Fallbeispiele aus der interkulturellen Kommunikationspraxis


Seminararbeit, 2006

28 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Lernziele der interkulturellen Kompetenz
2.1. Deutsche Alltagssituationen aus japanischer Perspektive
2.1.1. Beispiel 1 – Unfreundlichkeit im Verkaufsgespräch
2.1.2. Beispiel 2 – Ein aufregendes Seminar
2.1.3. Beispiel 3 – Ein langweiliges Seminar
2.2. Kritische Schlussbetrachtung

3. Unterschiede in der Gesichtswahrung
3.1. Face Works
3.2. Das chinesische mien-tzu und das japanische mentsu
3.3. Kritische Schlussbetrachtung

4. Resümee

5. Quellenangaben

1. Einführung

Die vorliegende Arbeit zum Thema Fallbeispiele aus der interkulturellen Kommunikationspraxis wurde im Rahmen des Hauptseminars Kommunikationstheoretische Grundlagen interkultureller Kommunikation auf der Grundlage von zwei Aufsätzen verfasst: Learning Objectives in Intercultural Competence. Decoding German Everyday Knowledge from a Japanese Perspective von dem Professor für Interkulturelle Kommunikation an der Ludwig-Maximilians-Universität München Dr. Alois Moosmüller und Differences in the Perception of Face. Chinese Mien-Tzu and Japanese Mentsu von Kiyoko Suedo, einer Lehrbeauftragten der Kommunikationswissenschaften an der Hokusei Gakuen Universität in Sapporo, Japan. Alois Moosmüller beschäftigt sich in seinem Aufsatz anhand von drei Beispielen mit deutschem Alltagsverhalten[1] und behandelt dieses aus deutscher und japanischer Perspektive. Ziel war es, den Blick auf kulturspezifische Denk- und Verhaltensmuster zu lenken, die sich hinter den beschriebenen Situationen verbergen.

Der Aufsatz von Kiyoko Suedo basiert auf Interviews, die mit Chinesen, Japanern und einem Amerikaner durchgeführt wurden und das Konzept der Gesichtswahrung in China und Japan fokussieren. Es werden Unterschiede des kulturspezifischen Konzepts des face aufgezeigt und auf die daraus resultierenden Kommunikationskonflikte hingewiesen.

Aufgrund der unterschiedlichen Themen der vorliegenden Aufsätze ist diese Hauptseminararbeit zweigeteilt. Kapitel 2 wurde auf Grundlage des Aufsatzes von Alois Moosmüller verfasst und beschäftigt sich einleitend mit dem Konzept der interkulturellen Kompetenz. Die drei Beispielsituationen werden einleitend geschildert und dann aus japanischer und deutscher Perspektive interpretiert. Es folgt eine abschließende kritische Stellungnahme. Kapitel 3 basiert auf dem Aufsatz von Kiyoko Suedo und behandelt die Unterschiede der Gesichtswahrung in China und Japan. Anschließend werden die Begriffe mien-tzu und mentsu erläutert. Es werden die in der Studie gefundenen Unterschiede erklärt und anschließend kritisch dokumentiert. Kapitel 4 fasst die gewonnen Ergebnisse zusammen. Die vorliegende Hausarbeit hinterfragt die Gültigkeit der vorgestellten Studie bzw. der Interviews kritisch und artikuliert einige – nach Meinung der Verfasserin dieser Arbeit – notwendigen Verbesserungsvorschläge und Anregungen.

2. Lernziele der interkulturellen Kompetenz

Auslandseinsätze und Austauschsemester sind im Zeitalter zunehmender Internationalisierung und Globalisierung keine Ausnahme mehr. Daher wird interkulturelle Kompetenz im heutigen Berufsleben als Schlüsselkompetenz angesehen und interkulturellem Training zur Förderung interkultureller Kompetenz wird neben den sprachlichen und organisatorischen Aspekten des Auslandsaufenthaltes immer mehr Bedeutung eingeräumt. Doch was ist interkulturelle Kompetenz überhaupt und was passiert, wenn diese fehlt? Interkulturelle Kompetenz, so erklärt der Leiter des Instituts für Psychologie ­– Abteilung für Sozial- und Organisationspsychologie – der Universität Regensburg, Prof. Dr. Alexander Thomas, ist die

„[...] Fähigkeit, kulturelle Bedingungen und Einflussfaktoren im Wahrnehmen, Urteilen, Empfinden und Handeln bei sich selbst und bei anderen Personen zu erfassen, zu respektieren, zu würdigen und produktiv zu nutzen [...].” (Thomas 2003: 7).

Fehlt die interkulturelle Kompetenz, so kann ein Auslandsaufenthalt schnell zur Qual werden, da man nicht mit der neuen Sozialisation umzugehen weiß, man sich nur an eigenkulturellen Normen, Werten und Bewertungsmaßstäben orientiert und es zu Fehlreaktionen, Missverständnissen und der Bildung von Stereotypen kommt. Alltägliche, kleinere Hindernisse werden zu unüberwindbaren Hürden und erklärte Ziele werden nicht erreicht. (vgl. Moosmüller 1995: 191 ff.)[2].

In dem Artikel Learning Objectives in Intercultural Competence. Decoding German Everyday Knowledge from a Japanese Perspective beschäftigt sich Alois Mooshammer mit der Frage, welches Wissen japanischen Studenten und Forschern, die einen mindestens einjährigen Aufenthalt in Deutschland planten, helfen könnte, die für sie unbekannten deutschen Alltagssituationen zu meistern und ein erfolgreiches Handeln im Berufs- und Privatleben zu gewähren. Die vorgegebenen Situationen sind zwar recht konkret im beschriebenen Sachverhalt, doch wenn man die Wurzeln bzw. Denk- und Handlungsmuster versteht, die sich hinter dem Verhalten verbergen, kann dieses Wissen auf ähnliche Situationen angewandt werden. Bei der Interpretation der Situationen handelt es sich weder um endgültige Ergebnisse noch um eine objektive Betrachtungsweise, da die ermittelten Verhaltens- und Denkmuster von der jeweiligen kulturellen Perspektive abhängen. Moosmüller möchte den Leser dazu anregen die gewonnen Ergebnisse zu überprüfen, mit den eigenen Erfahrungen abzugleichen und gegebenenfalls zu ändern.

2.1. Deutsche Alltagssituationen aus japanischer Perspektive

2.1.1. Beispiel 1 – Unfreundlichkeit im Verkaufsgespräch

Ein Stammkunde eines großen Kaufhauses fährt wie immer in den 3. Stock, um sich Schreibwaren zu kaufen. Die Abteilung wurde jedoch ohne sein Wissen in den 4. Stock verlegt. Er geht auf zwei, sich unterhaltende Verkäuferinnen zu und fragt: „Entschuldigen sie, wo finde ich die Schreibwarenabteilung?“ Statt einer Antwort wendet sich die eine Verkäuferin der anderen zu und sagt: „Siehst du, so geht es schon den ganzen Tag.“ Der Kunde dreht sich ohne ein weiteres Wort um und verlässt das Kaufhaus.

Interpretation:

Obwohl Unfreundlichkeit in deutschen Verkaufs- bzw. Kaufgesprächen nicht die Regel ist, kann sie durchaus vorkommen. In dem hier geschilderten Fall wird die Unfreundlichkeit der Verkäuferinnen durch die Unterbrechung der Konversation durch einen Dritten ausgelöst. Es kommt die Frage auf, ob sich der Kunde unangemessen den Verkäuferinnen gegenüber verhalten hat. Der in der Situation beschriebene Kunde hat das Gespräch der Verkäuferinnen unterbrochen und mit dem einleitenden „Entschuldigen Sie…“ deren Dienstverhältnis betont. Dieses herablassende Verhalten des Kunden, der die Verkäuferinnen auf ihren Beruf reduziert, verärgerte diese. Ein angemessener einleitender Satz wäre gewesen: „Darf ich Sie kurz unterbrechen?“, da es den Verkäuferinnen Respekt entgegengebracht und ihnen die Option gegeben hätte, ihm zu vermitteln, dass er sich noch eine Sekunde gedulden soll.

Aus japanischer Sicht ist es völlig absurd die Schuld für das Verhalten der Verkäuferinnen beim Kunden zu suchen, da in Japan großer Wert auf Kundenorientiertheit gelegt wird und die Rolle der Verkäuferin ohne Zweifel die einer Bediensteten ist, die sich dem Kunden unterzuordnen hat und die Unterhaltung beenden muss, sobald ein Kunde einen Wunsch äußert. Hier ist es der Kunde, der die Macht hat.

Dieses Verhalten basiert auf einer klar definierten, allgemein akzeptierten Hierarchie, die zu einer positiven Einstellung zwischen Bediensteten und Bedienten führt.

In Deutschland hingegen verhält es sich gegensätzlich. Hier hat der, der die Waren besitzt die Macht und es überwiegt der so genannte authorization pressure. Das heißt, dass der Status einer Person generell angezweifelt wird und derjenige, der die Macht innehat, beweisen muss, dass er sie verdient hat. Deutsche haben generell Probleme sich bzw. ihren Status im Vergleich zum Partner auf eine niedrigere Ebene zu stellen. Daher werden oft Sprechakte benutzt, die gegebene Machtstrukturen verstecken oder kompensieren und eine ­– ob imaginäre oder reale ­– Gleichheit erzeugen sollen. Allerdings ist das deutsche Streben nach Gleichheit in der Kommunikation sehr asymmetrisch, da derjenige, der den höheren Status innehat, geneigt ist, die Ungleichheit beizubehalten, während der niedriger Gestellte darum bemüht ist, die Ungleichheit zu reduzieren. Daher birgt die Kommunikation, die sich um Machtverhältnisse dreht, in Deutschland häufig Konfliktpotential.

Abgesehen von den unterschiedlichen Machtstrukturen in Japan und Deutschland sind zur Interpretation des gegebenen Sachverhalts weitere Aspekte heranzuziehen. Von entscheidender Bedeutung ist hier die unterschiedliche Einstellung zum Beruf. Alois Moosmüller bietet in seinem Aufsatz einen bildlichen Vergleich an: Während Japaner den Beruf als massenproduziertes Kleidungsstück ansehen, das jeder Zeit an- bzw. ausgezogen und ebenso von anderen getragen werden kann, sehen Deutsche ihren Beruf als maßgeschneiderten, eng anliegenden Anzug, der von keinem anderen getragen werden kann. Der Beruf ist sozusagen die zweite Haut des Deutschen, der sich über seinen Beruf definiert. Daraus leitet Moosmüller ab, dass Deutsche, die beruflich die Stellung eines Bediensteten einnehmen Risiko laufen, diese Stellung auch im Privatleben einzunehmen. In Japan aber tritt die Privatperson im Berufsleben in den Hintergrund; somit kann sich die Person mehr Distanz zu der Rolle verschaffen und sich stärker an den gesellschaftlichen Erwartungen hinsichtlich dieser Rolle orientieren.

[...]


[1] Ich möchte darauf hinweisen, dass ich mir durchaus darüber bewusst bin, dass es sehr problematisch ist, solch plakative Verallgemeinerungen zu verwenden, doch um die vorliegenden Aufsätze wiederzugeben, sind Verallgemeinerungen unumgänglich und dem Leser sollte klar sein, dass es sich hier um Tendenzen und nicht um kategorische Unterschiede handelt.

[2] Sofern nicht anders angegeben, basieren die folgenden Ausführungen auf dem Aufsatz von Alois Moosmüller.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Fallbeispiele aus der interkulturellen Kommunikationspraxis
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Veranstaltung
Kommunikationstheoretische Grundlagen interkultureller Kommunikation
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
28
Katalognummer
V71207
ISBN (eBook)
9783638628464
ISBN (Buch)
9783656068075
Dateigröße
481 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fallbeispiele, Kommunikationspraxis, Kommunikationstheoretische, Grundlagen, Kommunikation
Arbeit zitieren
Simone Zimmermann (Autor:in), 2006, Fallbeispiele aus der interkulturellen Kommunikationspraxis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71207

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