„ Große Herren sind zwar sterbliche Menschen, wie andere Menschen; Weil sie aber Gott selbst über andere in dieser Zeitlichkeit erhoben, und zu seinen Stadthaltern auf Erden gemacht, also daß sie von der Heil. Schrifft in solchem Verstande gar Götter genennet werden, so haben sie freylich Ursache, sich durch allerhand euserliche Marquen vor anderen Menschen zu distinguieren, um sich dadurch bey ihren Unterthanen in desto grössern Respect und Ansehn zu setzen. Denn die meisten Menschen, vornehmlich aber der Pöbel, sind von solcher Beschaffenheit, daß bey ihnen die sinnliche Empfind und Einbildung mehr, als Witz und Verstand vermögen, und sie daher durch solche Dinge, welche die Sinne kützeln und die Augen fallen, mehr, als durch die bündig und deutlichsten Motiven commoviret werden.“ 1
Hatte Lünig mit seiner 1719 aufgestellten These Recht? Begriff die Bevölkerung die existenten Standesunterschiede wirklich nur durch die visuelle Wahrnehmung eines Zeremoniells? Diente das kaiserliche Hofzeremoniell ebenfalls nur der optischen Reglementierung und der Einhaltung der Rangfolge? Wie sah das Hofzeremoniell konkret aus und welche Rolle spielte der Kaiser darin? Wie ging der französische König Ludwig XIV. mit dem Zeremoniell am französischen Hof um? Dies sind die Fragen, die mich bei diesem Thema beschäftigen. Im Verlauf dieser Arbeit werde ich zunächst einige Aspekte des kaiserlichen Hofzeremoniells zwischen 1711 und 1740 beleuchten und anschließend sowohl die jeweiligen Festkalender, als auch die Menschen Karl VI. und Ludwig XIV. vergleichen. All dies soll den Rezipienten auf den wichtigsten Teil der Arbeit vorbereiten: den Sinn und Zweck eines Hofzeremoniells im Allgemeinen. Abschließend möchte ich in meinem Resumée noch auf das ursprüngliche Seminarthema eingehen und meine Bewertung des Kaisers auf Grund der dargelegten zeremoniellen Sichtweise rechtfertigen. Somit stellen sich mir in dieser Arbeit zwei essentielle Fragen: 1. Was war die Intention des Hofzeremoniells? Und 2. in wie fern kann man Karl VI. auf Grund des Zeremoniells entweder als Friedens- oder als Kriegskaiser kategorisieren?
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1 Lünig, J. C.; Theatrum Ceremoniale Historico-Politicum oder Historisch und Politischer Schauplatz
aller Ceremonien [...]; Bd. 1;Leipzig 1719; S.5.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Das kaiserliche Hofzeremoniell
- 1.1 Die Hofgesellschaft
- 1.2 Der Zugang zum Kaiser
- 1.3 Die Kleiderordnung
- C. Versailles und Wien - Zwei Herrscher, zwei Welten
- 2.1 Die kaiserlichen Solennitäten und Divertissements im Vergleich
- 2.2 Karl VI. als Mensch
- 2.3 Ludwig XIV. als Mensch
- 2.4 Der Sinn und Zweck des Hofzeremoniells
- D. Resumée
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem kaiserlichen Hofzeremoniell unter Karl VI. (1711-1740) und analysiert dessen Bedeutung im Kontext der europäischen Hofkultur. Sie untersucht die Strukturen und Rituale des Hofes, den Einfluss des Zeremoniells auf die Machtverhältnisse und die Rolle des Kaisers in diesem System. Der Vergleich mit dem Hof Ludwigs XIV. in Versailles soll weitere Einblicke in die Funktion und die Entwicklung des Hofzeremoniells im 18. Jahrhundert liefern.
- Das kaiserliche Hofzeremoniell als Spiegelbild der Machtverhältnisse und gesellschaftlichen Strukturen
- Die Rolle des Kaisers im Hofzeremoniell
- Der Vergleich mit dem Hofzeremoniell Ludwigs XIV. in Versailles
- Die Funktion und Bedeutung des Hofzeremoniells im 18. Jahrhundert
- Die Analyse des Hofzeremoniells im Kontext der historischen Entwicklung und des politischen Umfelds
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik des Hofzeremoniells ein und stellt die Forschungsfrage nach der Intention und der Relevanz des Zeremoniells. Kapitel B befasst sich mit dem kaiserlichen Hofzeremoniell und analysiert die Zusammensetzung der Hofgesellschaft, den Zugang zum Kaiser und die Kleiderordnung. In Kapitel C werden die kaiserlichen Festlichkeiten und Divertissements mit denen des französischen Hofes verglichen und die Persönlichkeit von Karl VI. sowie Ludwig XIV. beleuchtet. Abschließend wird in Kapitel D der Sinn und Zweck des Hofzeremoniells allgemein betrachtet.
Schlüsselwörter
Kaiserliches Hofzeremoniell, Karl VI., Ludwig XIV., Hofkultur, Versailles, Wien, Machtverhältnisse, Gesellschaftsordnung, Festlichkeiten, Divertissements, Standesunterschiede, Ehrenämter, Hofgesellschaft, Kleiderordnung, Staatsappartements, Hofkonferenz, Kammerordnung.
- Arbeit zitieren
- Stephanie Guillen Niubo (Autor:in), 2006, Karl VI. - Ein Kaiser und Mensch im Zeremoniell des Wiener Hofes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72040