Die Arbeit thematisiert das Verhalten der Super Nanny Katja Saalfrank innerhalb des von RTL ausgestrahlten TV Formats Die Super Nanny. Um Ansatzpunkte zur Beurteilung ihrer Vorgehensweise zu finden, erweisen sich die Forschungsergebnisse von Tausch und Tausch als geeignet, da die Erkenntnisse aus der Erziehungspsychologie sich bewährt haben und von einer Reihe anderer Wissenschaftler bestätigt wurden. Ziel der Untersuchungen ist es, öffentliche Vorwürfe in der Debatte um die Super Nanny zu verifizieren oder zu widerlegen.
Um ihr Erziehungskonzept theoretisch einzuordnen und ihre konkret in der Sendung geäußerten Ratschläge den Eltern gegenüber zu bewerten, werden die beiden Lerntheorien Operante Konditionierung sowie Lernen am Modell ebenso beschrieben wie kontextbezogen evaluiert. Die Erziehungsmethoden, welche von Katja Saalfrank in der Sendung angewendet werden, werden anhand einer Beispielfolge aufgezeigt und mit Hilfe des zuvor erarbeiteten Materials bewertet. Weder die Gefahren der empfohlenen Konditionierungsmethoden noch die der starken Machtausübung der Eltern werden von der Sendung berücksichtigt. Wenige als positiv zu beurteilende Elemente wiegen den bedenklichen und wenig entwicklungsförderlichen Umgang mit den Kindern nicht auf. Das Urteil für die TV-Show fällt deutlich negativ aus und kann die zahlreiche Kritik, unter Anderem des Deutschen Kinderschutzbundes oder auch der Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie, stützen.
Inhalt
Einleitung
1. Das Super Nanny Konzept – wer oder was ist die Super Nanny?
2. Elternverhalten und intrafamiliäre Interaktionen
- warum sie in der Erziehung so wichtig sind
2.1. Psychosoziale Grundwerte menschlichen Zusammenlebens nach Tausch und Tausch
2.2. Förderliche Haltungs- und Verhaltensdimensionen nach Tausch und Tausch
2.3. Lerntheorien
2.3.1. Behavioristisches Lernen
– die operante Konditionierung
2.3.2. Soziales Lernen
– Lernen am Modell
2.3.3. Vorzüge des Lernens am Modell verglichen mit operanter Konditionierung
3. Das Verhalten der Super Nanny in Interaktion mit den Familien (am Beispiel der Familie Wedlich)
3.1. Welche Methoden empfiehlt die Super Nanny den Eltern zum Umgang mit den Kindern?
3.2. Welche Aktionen widersprechen den von Tausch und Tausch empfohlenen förderlichen Haltungs – und Verhaltensdimensionen und welche sprechen dafür?
3.2.1. Die erste Dimension – Achtung, Wärme, Rücksichtnahme
3.2.2. Die zweite Dimension – vollständig einfühlendes Verstehen
3.2.3. Die dritte Dimension – Echtheit, Übereinstimmung und Aufrichtigkeit
3.2.4. Die vierte Dimension – fördernde nicht-dirigierende Tätigkeiten
4. Fazit
Quellenverzeichnis
Einleitung
Seit der Erstausstrahlung am 19.09.2004 zählt die Doku-Soap „die Super Nanny“ immer noch zum wöchentlichen Abendprogramm von RTL, und ebenso wenig wie die Popularität, hat die Debatte um das dahinter stehende Format nicht nachgelassen. Es wurden zahlreiche kritische Stimmen laut, unter anderem vom Deutschen Kinderschutzbund (DKSB) oder auch von der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF). Diese kritisieren vor allem die Zur-Schau-Stellung der Kinder, welche durch eine Ausstrahlung des aufgezeichneten und mit Sicherheit auch publikumsorientiert zugeschnittenen Materials Schaden nehmen können oder diese im Nachhinein möglicherweise nicht befürworten würden. Die Sendung „verletzte […] grundlegende ethische Maßstäbe, wenn Kinder in der gezeigten Form „vorgeführt“ würden“[1], so der DGSF. Ebenso werden die Erziehungsmethoden der Super Nanny als „Gehorsamkeitserziehung und Disziplinierung“[2] beschrieben, welche unter den Begriff des autoritären Erziehungsstils zu fassen sind[3] und sich vielen Methoden der Konditionierung, unter anderem der Bestrafung, bedienen[4].
Doch inwieweit verhält sie sich die Super Nanny innerhalb der im Fernsehen ausgestrahlten Szenen in der Interaktion mit den Eltern und Kindern wirklich? Wie agiert sie als Pädagogin? Zu welcher Art Erziehung rät sie den Eltern?
Mit dem Versuch, diese Fragen zu beantworten oder zumindest Einstiege in eine umfangreichere Analyse des pädagogischen Verhaltens der Super Nanny zu geben, befasst sich diese Arbeit.
Das erste Kapitel erläutert das Konzept der Sendung, dazu gehören sowohl der strukturelle Aufbau, als auch der genaue Inhalt sowie das Ziel, welches durch RTL auf der sendereigenen Homepage formuliert wird.
Im darauf folgenden Kapitel wird die Wichtigkeit gesunder Interaktionsprozesse innerhalb der Familie erläutert, sowie ihre Wirkung auf die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern. Ebenso wird verdeutlicht, welche Vorzüge das Lernen am Modell als soziale Lernform im Vergleich zu behavioristischen Lerntheorien wie dem operanten Lernen hat.
Das dritte Kapitel versucht die vorliegenden Interaktionen zwischen der Super Nanny Katja Saalfrank und der von ihr besuchten Familie anhand einer ausgewählten Beispielfolge zu beschreiben, und mit den in Kapitel zwei genannten förderlichen Aspekten zu vergleichen. Ähnlichkeiten und Widersprüche werden aufgezeigt und mit Lerntheorien in Verbindung gebracht.
Abschließend wird ein Fazit zu der eingangs gestellten Fragestellung gezogen, sowie erläutert, wo eventuell Probleme durch diese Art der Erziehungsberatung entstehen können.
1. Das Super Nanny Konzept – wer oder was ist die Super Nanny?
Das TV Format der Super Nanny des Fernsehsenders RTL hat ein recht einfaches Konzept. Die vierfache Mutter und ausgebildete Diplom- Pädagogin Katja Saalfrank alias „die Super Nanny“ versucht mit direkten Erziehungstipps, Übungen und Gesprächen, einer Familie mit verschiedenen Problemen zu helfen.
Um sich zuerst ein Bild von eben diesen Problemen zu verschaffen, zieht sie bei der Familie ein und beobachtet die Interaktionen und das Verhalten der Familienmitglieder genau. Ebenso erarbeitet sie mehr oder weniger gemeinsam mit der gesamten Familie einen Vorgehensplan, der sowohl die Wünsche und Verbesserungsvorschläge der einzelnen Familienmitglieder selbst, als auch ihre eigenen Verhaltensvorgaben berücksichtigt. Anhand dieses Plans werden die Regeln von den Teilnehmern gemeinsam mit Katja Saalfrank eingeübt und immer wieder in Gesprächen thematisiert und durch Hinweise ihrerseits wiederholt. Für diese Analyse und das anschließende Training plant der Sender eine Woche Zeit ein. Im Anschluss daran sollten die Veränderungen immerhin schon so gut verinnerlicht worden sein, dass die Familie nun weitere sieben Tage Zeit hat, alleine fortzuführen, was sie gelernt hat. Um abschließend zu bewerten, wie gut oder schlecht die Familie das Erlernte umgesetzt hat und wo weiterhin Defizite bestehen, kehrt die Super Nanny noch einmal in das zu Hause und den Alltag der Familie zurück und äußert Lob oder auch abschließende Ratschläge[5].
Problem- sowie Ursachenanalyse durch Beobachtung, Verhaltenstraining und Evaluation in drei Wochen Realzeit und knapp 60 Minuten Sendezeit inklusive Werbeunterbrechungen. Ein klares Konzept, von dem viele Kritiker behaupten, es sei in erster Linie dazu da, die Zuschauer mit den vermeintlichen Problemkindern zu unterhalten, statt ernsthafte Erziehungshilfe zu gewährleisten.
Die Familien, die an der Doku-Soap teilnehmen, müssen sich zuvor bei RTL bewerben und ein unbekanntes Auswahlverfahren mit ebenso unbekannten Kriterien durchlaufen. Laut RTL hat die Sendung jedenfalls das Ziel, Familien mit Problemen eine direkte Anlaufstelle zu bieten, aber auch dem Fernsehpublikum „anhand von unterschiedlichen Fällen Lösungsansätze für Probleme in der eigenen Familie aufzeigen“[6]. Doch schon die Titel der Sendungen wie zum Beispiel „Kleiner Pascha: Marcel lässt alle nach seiner Pfeife tanzen“ oder „Null-Bock-Stimmung: Daniel hängt durch und terrorisiert alle“[7] klingen weniger nach seriöser Dokumentation, als viel mehr nach theatralischer Soap.
Doch unabhängig davon, wer nun grundsätzlich Recht hat - ob RTL oder die Kritiker der Sendung - wird von dem Sender der Anspruch erhoben, „eine fundierte Analyse, Besprechung der Erziehungssituation und eine individuelle pädagogische Beratung für die Eltern“[8] zu gewährleisten, welche von Katja Saalfrank durchgeführt werden. Somit übernimmt sie innerhalb dieses Formats die Rolle einer Erziehungsberaterin während einer intensiven und öffentlichen Interaktion mit einer Familie.
2. Elternverhalten und intrafamiliäre Interaktionen - warum diese in der Erziehung so wichtig sind
„Ziel der Erziehung selbst wird es in jedem Fall sein, daß der Zögling […] in die Lage versetzt wird, die Ziele seines Lebens selbstbegründet zu entwerfen und entsprechend zu realisieren.“[9]
Somit steht die Förderung der Persönlichkeit eines Kindes im Vordergrund, da nur so sichergestellt werden kann, das oben beschriebene Erziehungsziel zu erreichen. Es gibt zahlreiche Umweltbedingungen, die Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen nehmen, wobei die Psychologen Tausch und Tausch den Mitmensch als die „wesentlichste Umweltbedingung“[10] beschreiben. „Die persönliche Beziehung zum Mitmenschen ist die entscheidende Umwelt.“[11] Daher sind die sozialen Kontakte von Heranwachsenden die wichtigste Quelle sowohl von entwicklungsförderlichen als auch von beeinträchtigenden Erfahrungen. Da diese vor allem in jungen Jahren größtenteils innerhalb der Familie stattfinden und die Eltern auch danach nicht aus dem Alltag der Kinder verschwinden, sondern lediglich in den Hintergrund treten neben peer-goups und Bildungsinstitutionen gilt es, der intrafamiliären Interaktion und der Beziehung zwischen Eltern und Kindern besondere Beachtung zu schenken. Die Erziehungssituation als solche spielt für Tausch und Tausch eine eher untergeordnete Rolle. Demnach „wird der Begriff ´Erziehung` weitgehend entbehrlich“[12], und Verhalten orientiert an bestimmten psychosozialen Grundwerten tritt an die frei gewordene Stelle[13]. Dies lässt sich auch auf Lernprozesse übertragen, die aufseiten der Kinder stattfinden. Statt durch bewusstes Eingreifen in Situationen und Konditionierungsmethoden, sollten sich Kinder hier vor allem durch Lernen am Modell sozial wünschenswertes und förderliches Verhalten aneignen.
[...]
[1] http://www.dgsf.org/meldungen/News_Item.2005-01-06.1859256699
[2] http://www.kinderschutzbund-nrw.de/StellungnahmeSuperNanny.htm
[3] Vgl. ebd.
[4] Vgl. http://bildungsklick.de/a/13098/keine-patentrezepte-gegen-kleine-monster/
[5] Vgl. http://www.rtl.de/ratgeber/familie_874387.php
[6] http://www.rtl.de/ratgeber/familie_874467.php
[7] http://www.rtl.de/ratgeber/familie_876804.php
[8] http://www.rtl.de/ratgeber/familie_874467.php
[9] Böhm, W.: Wörterbuch der Pädagogik. Stuttgart 152000, S.160
[10] Tausch, R. und Tausch, A.-M.: Erziehungspsychologie. Begegnung von Person zu Person. Göttingen 111998, S.12
[11] Ebd., S.13
[12] Ebd., S.20
[13] Vgl. ebd., S.20
- Arbeit zitieren
- Christina Menge (Autor:in), 2006, Das Verhalten der Super-Nanny als Pädagogin im Kontext von Erkenntnissen der pädagogischen Psychologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71081
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.