Kindheit und Armut – Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung von Kinderarmut durch Familie und Schule


Zwischenprüfungsarbeit, 2006

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Allgemeine Daten zur Armutssituation in Deutschland

3. Definitionsansätze der verschiedenen Armutsbegriffe

4. Armut in der Familie
4.1 Auswirkungen von Armut auf Kinder
4.2 Beeinflussung des Familienlebens
4.3 Lösungsansätze in der Familie

5. Situation in der Schule
5.1 Verhalten von Kindern und Jugendlichen aus sozial schwachen Schichten am Beispiel der Kauai-Studie
5.2 Probleme an den Übergängen zu den verschiedenen Schulformen
5.3 Erfahrungen in der Schule
5.4 Die unterstützende Funktion der Schule für den Bereich der Armutsbewältigung

6. Möglichkeiten zur Verbesserung der finanziellen und sozialen Lage armer Familien

7. Probleme bei der Deutung von fördernden und belastenden Faktoren

8. Fazit

9. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Armut von Kindern und Jugendlichen hat in den letzten Jahren drastisch zugenommen. Viele davon betroffene Kinder und Jugendliche haben somit häufig nicht die Möglichkeit, sich Wünsche oder erstrebenswerte Ziele zu erfüllen.

Der Bereich der Kinderarmut und auch Armut allgemein, lässt sich in die Bereiche materielle und immaterielle Armut teilen. In meiner Arbeit werde ich aus diesem Grund sowohl auf finanzielle, als auch auf bildungsspezifische Ursachen und damit einhergehende soziale Ursachen und deren Lösungsansätze eingehen. Ich werde mich im speziellen auf familiäre und schulische Aspekte sowie auf Bildungsarmut, soziale Ausgrenzung und das deutsche Schulsystem beziehen. Weiterhin werde ich Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung von Kinderarmut darlegen sowie die Problematik der Risiko- und Schutzfaktoren näher erläutern. Im Hinblick auf die Thematik meiner Arbeit, werde ich versuchen zu erklären, warum es einigen Kindern besser als anderen gelingt, eine bestehende Armutssituation, ohne den schwerwiegenden Verlust von sozialen Kompetenzen und Bildung, zu meistern.

2. Allgemeine Daten zur Armutssituation in Deutschland

Die Armutssituation in Deutschland hat sich in den letzten Jahren verschärft. Die Hauptursache hierfür ist die steigende Anzahl von Haushalten, die von Armut, durch Arbeitslosigkeit und Niedriglöhne, betroffen sind. Früher zählten zur Gruppe der Armen vor allem Obdachlose, Ausländer und eine kleine Anzahl von sozial Schwachen, die Armut über die Generationen weitergaben.[1] „Heute ist Armut in die ‚normalen Schichten’ der Gesellschaft vorgedrungen. So zählt zur Gruppe der Niedrigeinkommensbezieher (weniger als 60% des Durchschnittseinkommens) etwa jeder fünfte Bundesbürger; und sogar 45% aller Westdeutschen waren im Zeitraum von acht Jahren (1984 bis 1992) mindestens ein Jahr lang hiervon betroffen.“[2] Das durchschnittliche Netteinkommen in Deutschland betrug im Jahr 2003 etwa 2770 Euro.[3] Von Armut betroffen sind also diejenigen Personen eines Haushaltes, denen weniger als 938 Euro monatlich zur Verfügung stehen.[4] Vor allem Familien, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, kinderreiche Familien, deren monatliches Ausgaben für die Kinder das eigene Einkommen übersteigt und Alleinerziehende, die wegen fehlender Kinderbetreuungsangebote häufig nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen können, leben am Rande der Armutsgrenze. Vor diesen Problemen bleiben auch die Kinder nicht verschont. Aktuell leben laut dem Deutschen Kinderschutzbund etwa 2,2 Millionen Kinder in Armut.[5] Es lässt sich erkennen, dass nun nicht mehr ausschließlich Randgruppen vom Armutsrisiko betroffen sind, sondern dass zunehmend mehr Erwachsene und Kinder in Deutschland dieser Gefahr unterliegen.

Im Folgenden werde ich nun auf die verschiedenen Begrifflichkeiten von Armut und auf die bestehenden Probleme in den Bereichen Familie und Schule eingehen.

3. Definitionsansätze der verschiedenen Armutsbegriffe

Die drei Teilbereiche finanzielle und soziale Notlagen sowie Bildungsarmut sind eng miteinander verknüpft. Häufig sind finanzielle oder soziale Schwierigkeiten der Auslöser für das Nichterreichen bestimmter Qualifikationen im Bildungsbereich.[6]

Der Bereich der finanziellen Armut gliedert sich in absolute und relative Armut. Unter absoluter Armut versteht man, dass wichtige Grundbedürfnisse des Lebens nicht befriedigt werden können.[7] Relative Armut hingegen ist eine finanzielle Benachteiligung, die sich auf den mittleren Lebensstandard einer Nation bezieht. Die Betroffenen haben weniger als 60% des Durchschnittseinkommens der Bevölkerung des jeweiligen Landes zur Verfügung. Aber auch das sozio-kulturelle Existenzminimum ist ein Teilbereich der Armut. Hierbei geht es um Aspekte der physischen Existenz und der sozialen Ausgrenzung.[8] Der Bereich der Bildungsarmut geht einher mit finanziellen und sozialen Problemen. Werden Kindern vor und während der Schulzeit nur wenige Möglichkeiten zum Erlangen von Bildung gegeben, wirkt sich dies ebenso negativ auf die schulische Leistung aus, wie das Fehlen sozialer Kontakte und Bezugspersonen. Bildungsarmut zeigt sich folglich darin, dass kein oder nur ein schlechter Schulabschluss erlangt wird oder dass Basiskompetenzen, wie das Lesen oder Schreiben, nur mangelhaft vorhanden sind.[9]

4. Armut in der Familie

„Familien bilden eine Reihe kleiner leistender Gemeinschaften in ‚Familiennetzen’, die ihre Lebensentwürfe in der Generationenfolge selbst verantworten und ihren Alltag selbst bewältigen. [...] Familien erbringen für ihre Kinder Leistungen der Betreuung, Erziehung und Bildung und haben zugleich einen zunehmenden Bedarf an externer Ergänzung und Unterstützung.“[10] Dieses Zitat macht deutlich, welche Rolle Familien in der Gesellschaft, aber auch in Hinsicht auf ihre Kinder, spielen. Die Situation innerhalb der Familie trägt im Wesentlichen dazu bei, wie sich die Armutsbewältigung bei den Kindern auswirkt. Die Eltern und ihre Vorstellungen über das Leben sind die maßgeblichen Faktoren, ob Strategien zur Bewältigung entwickelt werden können. Ich werde nun die Situation sozial benachteiligter Familien erläutern und anschließend auf Schutz- und Risikofaktoren eingehen, weil diese in Bezug auf die kindliche Entwicklung bedeutsam werden.

Die familiäre Situation entscheidet häufig, ob eine erfolgreiche Lebensbewältigung bei Kindern eintritt. Fehlen finanzielle Ressourcen, ist es häufig schwierig, den Kindern angemessene Entwicklungsbedingungen zu bieten. Hier werden die Einstellungen und Entscheidungen der Eltern deutlich, die sich auf das Leben der Kinder auswirken. „Welcher Wert wird in der Familie auf das Lesen von Büchern gelegt? Wird dem Kind ein Musikinstrument nahe gebracht? Existiert im Haushalt ein Internetanschluss?“[11] Diese Fragen wirken sich ebenso auf die Lebensstruktur aus, wie die Art der Wohngegend, das Vorhandensein von Spielsachen oder die Art der Kleidung. Diese Eigenschaften wirken sich in der Kindheit auf soziale Beziehungen und den Status innerhalb einer Gleichaltrigengruppe aus. Ebenso bedeutsam sind die Bildungserwartungen der Eltern sowie die Entscheidungen für einen bestimmten Schultyp an den jeweiligen Bildungsübergängen.[12]

Problematisch ist außerdem, dass finanzielle Schwierigkeiten oft mit negativen Auswirkungen, auf die Bereiche Schule und soziales Umfeld, einhergehen. „Zahlreiche Befunde belegen, dass bei Armut, finanzieller Verknappung und Arbeitslosigkeit der Eltern gehäuft Beeinträchtigungen des Wohlbefindens und Minderwertigkeitsgefühle seitens der betroffenen Kinder und Jugendlichen auftreten.“[13] Diese und weitere Strukturen werde ich im Folgenden aufgreifen und versuchen, deren Einfluss auf die kindliche Entwicklung und auf das Verhalten der Eltern, zu verdeutlichen.

4.1 Auswirkungen von Armut auf Kinder

Finanzielle Armut und Arbeitslosigkeit können sich bei Kindern auch auf deren allgemeines Wohlbefinden und ihr Selbstwertgefühl auswirken. Emotionale Belastungen treten bei Kindern auch verstärkt durch häufiger auftretende Konflikte innerhalb der Familie und durch das dadurch entstehende schlechtere Familienklima auf.[14] Weiterhin lösen finanzielle Sorgen der Eltern bei den Kindern problematische Verhaltensweisen aus. Bei den Kindern können so Depressionen, Angst und Gefühle von Hilflosigkeit auftreten. Aber auch externalisierendes Problemverhalten, wie Aggressivität, Feindseeligkeit oder Zerstörungswut können die Folge sein.[15] Daneben kann außerdem die Sozialentwicklung beeinträchtig werden. Kinder aus sozial schwachen Elternhäusern, sind häufig weniger in eine Peergroup eingebunden, besuchen seltener einen Verein und haben meist weniger Spielkameraden als Gleichaltrige. Probleme entwickeln sich hier vor allem durch beengte Wohnverhältnisse und eine Wohngegend, die wenig Möglichkeiten für Freizeitgestaltung und das Erlangen sozialer Kontakte bietet. Aber auch Rückzugstendenzen der Kinder selbst, durch die Befürchtung nicht anerkannt zu werden, tragen zu diesen Schwierigkeiten bei.[16]

Ausgelöst durch die geringen sozio-ökonomischen Ressourcen der Eltern, findet bei den Kindern häufig eine geringere Intelligenzentwicklung statt, die auch schulische Leistungen beeinflusst. Es wird eine Beeinflussung der „allgemeinen Intelligenz, der Sprachfähigkeit und der Schulleistungen“[17] deutlich. Hier ist besonders die Dauer, in der Armutsverhältnisse herrschen, wichtig. Vor allem wenn finanzielle Armut über einen längeren Zeitraum besteht, verringert die Familie oft die Ausgaben für Bildung und Freizeitaktivitäten zugunsten der Ernährung und Wohnung.[18] Die schlechteren Leistungen der Kinder lassen sich auch stark auf außerschulische Aktivitäten zurückführen. Walper schreibt, dass vor allem während der Sommerferien bestimmte Risiken zum Tragen kommen, die das schlechtere Abschneiden von Kindern aus ärmeren Haushalten, auslösen. Als Erklärung dafür dient, „daß Kinder aus deprivierten Familien im Sommer deutlich weniger anregende Aktivitäten unternehmen als Gleichaltrige aus besser gestellten Familien: Sie gehen seltener in den Zoo und Bildungszentren, treiben weniger Sport, unternehmen weniger Reisen und erhalten weniger Tanz- und Musikunterricht.“[19] Auch die Art der Arbeit, der berufliche Status und die Bildung der Eltern sind, im Hinblick auf die schulische Entwicklung der Kinder, zu betrachten. Sie beeinflussen stark die Schulleistungen als auch den Schultyp, den die Kinder nach der Grundschule besuchen.[20] Doch auch das Ernährungsverhalten spielt eine wichtige Rolle bei den Beeinträchtigungen von Kindern, die in materieller Armut aufwachsen. In ihrer Ernährung sind häufiger Süßigkeiten und fetthaltige Nahrungsmittel zu finden, als Obst, Gemüse oder Vollkornprodukte. Ebenso treiben sie weniger Sport als ihre Altersgenossen und putzen weniger häufig ihre Zähne.[21] Dadurch treten bei Kindern öfter „Verletzungen, Erkrankungen der Atmungsorgane und des Magens sowie immunologische Störungen wie Asthma und Ekzeme“[22] auf.

[...]


[1] Vgl. Klocke, A.: Aufwachsen in Armut. Auswirkungen und Bewältigungsformen der Armut im Kindes- und Jugendalter. In: Zeitschrift für Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie. 16. Jg. (Heft 4), 1996, S. 391

[2] a.a.O.

[3] Vgl. http://www.destatis.de/presse/deutsch/pk/2004/evs2003_Statement_Hahlen.pdf

[4] Vgl. Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung: Lebenslagen in Deutschland – Der 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Bonn, 2005, S. 4

[5] http://www.dksb.de/front_content.php?bezug=21;50&idcatart=746&idcat=50

[6] Lauterbach, W.; Lange, A.; Becker, R.: Armut und Bildungschancen: Auswirkungen von Niedrigeinkommen auf den Schulerfolg am Beispiel des Übergangs von der Grundschule auf weiterführende Schulstufen. In: Butterwegge, C.; Klundt, M.: Kinderarmut und Generationengerechtigkeit. Familien- und Sozialpolitik im demographischen Wandel. 2. durchges. Auflage. Opladen: Leske + Budrich, 2003, S. 158 ff.

[7] Vgl. http://www.aktionsprogramm2015.de/www/begriffsdefinition_14_18_0_f.htm

[8] Vgl. Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung (2005): S. 4 f.

[9] Vgl. Allmendinger, J.; Leibfried, S.: Bildungsarmut. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament. B21-22/2003, S. 13 f.

[10] Bertsch, F.: Staat und Familien. Familien und Kinderarmut in Deutschland. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament. B22-23/2002, S. 11

[11] Szydlik, M.: Familie – Lebenslauf – Ungleicheit. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament. B22-23/2002, S. 7

[12] Vgl. a.a.O. S. 7

[13] Walper, S.: Tragen Veränderungen in den finanziellen Belastungen von Familien zu Veränderungen in der Befindlichkeit von Kindern und Jugendlichen bei? In: Zeitschrift für Pädagogik. 51. Jg. (März/April 2005), H. 2, S. 172

[14] Vgl. Walper, S.: Auswirkungen von Armut auf die Entwicklung von Kindern. In: Lepenies, A.: Kindliche Entwicklungspotentiale. Normalität, Abweichung und ihre Ursachen, Materialien zum 10. Kinder- und Jugendbericht, Bd. 1, München: DJI-Verlag, 1999, S. 308 f.

[15] Vgl. a.a.O. S. 309 f.

[16] Vgl. a.a.O. S. 311 ff.

[17] Lauterbach, W.; Lange, A.; Becker, R. (2003): S. 160

[18] Vgl. a.a.O. S. 158

[19] Walper, S. (1999): S. 315

[20] Vgl. Mansel, J.; Neubauer, G.: Kinderarmut – Armutsrisiko Kinder? In: Mansel, J.; Neubauer, G. (Hrsg.): Armut und soziale Ungleichheit bei Kindern. Opladen: Leske + Budrich, 1998, S. 13

[21] Vgl. Lauterbach, W.; Lange, A.; Becker, R. (2003): S. 159

[22] Walper, S. (1999): S. 307

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Kindheit und Armut – Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung von Kinderarmut durch Familie und Schule
Hochschule
Philipps-Universität Marburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
25
Katalognummer
V71947
ISBN (eBook)
9783638689809
Dateigröße
495 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kindheit, Armut, Möglichkeiten, Grenzen, Bewältigung, Kinderarmut, Familie, Schule
Arbeit zitieren
Sophie Schneider (Autor:in), 2006, Kindheit und Armut – Möglichkeiten und Grenzen der Bewältigung von Kinderarmut durch Familie und Schule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71947

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