Deutsche Kolonialgeschichte in Afrika

Entstehung und Entwicklung unter Einbeziehung wechselseitiger Einflüsse auf Kolonisierende und Kolonisierte


Hausarbeit, 2005

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historischer Kontext

3. Bismarcks Ambitionen zur Kolonialpolitik

4. Die Phase der Kolonialerwerbungen 1884/85

5. Die Wirtschaftlichkeit der Schutzgebiete

6. Das Verhältnis zwischen Kolonisierenden und Kolonisierten

7. Schlussbetrachtung

8. Quellen- und Literaturverzeichnis
Internetquellen:

1. Einleitung

Die deutsche Kolonialepoche umfasste einen Zeitraum von gut 30 Jahren. Im Vergleich zu anderen etablierten Kolonialmächten ist die Dauer nahezu gering. Dennoch möchte ich mich in dieser Arbeit mit dieser Problematik beschäftigen. Ein Teilaspekt meiner Arbeit soll hier die Anfangsphase des deutschen Kolonialismus sein, Bismarcks Kolonialismus in den Jahren 1884 und 1885.

In diesem Bezug werde ich zuerst auf den historischen Kontext eingehen (Punkt 2.), um so ein besseres Verständnis für jene Zeit zu vermitteln. Denn deutsche Kolonialpolitik lässt sich ohne den Hintergrund politischer und ökonomischer Bedingungen im Deutschen Kaiserreich nicht verstehen. Danach steht die Fragestellung im Mittelpunkt was Bismarck dazu bewegt hat in die Kolonialpolitik einzusteigen (Punkt 3.), war er doch entschieden gegen die Aneignung von überseeischen Territorien. Und in diesem Zusammenhang soll anschließend die Phase der Kolonialerwerbungen genauer beleuchtet werden (Punkt 4.). Wenn man über das deutsche Kolonialreich spricht, sollte man ungefähr wissen wie, wo und wann diese Gebiete unter deutscher Flagge geraten sind. Danach widme ich mich einem sehr kontroversen Thema für die damaligen Zeitgenossen. Wie wirtschaftlich waren diese Gebiete (Punkt 5.)? Einst sollten sie zu „Wirtschaftswunderländern“ ausgebaut werden, aber dieser Versuch scheiterte schon im Ansatz. Im darauf folgenden Punkt (Punkt 6.) steht das Verhältnis zwischen den Deutschen und den Eingeborenen im Mittelpunkt, was gleichzeitig der Schwerpunkt dieser Arbeit sein soll. Dabei soll gezeigt werden inwieweit beide Parteien Einfluss aufeinander hatten und was in Teilen davon heute noch vorhanden ist. Überwiegt der koloniale Einfluss auf Deutschland oder sind bzw. wurden die deutschen Schutzgebiete von Deutschland weitaus massiver beeinflusst?

In der Schlussbetrachtung (Punkt 7.) versuche ich noch mal das zuvor erläuterte zusammen zu fassen und ein Fazit zu ziehen.

Aufgrund der geringen Dauer des deutschen Kolonialreiches erschien es für Historiker nicht besonders „lohnenswert“ Forschungen dahingehend zu betreiben. Erst Mitte der 1960er Jahre wurde eingehend versucht, deutsche Kolonialpolitik und vor allem Bismarcks „Umschwenken“ im kolonialen Denken zu erklären. Hans-Ulrich Wehler legte in der Studie „Bismarck und der Imperialismus“ im Jahre 1969 seine Theorie des Sozialimperialismus dar. Demnach sei Bismarck aufgrund innerer Probleme „gezwungen“ wurden diese nach Außen hin abzuleiten, in Form einer aktiven Kolonialpolitik. Mittlerweile sind diese „endogenen“ theoretischen Erklärungsversuche stark kritisiert wurden[1], da man die deutsche Kolonialpolitik und die deutsche Außenpolitik nicht nur als Reaktion auf die inneren Umstände im Deutschen Kaiserreich verstehen darf.

Zu Beginn der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts kam es zu einem regelrechten Umbruch innerhalb der Kolonialgeschichtsschreibung. Die „Kolonialhistorie und ‚Überseegeschichte’ alten Stils […][wurde] zur Geschichte der kolonialen Periode der Dritten Welt“[2]. Von dieser Zeit an begann man sich zunehmend auf die Erforschung der Dritte Welt Länder zu konzentrieren, die zu einem Großteil in ihrer Vergangenheit einer Kolonialmacht angehörten. Demnach sollte Kolonialgeschichtsschreibung nicht nur aus der Sicht der Kolonialmacht geschrieben werden, sondern muss immer als Teil der Landesgeschichte jeweiliger kolonisierten Staaten verstanden werden. In diesem Zusammenhang wirft sich die klassische Frage auf: Inwieweit wurden die Kolonisierten beeinflusst und wie groß war ihr Einfluss auf die Kolonisierenden? Im Späteren Verlauf meiner Hausarbeit möchte ich noch eingehender auf diese Frage eingehen.

Deutsche Kolonialgeschichte, sei sie auch im Vergleich anderer kolonialer Imperien sehr kurz ausgefallen, erscheint für mich sehr interessant. Denn mit der Abgabe aller deutschen überseeischen Besitzungen 1919 im Zuge des Versailler Vertrages endete nicht die deutsche Kolonialgeschichte. Sie reichte sogar noch in die Zeit des Nationalsozialismus hinein. Zwar besaß Deutschland nach 1919 nie mehr offiziell okkupierte Gebiete in Übersee, dennoch waren koloniale Bestrebungen teilweise die Antriebsfeder für diverse Expeditionen und, später in der Zeit des Zweiten Weltkrieges, für einige militärische „Wahnsinnsoperationen“, die bei den jeweiligen Machthabern die Hoffnung wecken sollten, man könnte die verloren Kolonien wieder erwerben und so die „koloniale Schmach von Versailles“ abschütteln.[3] Glücklicherweise blieben diese Pläne reines Wunschdenken und die militärischen Operationen verliefen nahezu im Nichts.[4]

Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte die deutsche Kolonialgeschichte keine besonders große Rolle mehr im Bewusstsein der Deutschen, so dass man durchaus sagen kann, die deutsche Kolonialgeschichte hat mit dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland ebenfalls ihr Ende gefunden.

2. Historischer Kontext

Das Deutsche Kaiserreich wurde 1871 gegründet. Dieses neue Reich im „Herzen Europas“ verursachte bei den etablierten Großmächten enorm viel Misstrauen, da das eingespielte Kräftegleichgewicht zwischen den europäischen Mächten empfindlich gestört werden konnte. Denn die „bislang […] eher ungefährliche Föderation in der Mitte [Europas][…] hatte nunmehr […] die Fähigkeit gewonnen, die andere Großmächte längst besaßen, nämlich zu attackieren“.[5] So bezeichnete Klaus Hildebrand die damalige Situation kurz nach der Reichsgründung.

Das anfängliche Misstrauen gegenüber dem Deutschen Kaiserreich war aber unnötig, da Bismarck „[…] umgehend nach der Reichsgründung die neue Großmacht für saturiert erklärt“ hat.[6] Damit wurde der Nährboden für Angst vor weiteren territorialen deutschen Eroberungen entzog. Somit war Deutschland bereits kurz nach seiner Gründung außenpolitisch weitgehend konsolidiert.

Innenpolitisch gab es aber massive Probleme. Denn im Zuge der bereits um 1835 begonnenen Industrialisierung traten nun verstärkt soziale Konfliktfelder auf, die allgemein unter dem Schlagwort „Soziale Frage“ bekannt sind. Hinzu kam 1873/74 das Einsetzen der Gründerkrise. Aufgrund von massiven Spekulationen kam es zu einer Überbewertung der gesamten Industrie, gepaart mit extremer Überproduktion, für die kein ausreichender Absatz vorhanden war, entwickelte sich dieses Gemisch zur wirtschaftlichen Stagnation, welche von den Zeitgenossen als „Große Depression“ empfunden wurde. Anfänglich nahm man an, dass es in dieser Zeit zu keinerlei wirtschaftlicher Entwicklung kam, sogar zu einem gewissen Rückgang der wirtschaftlichen Produktion. Dies ist allerdings ein Irrtum, denn „die Kontinuität des Wachstums der deutschen […] industriellen Volkswirtschaft[…] blieb nämlich trotz der Krisenerscheinungen nahezu ungebrochen“[7]. Damit wuchs die deutsche Wirtschaft auch in der Zeit der „Großen Depression“ weiterhin an, auch wenn das wirtschaftliche Wachstum zwischen 1875 und 1880, ausgenommen das Jahr 1878, stets negative Werte aufwies, dadurch sei nur die extreme Steigerung in der Zeit von 1870 bis 1874 korrigiert wurden, so meinte dies Henning.[8] Ende der 1870er Jahre wurden Schutzzölle für Agrarprodukte und schwerindustrielle Produkte eingeführt, um den heimischen Absatzmarkt vor Billigerzeugnissen aus Übersee zu schützen. Im Zuge der Transportrevolution „überschwemmte“ das mit Abstand billigere Auslandsgetreide den europäischen und damit auch den deutschen Markt und wurde so zu einer ernst zu nehmenden Konkurrenz der etablierten Agrarproduzenten in Deutschland, vornehmlich in „Ostelbien“. Die Einführung von Schutzzöllen war nicht allein ein Werk der damaligen Regierung. Auch die neu gegründeten und zum Teil recht einflussreichen Interessenverbände übten dementsprechend Druck auf die Regierung aus, um so ihre Interessen besser zur Geltung zu bringen. In diesem Zusammenhang sei hier erwähnt, dass es gerade in der zweiten Phase der Industrialisierung in Deutschland zwischen 1873 und 1914 zu regelrecht massenhaften Gründungen von Vereinen und Verbänden jeglicher Art kam. Die einflussreichsten und auch wohl bedeutendsten seien hier auch noch mal erwähnt, der Bund der Landwirte (BdL) und der Bund der Industriellen (BdI).

Außenpolitisch etablierte sich das Deutsche Kaiserreich unter Reichskanzler Bismarck immer mehr. Die von Bismarck eingeleiteten Bündnisse und das dadurch entstandene Bündnissystem dienten zur Absicherung des Reiches nach außen. Das „Versprechen“, Deutschland sei saturiert, welches Bismarck nach der Reichsgründung 1871 äußerte[9], wurde auch gehalten. Innerhalb Europas kam es nach 1871 zu keiner weiteren territorialen Erweiterung des Reichsgebietes mehr. Lediglich in Übersee, vornehmlich in Afrika, wurde das Deutsche Reich „aneignungspolitisch“ im Jahre 1884 aktiv. In Afrika wurden einige große koloniale Besitzungen unter den Schutz des Deutschen Kaiserreiches gestellt. Die Zeitgenossen hofften, man könne diese Kolonien zu blühenden Wirtschaftsgebieten machen und so den Auswandererstrom aus Deutschland vor allem in diese Gebiete „locken“. Diese recht naive Annahme erwies sich bald als großer Irrtum. Keine einzige deutsche Kolonie erreichte auch nur annähernd einen Einwandererstrom, der mit dem der Vereinigten Staaten von Amerika gleich zu setzen gewesen wäre.[10] Auch die wirtschaftliche Entwicklung in den deutschen Kolonien, die auch als Schutzgebiete bezeichnet wurden, lief doch sehr stagnierend voran, so dass der „Traum“ von blühenden wirtschaftlichen Kolonien regelrecht wie eine Seifenblase zerplatzte. Dieser „Run auf Kolonien“ – speziell für den Kontinent Afrika auch bekannt als „Scramble for Africa“ - ist nur im Gefüge des Imperialismus zu verstehen. Jener Zeitepoche, in der die etablierten Großmächte versuchten durch territoriale Erwerbungen, vorrangig in Übersee, ihr Prestige und somit ihre Großmachtstellung zu behaupten bzw. zu verstärken. Nahezu jede Großmacht wollte etwas vom „großen Kuchen“ ergattern.

Mitte der 1880er Jahre kam es innenpolitisch zu tiefgreifenden Reformen. Weltweit wurde damals als erstes die Sozialgesetzgebung eingeführt. Die Renten-, Arbeitslosen-, Invaliditäts- und Unfallversicherung sollten dazu dienen, die Probleme der unteren Schichten, vornehmlich der Arbeiter zu mildern. Man versprach sich mit diesen Maßnahmen eine Verbesserung der teilweise „prekären“ Lage der Arbeiter und man erhoffte sich dadurch ansatzweise die Lösung der „Sozialen Frage“, welche mit dem Fortschreiten der Industrialisierung immer mehr auf die damalige politische Tagesordnung gebracht wurde.

Als 1888 Kaiser Wilhelm I. starb und sein Nachfolger Friedrich III. aufgrund einer schweren Krebserkrankung nur wenige Monate regieren konnte, kam dessen Sohn, Kaiser Wilhelm II. an die Macht, ein recht junger und somit auf dem diplomatischen Parkett unerfahrener Monarch. Wilhelm II. veranlasste, dass der alteingesessene (und damit sehr erfahrene) Reichskanzler Otto von Bismarck sein Amt niederlegen musste. Damit war die Ära Bismarck endgültig vorbei und das „persönliche Regiment“ Kaiser Wilhelms II. begann.

Wirtschaftlich gesehen ging es vor allem Ende der 1880er Jahre wieder bergauf und die so- genannte Phase der Hochindustrialisierung begann, unaufhaltsamer Aufschwung war die Folge.

Zudem brachte der außenpolitische „neue Kurs“ Wilhelms II. einige Impulse für die Schwerindustrie mit sich. Der Aufbau einer schlagkräftigen Hochseeflotte brachte Absatz und die stetige Aufrüstung der Reichsarmee trug ihren Teil an diesem Absatz bei. Aber auch neue Industriezweige brachten es in dieser Zeit zu wahrer Blüte, so zum Beispiel die chemische Industrie.

Das diplomatische Ungeschick Wilhelms II. auf dem Parkett der internationalen Großmächte verursachte vielerlei Spannungen, daher wurde die Zeit nach 1890 auch mehrmals von diplomatischen Verstimmungen erschüttert. 1914 entluden sich die angestauten Spannungen der etablierten Großmächte in einem vorerst auf Europa begrenzten gewaltigen militärischen Konflikt, dem Ersten Weltkrieg. Vier Jahre später war das Deutsche Kaiserreich Geschichte und Wilhelm II. ging in den Niederlanden ins Exil, wo er 1941 starb.

[...]


[1] Siehe auch Hansjoachim Henning, Bismarcks Kolonialpolitik – Export einer Krise?, in: K. E. Born (Hg.), Gegenwartsprobleme der Wirtschaft und der Wirtschaftswissenschaft, Tübingen 1978, S. 53-83.

[2] Vgl. Horst Gründer, Geschichte der deutschen Kolonien, Paderborn 2000, S. 10.

[3] Ebd., S. 228 f.

[4] Adolf Hitler ließ im Frühjahr 1943 alle Aktivitäten des Reichskolonialamtes einstellen. Damit wurde der deutschen Kolonialpolitik offiziell ein Ende gesetzt. Vgl. hierzu Gründer, Geschichte der deutschen Kolonien, S. 231.

[5] Vgl. Klaus Hildebrand, Das vergangene Reich – Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler, Stuttgart 1996, S. 18.

[6] Vgl. Bismarck – Die gesammelten Werke, Bd. 13, Berlin 1930, S. 209.

[7] Vgl. Hans-Werner Hahn, Die Industrielle Revolution in Deutschland, München 1998, S. 40.

[8] Vgl. Friedrich-Wilhelm Henning, Die Industrialisierung in Deutschland 1800-1914, Paderborn 1995, S. 211.

[9] Vgl. Bismarck – Werke, Bd. 13, S. 209.

[10] Vgl. Francesca Schinzinger, Die Kolonien und das Deutsche Kaiserreich – die wirtschaftliche Bedeutung der deutschen Besitzungen in Übersee, Stuttgart 1984, S. 130 ff.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Deutsche Kolonialgeschichte in Afrika
Untertitel
Entstehung und Entwicklung unter Einbeziehung wechselseitiger Einflüsse auf Kolonisierende und Kolonisierte
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Geschichte)
Veranstaltung
Proseminar: Das Deutsche Kaiserreich 1871-1918
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V72008
ISBN (eBook)
9783638633826
ISBN (Buch)
9783640631438
Dateigröße
444 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kolonialgeschichte, Afrika, Kaiserreich, 19. Jahrhundert
Arbeit zitieren
René Cremer (Autor:in), 2005, Deutsche Kolonialgeschichte in Afrika, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72008

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Deutsche Kolonialgeschichte in Afrika



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden