Das Vowort zu Conrads The Nigger of the 'Narcissus' gilt als verläßlichste, eigenhändig verfaßte Abhandlung über seinen schriftstellerischen Ansatz und hat programmatischen Charakter für Conrads literarisches Schaffen. 1 Zusammen mit Ford Madox Ford hat Conrad in der Tradition Lockes und Newtons empiristischer Erkenntnistheorie eine Schreibweise entwickelt, die ihm den Ruf eingebracht hat, einer der ersten modernen Autoren Englands gewesen zu sein.2 Zentral für Conrads Kunstverständnis ist seine Auseinandersetzung mit der Frage nach der Beschaffenheit des menschlichen Bewußtseins.
Conrad sieht Introspektion als "hallmark of artistic creation". Er glaubt nicht daran, daß es in der Welt objektiv zu erkennende Wahrheiten gibt und erklärt somit die persönliche Erfahrung, das individuelle Bewußtsein zum einzig möglichen Ausgangspunkt künstlerischen Schaffens.3 Trotz dieser stark subjektivistischen Einstellung zum künstlerischen Schaffensprozeß ist Conrad jedoch davon überzeugt, daß diese "private vision" kommunizierbar sein muß.4 Locke hat in seinem 1670 entstanden Werk Ein Versuch über den menschlichen Verstand das menschlichen Bewußtsein als tabula rasa formuliert, das erst durch Erfahrungen seine individuellen Züge annimmt und das dann assoziativ auf dieselben zurückgreift. Conrad übernimmt Lockes Annahme von der strukturellen Ähnlichkeit der Funktionsweise menschlicher Gehirne und geht davon aus, daß die assoziative Wiedergabe von Impressionen und Gedanken die einzige Möglichkeit darstellt, die potentiellen Rezipienten seiner literarischen Werke zu erreichen.
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1 Vgl. Watt, Ian (1974: 74)
2 Vgl. Ebd. sowie Bradbury, Malcolm (1993: 94)
3 Pettersson (1982: 43)
4 Ebd. 44.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zur Philosophie und Literaturtheorie Conrads
- Conrads epistomologischer Skeptizismus
- "Solidarity" und "temperament" als Kernpunkte Conrads künstlerischen Konzeptes
- Analyse der impressionistischen Erzähltechnik Conrads am Beispiel Lord Jims
- Erzählsituation
- Funktion der Erzählinstanz
- Zeitbehandlung
- Fokalisierung
- Schlußbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit Joseph Conrads literaturtheoretischem Konzept und seiner Umsetzung im Roman "Lord Jim" (1900). Der Fokus liegt dabei auf der Analyse der Erzähltechnik Conrads und ihrer Beziehung zu seinen philosophischen und literaturtheoretischen Überlegungen.
- Conrads epistomologischer Skeptizismus und die daraus resultierende Vorstellung von der Unmöglichkeit objektiver Erkenntnis.
- Das menschliche Bewußtsein als Ausgangspunkt künstlerischen Schaffens und die Rolle von Impressionen und assoziativen Gedanken.
- Die Frage nach der Vermittelbarkeit des individuellen Bewußtseins und die Bedeutung der Erzähltechnik für die Kommunikation literarischer Inhalte.
- Die Analyse der Erzählstruktur, der Erzählinstanzen und der Zeitbehandlung in "Lord Jim" als Beispiel für Conrads impressionistische Erzählweise.
- Die Beziehung zwischen Conrads literaturtheoretischen Überlegungen und der Narratologie als wissenschaftlicher Methode zur Analyse der erzählerischen Vermittlung.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in Conrads literaturtheoretisches Konzept ein und stellt den Zusammenhang zwischen seinem Werk und seiner Philosophie dar. Sie hebt die Wichtigkeit seiner empiristischen Erkenntnistheorie und seiner Vorstellung vom menschlichen Bewußtsein als Ausgangspunkt künstlerischen Schaffens hervor.
Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich mit Conrads epistomologischem Skeptizismus und seiner Auseinandersetzung mit der Frage nach der Möglichkeit objektiver Erkenntnis. Er analysiert die Auswirkungen dieser Skepsis auf die Frage nach der Vermittelbarkeit des individuellen Bewußtseins und auf die Bedeutung der Erzähltechnik für die Kommunikation literarischer Inhalte.
Im dritten Teil der Arbeit wird die impressionistische Erzähltechnik Conrads am Beispiel von "Lord Jim" analysiert. Der Fokus liegt dabei auf der Struktur der erzählerischen Vermittlung, den Funktionen der Erzählinstanzen und der Zeitbehandlung im Roman.
Schlüsselwörter
Joseph Conrad, Lord Jim, Impressionistische Erzähltechnik, Epistomologischer Skeptizismus, Individuelles Bewußtsein, Vermittelbarkeit, Erzählstruktur, Erzählinstanz, Zeitbehandlung, Narratologie.
- Arbeit zitieren
- Johannes Klaas (Autor:in), 1998, Conrads impressionistische Erzählweise am Beispiel von "Lord Jim", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/718