Ziel dieser Arbeit ist die Ergründung der Frage, was neu an der „neuen“ Eugenik ist. Im Mittelpunkt stehen zwei Verfahren der neuen Reproduktionstechnologien: die Pränataldiagnostik (PND) und die Präimplantationsdiagnostik (PID). Untersucht wird dabei, ob die angewandten Methoden der Medizin als eugenisch bestimmbar sind.
Die PND beinhaltet alle Vorgänge der vorgeburtlichen Untersuchungen, die der Erkennung von Krankheiten und Behinderungen des Fötus im Mutterleib dienen. Welche Erwartungen die InanspruchnehmerInnen pränataldiagnostischer Maßnahmen verfolgen, wird u. a. durch die kritische Beleuchtung eines Schwangerschaftsratgebers dokumentiert, der die Untersuchungen offensichtlich als Beruhigungsmaßnahme deklariert. Dies entspricht dem Ansinnen vieler NutzerInnen und ist im Kontext der Untersuchungen jedoch nicht leistbar.
Differenzierter Betrachtung bedarf desgleichen die PID. Ein rigoros verallgemeinertes „Ja“ oder „Nein“ ist unerreichbar. Zur Verdeutlichung dieser Komplexität wird das Konzept einer liberalen Eugenik vorgestellt. Diese Konzeption bezeugt, dass es bei den gegenwärtigen Debatten nicht mehr um einen unmoralischen eugenischen Charakter der angebotenen Methoden geht, sondern darum, wie die Leistungen gerecht einsetzbar sind. Da die PID mit einer Auswahl von „guten“ und „schlechten“ Embryonen verbunden ist, ist ein eugenischer Charakter ist für sie de facto verpflichtend.
Deutlich wird, dass den Methoden der PND und der PID eine innere eugenische Logik unterliegt, auf deren Gefahren stets verwiesen und über deren sich ständig erweiternden Aussichten immer wieder neu verhandelt werden sollte. Die Vermutung einer Doppelmoral, da Leben im Mutterleib vernichtet werden kann, die Auswahl in der Petrischale in Deutschland jedoch derzeit noch unzulässig ist, müssen geltend gemacht werden. Argumentationsführend wird eine Einschätzung zum Konformitätsdruck zu einer Inanspruchnahme vorgeburtlicher Untersuchungen absolviert. Daraus wird ein Bogen gespannt, der kennzeichnet, dass zwar die Zugangsvoraussetzungen im Gegensatz zur „alten“ Eugenik verändert sind (Freiwilligkeit/Selbstbestimmung im Gegensatz zu Zwang), deren Wahrheitswert durch die erbrachten Ausführungen jedoch fraglich wird. Anhand der Erläuterungen wird ersichtlich, dass die „neue“ Eugenik im Vergleich zur „alten“ andere, verlagerte Gefahren birgt, die stets der Diskussion bedürfen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Kapitel I – Historischer Teil – Die „alte“ Eugenik und die „neue“ Eugenik
- Was ist Eugenik?
- Einleitung
- Galtons eugenisches Konzept
- Darwins Evolutionstheorie und der Sozialdarwinismus
- Die These von der Degeneration der Menschheit
- Die Anfänge einer eugenischen Bewegung
- Die Rassenhygiene in Deutschland und die eugenischen Verbrechen im Dritten Reich
- Die Sterilisierung Minderwertiger
- Die Massenmorde im Namen der Euthanasie
- Zusammenfassung
- Von der „alten“ Eugenik zur „neuen“ Eugenik
- Einleitung
- Entwicklung von der Eugenik zur Humangenetik
- Das eugenische Gedankengut nach 1945
- Das CIBA-Symposium als Beispiel unveränderten Gedankenguts nach 1945
- Höhepunkte der humangenetischen Wissenschaft
- Das Konzept einer liberalen Eugenik – „Genetics & Justice“ von Buchanan et al.
- Einleitung in das Konzept
- Leitgedanken
- Wer entscheidet, was perfekt ist?
- Genetische Beratung
- Was ist „wrongful life“ oder „wrongful disability“?
- Was bedeutet Selbstbestimmung im Kontext reproduktiver Freiheit?
- Zusammenfassung
- Kapitel II – Vorstellung zweier Verfahren der neuen Reproduktionstechnologien – die Pränataldiagnostik (PND) und die Präimplantationsdiagnostik (PID)
- Pränatale Diagnostik – eugenische Methoden im HUMANgenetischen Gewand?
- Einleitung
- Geschichte der Pränatalen Diagnostik
- Leitgedanken der Pränatalen Diagnostik und ihre historischen Vorläufer
- Der Tenor der „neuen“ Eugenik
- Die deutschen Humangenetiker Wendt und Vogel
- Das Postulat der Selbstbestimmung
- Ziele und Möglichkeiten der Pränataldiagnostik
- Der Triple-Test
- Die Amniozentese
- Die Chorionzottenbiopsie
- Diskurs zu einigen Schwangerschaftsratgeber-Dokumenten
- Zielstellungen für die Pränatale Diagnostik nach den Richtlinien der Bundesärztekammer
- Erkennung von Störungen der embryonalen und fetalen Entwicklung
- Durch Früherkennung von Fehlentwicklungen eine optimale Behandlung der Schwangeren und des (ungeborenen) Kindes zu ermöglichen
- Befürchtungen der Schwangeren objektivieren (abbauen)
- Schwangeren Hilfe bei der Entscheidung über die Fortsetzung oder den Abbruch der Schwangerschaft zu geben
- Zum Problem statistischer Wahrscheinlichkeiten über komplexes menschliches Leben
- Einleitende Gedanken zur Wahrscheinlichkeit
- Statistische Wahrscheinlichkeiten innerhalb der Pränatalen Diagnostik
- Die genetische Beratung
- Wissenschaftliche Errungenschaften und die Ausweitung der Pränatalen Diagnostik
- Der Paragraph 218a
- Das Kind als Schaden
- Fazit
- Präimplantationsdiagnostik – Vorgelagerte Pränataldiagnostik oder optimierte Variante der medizinischen Schwangerschaftsvorsorge?
- Einleitende Gedanken zur Präimplantationsdiagnostik
- Das Verfahren der Präimplantationsdiagnostik
- Die Rechtslage in Deutschland
- Der moralische Status des Embryos
- Des Kindes Rechte
- Fazit
- Die historische Entwicklung der Eugenik
- Die pränataldiagnostischen Methoden und ihre ethische Dimension
- Die Präimplantationsdiagnostik und die ethischen Herausforderungen
- Das Konzept der „neuen“ Eugenik und ihre Auswirkung auf die Gesellschaft
- Die Frage nach der Selbstbestimmung im Kontext der reproduktiven Medizin
- Kapitel I: Die Arbeit beginnt mit einer historischen Analyse der Eugenik. Sie beschreibt die Anfänge der eugenischen Bewegung, das eugenische Konzept von Francis Galton und die Rolle von Darwins Evolutionstheorie im Sozialdarwinismus. Im Mittelpunkt steht die Darstellung der eugenischen Verbrechen im Dritten Reich, die zur Diskreditierung der Eugenik führten. Der Fokus liegt dann auf der Entwicklung der Humangenetik und dem Übergang von einer „alten“ zu einer „neuen“ Eugenik. Das Konzept einer liberalen Eugenik von Buchanan et al. wird vorgestellt, die die neuen Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin diskutieren.
- Kapitel II: Die beiden Verfahren der Pränataldiagnostik (PND) und der Präimplantationsdiagnostik (PID) werden vorgestellt. Die PND wird im Detail betrachtet, inklusive der Geschichte, der Methoden und der ethischen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Die PID wird als potentielle Alternative zur PND dargestellt, wobei die ethischen und rechtlichen Herausforderungen diskutiert werden.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit untersucht die „neue“ Eugenik anhand der Pränataldiagnostik (PND) und der Präimplantationsdiagnostik (PID). Der Fokus liegt darauf, ob die Methoden dieser Verfahren als eugenisch zu betrachten sind. Dabei wird die historische Entwicklung der Eugenik beleuchtet, um den aktuellen Diskurs zu kontextualisieren.
Zusammenfassung der Kapitel
Schlüsselwörter
Eugenik, Rassenhygiene, Pränataldiagnostik (PND), Präimplantationsdiagnostik (PID), Humangenetik, Selbstbestimmung, Reproduktive Freiheit, "Wrongful life", "Wrongful disability", Kosten-Nutzen-Analyse, gesellschaftlicher Konformitätsdruck.
- Arbeit zitieren
- Diplom-Pädagogin Katrin Lange (Autor:in), 2005, Die Eugenik bei der Pränataldiagnostik und der Präimplantationsdiagnostik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72284