Genji im Shôjo-Manga - Asakiyumemishi von Yamato Waki


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

24 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsangabe

Einleitung

1. shôjo manga
1.1. Stilistische Merkmale des shôjo manga

2. Der Manga あさきゆめみし
2.1. Einfluesse der Fien de siècle- Dekadenz

3. Darstellung der Sexualitaet
3.1. Im shôjo manga
3.2. In Asaki yume mishi

Schlusswort

Abbildungsnachweise

Literatur

Einleitung

“[…] Er sah unsagbar ruehrend aus, wie er nun Traenen des Abschieds weinte. Und dann fuegte er, ganz erbittert, dass draussen die Haehne kraehten, hinzu:

“Noch waehrend ich Eures

Herzens Kaelte beklage,

grauet der Morgen, -

warum nur zwingen die Haehne

stets zu bestuerztem Aufbruch?” […]”[1]

Das Genji Monogatari, zu deutsch “Die Geschichte des Prinzen Genji”, wurde um 1004–1010 von der Hofdame Murasaki Shikibu[2] geschrieben und gilt als der erste Liebesroman der Welt sowie als der erste psychologische Roman der japanischen Literaturgeschichte. Der Protagonist des Romans ist Genji, der als spaetgeborener Sohn des Tennô Suzaku (930-946) und dessen Konkubine zwar von diesem bevorzugt wird, aber nicht über den gesetzlichen Erben (den erstgeborenen Sohn) gestellt werden kann. So wird er in die Familie der Minamoto (alias Genji) ausgegliedert, muss nicht arbeiten und verbringt seine Zeit mit den schoenen Kuensten wie Malen, Dichtung, Kalligrafie und militaerischen Sportarten. Sehr frueh beginnt er sich auch fuer das andere Geschlecht zu interessieren und kann aufgrund seiner gehobenen Stellung seine “Gelueste befriedigen”. So hat er im Laufe seines Lebens unzaehlige Affaeren mit Frauen, oft ganz unterschiedlicher Art.

Neben der psychologischen Tiefe des Romans stellt die Tatsache, dass er von einer Frau verfasst wurde[3] eine weitere Besonderheit dar. Zudem war er vollstaendig in Hiragana (der japanischen Silbenschrift) und somit in Umgangssprache geschrieben. Bereits im 12. Jahrhundert jedoch benoetigten die Leser Kommentare, um den Text zu verstehen, so sehr hatte sich die Sprache, ebenso wie die Sitten am Hofe, veraendert. Fuer einen heutigen Japaner ist das Buch in seiner urspruenglichen Fassung nahezu unlesbar. Dies ist neben der komplexen, von Hoeflichkeitsformen durchdrungenen Grammatik des alten Japanisch auch darin begruendet, dass sehr viele Dinge nur angedeutet werden, einschliesslich der Personennamen. Tatsaechlich ist fast keine der Personen im Buch benannt, da dies als unhoeflich galt. Stattdessen werden die Personen durch ihren Rang (bei Männern), Verwandtschaftsbeziehungen oder Kleidung (bei Frauen) oder durch vorherige Äußerungen in der Konversation identifiziert, wodurch es sehr schwer wird, den Überblick zu behalten. Ein weiteres Problem ist die in der Heian-Zeit übliche idiomatische Verwendung von bekannten Gedichten oder Variationen dieser in der Konversation, die oft nur in Bruchstuecken wiedergegeben sind. Wer die zitierten alten Gedichte (meist in der tanka -Form) nicht kennt, kann somit oftmals nicht verstehen, was ein Sprecher aussagen will. Loesungen fuer diese Probleme sind die Veroeffentlichung mit ausfuehrlichen Kommentaren und Anmerkungen einerseits, die Uebersetzung des alten Textes in das moderne Japanisch andererseits, wobei dann zum Beispiel die Personen auch beim Namen genannt werden.

Ueber die Jahrhunderte seit seiner Entstehung hinweg, wurde das Genji Monogatari als Sujet aufgegriffen und in Malerei, Kunsthandwerk, Literatur, Theater und spaeter auch im Film umgesetzt. Dies geschieht auch heute noch. Ein weiteres Medium, in dem die Geschichte des Prinzen Genji verarbeitet wurde, ist der Manga (Comic).

In meiner Arbeit moechte ich nun eine Manga-Adaption naeher betrachten und dabei versuchen, auf den Einfluß der Fin-de Siecle Decadence einzugehen. Ein anderer Punkt, den ich erlaeutern moechte, ist die Darstellung der Sexualitaet in dieser Adaption.

Es handelt sich um den Manga Asaki yume mishi von Yamato Waki.

1. shôjo manga

Manga werden in verschiedene Kategorien eingeteilt, die nach dem jeweiligen Zielpublikum benannt sind[4], auf welche ich hier jedoch nicht weiter eingehen moechte. Die zwei wohl groessten Kategorien sind shôjo (Maedchen) und shônen manga (Jungencomic) . Die Zielgruppe (des shôjo manga) sind weibliche Jugendliche im Alter von zehn bis achtzehn Jahren.

Der hier behandelte Manga Asaki yume mishi ist stilitisch gesehen ein shôjo manga.

1.1. Stilistische Merkmale des shôjo manga

Ein zentrales Motiv bei den shôjo manga ist die (romantische) Liebe. Unverzichtbar ist der kawaii -, cuteness- Faktor. Die aeusserliche Erscheinung der Figuren ist meist gepraegt von riesigen Kulleraugen, oft mit Sternchen versehen, langen Wimpern, kaum sichtbaren Naeschen und ebenso kleinen Muendern. Sie sind gross, schlank und haben

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1

lange Beine (siehe Abb. 1). Die Augen erfahren besondere Aufmerksamkeit, da sie das “Tor zur Seele” darstellen und alle Emotionen widerspiegeln und so manchmal bis zu einem Dreiviertel des Gesichtes ausmachen. Dieses unrealistische und uebertriebene “Schoenheitsideal” ist auf den Kontakt mit dem Westen zurueckzufuehren, denn bevor dieser stattfand, stellten sich Japaner in ihren Bildern (Haenge- und Querrollen, Holzdrucke etc) mit “asiatischen” Zuegen dar[5].

Erstaunlich ist auch die visuelle Dynamik: Nahaufnahmen, Perspektivenwechsel, unregelmaessige Anordnung der Panels etc., welche Ausdruck fuer Emotionen, Atmosphaere und Beziehungen zwischen den Figuren zeigen, sowie eine Vielzahl an expressionistischen Elementen charakterisieren den Zeichenstil. So wehen zum Beispiel plötzlich Blumen oder Blätter durch das Bild, leuchtende Blitze zerschneiden die Szene und viele verschiedene Onomatopae sind eingebaut. Auch komisch-ironische Elemente finden sich; so sind “schoene” Figuren ploetzlich karikaturhaft verzerrt, womit Empfindungen wie Wut oder Entsetzen dargestellt werden sollen.

2. Der Manga あさきゆめみし

Asaki yume mishi wurde von 1979 bis 1993 in der Maedchencomic-Zeitschrift Mimi veroeffentlicht und war sehr erfolgreich in Japan. So erfolgreich, dass es bis heute immer wieder Neuauflagen gab, die letzte 2001. Auch eine Deluxe-Edition von vier Baenden wurde herausgegeben (1987-1989). Publikationen gab es ausserdem in England, Italien und Deutschland. In Deutschland wurde er jedoch schon nach drei Baenden wieder eingestellt.[6]

In den Baenden der Deluxe-Edition finden sich Kommentare von Yamato Waki[7]. Dort berichtet sie ueber ihre Arbeit an dem Manga, ihre Ueberlegungen zu den Figuren etc. So schreibt sie zum Beispiel, dass es auch nach neun Jahren nach schwierig fuer sie sei, dass juunihitoe, das traditionelle Gewand der Hofdamen zu zeichnen, da sie es selber nie getragen hat und nicht weiss, wie es bei natuerlichen Koerperbewegungen faellt und Falten wirft. Genauso bereitet es ihr auch noch Probleme, die langen Haare von einer Seite her zu zeichnen.[8] Weiter sagt sie: “Ich habe mir viele Gedanken darueber gemacht, dass ich diesen Charakteren etwas individuelles verleihen muss. Beim Festlegen der Charaktere muss man auch Dinge bedenken, die man nicht zeichnet. Dinge, die recht langweilig erscheinen, wie zum Beispiel das Lieblingsessen, die Farbe, die der Person am besten steht, die Blutgruppe, welche aber beim Erfassen der Persoenlichkeit hilfreich sind.”[9]

Unter den weiblichen Charakteren sind Kiritsubo (Abb. 2 mit Genji als Kind) und Fujitsubo (Abb. 3 mit Genji als jungen Mann) fuer sie madonnenaehnliche Erscheinungen[10], was an einigen Darstellungen wie hier gut zu erkennen ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abb.2 Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abb.3

Waehrend die junge Mutter Kiritsubo wahrlich nur Reinheit und Unschuld ausstrahlt, verkoerpert Fujitsubo auch Sexualitaet. Denn auch wenn sie sich Genji anfangs verwehrt, schliesslich begeht sie doch den Ehebruch mit ihrem Stiefsohn. Dieser Dualismus von Madonnenhaftigkeit und sexueller Ausstrahlung ist in Abb. 3 gut zu erkennen. Und so erinnert sie auch an die femme fatale, wie sie auf den Fien de siècle -Postern[11] von Alphonse Mucha (1860-1939) zu sehen ist[12] (Abb. 4[13] ).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenAbb. 4

Ueber Genji schreibt Yamato Waki an einer Stelle: “[…]Genji ist jetzt 47 Jahre alt. Ein Mann im mittleren Alter. Aber ich ertrage es einfach nicht, ihm Falten zu malen. Deshalb habe ich entschlossen, ihn weiterhin mit jugendlichem Gesicht zu zeichnen.”[14] Damit entspricht sie (vielleicht unbewusst) dem “ungeschriebenen Gesetz” des shôjo manga, dass alle Figuren koerperlich wohlgestaltet bzw. wunderschoen sein muessen (ausser in Gag-Strips). “Wie ich aus Buechern weiss, soll Genji gross und schlank gewesen sein. In alten Zeichnungen sind japanische Gesichter fast immer rund, aber fuer Prinz Genji waere das doch unnatuerlich.”[15] Waehrend das Schoenheitsideal der Heian-Zeit (794-1185) ein rundes Gesicht mit weissem Teint, ein “Mondgesicht” war, entscheidet sich Yamato Waki fuer die Darstellung Genjis gemaess ihrem Schoenheitsideal, welches dem westlichen Typus entspricht. Ja wenn es moeglich gewesen waere, haette sie Genji sogar nach einem beruehmten westlichen Schauspieler “geformt”. Sie sagt: “Vor einiger Zeit sah ich Clark Gable im Fernsehen und war von seinem Anblick begeistert. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich nicht sonderlich fuer ihn interessiert, aber nun faszinierte mich seine Ausstrahlungskraft, von der der Bildschirm ueberzufliessen schien.[…] Wurde man als Frau geboren, ist dies ein Mann, den man unbedingt einmal treffen moechte.” Nun bedauert sie, zu spaet auf ihn aufmerksam geworden zu sein.[16]

[...]


[1] Auszug aus dem 2. Kapitel des Genji Monogatari aus: Benl, Oscar. Die Geschichte vom Prinzen Genji. Altjapanischer Liebesroman, verfasst von der Hofdame Murasaki Shikibu. Band 1. Manesse Verlag. Zuerich. 1992. S. 69.

[2] Der tatsaechliche Name der Verfasserin ist unbekannt, weshalb sie nach der weiblichen Hauptfigur des Romans benannt wurde.

[3] In Europa gab es weibliche Literatur erst ab dem circa 18./19. Jahrhundert.

[4] Ruh, Brian. The Function of Woman-Authored Manga in Japanese Society. May 2001. www.Animeresearch.com/Articles/WomenInManga/index.htm. S. 1.

[5] Schodt, Frederick. Manga! Manga! The World of Japanese Comics. Kodansha International Ltd. Tôkyô. Japan. 1983. S. 92.

[6] = 浅い夢見して: einen leisen, sanften Traum sehen oder “Fliessende Traeume”.

[7] Yamato Waki wurde am 13.03.1948 in Sapporo, Hokkaidô geboren. Ihr Debut hatte sie mit dem Manga “どろぼう天使” (dorôbô tenshi) in der Zeitschrift “少女フレンド” (shôjo furendo) im Jahre 1966. Bis heute wurden von ihr ungefaehr mehr als 15 Manga veroeffentlicht.

[8] Murasaki Shikibu/Yamato Waki. Asaki yume mishi. Deluxe Edition, Kôdansha. 1987-89.Band 1. S. 311.

[9] Murasaki Shikibu/Yamato Waki. Asaki yume mishi. Deluxe Edition, Kôdansha. 1987-89.Band 3. S. 294

[10] Murasaki Shikibu/Yamato Waki. Asaki yume mishi. Deluxe Edition, Kôdansha. 1987-89.Band 3. S. 294.

[11] Fien de siècle (franz. “Ende des Jahrhunderts”); eine von Frankreich ausgehende, mode- und schlagwortartig verbreitete, meist negative konnotierte Epochenbezeichnung fuer die Zeit des ausgehenden 19. Jhs (in Frankreich zwischen 1870-1900, in Deutschland circa seit 1890); dekadente Ueberfeinerung von Gefuehl und Geschmack (Bertelsmann Lexikon Band 5 1992: 66).

[12] Croissant, Doris. Kyûtei ren’ai no <iroha> - Bijutsu gakusha kara mita “Genji manga” in: Jaqueline Berndt, ed., Man-Bi-Ken. Towards an Aesthetics of Comics. Shoin. Kyôto. 2002. S. 217-249. S. 220.

[13] Alphonse Mucha, Job cigarette papers, Poster, 1896-97.

[14] Murasaki Shikibu/Yamato Waki. Asaki yume mishi. Deluxe Edition, Kôdansha. 1987-89.Band 1. S. 312.

[15] Murasaki Shikibu/Yamato Waki. Asaki yume mishi. Deluxe Edition, Kôdansha. 1987-89.Band 1. S. 311.

[16] Murasaki Shikibu/Yamato Waki. Asaki yume mishi. Deluxe Edition, Kôdansha. 1987-89.Band 1. S. 312.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Genji im Shôjo-Manga - Asakiyumemishi von Yamato Waki
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Kunsthistorisches Institut - Abteilung für Ostasiatische Kunstgeschichte)
Veranstaltung
Das Genji monogatari in den visuellen Medien Japans vom 12. bis 21. Jh.
Note
1,5
Autor
Jahr
2006
Seiten
24
Katalognummer
V71723
ISBN (eBook)
9783638618953
Dateigröße
15788 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Genji, Shôjo-Manga, Asakiyumemishi, Yamato, Waki, Genji, Medien, Japans
Arbeit zitieren
Diana Bettig (Autor:in), 2006, Genji im Shôjo-Manga - Asakiyumemishi von Yamato Waki, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71723

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