Der georgisch-südossetische Konflikt: kleine Völker, große Mächte und mittenmang die OSZE


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

47 Seiten, Note: 1,6


Leseprobe


Inhalt

1. Einführung.

2. Georgien: ethnischer Flickenteppich und geopolitisches Pulverfass.
2.1 Ethnopolitische Konfliktlinien
2.2 Historische Dimension
2.2.1 Von der Oktoberrevolution über Glasnost und Perestroika zum georgischen Nationalismus
2.2.2 Ära Schewardnadse
2.2.3 Von der Rosenrevolution bis zu Saakashwili
2.2.4 Aktuelle Entwicklung
2.3 Geopolitische Konfliktlinien
2.3.1 Rolle Russlands
2.3.2 Rolle der USA
2.3.3 Rolle der EU
2.3.4 Rolle der NATO

3. Die OSZE.
3.1 Von der KSZE zur OSZE - Neue Aufgaben im Neuen Europa
3.2 Mission in Georgien
3.3 Das Mandat
3.4 Konfliktlösungs- und Verhandlungsmechanismen
3.4.1 Die Gemeinsame Friedenstruppe
3.4.2 Die Gemeinsame Kontrollkommission
3.4.3 Die Expertengruppe

4. Resümee und Ausblick.

5. Literatur.
5.1 Monografien, wissenschaftliche Studien und Analysen
5.2 Quellen aus Periodika, Zeitungen und Internet

6. Verwendete Abkürzungen

7. Anhang.
7.1 Schema der Arbeitsweise der JCC
7.2 Karte von Südossetien
7.3 Karte der Gesamten Region

1. Einführung

Der Kaukasus: Geografisch erscheint er als weitläufige, massiv aufragende Gebirgskette. Kulturhistorisch wirkte er über Jahrhunderte als natürliche Trennlinie zwischen den Kontinenten Europa und Asien. Weltpolitisch bezeichnet der Kaukasus mehr denn je eine äußerst brisante Krisenregion. Spätestens mit den allabendlichen blutigen Bildern von Russlands Krieg in Tschetschenien fand die Region auch als tagespolitische Meldung Einzug in unsere Wohnstuben.

Die Zunahme an Medienberichten über den Kaukasus erklärt sich mittlerweile jedoch nicht mehr nur durch Kriege, Krisen und Konflikte, sondern zusehends durch eine wachsende politische und ökonomische Kooperation mit den jungen postsowjetischen Staatengebilden. Im Kontext der voranschreitenden EU-Osterweiterung – erkennbar am nahenden, just beschlossenen Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum Januar 2007 – verfolgt die größer werdende Union eine Ausdehnung ihrer Nachbarschaftspolitik.[1] Analog zum Wachsen der EU Richtung Osten wächst derweil auch die internationale Rolle der neuen Kaukasus-Republiken.

Auch die kaum mehr zu überschauende wissenschaftlichen Rezeption verweist auf die Bedeutungszunahme dieser besonderen Region zwischen Europa, Asien und dem Nahen Osten. Der Zerfall der Sowjetunion führte zu einer Neubelebung des wissenschaftlichen Interesses an den jungen Staaten des Kaukasus. Vor dem Hintergrund von Nationbuilding -Prozessen, politischer und ökonomischer Transition sowie den aufflammenden militärischen Konflikten manifestierten sich komplexe Phänomene. Die Stichworte sind: Nationalismus, Ethnogenese und soziokultureller Wandel. Im Kaukasus sind diese Phänomene besonders deutlich profiliert, nicht zuletzt durch die einzigartige politische und ethnische Heterogenität der gesamten Region.

Zudem sehen Experten schon seit einiger Zeit sowohl im Kaukasus als auch in Zentralasien die herausragende „geopolitische Neuentdeckung des ersten postsowjetischen Jahrzehnts“[2]. Insofern wundert es kaum, dass dem Kaukasus in der jüngeren Vergangenheit eine besondere Rolle in den sicherheitspolitischen und geostrategischen Überlegungen in Moskau, Washington und nunmehr auch verstärkt in Brüssel zukommt. Als Nahtstelle zwischen Europa und Asien erscheint das kulturräumlich gleichermaßen von europäischen wie asiatischen Einflüssen und in jüngerer Vergangenheit durch die sowjetische Ära geprägte Gebiet als eine mosaikartige „politische Parzellenlandschaft“.[3]

Südkaukasien (respektive Transkaukasien) umfasst im Gegensatz zum russischen Nordkaukasus drei politisch unabhängige, völkerrechtlich anerkannte Republiken: im Norden Georgien, im Süden Armenien und Aserbaidschan. Diese Dreiteilung spiegelt freilich die gegenwärtigen Realitäten nicht wirklich wieder, da sich die Region infolge von Sezessionskriegen und Autonomiebestrebungen politisch, ethnologisch und wirtschaftlich de facto als weit fragmentierter darstellt. Die südkaukasischen Republiken Georgien, Armenien und Aserbaidschan haben den Weg in die Unabhängigkeit von Moskau gewählt. Entlang alter und neuer, territorialer sowie religiöser, kultureller und ethnischer Grenzen wurden und werden individuelle und kollektive Identitäten neu ausgehandelt und zugewiesen. Insbesondere an der Nahtstelle zwischen Nord- und Südkaukasien, der Grenzlinie zwischen dem zu Russland gehörenden Nordossetien und dem aufgrund der Aufrechterhaltung seiner territorialen Integrität von Georgien beanspruchten Gebiet Südossetien, treffen besonders zahlreiche komplexe und miteinander verwobene ethno-, multikonfessionelle und geopolitische Konfliktlinien aufeinander. Insgesamt gesehen besitzt Georgien hinsichtlich seiner prädestinierten geografischen Lage eine Schlüsselposition in und für ganz Kaukasien, die nicht zuletzt für die Befriedung der politisch derartig von Kriegen und Krisen gebeutelten Region eine herausgehobene Bedeutung hat.

Die vorliegende Arbeit widmet sich der speziellen Problematik der weithin nur mehr als frozen conflict bezeichneten Krise[4] zwischen dem nach Westen blickenden Georgien und dem sich nach Moskau orientierenden Südossetien. Als einer der entscheidenden Vermittler in dem Konflikt[5] hat sich die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa mit seiner Langzeit-Mission in Georgien hervorgetan. Als Hauptaufgabe der OSZE-Mission in Georgien gilt die Förderung von „negotiations between the conficting parties in Georgia which are aimed at reaching a peaceful pollitical settlement“[6]. Dies soll in einem direktem Dialog und Diskussionen zwischen den verschiedenen Akteuren und lokalen Autoritäten an von der OSZE organisierten Runden Tischen erreicht werden. Ferner überwacht die Mission die Peacekeeping-Operationen und unterstützt die Aktivitäten innerhalb der Gemeinsamen Friedenstruppe (JPKF).

Insgesamt forderte der Konflikt mehr als Tausend Tote und führte zu Flucht und Vertreibung von über 60.000 Menschen[7]. Auch 15 Jahre nach dem Waffenstillstandsabkommen von Sotschi, in dem der damalige russische Präsident Jelzin zusammen mit dem georgischen Präsidenten Schewardnadze sowie Vertretern Süd- und Nordossetiens die Prinzipien über die Beilegung des Konflikts unterzeichneten, ist die politische, ökonomische und soziale Lage im Landesinnern und auch in der Hauptstadt Tiflis (Tbilissi) kaum minder prekär. Laut dem jüngsten Report der NRO International Crisis Group ist der stagnierende Friedensprozess nicht zuletzt eine Folge der weiterhin ungeklärten Flüchtlingsfrage.[8] Mit jedem Jahr steigt die Gefahr interethnischer Entfremdung und einer den labilen Status quo akzeptierenden Konfliktmüdigkeit innerhalb der südossetischen und georgischen Bevölkerung. Angesichts eines komplexen Bündels an unterschiedlichen Konfliktursachen, die mehr oder weniger in kausalem Zusammenhang miteinander stehen, scheinen die vielfältigen Aufgaben der OSZE-Mission bisweilen leider eine mission impossible zu sein .

Nach einem Report der International Crisis Group ist der Konflikt das Ergebnis einer mannigfaltigen Mixtur aus unterschiedlichsten Ursachen. Diese fangen bei einer gänzlich divergierenden Geschichtsschreibung an und reichen weiter über die immer noch ungeklärten Missstände infolge von Menschenrechtsverletzungen bis hin zur Misere zehntausender Flüchtlinge. Hinzu kommen institutionelle Vereinbarungen und lokale politische Einflusssphären einerseits sowie die geopolitischen beziehungsweise ökonomischen Interessen zahlreicher externer Akteure andererseits.[9] All das vor dem Hintergrund der traurigen politisch-ökonomischen Realitäten, unter denen die Bevölkerung zu leiden hat.

Kurzum, der Konflikt beinhaltet eine Fülle sowohl an innerstaatlichen als auch interstaatlichen Elementen.[10] Das unterscheidet ihn beispielsweise vom Krieg in Tschetschenien, wo die Konfliktparteien weitaus übersichtlicher erscheinen. Es erschwert zudem die objektive Beurteilung und somit auch das Erkennen von Lösungsansätzen für eine friedliche Beilegung.

2. Georgien: ethnischer Flickenteppich und geopolitisches Pulverfass

2.1 Ethnopolitische Dimension

Trotz zahlreicher internationaler Vermittlungsbemühungen ist das Land gegenwärtig nicht in der Lage, seine Souveränität auf dem gesamten Staatsterritorium auszuüben. Zwar gehört die kleine autonome Gebietskörperschaft Südossetien mit ihren kaum mehr 70.000 Einwohnern ebenso wie Adscharien offiziell zum Staatsterritorium Georgiens.[11] Die Gebiete gelten jedoch als abtrünnig, das heißt, sie werden nicht mehr zentral regiert. Durch die separatistischen Bestrebungen verschiedenster Ethnien entwickelte sich Georgien nach der gewonnenen Unabhängigkeit rasch zu einem leicht entzündlichen Pulverfass. Vielen gelten die ethnopolitischen Spannungen seither als primäre Konfliktlinien in der gesamten Region.[12]

“The enemy of my enemy is my friend”[13] ist eine bekannte Redewendung im südlichen Kaukasus. Der OSZE und Kaukasus-Experte Evers verweist im Mission Package für die Georgien-Mission auf die labilen kaum gefestigten Bindungen zwischen den einzelnen Gruppen und die Implikationen. Plötzliche Wechsel in den individuellen Beziehungen zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen „can easily lead to a rotation in the whole configuration of regional coalitions and counter-coalitions.“[14]

Dennoch lässt sich der häufig als ethnisch bezeichnete Konflikt weder durch das bloße Faktum vorhandener ethnischer Diversität noch als unvermeidliche Konsequenz der Erblast eines repressiven kommunistischen Systems erklären. Die ethnische Komponente des Konfliktes sollte vielmehr als ein Produkt eines komplexen Sets interagierender Umstände verstanden werden.[15] In seiner Dissertation summiert Cvetkovski diese wie folgt:

Both due to the Sowjet legacy, specifically the Sowjet Federal Union; to the collapse of this system and the following decline and absence of central power and authority; to the Georgian „eclusionist“ ethno-nationalist policies in pursue of independencence; and due to the specific circumstances of the South Ossetian minority, pocessing an autonomous unit and an ethnic elite, and their „fragmentive“ ethno-nationalist response to the Georgian strive for independence.“[16]

2.2 Von der historischen Dimension zur aktuellen Entwicklung

Georgien ist ein Vielvölkerstaat. Die Georgier selbst machen nur 70 Prozent der insgesamt 5,4 Millionen Einwohner aus, daneben leben im Land Abchasen (1,8%), Osseten (3,0%), Armenier (8,1%), Russen (6,3%), Aseri (5,7%) sowie zahlreiche andere Ethnien.[17] Die ossetische Sprache gehört zu den iranischen Sprachen und wird im Kaukasus sowohl auf russischem (Nordossetien) als auch georgischem (Südossetien) Territorium von den Osseten gesprochen.[18] Es ist die einzige iranische Sprache mit größerer Verbreitung im Kaukasus. Die dem Konflikt zu Grunde liegenden rivalisierenden Besitzansprüche von Georgiern und Osseten auf das Gebiet an der Südgrenze Russlands sind historisch tief verwurzelt. Sie wurden in der oft vollkommen widersprüchlichen Geschichtsschreibung der beiden Völker manifestiert.[19]

Zu Zeiten der Sowjetunion, insbesondere in den frühen Jahren unter Stalin, wurden Konfliktlinien und Antipathien zwischen den verschieden Ethnien regelrecht instrumentalisiert, um die Republik von Moskau aus kontrollieren und nötigenfalls destabilisieren zu können. Infolge des Zerfalls der Föderation der Sowjetrepubliken entstand auch in Georgien ein Vakuum an Werten und Überzeugungen. Die latenten ethnopolitischen Konfliktlinien zwischen den zuvor als sowjetische Oblasti[20] weitgehend Autonomen Gebieten und der Zentralregierung in Tiflis wurden nunmehr evident.

Das folgende Kapitel versucht, den groben Verlauf des Konfliktes seit der Zäsur durch den Wandel infolge von Glasnost und Perestroika chronologisch zu skizzieren. Aus gegebenem Anlass schließt das Kapitel mit der hochaktuellen Entwicklung.

2.2.1 Von der Oktoberrevolution über Glasnost und Perestroika zum georgischen Nationalismus

Laut Marietta König gehen die Ursprünge des Konflikts schon auf die Zeit der Gründung Georgiens im Jahr 1918 zurück.[21] Damals wurde Nordossetien von Russland einverleibt, woraufhin georgische Truppen im Süden Ossetiens einmarschierten und mutmaßlich einen Genozid verübten.[22] Die Zugehörigkeit Nord- und Südossetiens zu unterschiedlichen lässt sich insofern auch als ein Ergebnis der Oktoberrevolution interpretieren. In den darauf folgenden Jahrzehnten fühlten sich die Südosseten gegenüber dem Kernland Georgien wirtschaftlich benachteiligt. Im Zuge der neu gewonnenen Freiheiten dank Glasnost und Perestroika gründete sich die Volksfront „Adamon Nichas“ (zu deutsch: Stimme des Volkes), welche die Sezession von Georgien und die Vereinigung mit Russland propagierte.

Innerhalb des auch weltpolitisch so bedeutenden Herbstes von 1989 begannen sich die ethnischen Spannungen zwischen der Minorität der Südosseten und den Georgiern gewaltsam zu entladen. Erst die Intervention von Truppen des russischen Innenministeriums beendete schließlich vorerst die Ausschreitungen, nachdem zahlreiche Tote und Verletzte zu beklagen waren. Als Südossetien daraufhin einseitig die Loslösung von Georgien und als Südossetische Demokratische Sowjetrepublik den Anschluss an die UDSSR proklamierte, hob das georgische Parlament den Autonomiestatus der gesamten Region auf und entsandte eigene Truppen in das Gebiet. Wieder kam es zu schweren Gefechten mit Menschenrechtsverletzungen, bei denen über 100 südossetische Dörfer und in Reaktion darauf zahlreiche Häuser georgischer Einwohner in der südossetischen Hauptstadt Zchinwali nieder gebrannt und zerstört wurden. Nun flohen mehr als 100.000 Osseten in den russischen Norden, 20.000 Georgier wiederum ins georgische Kernland, vor allem in die Hauptstadt Tiflis. Abermals griff Moskau mit einer 500 Mann starken Sondertruppe ein, die jedoch „mehr oder weniger eindeutig Position für die Südossetische Seite“[23] bezog. Sie wurden erst im Frühjahr 1992 abgezogen, jedoch verblieben bis auf weiteres beträchtliche Bestände an Waffen, auch schweren Kalibers, im Konfliktgebiet.

Auch nach der Unabhängigkeit Georgiens, aus der in einem Klima von aufkeimendem Nationalismus Swiad Gamsachurdia als erster Präsident Georgiens hervorging, liefen die Kämpfe nahezu unvermindert weiter. Derweil versuchte Gamsachurdia mit einer pointiert anti-russischen Politik und gestützt auf einem ethno-chauvinistischem Nationalismus[24] , die aufklaffenden ideologischen Lehrstellen zu füllen. Die Versuche, den Konflikt auf diplomatischer Ebene zu schlichten, scheiterten kläglich. Erst 1992 nach einem gewalttätigen Militärputsch gegen den immer selbstherrlicher auftretenden Gamsachurdia folgte die Zäsur mit der Amtseinführung des ehemaligen sowjetischen Außenministers Eduard Schewardnadse und der Aushandlung eines Waffenstillstands.

2.2.3 Ära Schewardnadze

Die Ernennung des bis dato auch in Deutschland dank seiner Rolle in den Verhandlungen zur deutschen Wiedervereinigung weithin geschätzten Schewardnadse führte zu einer fühlbaren Entspannung der ehedem verhärteten Fronten im Konflikt. Mit seinem russischen Amtskollegen Boris Jelzin unterzeichnete der auf dem diplomatischem Parkett erprobte Schewardnadse ein Abkommen über die Prinzipien einer Lösung des Georgisch-Ossetischen Konflikts. Eine 1500 Mann starke trilaterale Truppe wurde fortan unter dem Namen Joint Peace Keeping Forces unter dem faktischen Oberkommando Russlands mit der Überwachung und Sicherstellung der Vereinbarungen bertraut. Zudem wurden die Verhandlungen innerhalb der so genannten Joint Controll Commission formalisiert.[25] An diesen beiden wichtigen Elementen im Rahmen der Konfliktlösungsmechanismen ist seither auch die OSZE durch einen aktiven Beobachterstatus mit Rat und Tat beteiligt.

Zudem gelang es ihm durch den Beitritt sowohl zur UNO als auch zur OSZE 1992, das Land aus seiner isolierten Stellung herauszubringen und infolgedessen den russischen Einfluss auf Georgien zu mindern. Freilich ohne ihn vollständig beseitigen zu können. Wirtschaftlich blieb die Kaukasusrepublik auch weiterhin abhängig, zumal Russland bis heute den georgischen Energiemarkt kontrolliert und noch immer zwei Militärbasen auf georgischem Territorium unterhält. Durch den Beitritt Georgiens zum Europarat und die Unterzeichnung des europäischen Partnerschafts- und Kooperationsabkommens ( PKA) verstärkte sich seither auch das Engagement der Europäischen Union bezüglich der Lösung des Konflikts. Schewardnadse verpflichtete sich gegenüber der EU, sowohl die Minderheitenkonflikte beizulegen, als auch die Einführung demokratischer Prinzipien und Rechtsstaatlichkeit sowie die Achtung der Menschenrechte zu gewährleisten.

2.2.4 Die Rosenrevolution und die Ära Saakaschwili

Gravierende innenpolitische Probleme, ein geringes wirtschaftliches Wachstum, sehr hohe Kriminalität und die virulent gewordene Korruption kulminierten 2003 nach bewiesenermaßen gefälschten Parlamentswahlen[26] in der Mobilisierung der Opposition und führten zum massiven Protest Tausender auf den Strassen Tiflis. Vor allem die beachtliche finanzielle und logistische Unterstützung durch US-amerikanische Nichtregierungsorganisationen für den Aufbau von Demokratie und Zivilgesellschaft verhalf der Opposition zum Sturz Schewardnadses und erzwang dessen Flucht.[27] Aus den anschließend mit westlicher Unterstützung und unter wesentlicher Beteiligung der OSZE durchgeführten Präsidentschaftswahlen, trat der im Wahlkampf schlicht nationalistisch agieende Populist Saakaschwili 2004 als strahlender Sieger hervor. Der friedliche Machtwechsel ging namentlich nicht nur in die georgischen Annalen als Rosenrevolution ein und führte allenthalben zu einer Aufbruchstimmung im Land.

Bezüglich des Konfliktes in Südossetien waren die Folgen jedoch alles andere als rosig. Nach einer beinahe 10 Jahre anhaltenden Periode relativer Ruhe eskalierte nun die Situation von neuem. Mittels populistischer Losungen bekräftigte Saakaschwili wieder und wieder sein wichtigstes Wahlversprechen, die territoriale Integrität Georgiens endgültig herstellen zu wollen. Dass diese emphatisch vorgetragenen Absichtsbekundungen mehr als nur leere Worte waren, bewies schließlich sein beherztes Auftreten bezüglich der Lösung des Konfliktes mit Adscharien. Angespornt durch die samtene Revolution in Tiflis führten auch im gemäßigt abtrünnigen Adscharien Demonstrationen und Proteste zur Abdankung des autokratischen Herrschers und mithin zur Wiedereingliederung unter das Gewaltmonopol der neuen Regierung in Tiflis.

Gestärkt durch diesen raschen Erfolg trieb Saakaschwili sein Engagement nunmehr mit Blick in Richtung Südossetien voran. Doch stellte sich die dortige Lage schnell als in der Tat weit verfahrener heraus. Die Gefahr einer zu forschen Rhetorik wurde mit dem Aufflammen neuer Gefechte virulent.[28] Der Konflikt verhärtete sich 2004 vor allem wegen illegaler Einfuhren und grassierenden Schmuggels von gefälschten Produkten über Drogen bis hin zu Waffen über die Grenze zwischen Russland und Südossetien. Saakaschwili reagierte darauf mit der Verschärfung von Gesetzen und der Schließung des Energeti-Marktes. Dieser hatte sich seit Mitte der neunziger Jahre als Teil des Transkaukasus-Highways zum Hauptumschlagplatz für den illegalen Handel mit geschmuggelten Waren entwickelt.[29] Im Juli 2004 verschärfte sich die angespannte Lage noch einmal, als allen Waffenstillstandsvereinbarungen zum Trotz zwischen den Konfliktparteien wieder scharfe Gefechte ausbrachen. An dieser Missachtung jeglicher Konventionen waren erwiesenermaßen sogar mehrere Soldaten der unter OSZE-Beobachtung stehenden Joint Peace Keeping Forces beteiligt. Nach Gesprächen innerhalb der gemeinsamen Kontrollkommission (JCC) wurde schließlich erneut ein temporärer Friedensvertrag geschlossen.

[...]


[1] Die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) verfolgt als strategisches Programm die Schaffung eines "Rings stabiler, befreundeter Staaten" um die EU herum. Den Ländern ohne eine Beitrittsperspektive sollen durch eine stärkere Anbindung an die EU, Anreize zur Modernisierung ihrer Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gegeben werden.

[2] Halbach, U.: „Öl und Great Game im Kaukasus, Der „kaspische Raum“ als geopolitische Neuendeckung des ersten nachsowjetischen Jahrzehnts“, in: IFSH (Hg), OSZE-Jahrbuch 2004, Hamburg 2004.

[3] Vgl.: Auch, E.M./ Halbach/U.: „Der Kaukasus als politische Parzellenlandschaft“, in: Informationen zur Politischen Billdung-aktuell, Bonn 2003. http://www.bpb.de/publikationen/S9Q2F4,0,0,KaukasusRegion.html

[4] nach dem Konfliktbarometer 2005 des Heidelberger Instituts für Internationale Konfliktforschung (HIIK) gilt der Konflikt als gewaltsame Krise mit dem Intensitätslevel 3 (von 1für latenter Konflikt bis 5 für Krieg), Vgl.:

http://www.hiik.de/de/barometer2005/KonfliktBarometer2005.pdf#search=%22hiik%202005%22

[6] beschlossen auf dem18en CSO-Treffen am 13. Dezember 1992 in Wien: Vgl.: Mission survey: Quelle: http://www.osce.org/georgia/13265.html

[7] Crisis Group Report: Georgia-South Ossetia: Refugee Return the Path to Peace, Europe Briefing Nr. 38, Tiflis/Brüssel, April 2005.

[8] Ebenda.

[9] Vgl.: International Crisis Group: Georgia: Avoiding War in South Ossetia, ICG Europe Report Nr. 159, Brüssel/Tiflis November 2004, S. 2-10.

[10] Cornell, Swante u.a.: A Strategic Analysis of the South Caucasus with a Focus on Georgia, Swedish Development Cooperation Agency, 2005, S. 5.S. 7.

[11] Anm. d. Autors: Bis 2004 galt auch das Gebiet Adscharien al sabtrünnig, im Zuge der „Rosenrevolution“ fand dort jedoch ein Machtwechsel mit dem Ergebnis der Wiedereingliederung statt.

[12] Cornell, Swante u.a.: A Strategic Analysis of the South Caucasus with a Focus on Georgia, Swedish Development Cooperation Agency, 2005, S. 5.

[13] Evers: Mission Information Package South Caucasus, Hamburg 2003, S. 10.

[14] Ebenda.

[15] Vgl.: Cvetkovski, Nikola: The Geogian-South Ossetian Conflict, Dissertation, Aalborg Universität 1998, Conclusion. http://www.caucasus.dk//publication5.htm.

[16] Ebenda.

[17] Vgl.: Evers F.: Mission Information Package: South Caucasus, IFSH Hamburg 2003 S.95.

[18] Ebenda, S. 44.

[19] Vgl.: ICG: Georgia: Avoiding War in South Ossetia, ICG Europe Report Nr. 159, Brüssel/Tiflis 2004, S.2.

[20] Anm. d. Autors: In der UDSSR bezeichnete Oblast (Mehrzahl: Oblasti) eine Föderationseinheit mit geringer Autonomie (im Gegensatz zu den Sojwetrepubliken).

[21] König: „Der georgisch-südossetische Konflikt“, in: OSZE-Jahrbuch 2003, S. 253.

[22] Ebenda: S. 257.

[23] König: S. 256.

[24] Vgl.: Cvetkovski, N.: The Georgian - South Ossetian Conflict, Dissertation, Aalborg University, Quelle: http://www.caucasus.dk/publication5.htm

[25] Vgl.: Kapital zur JCC,

[26] Vgl. hierzu den Report der OSZE Wahlbeobachter: International Election Observer Mission: Parliamentary Elections, Georgia - 2 November 2003, Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Tbilisi, 3. November 2003; www.osce.org/ documents/ odihr/ 2003/ 11/ 1031_en.pdf, abgerufen am 26.09.2006.

[27] Vgl.: Czerwick, E./ Rzchiladse, G.: Nach der Rosenrevolution. Aufbruchstimmung in Georgien, in: Die Politische Meinung 411,KAS-Publikation 2004, S. 85ff. Quelle: http://www.kas.de/db_files/dokumente/die_politische_meinung/7_dokument_dok_pdf_4041_1.pdf#search=%22czerwick%20nach%20der%20rosenrevolution%22

[28] König, M.: OSZE-Jahrbuch 2004, S.263 ff.

[29] ICG: Avoiding War in South Ossetia, S. 10.

Ende der Leseprobe aus 47 Seiten

Details

Titel
Der georgisch-südossetische Konflikt: kleine Völker, große Mächte und mittenmang die OSZE
Hochschule
Universität Potsdam  (Internationale Beziehungen)
Veranstaltung
Die OSZE
Note
1,6
Autor
Jahr
2006
Seiten
47
Katalognummer
V71917
ISBN (eBook)
9783638689533
Dateigröße
1385 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Konflikt, Völker, Mächte, OSZE
Arbeit zitieren
Daniel Seiffert (Autor:in), 2006, Der georgisch-südossetische Konflikt: kleine Völker, große Mächte und mittenmang die OSZE, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71917

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