Im treuen Dienste ihrer Herrscher - Vom Leben und Wirken der Grands Rhétoriqueurs


Seminararbeit, 2000

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung

Begriffsklärung

I) Wer sind die Rhétoriqueurs?

II) Was versteht man unter Rhetorik?
Hauptteil

I) Vorstellung einiger Rhétoriqueurs

II) Einflüsse auf die Rhétoriqueurs
1.) Politik – Der Einfluss des Absolutismus
a) Die Macht der Adeligen
b) Die Aufgaben der Rhétoriqueurs
2.) Nation – Der Einfluss der Sprache
3.) Gesellschaft und Kunst –
Der Einfluss des Formalismus und der Stilmittel
4.) Geistesströmung – Der Einfluss des Pessimismus
5.) Tradition – Der Einfluss der Antike

Schluss

Literaturverzeichnis

Einleitung

Nicht nur große Unternehmen – heutzutage investiert jeder Betrieb, der am Markt mitmischen will, viel Geld in die Werbung und die eigene Pressestelle. Diese Idee ist nicht neu: Schon damals versammelten die einflussreichen und mächtigen Persönlichkeiten wie Könige oder Herzöge Menschen um sich, die ihr Ansehen erhöhen und sie beim Volk beliebt machen sollten. Zwischen 1470 und 1520 übernahmen diese Aufgabe die Rhétoriqueurs: Sie überlieferten dem Volk die familiären und politischen Neuigkeiten der Herrscher und waren darauf bedacht, ihre Texte in einer kunstvollen Weise, etwa mit der Ausschmückung zahlreicher Stilmittel, zu gestalten.

Ziel dieser Arbeit soll es sein, einige Rhétoriqueurs vorzustellen, ihr Tätigkeitsfeld zu beleuchten und darzulegen, welcher Stil ihre Werke prägte. Eine Begriffsklärung zu Beginn über den Namen „Rhétoriqueurs“ sowie der wortverwandten „Rhetorik“ soll vorab einige Klärungen liefern und einen ersten Eindruck über die Dichtergruppe vermitteln. Der Hauptteil soll nicht nur das Verhältnis der Rhétoriqueurs zu ihren „Arbeitgebern“ und die daraus resultierenden Pflichten beschreiben, sondern auch einige Erklärungsansätze liefern, welche Einflüsse auf die Rhétoriqueurs einwirkten. Dazu werden einige Aspekte der Politik, Gesellschaft und Kunst sowie einer Geistesströmung und der Tradition ausgewählt.

Der Schluss hat die Funktion, ein Urteil darüber abzugeben, inwieweit die Rhétoriqueurs eine eigene Schule zu bilden vermochten und inwieweit sie sich an Traditionen orientierten.

Begriffsklärung

I) Wer sind die Rhétoriqueurs?

Rhétoriqueurs nennt man Dichter, die in der zweiten Hälfte des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts (1470-1520) die Tradition der bürgerlichen Lyriker des 14. Jahrhunderts wie Guillaume de Machaut, Eustache Deschamps oder Alain Chartier fortsetzten[1]. Als Beamte, Dichter und Historiographen standen sie im Dienst der bretonischen, burgundischen oder französischen Herrscher und begriffen Dichtung, wie ihr Name andeutet, vorrangig als raffinierte Sprach- und Redekunst.

Über den Ursprung des Namens „Rhétoriqueurs“ gibt es jedoch Unklarheiten: Nach Rudolf Wolf nennen sich die Dichter „Rhétoriqueurs“ „nicht etwa, weil sie keine bessere Bezeichnung gefunden hätten, sondern im vollen Bewusstsein der Bedeutung des Wortes und aus Stolz auf das dichterische Ideal“[2], das ihnen vorschwebte. Abweichend von der Meinung, die Rhétoriqueurs hätten ihren Namen bewusst gewählt, berichten Gérard Gros und Marie-Madelaine Fragonard jedoch, die Bezeichnung „Rhétoriqueurs“ sei erst im 19. Jahrhundert entstanden.[3] Paul Zumthor behauptet sogar, dass ihr Name einem Irrtum D’Héricaults entstamme: Dieser brachte 1861 beim Lesen eines Textes den Begriff „Rhétoriqueurs“ in Zusammenhang mit den Dichtern des 15. Jahrhunderts, der aber ursprünglich Richter bezeichnete.[4] Doch abgesehen davon, wie der Name entstanden sein mag - niemand wird bestreiten, dass er ausdrückt, was die Rhétoriqueur anstrebten: Meister der Rhetorik zu sein, denn „les Grands Rhétoriqueurs aimèrent la rhétorique.“[5]

II) Was versteht man unter Rhetorik?

Ursprünglich war die traditionelle Rhetorik der Stilistik übergeordnet. Nun betrachtet man die Rhetorik als ihr Teilgebiet und versteht darunter die Lehre, Wissenschaft und Theorie für den guten Sprachgebrauch.

Mit Hilfe der Rhetorik gelingt es dem Erzähler, seine Zielgruppe zu interessieren, faszinieren und sie mit seiner Darstellung in seinem Sinne zu beeinflussen. Nach Göttert heißen diese Ziele „docere“ (belehren), „conciliare“ (gewinnen) und „movere“ (bewegen). Für die Rhétoriqueurs bedeutete „docere“, dem Publikum geschichtliche Ereignisse zu berichten und sie mit ihrer moralischen Einstellung zu beeinflussen, das „conciliare“, die Gunst des Herrschers zu gewinnen und durch das „movere“ sich seines Wohlwollens zu versichern.

Besonders die antike Rhetorik hat sich auf den Aspekt der Wirkung konzentriert und damit die Basis der Lehre geschaffen. In der Zeit der Renaissance und des Barock (etwa zwischen 1350 und 1700) beherrschte die Rhetorik geradezu das gesamte System der Wissenschaften und Künste in Europa.[6] Inwieweit die Rhétoriqueurs Wert auf die Rhétorik legen und welche Weise sie ihre Texte in ihrem Sinne gestalteten, soll besonders im Hauptteil, Kapitel II, Unterpunkt 3 herausgearbeitet werden.

- Fazit für die Rhétoriqueurs: Die Rhétoriqueurs verbinden mit ihrem Namen die Kunst, ihre Texte wirkungsvoll und ästhetisch zu gestalten, um damit ihr Ziel, den Herrscher positiv zu stimmen, zu erreichen.

Hauptteil

I) Vorstellung einiger Rhétoriqueurs

Zur Unterscheidung der verschiedenen Kreise der Rhétoriqueurs sollen diese in Gruppen ihren Gönnern zugeordnet werden. Fast alle Lebensdaten der Dichter müssen jedoch mit Fragezeichen versehen werden, da sie wie ein Großteil ihrer Werke unbekannt oder zumindest ungewiss sind.[7]

Die erste Gruppe der Dichter scharte sich um die Herzöge von Burgund, den Grafen von Flandern, um Philipp den Guten (1396-1467) und seinen Sohn Karl den Kühnen (1433-1477). Etwas später bildeten sich Gruppen in Flandern, besonders um Margarete von Österreich (1480-1530), die Tochter Maximilians, in Mecheln. Die Dichter dieses burgundischen Kreises verbindet nicht nur die wichtige Vorarbeit für die Lyrik der Renaissance, sondern auch der Glaube, dass Dichtung lehr- und lernbar sei.[8]

Zu den bekanntesten dieser burgundischen oder flandrischen Rhétoriqueurs zählen Georges Chastellain (1404-1475), Pierre Michault (1428-1466), Olivier de la Marche (einer der bedeutendsten Historiographen, etwa 1426 geboren), Jean Lemaire de Belges (1473-1527) und „l’indiciaire bourguignon“Jean Molinet (1435-1501), der nach dem Tode von Georges Chastellain seine Stelle als „chroniqueur officiel“ am Hofe des Herzogs in der Bourgogne antrat. Er hinterließ viele Berichte seiner Zeit und setzte damit die Chronik von George Chastellain[9] fort. Molinet gehört zu den unbestrittenen Meistern der poetischen Schule der großen Rhétoriqueurs, in der er sich besonders als Theoretiker mit seiner Abhandlung „Art de Rhétorique“ hervortat. Im Mittelalter zählte diese zu den fundiertesten über die Wissenschaft der Verfassung von Reimen überhaupt. Etwa im Jahre 1500 reimte er den umstrittenen „Roman de la Rose“ von Guillaume de Lorris und Jean de Meun um und gab damit diesem Gedicht eine moderne, moralisierende Fassung. Der Großteil seiner Gedichte blieb jedoch unveröffentlicht. Und obwohl man Molinet als „grand homme“ dieser Schule anerkennt, äußern sich manche Kritiker abfällig über den beim Herzog Charles angestellten Dichter. So schreibt H. Guy in seiner „l’Ecole des Rhétoriqueurs“, dass der Stil des Dichters oberflächlich und seine Recherche über Wörter und Reime unverständlich sei.[10]

Ein großer Rhétoriqueur seiner Zeit sollte Jean Molinets Patenkind Jean Lemaire de Belges werden. Geboren in Belgien, aber flämischen Ursprungs, erhielt der erste humanistische Dichter Frankreichs an der Hochschule von Paris eine umfassende rhetorisch-literarische Ausbildung. Diese war später Ausschlag für die Gunst von Margareta von Österreich und Anne de Bretagne, bei denen er mehrere Jahre als Sekretär tätig war. Den Liebhaber von Malerei, Bildhauerei und Architektur kann man als denjenigen Autor bezeichnen, der von den Rhétoriqueurs des 15. Jahrhunderts den Brückenschlag zur Renaissance vollzog und somit der vielseitigste unter ihnen war. Lemaire förderte die Rezeption italienischer Anregungen und sammelte auf seinen zahlreichen Reisen umfangreiche Materialien, die er später in seinen Werken verarbeitete.

Ein anderer Kreis der Rhétoriqueurs versammelte sich um die an Kunst und Wissenschaft interessierte Königin Anne de Bretagne. Zu diesen Vertretern gehörten (neben Jean Lemaire) Jean Meschinot (etwa 1420*), Guillaume Crétin (1465-1525), Andry de la Vigne (1470-1515) und Jean Marot (1460-1526).

Marot, der berühmteste dieser Gruppe, hatte in seinem Leben diverse Stellen, etwa bei Louis XII. oder François I. inne. Besonderen Gefallen fand er 1506 am Hof der Königin Anne de Bretagne, für deren Hofdamen er eine Anstandslehre in Form von Rondeaux, den „Doctrinal des princesses et nobles dames“, schrieb. Sein Hauptwerk entstand 1507-09, als er Ludwig XII. auf seinen Feldzügen nach Italien begleitete und die Kriegsereignisse in den „voyage de Gênes“ und „Voyage de Venise“ festhielt[11], die sein Sohn und Nachfolger Clément Marot 1532 drucken lassen sollte. Marot pflegte moderne Formen wie Epigramm, Epistel und Elegie und komponierte 1536 wahrscheinlich das erste französische Sonett. Ohne jemals Regeln aufgestellt oder eine Poetik verfasst zu haben, wurde er zum geistigen Vater einer ganzen Schule, der „école marotique“.

Weiterhin zählen zu den Rhétoriqueurs Pierre Gringore (etwa 1475-1538), Octavien de Saint-Gelays (1466-1502) und Jean Bouchet (1476 bis etwa 1557). Letzterer war Staatsanwalt in Poitier, der Stadt der Dichter und schrieb für die Könige Frankreichs zahlreiche Lieder, Rondeaus und Balladen[12].

II) Einflüsse auf die Rhétoriqueurs

Will man die Charakteristika einer Person oder Personengruppe verstehen, ist es sinnvoll, sie in ihrem geschichtlichen Kontext zu untersuchen. In einen zeitlichen Rahmen sind die Rhétoriqueurs jedoch nicht ohne weiteres einzuordnen. Die Daten ihrer Schaffenszeit liegen zwischen 1470 und 1520 - und genau zu diesem Zeitpunkt erfolgte der Übergang vom Spätmittelalter zur Renaissance. Diesen muss man sich zwar keineswegs abrupt vorstellen, so dass die französische Renaissance des 16. Jahrhunderts keinen Bruch mit der Tradition bedeutet. Jedoch charakterisieren das 16. Jahrhundert eine Reihe folgenschwerer Veränderungen in politischen, gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Bereichen. In der Baukunst etwa kombinierte man italienische Renaissance mit nordischer Gotik, die Darstellungsmittel der Malerei erweiterten sich mit dem Ölgemälde und es erfolgte eine endgültige Trennung von Dichtung und Musik

Untersucht werden soll in den folgenden Kapiteln, inwieweit sich die Rhétoriqueurs den neuen Bewegungen anschlossen und inwieweit sie auf Traditionen zurückgriffen.

[...]


[1] Wolf, Rudolf (1939): Der Stil der Rhétoriqueurs. Grundlagen und Grundformen, im Selbstverlag des Romanischen Seminars, Gießen, S. 6

[2] Wolf, Rudolf (1937): Der Stil der Rhétoriqueurs. Grundlagen und Grundformen, im Selbstverlag des Romanischen Seminars, Gießen, S. 6/7

[3] Gros, Gérard / Fragonard, Marie-Madeleine (1995): Les formes poétiques du Moyen Âge à la Renaissance, Nathan Université, Paris, S. 68

[4] Zumthor, Paul (1978): Anthologie des grands rhétoriqueurs, Union Générale d’Editions, S. 7

[5] Goyet, Francis in „Grands Rhétoriqueurs” (1997), Presses de l’Ecole Normale Supérieure, Paris, S. 178

[7] Die Lebensdaten unterscheiden sich je nach Autor (vergleiche Literaturverzeichnis), der über sie schrieb. So glaubt Gérard Gros (S. 75), Jean Lemaire hätte bis 1516 gelebt, Rudolf Wolf hingegen bescheinigt ihm eine um ein ganzes Jahrzehnt längere Lebenszeit (S. 6).

[8] Lope, Hans-Joachim (1990): Französische Literaturgeschichte, 3. Auflage, Quelle & Meyer Verlag, Heidelberg, S. 26

[9] Die Autoren sind sich nicht einig, ob man „Chastellain“ mit einem oder zwei „l“ schreibt. Hans-Joachim Lope schreibt ihn mit zwei „l“, Jean Devaux hingegen mit einem.

[10] Guy, H. (1910): Histoire de la poésie franVaise au XVIième siècle; t. 1, L’Ecole des rhétoirqueurs, Paris, S. 382 in Devaux, Jean (1996): Jean Molinet, Indiciaire bourguignon, Editions Honoré Champion, Paris, S. 12

[11] Zumthor, Paul (1978): Anthologie des grands rhétoriqueurs, Union Générale d’Editions, Paris, S. 217

[12] vergleiche Sabatier, Robert (1975): La poésie du seixième siècle, Editions Albin Michel, Paris, S. 29ff und Zumthor, Paul (1978): Anthologie des grands rhétoriqueurs, Union Générale d’Editions, Paris, S. 211ff

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Details

Titel
Im treuen Dienste ihrer Herrscher - Vom Leben und Wirken der Grands Rhétoriqueurs
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Romanisches Seminar)
Veranstaltung
Proseminar: Mittelfranzösische Texte
Note
1,3
Autor
Jahr
2000
Seiten
19
Katalognummer
V7131
ISBN (eBook)
9783638144810
ISBN (Buch)
9783640305551
Dateigröße
561 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Dienste, Herrscher, Leben, Wirken, Grands, Rhétoriqueurs, Proseminar, Mittelfranzösische, Texte
Arbeit zitieren
Sonja Breining (Autor:in), 2000, Im treuen Dienste ihrer Herrscher - Vom Leben und Wirken der Grands Rhétoriqueurs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7131

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