltung
Das Deutsche Reich zur Zeit der Ottonen
Note
2,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
25
Katalognummer
V70910
ISBN (eBook)
9783638626842
ISBN (Buch)
9783638674768
Dateigröße
466 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Nachbarn, Ottonen, Leben, Slawen, Deutsche, Reich, Zeit, Ottonen
Arbeit zitieren
Sarah Rehberg (Autor:in), 2006, Die slawischen Nachbarn der Ottonen. Das politische, soziale und religiöse Leben der Slawen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70910

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