In Kindlers Neuem Literatur Lexikon heißt es an einer Stelle über Friedrich Hölderlins 1799 erschienenen Briefroman „Hyperion oder der Eremit in Griechenland“:
„Direkte Vorbilder für seinen Roman nennt Hölderlin nicht; neben J. J. Rousseaus Die neue Heloise (1761-1764) und W. Heinses Ardhingello (1787) übte J. W. Goethes Die Leiden des jungen Werther (1774) einigen Einfluss aus."
Innerhalb dieser Arbeit möchte ich nun untersuchen, ob es stichhaltige Belege dafür gibt, dass Hölderlins Briefroman nicht nur, wie in dem oben erwähnten Zitat nahe gelegt wird, von Johann Wolfgang Goethes „Werther“ inspiriert oder beeinflusst worden ist, sondern dass Hölderlins Roman „Hyperion oder der Eremit in Griechenland“ intertextuell auf den Prätext „Die Leiden des jungen Werther“ verweist. In diesem Sinne beschränkt sich der hier im Mittelpunkt stehende intertextuelle Bezugshorizont ausschließlich auf das Werk „Die Leiden des jungen Werther“, womit jedoch nicht suggeriert werden soll, dass es keine weiteren Prätexte, d. h. keine anderen literarischen Texte gibt, auf die Friedrich Hölderlins Roman verweist.
Bevor ich mich jedoch dieser Aufgabe widme, werde ich im ersten Teil die für dieTextanalyse notwendigen theoretischen Voraussetzungen einführen. Ich werde also zunächst den Begriff der Intertextualität erläutern und anschließend eine auf Peter Stocker basierende Intertextualitätstheorie skizzieren. Im zweiten Teil werde ich beide Texte eingehend miteinander vergleichen. Hierbei werde ich so vorgehen, dass ich nach Gemeinsamkeiten Ausschau halte, die einen intertextuellen Verweis „Hyperions“ auf den Prätext „Werther“ nahe legen. In diesem Sinne werde ich mich zunächst mit der Sprache und der literarischen Form und danach mit dem Inhalt beider Romane beschäftigen. Anschließend werde ich überprüfen, ob es sich bei diesen Gemeinsamkeiten in der Tat um spezifische Intertextualitätsformen handelt, vermittels derer Hölderlins Roman auf den Prätext „Die Leiden des jungen Werther“ verweist. Zum Schluss werde ich, unter der Voraussetzung, dass in der Tat ein solcher intertextueller Verweis vorliegt, überprüfen, ob sich ein plausibles Intertextualitätsmodell für Hölderlins „Hyperion“ erstellen lässt und wenn ja, welche Funktion(en) solch ein intertextueller Verweis haben könnte.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Intertextualität
- Wortgeschichte
- Intertextualitätsbegriff
- Intertextualitätstheorie
- Formen der Intertextualität
- Funktionen der Intertextualität
- Modell der Intertextualität
- Friedrich Hölderlins „Hyperion oder der Eremit in Griechenland“
- Vergleich von Friedrich Hölderlins „Hyperion“ mit Johann Wolfgang Goethes „Die Leiden des jungen Werther“
- Die Form
- Der Inhalt
- Der Naturbegriff
- Intertextualitätsmodell
- Vergleich von Friedrich Hölderlins „Hyperion“ mit Johann Wolfgang Goethes „Die Leiden des jungen Werther“
- Schlussfolgerung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Frage, ob Friedrich Hölderlins Briefroman "Hyperion oder der Eremit in Griechenland" intertextuell auf Johann Wolfgang Goethes "Die Leiden des jungen Werther" verweist. Dabei wird untersucht, ob es stichhaltige Belege für einen intertextuellen Bezug zwischen den beiden Werken gibt.
- Analyse des Intertextualitätsbegriffs und seiner Anwendung auf literarische Texte
- Vergleich der Form, des Inhalts und der Sprache von "Hyperion" und "Werther"
- Identifizierung möglicher intertextueller Verweise in Hölderlins Roman
- Entwicklung eines Modells für die intertextuelle Beziehung zwischen "Hyperion" und "Werther"
- Untersuchung der möglichen Funktionen des intertextuellen Verweises in "Hyperion"
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die bisherige Forschungslage zu "Hyperion" und stellt die Fragestellung der Arbeit vor. Im zweiten Kapitel werden die theoretischen Grundlagen der Intertextualität erläutert. Der dritte Teil widmet sich einem detaillierten Vergleich von "Hyperion" und "Werther", wobei Form, Inhalt und Sprache beider Romane analysiert werden. Es wird untersucht, ob es Gemeinsamkeiten gibt, die auf einen intertextuellen Verweis in "Hyperion" hinweisen. Im vierten Kapitel wird geprüft, ob sich ein plausibles Intertextualitätsmodell für Hölderlins Roman erstellen lässt und welche Funktion(en) ein solcher intertextueller Verweis haben könnte.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Begriffen der Intertextualität, der literarischen Form, des Inhalts und der Sprache. Dabei werden die Werke "Hyperion oder der Eremit in Griechenland" von Friedrich Hölderlin und "Die Leiden des jungen Werther" von Johann Wolfgang Goethe untersucht. Im Fokus stehen die mögliche intertextuelle Beziehung zwischen beiden Werken sowie die Analyse der Funktionen des intertextuellen Verweises.
- Arbeit zitieren
- Katrin Raschke (Autor:in), 2005, Verweist Friedrich Hölderlins "Hyperion oder der Eremit in Griechenland" auf Wolfgang Goethes "Die Leiden des jungen Werther"? , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72023