Wenngleich Les Gommes heute als der wohl am leichtesten zugängliche Roman im Œuvre Alain Robbe-Grillets gilt1, dürfte er bei der zeitgenössischen Leserschaft eher Befremden, ja Verstörung hervorgerufen haben. In diesem ersten veröffentlichten Werk des Autors finden sich nämlich bereits etliche Innovationen im Sinne des Nouveau Roman, denen Robbe-Grillet als einer der führenden Nouveaux romanciers in seinem späteren Schaffen noch deutlich mehr Einfluss zumessen sollte. In Robbe-Grillets Sammlung theoretischer Schriften Pour un nouveau roman (1963) wird die Notwendigkeit eines „Nouveau roman“ dadurch begründet, dass der traditionelle Roman, wie ihn etwa Balzac vertreten hatte, dem modernen Weltbild nicht mehr entspräche. Der modernen Weltsicht sei eine chronologisch erzählte, kohärente Erzählung, die einen Charakter zeigt, der etwas ganz Bestimmtes illustriert nicht mehr angemessen. Dieser Konzeption stehen alsdann im Nouveau roman der Verlust des Glaubens an die allgemeine Sinnhaftigkeit, die Aufgabe des Vertrauens in die Allmacht des handelnden Individuums oder die Tatsache, dass der in den Individuen steckende Psychologie keinerlei Bedeutung mehr zugemessen wird gegenüber. Kurzum, mit Les Gommes leitete Robbe-Grillet einen grundlegenden Paradigmenwechsel im Romanverständnis ein, der das Publikum – verständlicherweise – zunächst vor Schwierigkeiten stellen musste.
Gleichwohl rekurriert der Autor aber auch auf ein weitgehend vertrautes Gattungsmuster, nämlich den Detektivroman. Dieser Befund dient nun als Ausgangspunkt für verschiedene Überlegungen: Gibt es Gründe für diese Synthese aus Innovation und Altbekanntem? Welchen Zweck verfolgt der Autor durch diese Komposition? Kann man auch Les Gommes als Detektivroman bezeichnen? – Oder anders gefragt: Welche Gründe sprechen für eine solche Klassifikation? Welche Einwände lassen sich dagegen erheben? Es sind dies die zentralen Fragestellungen, denen diese Arbeit nachgehen will. Der Vergleich, welcher zwischen Les Gommes und dem Detektivroman gezogen werden soll, wird sich dabei auf die „klassischen“ detective storys beziehen. Eine Differenzierung zwischen verschiedenen Genres der Kriminalliteratur, zu der auch der Spionageroman oder der Thriller gezählt werden, ist nicht vorgesehen, da sie den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Theorie des klassischen Detektivromans
- Tsvetan Todorovs Typologie du roman policier
- Inhaltliche Elemente
- Figuren des Detektivromans
- Elemente des Detektivromans in Les Gommes
- Personen und Institutionen
- Wallas als Detektiv
- Opfer und Tat
- Polizei
- Das Bureau d'Enquêtes
- Handlungsstruktur
- Personen und Institutionen
- Deutungsversuche
- Parodie
- Verbindung von Innovation und Tradition
- Zum Zeitaspekt
- Elemente des Detektivromans in La Reprise
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Alain Robbe-Grillets Les Gommes im Hinblick auf seine Einordnung als Detektivroman. Sie analysiert, inwiefern das Werk trotz seiner innovativen Elemente des Nouveau Roman auf Konventionen des klassischen Detektivromans zurückgreift. Die Arbeit beleuchtet die Gründe für diese Synthese aus Tradition und Innovation und hinterfragt die mögliche Klassifizierung von Les Gommes als Detektivroman.
- Die innovativen Aspekte des Nouveau Roman in Les Gommes
- Die Elemente des klassischen Detektivromans in Les Gommes
- Der Vergleich zwischen Les Gommes und der Typologie des Detektivromans nach Todorov
- Die Frage nach der Intention Robbe-Grillets bei der Verwendung des Detektivroman-Musters
- Die mögliche Deutung von Les Gommes als Parodie des Detektivromans
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt die Forschungsfrage nach der Einordnung von Robbe-Grillets Les Gommes als Detektivroman in den Mittelpunkt. Sie betont den scheinbaren Widerspruch zwischen den Innovationen des Nouveau Roman und der Rekurrierung auf das vertraute Genre des Detektivromans. Die Arbeit zielt darauf ab, die Gründe für diese Synthese zu untersuchen und die möglichen Klassifikationen zu diskutieren, wobei der Fokus auf dem klassischen Detektivroman liegt.
Theorie des (klassischen) Detektivromans: Dieses Kapitel befasst sich mit der Theorie des klassischen Detektivromans, insbesondere mit Tsvetan Todorovs Typologie. Todorov unterscheidet zwischen dem roman à énigme und dem roman noir, wobei ersterer durch zwei getrennte Geschichten (Verbrechen und Ermittlung) und letzterer durch die Verschmelzung dieser Geschichten gekennzeichnet ist. Es wird zudem auf den Regelkanon von S.S. van Dine eingegangen, der als Grundlage für die Analyse der Elemente des klassischen Detektivromans dient. Der Unterschied zwischen der "schönen Literatur" und der Populärliteratur im Kontext der Gattungszuordnung wird ebenfalls beleuchtet.
Elemente des Detektivromans in Les Gommes: Dieses Kapitel analysiert die Elemente des Detektivromans in Robbe-Grillets Werk. Es untersucht die Personenkonstellation (Wallas als Detektivfigur, Opfer, Polizei, das Bureau d'Enquêtes), die Handlungsstruktur und deren Übereinstimmung oder Abweichung von den Kriterien des klassischen Detektivromans. Die Analyse konzentriert sich darauf, inwieweit die Struktur und die Charaktere den Konventionen des Genres entsprechen oder sie bewusst unterlaufen und uminterpretieren.
Deutungsversuche: Dieses Kapitel präsentiert verschiedene Interpretationsansätze zu Les Gommes. Es untersucht die Möglichkeit, das Werk als Parodie des Detektivromans zu lesen und beleuchtet die Verbindung von Innovation und Tradition im Roman. Die Analyse des Zeitaspekts im Roman und seine Bedeutung im Kontext der Detektivliteratur wird ebenfalls behandelt. Diese Deutungsversuche liefern verschiedene Perspektiven, um die komplexe Beziehung des Romans zum Genre des Detektivromans zu verstehen.
Schlüsselwörter
Les Gommes, Alain Robbe-Grillet, Nouveau Roman, Detektivroman, Todorov, Typologie du roman policier, Parodie, Innovation, Tradition, Handlungsstruktur, Gattungstheorie.
Häufig gestellte Fragen zu "Les Gommes" von Alain Robbe-Grillet als Detektivroman
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht Alain Robbe-Grillets Roman Les Gommes auf seine Einordnung als Detektivroman. Sie analysiert, inwiefern das Werk trotz seiner innovativen Elemente des Nouveau Roman auf Konventionen des klassischen Detektivromans zurückgreift und untersucht die Gründe für diese Synthese aus Tradition und Innovation.
Welche Aspekte von Les Gommes werden untersucht?
Die Arbeit beleuchtet die innovativen Aspekte des Nouveau Roman in Les Gommes im Vergleich zu den Elementen des klassischen Detektivromans. Sie vergleicht das Werk mit Todorovs Typologie des Detektivromans und hinterfragt die Intention Robbe-Grillets bei der Verwendung des Detektivroman-Musters, einschließlich der möglichen Deutung als Parodie.
Welche theoretischen Grundlagen werden verwendet?
Die Arbeit stützt sich auf die Theorie des klassischen Detektivromans, insbesondere auf Tsvetan Todorovs Typologie (roman à énigme und roman noir). Sie bezieht sich auch auf den Regelkanon von S.S. van Dine und diskutiert den Unterschied zwischen "schöner Literatur" und Populärliteratur im Kontext der Gattungszuordnung.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit umfasst eine Einleitung, ein Kapitel zur Theorie des klassischen Detektivromans, ein Kapitel zur Analyse der Elemente des Detektivromans in Les Gommes (einschließlich Personenkonstellation und Handlungsstruktur), ein Kapitel zu Deutungsversuchen (Parodie, Innovation/Tradition, Zeitaspekt) und eine Zusammenfassung der Kapitel. Schlüsselwörter werden ebenfalls aufgeführt.
Welche Figuren und Handlungselemente in Les Gommes werden im Detail analysiert?
Die Analyse konzentriert sich auf die Personenkonstellation (Wallas als Detektivfigur, Opfer, Polizei, das Bureau d'Enquêtes) und die Handlungsstruktur in Les Gommes. Es wird untersucht, inwieweit diese Elemente den Konventionen des klassischen Detektivromans entsprechen oder diese bewusst unterlaufen und uminterpretieren.
Welche Deutungsansätze werden für Les Gommes präsentiert?
Die Arbeit präsentiert verschiedene Interpretationsansätze, einschließlich der Betrachtung des Romans als Parodie des Detektivromans. Sie beleuchtet die Verbindung von Innovation und Tradition und analysiert den Zeitaspekt im Roman und dessen Bedeutung im Kontext der Detektivliteratur.
Welche Schlussfolgerung zieht die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, die Gründe für die Synthese aus traditionellen und innovativen Elementen in Les Gommes zu untersuchen und die möglichen Klassifikationen des Romans zu diskutieren, wobei der Fokus auf dem klassischen Detektivroman liegt. Die Schlussfolgerung ergibt sich aus der umfassenden Analyse der verschiedenen Aspekte des Romans im Kontext der Detektivliteratur.
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- Christian Werner (Author), 2007, Alain Robbe-Grillets "Les gommes" - ein Detektivroman?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72261