Evolutionismus in den Kulturwissenschaften


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2003

11 Seiten


Inhaltsangabe oder Einleitung

Rupert Moser, 2003. Ausgangspunkt: Vico. In seinem 1744 in dritter Fassung erschienenen Werk "Die neue Wissenschaft über die gemeinschaftliche Natur der Völker" schreibt Gambattista Vico: "All die vorgenannten Dinge [drei Arten von Rechtsauffassung, drei Arten von Gerichten] hatten ihre Geltung während dreier Typen von Zeiten. Der erste war der Typus der religiösen Zeiten unter der göttlichen Herrschaft; der zweite der der empfindlich-eifersüchtigen Tapferkeit, wie bei Achill, oder in der neuen Barbarei bei
den Zweikämpfen; der dritte der Typus der bürgerlichen oder gesitteten Zeiten, wo das natürliche Recht der Völker galt..." Wir können Vico zweierlei entnehmen: In den Kulturwissenschaften gab es bereits vor Darwin evolutionistische Konzepte - und dies auch ausserhalb der Theologie. In der Geschichtstheologie wurde ja schon vorher von einem die Entwicklung der Menschheit steuernden göttlichen Heilsplan ausgegangen, einem Plan, der uns vom vorchristlichen Zeitalter des Alten Testaments ins christliche des Neuen führte; für Vico sind es die menschlichen Ideen, die uns von einem religiösen Zeitalter über ein heroischbarbarisches ins bürgerlich-gesittete führten.
Die Aussage Vicos über die "gemeinschaftliche Natur der Völker" ist
exemplarisch für das proto-evolutionistische und evolutionistische Denken in den Kulturwissenschaften, das die Verschiedenheit der Kulturen nicht wie bisher auf Unterschiede ihrer Träger, also der Menschen, zurückführt, sondern auf einen unterschiedlichen Entwicklungsstand der Kulturen. Mochte auch Papst Paul III in seiner Bulle vom 2. Juli 1537 gemahnt haben, die neu entdeckten Aussereuropäer seien veri homines, fidei catholicae et sacramentorum capaces, ein wahres Menschentum war den Trägern aussereuropäischer bzw. nichtchristlicher Kulturen abgesprochen worden, und so waren sie denn auch oft wilden Tieren gleichgestellt worden. Verkürzt ausgedrückt: Für Vico und seine Nachfolger sind Barbaren nicht wegen ihrer barbarischen Natur Barbaren, sondern wegen des barbarischen Entwicklungsstandes ihrer Kultur. In ihrem Menschsein sind sie uns gleich. So sind denn die in ihren Ansätzen evolutionistisch ausgerichteten Kulturwissenschaften weiter als die Naturwissenschaften der gleichen Zeit: Karl von Linné unterteilt den Menschen 1766 in der stark veränderten 12. Auflage seines Werkes "Systema naturae sive regna tria naturae" in Europaeus, Asiaticus, Americanus, Afer, Ferus und Monstrosus.

Details

Titel
Evolutionismus in den Kulturwissenschaften
Hochschule
Universität Bern
Veranstaltung
"Evolution" in verschiedenen Wissenschaften
Autor
Jahr
2003
Seiten
11
Katalognummer
V72193
ISBN (eBook)
9783638715287
Dateigröße
460 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Evolutionismus, Kulturwissenschaften, Evolution, Wissenschaften
Arbeit zitieren
Prof. Dr. mult. habil. Rupert Moser (Autor:in), 2003, Evolutionismus in den Kulturwissenschaften, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72193

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