Die bipolare Anlage der Welt beschäftigt Hermann Hesse seit jeher und somit ist es auch nicht verwunderlich, dass zum Grundprinzip innerhalb seines literarischen Schaffens wurde. Da der Autor selbst eine innere Zerrissenheit seines Selbst verspürte, ließ ihn diese Idee nicht mehr los und die Bipolarität wurde das Hauptthema seiner Schriften. In meiner Abhandlung beschäftige ich mich mit verschiedenen Texten Hesses, die Variationen dieser Thematik aufzeigen. Um die Vielschichtigkeit dieser Modifikationen des Motivs zu verdeutlichen, werde ich zunächst den Einfluss östlicher Lehren und Weltbilder auf sein Werk beleuchten, sowie die Idee der Menschwerdung in der Stufentheorie Hesses erklären, um die Bedeutung der Polarität innerhalb der Werke zu veranschaulichen. Diese Vorstellung des Individuationsprozesses ist ausschlaggebend für die ständig wiederkehrende Materie der Polarität in Hesses Prosa, denn der Zerfall in Gegensatzpaare und deren Synthese zu einer Einheit spiegelt das für den Autor geltende Weltbild wieder.
Hesse stellt den Gedanken des Zerfalls der Welt in verschiedene Gegensatzpaare und deren Zusammengehörigkeit auf verschiedene Weise dar. Deshalb werde ich zunächst die unterschiedlichen Gegenpole innerhalb seiner Prosaschriften aufzeigen, um später anhand von Exempeln die Darstellung in den Früh- bis Spätwerken Hesses darzulegen. Da die Beeinflussung durch die Psychoanalyse Jungs augenfällig ist, werde ich mich näher mit der Archetypenlehre des Psychologen beschäftigen. Natürlich war Jung nicht der Einzige, der Einfluss auf das Leben und Schaffen Hermann Hesses hatte, zumal er die Ideen des Zerfalls des Ichs und die Synthese des Ichs selbst aus älteren Quellen schöpfte und diese in seinem Sinn weiterentwickelte. Dennoch möchte ich mich besonders auf dessen Beeinflussung auf die Ideen der Darstellung der Bipolarität in Hesses Prosa stützen, da Jungs Archetypenlehre diese auf eine völlig andere Ebene hebt – nämlich die völlige Verlegung der Polarität in die menschliche Psyche.
Abschließend werde ich die verschiedenen Stufen der Darlegung der Bipolarität und Hesses Lösungsvorschläge in den unterschiedlichen Schaffensperioden miteinander vergleichen und versuchen die werkgeschichtlichen Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszufiltern.
Die Bipolarität ist ein bedeutendes Strukturelement im ganzen literarischen Wirken von Hermann Hesse und schlängelt sich als roter Faden durch seine ganze Schaffensperiode und sein Leben.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung: Bipolarität und Einheitsgedanke in Hesses Werken
- 2. Oppositionen und ihre Einheit hinter den Gegensätzen
- 2.1 Östlicher Einfluss auf das Werk
- 2.2 Stufen der Menschwerdung
- 2.3 Oppositionen im Werk
- 3. Die bipolare Figurenstruktur im frühen Prosawerk
- 3.1 Oppositionen in „Unterm Rad“
- 3.2 Hans und Hermann
- 3.3 Zwischen Kindheit und Mannsein
- 4. Die bipolare Figurenstruktur im mittleren und späten Prosawerk: Einfluss von Jung
- 4.1 Jungs Psychologie der Archetypen
- 4.2 Polarität als Grundprinzip am Beispiel von „Demian“
- 4.3 Jungs Archetypen in Hesses Werken am Beispiel von „Demian“
- 5. Werkgeschichtliche Entwicklung: Vergleich der Darstellung von Polarität im Früh-, Mittel- und Spätwerk
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Bedeutung der bipolaren Figurenstruktur in den Werken Hermann Hesses. Der Fokus liegt auf der Darstellung von Gegensätzen und ihrer Synthese als zentrales Element in Hesses literarischem Schaffen.
- Einfluss östlicher Lehren und Weltbilder auf Hesses Werke
- Die Idee der Menschwerdung in der Stufentheorie Hesses
- Die bipolare Figurenstruktur in Hesses Prosawerken
- Der Einfluss von Carl Jungs Psychologie der Archetypen auf Hesses Werke
- Werkgeschichtliche Entwicklung der Darstellung von Polarität in Hesses Früh-, Mittel- und Spätwerk
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Bipolarität und Einheitsgedanke in Hesses Werken
Die Einleitung stellt die zentrale These der Arbeit vor: Die bipolare Anlage der Welt ist ein zentrales Motiv in Hesses Werken und spiegelt seine eigene innere Zerrissenheit wider. Es wird auf die Bedeutung von Polarität in Hesses Weltbild und auf die Rolle der Stufentheorie der Menschwerdung hingewiesen.
2. Oppositionen und ihre Einheit hinter den Gegensätzen
2.1 Östlicher Einfluss auf das Werk
Dieser Abschnitt beleuchtet den Einfluss östlicher Lehren, insbesondere der chinesischen Philosophie und indischen Yoga, auf Hesses Verständnis von Polarität und Einheit. Es wird auf den Gegensatz von Yin und Yang sowie auf das Konzept des Tao eingegangen.
3. Die bipolare Figurenstruktur im frühen Prosawerk
3.1 Oppositionen in „Unterm Rad“
Dieser Abschnitt analysiert die bipolare Figurenstruktur im Roman „Unterm Rad“, der als Beispiel für Hesses frühes Werk dient.
4. Die bipolare Figurenstruktur im mittleren und späten Prosawerk: Einfluss von Jung
4.1 Jungs Psychologie der Archetypen
Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit der Psychologie von Carl Jung und dessen Archetypenlehre, die einen wesentlichen Einfluss auf Hesses Spätwerk hatte.
4.2 Polarität als Grundprinzip am Beispiel von „Demian“
Dieser Abschnitt analysiert die bipolare Figurenstruktur im Roman „Demian“ als Beispiel für Hesses Werk im Kontext der Jungschen Archetypenlehre.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Themen Bipolarität, Einheitsgedanke, östliche Lehren, Menschwerdung, Archetypenlehre, Carl Jung, Hermann Hesse, Figurenstruktur, Prosawerk, "Unterm Rad", "Demian".
- Arbeit zitieren
- M.A. Virginie Vökler (Autor:in), 2006, Die bipolare Figurenstruktur in Hermann Hesses Werken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71390