Diese Arbeit ist eine Untersuchung zur Verwendung von bestimmten somatischen Phraseologismen
in Texten der Sportberichterstattung im Fußball. Meine Vorgehensweise war vorwiegend
induktiv: zuerst habe ich die Corpustexte nach Wendungen durchsucht, die erstens ein
bestimmtes Auswahlkriterium erfüllten (nämlich: somatischer Phraseologismus, der Bein
oder Fuß enthält) und die zweitens mir aufgrund meiner Intuition und einer gewissen Erfahrung
im Lesen von Fußballberichterstattung als nicht frei kombiniert erschienen. Dadurch erhielt
ich ca. 20 Wendungen. Detaillierte Analysen dieser Textbelege sollten dann Hinweise
geben sowohl auf Besonderheiten der Verwendung als auch auf Besonderheiten des Systems
der Phraseologie innerhalb der speziellen sprachlichen Varietät. Eine wichtige Idee dabei war
auch, aus den Hinweisen Fragestellungen entwickeln zu können für die Phraseologie anderer
Sondersprachen, die in der Art der Abweichung von der Allgemeinsprache (und nicht etwa
im thematischen Bereich) genügend große Gemeinsamkeiten mit der Sprache der Fußball-Berichterstattung
aufweisen.
Nach einer kurzen Beschreibung des Textcorpus´ in Abschnitt 2 wird in Abschnitt 3 das Verhältnis
der Sprache in Texten wie den von mir untersuchten, der sog. Fußball-Reportsprache,
zur "Sprache des Sports" verdeutlicht. In Abschnitt 4 wird die Fußball-Reportsprache genauer
analysiert in Hinblick auf ihre Charakteristika. Anhand dieser Charakteristika sollen dann in
Abschnitt 5 die ausgewählten Phraseologismen diskutiert werden, wobei der Schwerpunkt auf
Wendungen liegt, die von allgemeinsprachlichen Phraseologismen abweichen, die also in irgendeiner
Weise typisch für die von mir untersuchte Sprachvarietät sind. Ergebnisse für die
Phraseologie der Fußball-Berichterstattung und Überlegungen zu deren Anwendbarkeit auf
andere Sprachvarietäten wie oben angedeutet folgen in Abschnitt 6. [...]
Inhalt
1 Einleitung
2 Das Textcorpus
2.1 Die Textgrundlage
2.2 Charakterisierung der "Frankfurter Rundschau"
2.3 Inhaltliche Auswahl der Corpustexte
2.4 Texttypen und Charakterisierung der Berichterstattung
3 Das Verhältnis von Sportsprache und Reportsprache
4 Die Reportsprache des Fußballs als Sondersprache
4.1 Fachsprachliche Einflüsse
4.2 Einflüsse des Fachjargons
4.3 Allgemein pressesprachliche Besonderheiten
4.4 Spezifisch reportsprachliche Besonderheiten
5 Die untersuchten Phraseologismen
5.1 Auswahl der Phraseologismen
5.2 Vorgehensweise bei der Analyse
5.3 Allgemeinsprachliche Phraseologismen
5.4 Umgangssprachliche Phraseologismen
5.5 Fachsprachliche Phraseologismen
5.6 Fachjargon-Phraseologismen
5.7 Modifizierte allgemeinsprachliche Phraseologismen
5.8 Spezifisch reportsprachliche Phraseologismen
5.9 Zweifels- und Grenzfälle
5.10 Freie Kombinationen
6 Ergebnisse
6.1 Phraseologismen in der Fußball-Reportsprache34
6.2 Überlegungen zu Phraseologismen in sondersprachlichen Varietäten
7 Literatur
8 Anhang: ausgewertete Texte
1 Einleitung
Diese Arbeit ist eine Untersuchung zur Verwendung von bestimmten somatischen Phraseologismen in Texten der Sportberichterstattung im Fußball. Meine Vorgehensweise war vorwiegend induktiv: zuerst habe ich die Corpustexte nach Wendungen durchsucht, die erstens ein bestimmtes Auswahlkriterium erfüllten (nämlich: somatischer Phraseologismus, der Bein oder Fuß enthält) und die zweitens mir aufgrund meiner Intuition und einer gewissen Erfahrung im Lesen von Fußballberichterstattung als nicht frei kombiniert erschienen. Dadurch erhielt ich ca. 20 Wendungen. Detaillierte Analysen dieser Textbelege sollten dann Hinweise geben sowohl auf Besonderheiten der Verwendung als auch auf Besonderheiten des Systems der Phraseologie innerhalb der speziellen sprachlichen Varietät. Eine wichtige Idee dabei war auch, aus den Hinweisen Fragestellungen entwickeln zu können für die Phraseologie anderer Sondersprachen, die in der Art der Abweichung von der Allgemeinsprache (und nicht etwa im thematischen Bereich) genügend große Gemeinsamkeiten mit der Sprache der Fußball-Berichterstattung aufweisen.
Nach einer kurzen Beschreibung des Textcorpus´ in Abschnitt 2 wird in Abschnitt 3 das Verhältnis der Sprache in Texten wie den von mir untersuchten, der sog. Fußball-Reportsprache, zur "Sprache des Sports" verdeutlicht. In Abschnitt 4 wird die Fußball-Reportsprache genauer analysiert in Hinblick auf ihre Charakteristika. Anhand dieser Charakteristika sollen dann in Abschnitt 5 die ausgewählten Phraseologismen diskutiert werden, wobei der Schwerpunkt auf Wendungen liegt, die von allgemeinsprachlichen Phraseologismen abweichen, die also in irgendeiner Weise typisch für die von mir untersuchte Sprachvarietät sind. Ergebnisse für die Phraseologie der Fußball-Berichterstattung und Überlegungen zu deren Anwendbarkeit auf andere Sprachvarietäten wie oben angedeutet folgen in Abschnitt 6.
2 Das Textcorpus
2.1 Die Textgrundlage
Als Textgrundlage dient die Berichterstattung im Sportteil der Deutschlandausgabe der "Frankfurter Rundschau" während der gesamten Zeit der Fußball-Europameisterschaft 1996 in England. Das erste Spiel fand am Samstag, den 08. Juni statt, das letzte am Sonntag, den 30. Juni. Wegen der zeitlichen Verzögerung der Berichterstattung datiert die erste von mir ausgewertete Zeitung vom Montag, den 10. Juni ´96, die letzte vom Dienstag, den 2. Juli ´96. Damit wird die Berichterstattung über alle Spiele des Turniers abgedeckt.
2.2 Charakterisierung der "Frankfurter Rundschau"
Die "Frankfurter Rundschau" (FR) dürfte nach Tewes´ Einteilung zu den überregionalen Abonnementszeitungen zählen;[1] sie berichtet auch ausführlich über die Stadt Frankfurt und das Land Hessen. Sie ist unabhängig und überparteilich und steht politisch im Spektrum der deutschen Tageszeitungen klar links von der Mitte. Das allgemeine Redaktionsprofil zeichnet sich dadurch aus, daß die FR "Meinung bilden, öffentliche Gewalt und private Mächte kontrollieren und das Gemeinwesen moderner, freiheitlicher und sozialer gestalten."[2] will.
Für die Sportberichterstattung der Zeitung stellt Becker fest: "Ohne den Anspruch auf absolute Objektivität und kritisch soll die Sportberichterstattung gerade Bericht und Kommentar verschmelzen, da zum Zeitpunkt der Zeitungslektüre der Ablauf der Sportereignisse bereits über Radio und Fernsehen bekannt ist. Sportberichte werden dann als gut eingestuft, wenn sie die Meinung des Lesers treffen, der in den Augen der Sportredaktion als hellwach und besonders fachkundig gilt."[3]
2.3 Inhaltliche Auswahl der Corpustexte
Bei der inhaltlichen Auswahl der Texte habe ich mich auf solche Artikel beschränkt, die das Spielgeschehen auf dem Fußballfeld, die Vorbereitung auf ein Spiel oder die beim Fußballspiel aktiven Personen, d.h. Spieler, Trainer und Schiedsrichter zum Thema haben; diese Artikel machen den größten Teil der Berichterstattung aus. Nicht berücksichtigt habe ich diejenigen Beiträge, die das Publikum der Spiele, Hooligans, Krawalle und polizeiliche Maßnahmen, organisatorische Aspekte der Veranstaltungen o.ä. thematisieren oder die Berichterstattung in anderen, z.B. ausländischen Medien oder im Fernsehen, reflektieren. Ebenfalls unberücksichtigt blieben Tabellen und die äußerst schematisierten, sehr kurzen Informationstexte, die lediglich die Namen der Spieler in der Mannschaftsaufstellung, den Schiedsrichter und ggf. die Torschützen und die Zuschauerzahl aufzählen. Eine Übersicht über die ausgewerteten Texte findet sich im Anhang.
2.4 Texttypen und Charakterisierung der Berichterstattung
Bei der Frage nach der Zugehörigkeit der ausgewählten Corpustexte zu bestimmten journalistischen Textsorten[4] möchte ich aus mehreren Gründen nicht ins Detail gehen. Zum einen ist eine genaue Ausdifferenzeirung der Textsorten für die Fragestellungen dieser Arbeit wenig ergiebig - hierfür wäre eine viel breitere Datenbasis notwendig als die von mir ausgewählte Gruppe von Phraseologismen (vgl. hierzu 5.1). Außerdem treffen die ohnehin vieldiskutierten Einteilungen der Textsorten möglicherweise auf Texte der Sportberichterstattung, die eine "Sonderform der Pressesprache"[5] repräsentieren, nur bedingt zu. Immerhin gehören die Beispiele bei der Diskussion der Textsorten meist in die Rubriken "Politik" (oder auch "Wirtschaft", "Aus aller Welt") und stammen nur ausnahmsweise aus dem Sportteil.[6] Auch bei anderen Untersuchungen der Pressesprache wird die Sportberichterstattung als untypisch ausgeklammert.[7] Ich möchte deshalb den schwierigen Textsortenbegriff vermeiden und statt dessen die ausgewählten Texte lediglich drei wenig spezifizierten Texttypen zuordnen: Bericht, Kommentar und Interview.
Als Kommentar habe ich nur die täglichen, auch im Layout deutlich abgesetzten und als Kommentar gekennzeichneten Texte unter der Rubrik "Kicker´s Corner" gezählt. Der Texttyp "Interview" ist ohnehin eindeutig zu identifizieren. Die überwiegende Mehrheit der Texte fällt somit nach dieser negativen Auswahl in die Kategorie der Berichte. Das bedeutet, daß ein Bericht in unterschiedlichem Umfang Elemente von Kommentar (vgl. oben 2.2, Zitat Becker), Reportage, Nachricht u.a. enthalten kann.
Eine Reihe von (Kurz)Meldungen unter der Rubrik "EM-Splitter", bestehend aus meist einem, höchstens zwei Sätzen, habe ich aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht in das Textcorpus mit einbezogen. Das Fehlen von Texten, die eindeutig einem Typ "Nachricht" zuzuordnen wären, läßt sich damit erklären, daß der fußballinteressierte Leser i.a. die Information an sich, z.B. das Ergebnis eines Spiels oder mögliche Konsequenzen daraus wie die Qualifikation für ein Finalspiel, bereits kennt - Fernsehen und Radio und evtl. sogar eine lokale Tageszeitung sind bezüglich der Aktualität von Nachrichten gegenüber der FR in der Deutschlandausgabe mit einem Redaktionsschluß um ca. 19.00 Uhr klar im Vorteil. Dennoch tauchen wichtige Fußballergebnisse wie die Qualifikation der deutschen Nationalmannschaft für das EM-Endspiel als Nachrichten von allgemeinem Interesse auch in der von mir untersuchten Zeitung auf, allerdings nicht im Sportteil, auf den ich mich beschränkt habe, sondern dann auf der ersten Seite.
Aus dem angesprochenen Defizit an Aktualität ergibt sich für die Charakteristik der Berichterstattung, daß nicht der klassische Spielbericht mit der chronologischen Wiedergabe der Ereignisse des jeweiligen Spiels (die sog. 1:0-Berichterstattung) dominiert. Der Schwerpunkt der Berichte liegt eher auf ausgewählten Aspekten der Spiele, die dann als Ausgangspunkt für Analysen, Detail- und Hintergrundinformationen dienen, oder sie konzentrieren sich auf bestimmte Personen - Spieler, Trainer oder auch Schiedsrichter.
3 Das Verhältnis von Sportsprache und Reportsprache
Die Sprache in den Texten des Corpus stellt nur einen kleinen, gleichzeitig aber auch einen wichtigen Ausschnitt aus dem Gesamtbereich der Sprache des Sports dar. Auf die Vagheit und die Vieldeutigkeit der Bedeutung der Bezeichnung "Sportsprache" weisen zahlreiche AutorInnen in ihren Untersuchungen zu Teilaspekten der Sportsprache hin.[8] Besonders Schweickard befaßt sich intensiv mit der Vielschichtigkeit der Sportsprache.[9] Demnach ist die Sprache in den Corpustexten der vorliegenden Arbeit die "Sprache der journalistischen Berichterstattung"[10], die in der Literatur auch "Reportsprache" genannt wird.[11] Sie repräsentiert nur einen aus insgesamt sechs verschiedenen "Kommunikationsbereichen" der Sportsprache; als weitere Bereiche nennt Schweickard: die Sprache der Sportler, die Sprache der Zuschauer, die Sprache der offiziellen Regeln, die Sprache der sportwissenschaftlichen Fachliteratur und die Sprache der popularisierten Sportliteratur. Zur weiteren Differenzierung innerhalb der jounalistischen Sportberichterstattung nennt er u.a. die "Variablen" Berichtsmedium, Sportart und Berichtsgattung, die für die verwendeten Texte bei der Beschreibung des Corpus in Abschnitt 2 bereits angesprochen wurden.
Die besondere Bedeutung der Report- als Teilbereich der Sportsprache liegt darin, daß in der allgemeinen Diskussion "der Sportjournalisten-Stil häufig ohne Differenzierung synonym als 'Sportsprache' bezeichnet"[12] wird, und zwar unabhängig davon, ob die "Sportsprache" kritisiert und abgewertet[13] oder ob sie eher wohlwollend beurteilt wird.[14] Ein wesentlicher Grund für die unzulässige Gleichsetzung von Sportsprache mit Reportsprache dürfte in der Verallgemeinerung von Beobachtungen liegen, die anhand von sprachlichen Daten aus der journalistischen Berichterstattung, speziell aus der geschriebenen, angestellt werden; solche Daten sind eben sehr viel leichter zu gewinnen als beispielsweise Belege über die Sprache der Zuschauer oder der Sportler selbst.
4 Die Reportsprache des Fußballs als Sondersprache
Die Fußball-Reportsprache besteht, wie schon ein kurzer Blick auf einen beliebigen Fußballbericht in jeder Tageszeitung bestätigt, zum größten Teil aus Elementen der Allgemeinsprache. Unter Allgemeinsprache ist nach der guten Definition von Möhn/Pelka diejenige "Variante der Gesamtsprache" zu verstehen, "über die mehr oder weniger alle Sprachteilhaber in gleicher Weise verfügen und deren schriftlicher oder mündlicher Gebrauch in öffentlichen wie privaten Situationen primär der Kommunikation bzw. Verständigung über allgemeine Inhalte des täglichen, gesellschaftlichen und privaten Lebens dient".[15] Darüber hinaus werden in der (geschriebenen) Fußball-Reportsprache immer wieder Ausdrücke gebraucht, die meist der mündlichen Kommunikation in eher privaten Situationen vorbehalten sind, d.h. Ausdrücke der allgemeinen Umgangssprache.
Die Sportsprache wird, nicht zuletzt wegen ihrer Inhomogenität (vgl. Schweickards "Kommunikationsbereiche" in Abschnitt 3), oft mit dem ziemlich unscharfen Terminus "Sondersprache" belegt,[16] der allerdings zunächst, wie Schweickard bemerkt, nicht mehr aussagt , "als daß es sich um eine besondere Sprachform handelt".[17]
Innerhalb der Sportsprache werden sprachsubstanziell drei Bereiche unterschieden:[18]
a) die Fachsprache[19] des Sports bzw. die Fachsprachen der Einzelsportarten, die besonders in den Kommunikationsbereichen der offiziellen Regeln, der sportwissenschaftlichen Fachliteratur und auch der popularisierten Sportliteratur gebraucht werden, die aber auch zu großen Teilen den Sportjournalisten bekannt sind, so daß Elemente aus diesen Fachsprachen deshalb auch in der Reportsprache anzutreffen sind;
b) der Fachjargon, der ebenfalls zwischen den Einzelsportarten variiert und der v.a. in der Sprache der Zuschauer, der Sporttreibenden selbst und ebenfalls in der Reportsprache verwendet wird;
c) die Besonderheiten in der Sprache der Sportberichterstattung. Bei diesen Besonderheiten ist es m.E. sinnvoll und notwendig, zwischen allgemein pressesprachlichen Art spezifisch reportsprachlichen Besonderheiten zu unterscheiden (siehe unten 4.3, 4.4).
Zieht man die soziale Funktion von Sprachvarietäten in Betracht, wird für die Reportsprache die Bezeichnung Sondersprache aussagekräftiger, denn hier wird wohl nur selten mit dem Bemühen um größtmögliche Klarheit und Eindeutigkeit kommuniziert (wie in den Fachsprachen), vielmehr stehen das (Nach)Erleben und der gruppenspezifische Effekt im Vordergrund. König stellt den "sachorientierten Fachsprachen" die "gruppenorientierten Sondersprachen" gegenüber.[20] Und auch Bußmann nennt als wichtiges Kriterium für eine Sondersprache: "Die Unterschiede zur Standardsprache liegen vor allem in dem nach gruppenspezifischen Interessen und Bedürfnissen entwickelten Sonderwortschatz",[21] wobei im Hinblick auf das Hauptinteresse dieser Arbeit unter "Wortschatz" nicht nur Einzelwörter, sondern auch Phraseologismen verstanden werden können.
Nach den allgemeinen Überlegungen zu Sportsprache und Reportsprache möchte ich mich im folgenden der Phraseologie in der Fußball-Reportsprache zuwenden und die Bedeutung von Fachsprache, Fachjargon, allgemein pressesprachlichen Besonderheiten und spezifisch fußball-reportsprachlichen Besonderheiten für die Phraseologie diskutieren.
4.1 Fachsprachliche Einflüsse
Die Fußball-Reportsprache enthält, wie oben angesprochen, auch fachsprachliche Elemente, besonders aus dem Bereich der Lexik. Die Termini, die dazu dienen, "die Sachverhalte möglichst exakt und eindeutig zu benennen",[22] werden typischerweise bei der Formulierung von Regeln und Regelungen gebraucht, die "Regelsprache stellt den Kern der Sportfachsprache dar."[23] Darüber hinaus beinhaltet die Sportfachsprache "den Wortschatz der Organisation des Sportbetriebs und die sportartspezifischen Termini",[24] wobei sich diese Erklärung, die sich zunächst auf die Sportsprache allgemein bezieht, ohne weiteres auf den Bereich Fußball allein anwenden läßt und somit die wichtigsten Charakteristika für die Lexik der Fachsprache des Fußballs liefert. Bei den Termini handelt es sich meist um Einzelwörter, die für die weitere Betrachtung nicht von Interesse sind; es finden sich aber auch sog. "phraseologische Termini"[25] wie z.B. indirekter Freistoß oder gestrecktes Bein.
Die Abgrenzung von Fachsprache gegenüber dem Fachjargon ist problematisch und nicht immer eindeutig. Oben (Fußnote 19) wurde auf eine recht restriktive Beschreibung einer Fachsprache hingewiesen. In anderen Modellen[26] werden auch Fachjargonismen mit einbezogen, "die - ohne Anspruch auf Genauigkeit oder Eindeutigkeit zu erheben - Gegenstände und Erscheinungen eines Fachbereichs bezeichnen und oft bildhaften Charakter und stark emotionale Bedeutung tragen."[27] Ich halte die Unterscheidung von Fachsprache und Fachjargon für sinnvoll und wichtig, weil sich Fachsprache um Objektivität und Eindeutigkeit bemüht, der Fachjargon hingegen, geradezu entgegengesetzt, für Emotionen und Subjektivität steht, wie jetzt zu zeigen sein wird.
4.2 Einflüsse des Fachjargons
Es ist nicht leicht, Fachjargon zu definieren und abzugrenzen nicht nur gegenüber der Fachsprache, sondern auch gegenüber der Umgangssprache (dem "allgemeinen Jargon"). Das Verb rempeln beispielsweise, das Dankert dem Fachjargon zurechnet[28], nicht jedoch ohne darauf hinzuweisen, daß es auch im allgemeinen Jargon geläufig ist, taucht bei Wehlen als Zitat aus den offiziellen Regeln des Deutschen Fußballbundes und damit als Terminus auf.[29]
Das wichtigste Charakteristikum der Fachjargon-Ausdrücke in der Abgrenzung gegen die Fachsprache sind ihre Bildhaftigkeit und Emotionalität, also die Tatsache, "daß die meisten Jargonwörter (...) über den sachlichen Aussagewert hinaus einen Gefühlswert haben, der zur schillernden Bedeutung eines Jargonworts beiträgt"[30]. Der Fachjargon ist also in gewissem Sinne auch präziser als die Fachsprache, weil er über ein breites Spektrum an Konnotationen verfügt.[31] Diese Expressivität wird häufig durch Metaphorisierungen erreicht.[32]
Nach Schneider werden "als Fachjargon (...) Wörter, Syntagmen und Redewendungen bezeichnet, die in der Sportkommunikation als spezifischer Ersatz des Fachvokabulars auftreten"[33], wobei das Fachvokabular seinerseits "Wörter, Syntagmen und Redewendungen" umfaßt, "die Personen, Sachen oder Vorgänge des Sports in adäquater Weise mit einer eigenständig geprägten, sondersprachlichen Terminologie benennen."[34] Damit wird der Fachjargon aber nur teilweise beschrieben, denn viele Fachjargonismen ersetzen keineswegs Fachtermini, sondern allgemeinsprachliche Wörter, Syntagmen oder Redewendungen, die aber für den Sport, hier: für den Fußball, konstitutiv sind, z.B. der Phraseologismus die Punkte entführen für allgemeinsprachliches gewinnen.
Für die Abgrenzung des Fachjargons gegen die Umgangssprache bietet Duhme eine Lösung an:[35] in seiner Untersuchung der Phraseologie der Wirtschaftssprache nennt er als Kriterium für die Zugehörigkeit eines auch umgangssprachlich vorkommenden Phraseologismus zur Fachsprache (Fachjargon und Fachsprache werden bei ihm nicht voneinander unterschieden), daß vom fachsprachlichen Phraseologismus Aktionen oder Situationen benannt werden, die "wirtschaftsspezifische Bedeutungszusammenhänge erkennen lassen".[36] Darüber hinaus beobachtet er, daß "umgangssprachliche Wendungen mit wirtschaftsspezifischem Charakter mindestens eine Komponente aufweisen, die einen eindeutigen wirtschaftsspezifischen Bezug erkennen läßt".[37] Diese Kriterien für die Sondersprache der journalistischen Wirtschaftstexte lassen sich gut auf Phraseologismen der Fußball-Reportsprache übertragen. Ein auch umgangssprachlich vorkommender Phraseologismus, der etwas fußballspezifisches bezeichnet (und der wahrscheinlich ein "Fußballwort" enthält), zählt dann, wenn zwischen Fachsprache und Fachjargon unterschieden wird, sicherlich nicht zur Fachsprache, sondern zum Fachjargon.
Der typische Fußball-Fachjargonismus ist somit bildhaft-expressiv und bezeichnet fußballspezifische Phänomene. Er enthält oft mindestens ein "Fußballwort", das aus der Fachsprache, aus der Allgemeinsprache oder seinerseits aus dem Fachjargon stammen kann. Umgangssprachlichkeit ist nicht das entscheidende Kriterium, wenn auch häufig festzustellen. In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf die - ebenfalls häufig kritisierte[38] - pathetische Stilebene vieler Jargonausdrücke hinweisen, die gerade dieser Umgangssprachlichkeit widerspricht.
4.3 Allgemein pressesprachliche Besonderheiten
Als weiteres sprachliches Charakteristikum der Fußball-Reportsprache sind Elemente der Pressesprache zu nennen, wobei aber, wie Lüger betont, mit Pressesprache nicht ein homogenes sprachliches System gemeint sein kann.[39] Die Inhomogenität der Pressesprache ergibt sich aus den verschiedenen Rubriken (Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport...), den verschiedenen Textsorten (Nachricht, Bericht, Reportage, Kommentar...) und aus der Tatsache, daß die verschiedenen Zeitungen sehr unterschiedliche Redaktionsprofile aufweisen, d.h. sehr unterschiedliche Konzepte bei der journalistischen Aufbereitung der Inhalte verfolgen.[40] Der entscheidende Punkt, weshalb es dennoch sinnvoll erscheint, von Pressesprache zu sprechen, ist die Gemeinsamkeit der Produktionsbedingungen, unter denen die verschiedenen Texte entstehen.
An erster Stelle wird hier von vielen AutorInnen der Zeitdruck genannt, unter dem die Artikel geschrieben werden müssen.[41] Für die Texte in unserem Corpus bedeutet das, daß die Berichterstattung über die Fußballspiele, die am Nachmittag stattfinden, in der Ausgabe des folgenden Tages erscheint, während über die Abendspiele (bei denen es sich i.a. wegen der zu erwartenden größeren Zuschauerresonanz um die "interessanteren" Spiele, d.h. um die Spiele der erfolgreicheren und bekannteren Mannschaften handelt) erst in der übernächsten Ausgabe berichtet wird. Die Berichterstattung über die Nachmittagsspiele muß also in noch kürzerer Zeit fertiggestellt werden, weshalb sich die FR hier gelegentlich auch mit Agenturberichten begnügt. Die Artikel über die Abendspiele, für deren Produktion etwas mehr Zeit bleibt, stammen stets von zeitungseigenen Journalisten.
Auf einen weiteren Aspekt des Zeitdrucks weist Schweickard hin, indem er bemerkt, daß "der Berichterstatter schon während des Spiels wegen der raschen Aufeinanderfolge der einzelnen Aktionen in der Regel nur eilige Notizen von den wesentlichen Geschehnissen machen kann".[42] Dieses Problem stellt sich für den Berichterstatter in der FR, dessen Berichte v.a. auf Ereignisse abzielt, die über das unmittelbare Spielgeschehen hinausgehen, nur zum Teil. Dennoch, die Zeitknappheit in der Textproduktion begünstigt die Verwendung von stereotypen Formulierungen, von "gebrauchsfertigen Fügungen"[43] oder "gebrauchsfertigen Wortfügungen"[44] und, oft in Verbindung mit der Zeitknappheit in der Korrektur, das Vorkommen von Fehlern und Normverstößen.
Als weiteres Element, das pressesprachlichen Texten gemeinsam ist, kommt die Tatsache hinzu, daß ihr Medium, die Zeitung, ein Produkt ist, das jeden Tag neu produziert und v.a. auch verkauft werden will. Dazu ist es notwendig, "daß sich die Textproduktion der Sportjournalisten an (...) der anzunehmenden Leserschaft"[45] orientiert, was für unsere Texte heißt, daß die oben erwähnten und kritisierten "typischen" Phänomene der Fußballberichterstattung - Kriegsmetaphorik in Verbindung mit ausgeprägtem Nationalismus, Übertreibung, Stereotypie - relativ wenig vorkommen. Unabhängig davon müssen aber Leseanreize für jeden Text geschaffen werden. Hierfür bieten sich u.a. zwei Strategien an: die Verwendung von Ausdrücken aus dem Fachjargon oder verschiedenste Sprachspiele, insbesondere das Abwandeln von Phraseologismen.[46]
Vor dem Hintergrund der Gruppenorientiertheit der Fußball-Reportsprache als Sondersprache kann man feststellen, daß die Verwendung des Fachjargons in der Fußballberichterstattung der Tagespresse die Vertrautheit von Journalist und Leser mit der Materie unterstreicht, denn "mit der Kenntnis von Jargonwörtern kann man noch nachdrücklicher als mit der Beherrschung des Fachvokabulars beweisen, daß man zur Gruppe der Fußballspieler (bzw. zur Gruppe der Fußballinteressierten und -informierten, meine Anm.) gehört und mit den Besonderheiten des Fußballspiels vertraut ist."[47] Der Leser bekommt auf diese Weise seine Zugehörigkeit zur in-group und sein Expertentum bestätigt, was sich in umgekehrter Richtung daran zeigt, daß für Außenstehende die "spezifische Esoterik und Idiomatik der Berichterstattung"[48] nicht immer leicht zu verstehen ist. Ein weiterer Vorteil bei der Verwendung des Fachjargons mit seinen Möglichkeiten zu Anschaulichkeit und Expressivität liegt in der Funktion der Texte der Berichterstattung, die v.a. der Unterhaltung der LeserInnen dienen - auf die mangelnde Aktualität, die die Voraussetzung für die Information als primäre Funktion wären, wurde bereits wiederholt hingewiesen. Schweickard stellt fest, "daß die emotionale Beteiligung des Zuschauers am Spiel in der Regel nicht mit dem Schlußpfiff endet, vielmehr will der Zuschauer im einzelnen nacherleben, was ihn empört oder begeistert hat, und seine Meinung mit der eines kritischen Chronisten konfrontieren."[49] In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß die starke Expressivität des Fachjargons dazu führen kann, ebenfalls ein gängiger Punkt bei der Kritik der Reportsprache, daß "Vokabeln der Sensation und Übertreibung" "schablonenhaft"[50] benutzt werden.
Die Abwandlung von Phraseologismen mit der Absicht, originelle Formulierungen als Leseanreiz zu erhalten, wird allgemein als Modifikation - im Unterschied zur Variation - bezeichnet.[51] Dabei sind Varianten "lexikographisch etablierte, im Phraseolexikon gespeicherte, usuelle Veränderungsmöglichkeiten im Lexembestand eines Phraseologismus",[52] während von Modifikationen gesprochen wird, "wenn Variationen im Komponentenbestand gelegentlicher (okkasioneller) und nicht allgemein gebräuchlicher (usueller) Natur Instrument bestimmter Stilabsichten sind."[53] Auf eine detaillierte Besprechung der vielfältigen Arten von Modifikationen möchte ich hier verzichten, vgl. dazu die ausführliche Analyse von Burger[54] oder die gute Übersicht von Palm.[55]
Es muß gefragt werden., ob ein modifizierter Phraseologismus überhaupt noch als Phraseologismus angesehen werden kann, eben weil z.B. die Bedingungen der Stabilität oder Festigkeit verletzt werden. Allerdings ist "das Kriterium der Festigkeit von Phraseologismen (...) nur bedingt gültig und hängt vom Grad der Idiomatizität ab, d.h. vollidiomatische Phraseologismen mit unikaler Komponente treten sehr selten anders als fest auf, während die Teilbarkeit mit sinkendem Idiomatizitätsgrad Varianten im Lexembestand der phraseologischen Wortgruppe zuläßt."[56] Problematisch hierbei kann es sein, die Grenze zwischen usueller und okkasioneller Abwandlung zu ziehen, z.B. im Hinblick auf die Möglichkeit regional oder sondersprachlich usueller Abwandlungen, die in der Allgemeinsprache in ihrem größten Umfang als nicht-usuell gelten müßten.
Im Hinblick auf die verschiedenen Stilschichten in unseren Corpustexten ist es wichtig zu beachten, "daß die Varianten alternativen Charakters sind, d.h. die Bedeutung des Phrasems nicht verändern, daß in einigen Fällen jedoch die Konnotation der Stilschicht beeinflußt werden kann"[57]
Modifizierte Phraseologismen verletzen noch eine weitere Bedingung: die der Reproduzierbarkeit. Denn im "Verhältnis von Memoriertem und Synthetisiertem"[58] sind die Modifikationen eindeutig zu den ganz bewußt produzierten und nicht zu den reproduzierten sprachlichen Einheiten zu rechnen. Schließlich zeichnen sie sich dadurch aus, "daß sie der Sprachproduzent von einem gespeicherten Phraseolexem ableitet und mit ihrer Bildung einen spezifischen Effekt intendiert. (...) Für die Dekodierung der Modifikation durch den Rezipienten ist grundsätzlich die Kenntnis der phraseologischen Bedeutung der Basis Bedingung. (...) Erst aus dem Kontrast zwischen assoziierter (unveränderter) phraseologischer Bedeutung und jeweils textspezifischer Aktualisierung entsteht der intendierte Effekt"[59] V.a. deshalb möchte ich die modifizierten Phraseologismen, die eigentlich gar keine Phraseologismen sind, als sogar besonders interessante Fälle in die Untersuchung mit einbeziehen.
4.4 Spezifisch reportsprachliche Besonderheiten
Bei der Untersuchung der Phraseologie in der Fußball-Reportsprache fallen immer wieder bestimmte Wendungen auf, die zunächst intuitiv als nicht frei kombiniert erscheinen, die aber weder morphosyntaktisch noch semantisch Anhaltspunkte für Phraseologizität geben. Dennoch: für bestimmte Sachen oder Sachverhalte "sagt man eben so". Es handelt sich dabei um stabile, nicht-idiomatische Wortverbindungen, mit denen auf bestimmte Aktionen oder Situationen verwiesen wird, die sich zum einen in gleicher bzw. in sehr ähnlicher Weise wiederholen, und die zum anderen in der Berichterstattung erwähnenswert sind.
Erneut ist das Verhältnis von reproduzierten und produzierten sprachlichen Einheiten interessant: "Im Gedächtnis sind mit Sicherheit zahlreiche komplexe Ausdrücke gespeichert, die weder als syntaktisch abweichende noch als semantisch nicht kompositionell aufgebaute idiomatisch sind, sondern stereotyp auf Grund häufigen Vorkommens. Sie werden memoriert, obwohl sie grammatische Strukturen haben."[60] Solche Wendungen, die sog. Nominationsstereotype[61] oder bevorzugten Analysen[62], erhalten ihre Festigkeit also durch Besonderheiten in der Sprachverwendung, nicht durch Besonderheiten im Sprachsystem: "Nominationsstereotype sind weder absolut verfestigte lexikalisierte Einheiten des Sprachsystems, noch freie Fügungen der Rede, sondern die Ausdrucksweisen, die in durch Gesetz oder Konvention festgelegten Typen von Kommunikationssituationen wiederholt und bevorzugt von den Sprachteilhabern gewählt werden bzw. gewählt werden müssen."[63]
Kjær hat für die juristische Fachsprache die Nominationsstereotypen untersucht und festgestellt: "Die Festigkeit von Nominationsstereotypen der Rechtssprache beruht auf ihrer Einbindung in bestimmte durch Gesetz oder Konvention festgelegte (Situations)kontexte. In den betreffenden Kontexten sind die Wortverbindungen als normierte oder 'normale' Bausteine der juristischen Kommunikation stabilisiert, und in diesen Kontexten haben sie eine spezialisierte Gebrauchsbedeutung, die von ihrer wörtlichen Bedeutung abweicht."[64]
Ich meine, daß sich diese Ergebnisse z.T. auch auf die Fußball-Reportsprache übertragen lassen. Sicherlich spielt in der Reportsprache eine Normierung durch Gesetz (oder ritualisierte Sprache) keine Rolle, hier kann nur Konvention von Bedeutung sein. Die Konventionalisierung bestimmter Ausdrucksweisen, die häufig mit einer Verkürzung des sprachlichen Ausdrucks verbunden ist, wird in der Fußball-Reportsprache unterstützt durch die Produktionsbedingungen und das Beschreibungsobjekt "Fußballspiel" selbst, in welchem sich Aktionen in räumlich und zeitlich vorgegebenen Grundmustern in stets ähnlicher Weise wiederholen.
5 Die untersuchten Phraseologismen
5.1 Auswahl der Phraseologismen
Aus der großen Menge von Phraseologismen in den Corpustexten habe ich zunächst alle somatischen Phraseologismen ausgewählt, d.h. alle Phraseologismen, die eine Körperteilbezeichnung enthalten. Es fanden sich ca. 90 verschiedene Phraseologismen mit insgesamt rund 180 Belegen, wobei für manche Wortgruppen, die ich mit aufgenommen habe, durchaus diskutiert werden kann, ob es sich tatsächlich um Phraseologismen handelt, bzw. wie fest respektive frei die Wörter innerhalb dieser Wendungen kombiniert sind. Exemplarisch soll dies - neben anderen Fragen der Verwendung im konkreten Text - an denjenigen Phrasologismen durchgeführt werden, in denen die Körperteilbezeichnungen Bein oder Fuß oder Komposita mit Bein oder Fuß vorkommen. Die Auswahl dieser Phraseologismen erschien mir besonders sinnvoll, nicht etwa, weil das Material hier besonders umfangreich wäre - für Hand, Kopf, Auge und Herz finden sich mehr Phraseologismen (meist unzweifelhafte, sicherlich in jedem phraseologischen Wörterbuch verzeichnete Wendungen, aber auch einige diskutable "Semi-Phraseologismen") als für Fuß, und für Hand, Kopf und Auge auch mehr Belege, und Bein rangiert in der Anzahl der Phraseologismen und der Belege sogar noch hinter dem nach Herz folgendem Arm -, sondern weil Bein und Fuß im Fußball eine herausragende Rolle spielen und deshalb hier am ehesten Semi-Phraseologismen oder Fachjargon-Wendungen zu erwarten waren.
5.2 Vorgehensweise bei der Analyse
Der phraseologische Status der von mir in Betracht gezogenen Wendungen wurde anhand von drei allgemeinsprachlichen phraseologischen Wörterbüchern, drei allgemeinsprachlichen allgemeinen Wörterbüchern, einem Wörterbuch der Umgangssprache, das sehr viel Material aus Sondersprachen enthält, und einem Spezialwörterbuch der Sprache des Sports überprüft.
Die allgemeinsprachlichen phraseologischen Wörterbücher sind:
- Duden (1992): Redewendungen und sprichwörtliche Redensarten. Im folgenden Duden11
- Schemann, Hans (1993): Deutsche Idiomatik. (Schemann)
- Wolf, Friedrich (1966): Moderne deutsche Idiomatik. (Wolf)
An allgemeinsprachlichen allgemeinen Wörterbüchern habe ich verwendet:
- Duden (1993-1996): Das große Wörterbuch zur deutschen Sprache in acht Bänden. (DudenWB)
- Brockhaus-Wahrig (1980-1984): Deutsches Wörterbuch in sechs Bänden (B-W)
- WDG (1980-1982): Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache in sechs Bänden. (WDG)
Spezialwörterbücher:
- Küpper, Heinz (1982-1984): Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache in acht Bänden (Küpper)
- Wehlen, Rainer (1976): Regeln und Sprache des Sports. (Wehlen)
Darüber hinaus habe ich gelegentlich hinzugezogen:
- Gsella, Thomas, Heribert Lenz & Jürgen Roth (1996): So werde ich Heribert Faßbender. Grund- und Aufbauwortschatz Fußballreportage (Gsella)
Gsella ist eine satirische Sammlung von Wendungen aus Fernsehkommentaren zu Fußballspielen. Der satirische Effekt besteht v.a. darin, daß der Leser die Wendungen als typische und bekannte "Phrasen" wiedererkennt. Die Formelhaftigkeit wird von den Autoren dadurch pointiert, daß sie behaupten, mittels eines "Grundwortschatzes" von 650 Wendungen ließen sich 85% des Spielgeschehens in einem normalen Fußballspiel adäquat wiedergeben, der "Aufbauwortschatz" von 1100 Wendungen erfasse weitere 10-12%, so daß 95-97% einer Fußballreportage (im Fernsehen) aus 1750 festen Wendungen bestehen.[65]
Weil die Phraseologismen häufig nicht in der Zitierform, sondern mit Variationen und Modifikationen vorkommen, habe ich, wenn es notwendig oder erfolgversprechend erschien, nach "passenden" verwandten Phraseologismen gesucht.
Auf Seitenangaben bei den Zitaten aus den Wörterbüchern habe ich verzichtet, alle Beispiele sind, soweit nicht ausdrücklich anders angegeben, unter dem Lemma Fuß bzw. Bein im jeweiligen Wörterbuch zu finden.
Ich möchte im folgenden alle Phraseologismen mit Bein oder Fuß aus meinem Corpus diskutieren; sie sind nach allgemeinsprachlichen (5.3), umgangssprachlichen (5.4), fachsprachlichen (5.5), Fachjargon- (5.6), modifizierten allgemeinsprachlichen (5.7) und spezifisch reportsprachlichen (5.8) Phraseologismen geordnet. Daran anschließend werden in 5.9 Zweifels- und Grenzfälle diskutiert sowie in 5.10 diejenigen Wendungen genannt, die sich als frei kombiniert erwiesen haben.
Die festen phraseologischen Komponenten in den Textbelegen sind jeweils unterstrichen, die Quellenangabe steht in Klammern.
[...]
[1] vgl. Tewes (1991) S. 95ff
[2] Becker (1983) S. 79; diese grundsätzliche Orientierung ist auch heute noch zutreffend.
[3] Becker (1983) S. 79
[4] vgl. hierzu z.B. Lüger (1995) S. 77ff
[5] Schaefer (1989) S. 3
[6] Ein (seltenes) Beispiel für die Diskussion eines Sporttextes findet sich bei Lüger (1995) S. 117
[7] Rosengren (1972) z.B. nimmt die Sportberichterstattung aus (S. XIII)
[8] Schaefer (1989) S. 3ff, Digel (1975) S. 35
[9] vgl. Schweickard (1987) S. 3ff
[10] Schweickard (1987) S. 4
[11] z.B. Fingerhut (1991) S. 61
[12] Fingerhut (1991) S. 57
[13] z.B. Siefer (1970)
[14] z.B. Schneider (1990) S. 35: "Alle Scheußlichkeiten der Sport-Sprache kommen in politischen Sendungen und Artikeln ganz ähnlich vor (...). Es gibt also keine Handhabe, speziell mit den Sport-Redakteuren sprachlich ins Gericht zu gehen."
[15] Möhn/Pelka (1984) S. 141
[16] z.B. Fingerhut (1991) S. 63, Schweickard (1987) S. 4, Dankert (1969) S. 50, Schneider (1974) S. 18
[17] Schweickard (1987) S. 5
[18] so z.B. Fleischer (1987) S. 226f, Fingerhut (1991) S 58
[19] vgl. die gute Definition von Möhn/Pelka (1984) S. 26: "Wir verstehen unter Fachsprache heute die Variante der Gesamtsprache, die der Erkenntnis und begrifflichen Bestimmung fachspezifischer Gegenstände sowie der Verständigung über sie dient und damit der spezifischen Kommunikationsbedürfnissen im Fach allgemein Rechnung trägt. Fachsprache ist primär an Fachleute gebunden, doch können an ihr auch fachlich Interessierte teilhaben."
[20] König (1992) S. 133
[21] Bußmann (1990) S. 690
[22] Fluck (1991) S. 12
[23] Fingerhut (1991) S. 58
[24] Brandt (1979) S. 172
[25] Burger (1982) S. 31
[26] vgl. Fluck (1991) S. 17ff
[27] Fluck (1991) S. 22
[28] Dankert (1969) S. 25
[29] Wehlen (1972) S. 71; vgl. auch Schneider (1974) S. 185
[30] Dankert (1969) S. 22
[31] so ist wohl Fingerhut (1991) S. 58 zu verstehen
[32] Im Zusammenhang mit den Entlehnungen der Fußballsprache aus anderen Lebensbereichen (und deren Fachsprachen bzw. Fachjargon) wird meist als erstes der Bereich des Kriegswesens genannt und kritisiert, wobei diese Entlehnungen insofern nicht so verwunderlich sind, als "speziell bei Fußballspielen die naheliegende Analogie zwischen Sportsprache und Kriegsmetaphorik auf dem natürlichen antagonistischen Handlungsmuster" (Fingerhut (1991) S. 55) basiert. In Schneiders Untersuchung, die allerdings nicht nur Fußball-Berichterstattung, sondern die Berichterstattung über ein breites Spektrum an Sportarten einbezieht, ist der Bereich, aus dem am meisten entlehnt wird, die "Schaustellung", womit er "Theater, Musik, Tanz, Film" und das "'Schaugewerbe'" meint. (Schneider (1974) S. 181) Dessen ungeachtet ist die Kritik an "kriegerischen Entgleisungen" und "martialischen Metaphern", (Fingerhut (1991) S. 54f) oft verbunden mit chauvinistischen Einstellungen, wie sie von Boulevardzeitungen (besonders der BILD-Zeitung) gebraucht werden, sehr berechtigt.
[33] Schneider (1974) S. 181
[34] Schneider (1974) S. 162
[35] Duhme (1991) S. 126 f
[36] Duhme (1991) S. 127
[37] Duhme (1991) S 127
[38] z.B. Siefer (1970)
[39] vgl. Lüger (1995) S. 3
[40] vgl. hierzu Becker (1983) S. 81
[41] z.B. Schaefer (1989) S. 166, Fingerhut (1991) S. 56, Schweickard (1987) S.5
[42] Schweickard (1987) S. 6
[43] Fingerhut (1991) S. 93
[44] Kroppach (1970) S. 75
[45] Schaefer (1989) S. 166
[46] vgl. z.B. Lüger (1995) S. 36f, Wotjak (1992) S. 162
[47] Dankert (1969) S. 21
[48] Schweickard (1987) S. 9
[49] Schweickard (1987) S. 10f
[50] Fingerhut (1991) S. 55
[51] z.B. Burger (1982) S. 68ff
[52] Palm (1995) S. 71
[53] Palm (1995) S. 72
[54] Burger (1982) S. 68ff
[55] Palm (1995) S. 73ff
[56] Palm (1995) S. 71
[57] Palm (1995) S. 72
[58] Coulmas (1981) S. 50
[59] Barz (1992) S. 35
[60] Coulmas (1981) S. 51
[61] Fleischer (1982) S. 63f
[62] Burger (1982) S. 31f
[63] Kjær (1994) S. 320
[64] Kjær (1994) S. 317
[65] Gsella (1996) S. 8
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