Frankophonie im Libanon


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

24 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

I Ursprünge und Entwicklung der Frankophonie im Libanon
I.1 Die Anfänge
I.2 Das 19.Jahrhundert
I.3 Der Libanon unter französischem Mandat
I.4 Seit der Unabhängigkeit

II Zur aktuellen Situation der Frankophonie im Libanon
II.1 Welche Sprachen spricht der Libanon?
II.2 Französisch als Bildungssprache: Garant für die Frankophonie
II.3 Französisch zwischen langue de culture und anglo- amerikanischer Konkurrenz

Resümee

Bibliographie

Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich im Rahmen des Hauptseminars Frankophonie im Nahen Osten mit dem Beispiel Libanon. Die Themenwahl begründet sich aus einem persönlichen Interesse für die Region Naher Osten und dessen Geschichte. Der Libanon nimmt in vielfacher Hinsicht eine Sonderstellung in der Region ein, welche auch für die Frankophonie von Bedeutung ist, insofern als das er als das frankophile und frankophone Land par excellence der Region gilt. Die Geschichte der Frankphonie im Libanon schreibt sich ein in dessen Tradition der Offenheit gegenüber Europa (seine geographische Lage begünstigt ihn seit jeher als Knotenpunkt des Handels zwischen Asien und Europa), sowie in eine Tradition des Pluralismus, sei es auf sprachlicher, religiöser oder ethnischer Ebene.

Frankophonie im Libanon betrachte ich zunächst als historisch gewachsene Frankophonie, die sich nicht wie in den meisten frankophonen afrikanischen Staaten aus einer kolonialen Vergangenheit entwickelt hat, aber durch die Mandatszeit natürlich massiv gefördert worden ist. Interessant ist, und das soll den zweiten Teil der Arbeit ausmachen, was aktuell die libanesische Frankophonie ausmacht. Welche Fragen stellen sich aktuell dazu und welchen Status nimmt das Französische ein?

Frankophonie verstehe ich dabei nicht nur als linguistisches Phänomen, sondern darüber hinaus ganz klar als Instrument französischer Außenpolitik, welches der Erhaltung von Frankreichs Position (sei es bezüglich der französischen Sprache, sei es bezüglich wirtschaftlicher oder politischer Interessen) in der Welt dient. Natürlich gibt es im Libanon immer noch die in der Geschichte begründet liegenden Ansichten der emotionalen und kulturellen Bindung an die französische Sprache, der besonderen Beziehung zwischen Frankreich und dem Libanon. Dies ist auch eine der Besonderheiten des Libanon in Bezug auf das Thema. Doch wird sie es auch in Zukunft sein? Eine Frage, die im Rahmen dieser Arbeit unbeantwortet bleiben wird, wie viele andere Fragen auch.

Inspiriert haben mich zu meiner Arbeit zahlreiche persönliche Kontakte, die ich zu Libanesen in Frankreich habe. Dazu gehören Unterhaltungen, in denen permanentes Code- switching (Arabisch – Französisch) zu beobachten ist, ebenso wie Erfahrungsberichte aus dem Französischunterricht im Libanon, der schon ab frühester Kindheit die Liebe und die besondere Beziehung des Libanon zu Frankreich zu vermitteln scheint (natürlich ist hierbei keine Verallgemeinerung möglich, ebenso keine wissenschaftliche Auswertung dessen).

Spannend ist ebenfalls die Auseinandersetzung mit der Fachliteratur zur Frankophonie im Libanon. Angebracht ist besonders bei diesem Thema eine kritische Distanz und zusätzliche Information über den jeweiligen Autor, da die Literatur zum Teil doch stark stereotyp bzw. sehr frankophil und emotional behaftet ist.

I Ursprünge und Entwicklung der Frankophonie im Libanon

I.1 Die Anfänge

Zeitlich gesehen beginnt die wesentliche Entwicklung und Verbreitung der Frankophonie im Libanon seit der Mitte des 19.Jahrhunderts, das heißt noch bevor Frankreich das Mandat über den Libanon bekommt und diesen als Staat mitbegründet. Die Grundsteine dafür wurden jedoch bereits sehr viel früher gelegt: Es sind neben Handelskontakten, die den Libanon seit jeher aufgrund seiner geographischen Lage auszeichnen, vor allem die religiös motivierten Beziehungen der maronitischen Christen zu den Franken, welche wesentlich für die Anfänge und die Entwicklung französischen Einflusses in dieser Region sind.

Als erstes wichtiges Moment werden die Kreuzzüge (11. bis 13. Jahrhundert) in diesem Zusammenhang genannt. Die Maroniten, seit dem 7.Jahrhundert vor allem im Mont- Liban ansässig, kooperierten mit dem Kreuzzüglern, um den Widerstand der Araber im Gebiet des heutigen Libanon zu brechen.[1] Daraufhin garantiert Frankenkönig Ludwig IX ihnen volle Unterstützung und Schutz von Seiten seines Reiches: „ Nous sommes persuadés que cette nation que nous trouvons établie sous le nom de St- Maroun est une partie de la nation française, car son amitié pour les Français ressemble à l´amitié que les Français se portent entre eux.“[2] Interessant ist bei diesem Zitat auch, dass hier das Wort «nation» für die Gemeinschaft der Maroniten verwendet wird. Wenn es vielleicht auch nur schmeicheln sollte, so deutet es doch bereits an, worauf es den Maroniten besonders im Moment der eigentlichen Staatsgründung des Libanon 1920 ankommt.

Nach den Kreuzzügen setzen sich diese Beziehungen hauptsächlich durch Handel und Missionierung durch Schulgründungen fort. Bis ins 19.Jahrhundert hinein bleibt der Einfluss der französischen Sprache jedoch von untergeordneter Bedeutung, da vor allem das Italienische in Verbindung mit der Renaissance weitaus verbreiteter ist.[3]

I.2 Das 19.Jahrhundert

Im Libanon, der seit 1516 zum Osmanischen Reich gehört, weitet sich die Missionarstätigkeit im 19.Jahrhundert stark aus: Unzählige Schulgründungen der katholischen, orthodoxen und protestantischen Religionsgemeinschaften bilden nicht nur den Grundstein des libanesischen Bildungssystems, welches vor einem staatlichen entsteht und noch heute mit diesem koexistiert. Diese Schulen lehren auch die europäischen Sprachen Italienisch, Englisch, in sehr viel geringerem Umfang auch Deutsch und Russisch, nun verstärkt aber Französisch.[4] Daneben werden auch zwei Universitäten gegründet: Die frankophone Université Saint- Joseph, in der im 20.Jahrhundert die Inhaber der höchsten libanesischen Staatsämter eine frankophone und frankophile Ausbildung erhalten.[5] Aktuell finden sich tendenziell weniger Absolventen der USJ in Staatsämtern, da vor allem auch anglophon ausgebildete Absolventen der zweiten in dieser Zeit gegründeten Universität, der American University of Beirut, zunehmend diese Ämter besetzen. Die AUB bildet im Übrigen beinahe die Gesamtheit der Staatsbeamten für die anderen arabischen Länder aus.[6]

Die Einflussnahme Frankreichs in der Region wird einerseits über das Bildungssystem gesteigert, andererseits auch auf wirtschaftlicher Ebene weiter forciert. Besonders ab 1840 fördert Frankreich massiv die Produktion von Seidenraupen im Mont- Liban, um seine Seidenmanufakturen in Lyon zu beliefern.[7]

Darüber hinaus zeugt die Intervention Frankreichs zum Schutze der Maroniten während eines Massakers zwischen ihnen und den Drusen 1860 von der noch immer besonderen Bindung an die Christen im Libanon. Diese erhofften sich ihrerseits Hilfe und Fürsprache bei der Gründung eines unabhängigen Staates.[8]

I.3 Der Libanon unter französischem Mandat (1920 – 1943)

Nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches 1918 bekommt Frankreich das Mandat über das Gebiet des Libanon und Syriens. 1920 wird der Staat Libanon mit den heutigen Staatsgrenzen und der Hauptstadt Beirut gegründet. Man spricht auch vom Großlibanon, da die festgelegten Staatsgrenzen über den Mont- Liban hinausgehen, um dem neuen Staat das wirtschaftliche Überleben zu ermöglichen. Hinsichtlich der religiösen Zugehörigkeit ist die Bevölkerung des Staates Libanon nunmehr von Vielfalt geprägt: Die verschiedenen christlichen Religionsgemeinschaften stellen nur etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung dar, die muslimischen Gemeinschaften die andere Hälfte. Damit hatten sich weder die Erwartungen der Maroniten einen eigenen Staat zu bekommen, noch die der Sunniten und Syriens nach einem Großsyrien, erfüllt.[9]

Während der Mandatszeit verstärkte Frankreich die bilinguale Schulbildung in Arabisch und Französisch, vor allem in den muslimischen ländlichen Gebieten.[10] Französisch wird neben Arabisch offizielle Sprache und nimmt einen wichtigen Platz in der Verwaltung, sowie bei der Verfassungsgestaltung, der täglichen Regierungs- und Parlamentsarbeit ein.[11] 1926 wird die Republik Libanon ausgerufen, als Reaktion auf zahlreiche, die Unabhängigkeit verlangende Aufstände. Eine parlamentarische Demokratie wird eingeführt, die dem kulturellen und religiösen Pluralismus des Libanon gerecht werden und diesen bewahren sollte, aber vor allem die Macht der Maroniten sicherte. Es gibt im Libanon achtzehn staatlich anerkannte Religionsgemeinschaften (davon 12 christliche, 5 muslimische und eine jüdische Minderheit), die alle im Parlament vertreten sein sollten, da Politik und Religion sehr eng miteinander verschränkt sind. Die zahlenmäßig am Stärksten vertretenen Gemeinschaften teilen sich nach der immer noch aktuellen Verteilungsregel die wichtigsten Staatsämter: Der Präsident und der Oberbefehlshaber der Armee müssen Maroniten sein, der Ministerpräsident ein Sunnit, sein Stellvertreter ein griechisch- orthodoxer Christ, der Parlamentspräsident ein Schiit usw. Diese Verteilung wird bis heute so gehandhabt, nur die Verteilung der Parlamentssitze ist nach dem Bürgerkrieg im Vertrag von Taef zu Gunsten der Muslime geändert und damit den realen demographischen Gegebenheiten angepasst worden. Bis dahin basierte die Verteilung der Parlamentssitze auf einer Volkszählung von 1932, bei der die christlichen Religionsgemeinschaften noch eine leichte Bevölkerungsmehrheit darstellten, wohingegen sie heute aufgrund von Abwanderung und Zuwanderung muslimischer Bevölkerung vielleicht noch knapp 40% der libanesischen Bevölkerung ausmachen (genaue Zahlen sind nicht vorhanden, da es keine aktuelle Zählung gibt, vermutlich auch aus Angst der Maroniten an politischer Macht zu verlieren). Darüber hinaus haben Minister- und Staatspräsident mehr Kompetenzen zugesprochen bekommen.[12]

[...]


[1] Abdulkarim, Amir: La diaspora libanaise en France. Processus migratoire et économie. Paris: L´Harmattan 1996, S.35.

[2] Abdulkarim (1996), S.35.

[3] Gueunier, Nicole: „Les francophones du Liban… fous des langues“, in: Robillard/ Beniamino: Le Français dans l´espace francophone. Paris: Editions Champion 1993, S.264f.

[4] Abou, Sélim: «Le Français au Liban et en Syrie», in: Valdman: Le Français hors de France. Paris: Editions Champion 1979, S.287.

[5] Hafez, Stéphane- Ahmad: Statuts, emplois, fonctions, rôles et représentations du français au Liban. Paris: L´Harmattan 2006, S.89f. & Naaman, Abdallah: Le Français au Liban. Essai socio- linguistique. Editions Naaman 1979, S.85 & 95. & Jouve, Edmond: „Aux origines de la francophonie au Liban“, in: Arbid/ Thobie (Hg.): Le Liban et l´Union Européenne. Actes du colloque international de Beyrouth. Beyrouth: Dar Al- Maha 2001, S.186.

[6] Hafez (2006), S.89f &Naaman (1979), S.97.

[7] Abdulkarim (1996), S.40.

[8] Abdulkarim (1996), S.35.

[9] Leclerc, Jacques: Aménagement linguistique dans le monde. 2000. http://www.tlfq.ulaval.ca/axl/asie/liban.htm <10.01.2007>

[10] Abou (1979), S.288.

[11] Naaman (1979), S.86f.

[12] Tincq, Henri «Prégnant, le confessionnalisme s´effrite», in: Le Monde. Dossier: Le réveil des Libanais. 31.März 2005, S.4.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Frankophonie im Libanon
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Romanistik)
Veranstaltung
Frankophonie im Nahen Osten
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
24
Katalognummer
V71549
ISBN (eBook)
9783638632119
Dateigröße
501 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frankophonie, Libanon, Frankophonie, Nahen, Osten
Arbeit zitieren
Berit Reimann (Autor:in), 2007, Frankophonie im Libanon, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71549

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