Zwischen Inklusion und Exklusion. Aufgaben und Funktion Sozialer Arbeit in der Moderne aus systemtheoretischer Sicht


Hausarbeit, 2006

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundzüge der Systemtheorie
2.1 Die Luhmann’sche Systemtheorie
2.1.1 Differenzierung zwischen System und Umwelt
2.1.2 Komplexität und Kontingenz
2.1.3 Funktionssysteme der Moderne
2.2 Verständnis von Inklusion und Exklusion

3. Die Soziale Arbeit der Moderne
3.1 Funktion der Sozialen Arbeit
3.1.1 Der Code der Sozialen Arbeit
3.2 Aufgaben der Sozialen Arbeit
3.2.1 Soziale Arbeit und Selbstorganisation

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass Soziale Arbeit mit abweichendem Verhalten und den Folgen von sozialen Problemen zu tun hat. Mit der Sozialen Arbeit verfügt die moderne Gesellschaft über ein Mittel, auf Problemlagen, die die gesellschaftlichen Systeme (auf welche Weise auch immer) hervorbringen, zu reagieren. Ich möchte in der vorliegenden Hausarbeit die Fragestellungen verfolgen, welche Aufgaben und Funktionen der „Sozialen Arbeit der Moderne“ aus einer systemtheoretischen Perspektive zukommt.

Niklas Luhmann (auch andere Vertreter folgen dieser Ansicht) beschreibt die moderne Gesellschaft als eine funktional differenzierte Gesellschaft, die sich in unterschiedliche, selbstreferentielle Systeme wie Wirtschaft, Politik, Recht, Wissenschaft, Religion etc. auszeichnet. Mit der Umstellung von einer stratifizierten zu einer funktional differenzierten Gesellschaft entstanden gleichzeitig auch gesellschaftsstrukturelle Problemlagen und Konflikte, die mit Ausschluss aus den Systemen und Teilhabebedingungen in die Systeme verbunden sind. Vor diesem Hintergrund kommt der Sozialen Arbeit die Funktion zu, sich um derart schwierige Inklusions- und Exklusionsverhältnisse zu „kümmern“. Jedoch, welches Verständnis liegt diesen Begriffen zugrunde? Unter welchen Bedingungen wird jemand inkludiert bzw. exkludiert? Was bedeutet es subsidiär der Inklusions- und Exklusionsproblematik zu begegnen? Derartige Fragen sollen Gegenstand dieser Hausarbeit sein.

In den vergangenen Jahren lässt sich eine breite fachliche Auseinandersetzung darüber beobachten, welche systemtheoretische Funktion der Sozialen Arbeit in der modernen Gesellschaft zukommt:

Während Dirk Baecker (vgl. Baecker 1994) die These verfolgt, dass sich die Soziale Arbeit als gesellschaftliches Funktionssystem ausweisen lässt, das Inklusionsprobleme betreut, bearbeitet und zu lösen versucht, sehen Michael Bommes und Albert Scherr (vgl. Bommes / Scherr 1996) die Soziale Arbeit lediglich auf einer Ebene von Organisationen (und nicht als Funktionssystem) angelegt, auf der es um Exklusionsvermeidung, Inklusionsvermittlung und / oder Exklusionsverwaltung im Sinne von Hilfeleistung geht. Peter Fuchs und Dietrich Schneider (vgl. Fuchs / Schneider 1995) hingegen beschreiben die Soziale Arbeit als sekundäres Funktionssystem, das sich der primären Funktionssysteme ausdifferenziert um so Exklusionen entgegen wirken zu können. Hier wird ersichtlich welche Divergenz die Theorien um die Soziale Arbeit aufzuweisen haben.

Ich möchte mir im Rahmen der vorliegenden Hausarbeit nicht anmaßen, den Komplex der Sozialen Arbeit dahingehend zu durchleuchten, ob sie sich als eigenständiges Funktionssystem ausweisen lässt oder nicht. Jedoch kann dieser komplizierte Sachverhalt in meinen Ausarbeitungen nicht außen vor bleiben. Will man das Feld der Sozialen Arbeit systemtheoretisch durchleuchten, so kommt man nicht umhin, die Soziale Arbeit zumindest als systemähnliches Gebilde zu betrachten.

Ich stütze mich theoretisch vor allem, jedoch nicht ausschließlich, auf die Luhmann’sche Systemtheorie, in der er u. a. Inklusions- und Exklusionsmodi in funktional differenzierten Gesellschaften analysiert. Zumal sein Ansatz auch die grundlegende Erklärungs- und Aussagekraft besitzt, um Eigenschaften und Funktionsweisen von Systemen darzulegen.

Diesbezüglich reiße ich im zweiten Kapitel die „allgemeine“ und Luhmanns Systemtheorie in ihren Grundzügen an und setze mich mit den Begrifflichkeiten der Inklusion und Exklusion auseinander.

Im dritten Kapitel gehe in Anlehnung an Luhmann auf den Gegenstand, die Aufgaben und die Funktion Sozialer Arbeit in der funktional differenzierten Gesellschaft ein. Im abschließenden vierten Kapitel führe ich die Ergebnisse meiner Ausarbeitungen noch einmal kurz zu einem Fazit zusammen.

2. Grundzüge der Systemtheorie

Die allgemeine Systemtheorie kann als interdisziplinäres Instrument verstanden werden, welches das Verhalten komplexer Systeme untersucht, beschreibt und zu erklären versucht. Unterschiedliche Typen von Systemen haben im Rahmen wissenschaftlicher Disziplinen die Systemtheorie zum Gegenstand ihrer Forschung gemacht. So untersucht z. B. die Biologie organische Systeme, die Psychologie psychische Systeme und die Soziologie soziale Systeme. Die (gemeinsame) allgemeine Systemtheorie ermöglicht dabei den einzelnen Systemen, dass interdisziplinäre Lernprozesse zustande kommen und ebnet ihnen den Weg zur Anschlussfähigkeit. Wichtig hierbei ist eine Respezifizierung der Begriffsimporte zu wahren, um eine begriffliche Eindeutigkeit, für das jeweilige System selbst, sicherzustellen (vgl. Hohm 2000, 16).

Ein System lässt sich lapidar u. a. so definieren, dass es sich von seiner Umwelt abgrenzen können muss, um sich selbst als System legitimieren zu können. „Entscheidend für die Identifikation und Abgrenzung der jeweiligen Systeme voneinander ist folglich die Bestimmung der Letztelemente, mit deren Hilfe sich die einzelnen Systemen [Orthografiefehler übernommen, d. Verf.] reproduzieren und gegenüber ihrer jeweiligen Umwelt unterscheiden.“ (Hohm 2000, 16) Luhmann spricht hierbei von selbstreferentiellen und autopoietischen Systemen, auf deren Bedeutung ich später noch näher eingehe. Darüber hinaus skizziere ich auch die Differenzierung zwischen System und Umwelt; also die Abhängigkeit der Systeme voneinander.

In diesem Sinne beschreibt die Kommunikation die Letztelemente der sozialen Systeme. Geht man also davon aus, dass sich soziale Systeme aufgrund ihrer (wie auch immer gearteten) Kommunikation reproduzieren, lassen sie sich demnach nicht auf andere Systeme zurückführen. Die jeweiligen Systeme scheinen in sich geschlossen zu sein und erhalten sich selbstständig. Und dennoch sind sie voneinander abhängig, indem sie sich von ihrer Umwelt differenzieren müssen, um sich als System ausweisen zu können. Die jeweiligen, interdependenten Systeme beeinflussen sich also gegenseitig insofern, dass z. B. psychische Systeme ihre „Möglichkeiten des Verstehens“ den sozialen Systemen zur Verfügung stellen, wodurch eine Sozialisierung von Individuen innerhalb der sozialen Systeme überhaupt erst ermöglicht wird. Hier wird also deutlich, dass andere Systeme an der Kommunikation sozialer Systeme beeinflussend beteiligt sind (vgl. Hohm 2000, 17).

2.1 Die Luhmann’sche Systemtheorie

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, beziehe ich mich im Sinne der Funktionssysteme der modernen Gesellschaft auf die klassische Systemtheorie nach Luhmann. Die moderne Gesellschaft als funktional differenzierte Gesellschaft auszuweisen scheint sich in der einschlägigen Wissenschaft als wahres Differenzierungsparadigma etabliert zu haben. Luhmann hat bereits in den 1960er Jahren seine ersten systemtheoretischen Schriften in Abgrenzung von dem struktur-funktionalistischen Ansatz von Parsons verfasst. Parsons’ Ansätze können in der Soziologie als erste Systemtheorie verstanden werden. Parsons’ Theorie besagt, dass die gesellschaftliche Integration nach normativen Mustern verläuft. Analog zu Parsons geht auch Durkheim von einem Vorhandensein gleicher Werte aus. Durch gesellschaftlich normierte zwischenmenschliche Konstellationen, so Parsons’ Grundposition, wird die Vielfalt möglicher Orientierungen eingeschränkt. Intersubjektiv anerkannte Normen führen dann zur gelungenen Integration. Die Integration geschieht demnach nicht über Differenzierungen, sondern über Gleichheit und Homogenität. Dieses Konzept basiert somit auf der Ausgrenzung derer, die sich nicht mit den gesellschaftlich anerkannten Normen identifizieren (können). Grundvoraussetzung für eine gelungene Integration sind ein anerkanntes Wertedach und stabile, auf Werten basierende Beziehungsmuster (vgl. Kiss 1990, 78). Nach Parsons ist also das Organisationsprinzip der (sozialen) Systeme vom Kultursystem und von dessen zentralen Werten abhängig. Wobei die Funktionalität solcher Systeme abhängig von einem gemeinsamen Wertekanon ist. An diesem Punkt setzt Luhmann seine Kritik am Strukturfunktionalismus an:

„Es sei unrealistisch anzunehmen, dass die Teilsysteme […] sich in ihrer Strukturwahl ausschließlich an gesamtgesellschaftlichen Erfordernissen und Werten orientieren; dies gelte vor allem für moderne Gesellschaften, deren Funktionsweise durch wachsende Autonomisierung der Subsysteme gekennzeichnet ist.“ (Kiss 1990, 82)

Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Systemtheoretikern liegt demnach darin begründet, dass nach Parsons die Systembildung durch Gleichheit erzielt wird, während sie den Thesen Luhmanns folgend durch Differenzierung geschieht.

2.1.1 Differenzierung zwischen System und Umwelt

Vor der „autopoietischen Wende“ beschreibt Luhmann soziale Systeme als einen Handlungszusammenhang, in dem Handlungen mehrerer Personen sinnhaft aufeinander bezogen werden, um sich so von der nichtdazugehörigen Umwelt abgrenzen zu können. Luhmann hat seine Systemtheorie ständig weiterentwickelt, und mit der Zeit rückten immer mehr selbstreferentielle Prozesse in den Vordergrund seines Verständnisses von sozialen Systemen. Nach der „autopoietischen Wende“ kommt demnach ein soziales System zustande, wenn ein autopoietischer Zusammenhang entsteht und sich durch geeignete Kommunikation von der Umwelt abgrenzt. Ein soziales System besteht also nicht (mehr) aus handelnden Menschen, sondern aus Kommunikationen und deren Zusammenhänge (vgl. Kiss 1990, 30ff.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Zwischen Inklusion und Exklusion. Aufgaben und Funktion Sozialer Arbeit in der Moderne aus systemtheoretischer Sicht
Hochschule
Hochschule Esslingen
Veranstaltung
Wissenschaft der Sozialen Arbeit
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V71185
ISBN (eBook)
9783638631136
ISBN (Buch)
9783638769334
Dateigröße
485 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zwischen, Inklusion, Exklusion, Aufgaben, Funktion, Sozialer, Arbeit, Moderne, Sicht, Wissenschaft, Sozialen
Arbeit zitieren
Robert Njari (Autor:in), 2006, Zwischen Inklusion und Exklusion. Aufgaben und Funktion Sozialer Arbeit in der Moderne aus systemtheoretischer Sicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71185

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