Demokrit und Epikur - Materialismus und Lustprinzip als Grundlage für Ethik


Seminararbeit, 2006

27 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Demokrit
2.1. Biographie
2.2. Atomismus und Materialismus
2.3. Der Ethik-Begriff

3. Epikur
3.1. Biographie
3.2. Grundlagen epikureischer Lehre
3.3. Ethik und das Prinzip der Lust

4. Lustprinzip und Materialismus

5. Wende zum Hedonismus

6. Persönlicher Nachtrag

7. Literaturverzeichnis

1. Einführung

Epikur und der Hedonismus. Ein Thema, das mich schon vor einiger Zeit im Rahmen des Latein-Leistungskurses angesprochen und neugierig gemacht hat. Deshalb entschied ich mich am Anfang des Semesters, diese Thematik intensiver zu betrachten. Was sind die Quellen und Grundlagen für Epikurs Lehre? Wie ist es möglich, auf dem „Lustprinzip“ eine Ethik aufzubauen und wie würde so eine Ethik aussehen? Weshalb wurde ihm in späteren Jahren der Vorwurf des reinen Hedonismus gemacht und wie entwickelte sich seine ursprüngliche Lehre im Laufe der Jahrhunderte? Epikur starb um 370 v. Chr. und hinterließ etliche Schriften, die aber nur in Fragmenten überliefert sind. So fällt es schwer festzustellen, ob das, was heute als Epikurs Lehre angesehen wird, wirklich die epikureische Lehre ist, oder ob nicht an manchen Stellen wichtige Elemente fehlen. Als ich mich dann mit Epikur beschäftigte, stieß ich bald auf Demokrit, der gewissermaßen Epikur die Basis für seine Lehre und Weltanschauung lieferte. So lag es für mich sehr nahe, einen Vergleich zu ziehen zwischen Demokrit und Epikur, zu prüfen, ob es möglich ist auf dem Streben nach „Wohlgemutheit“[1] bei Demokrit und nach Schmerzfreiheit bei Epikur eine Ethik zu errichten.

2. Demokrit

Demokrit ist bekannt als der „lachende Philosoph“ und Schüler des Leukippos. Seine zahlreichen Werken wurden „von Thrasyllos (unter Kaiser Tiberius) nach dem Vorgange eines älteren Gelehrten in Tetralogien geordnet und dem Inhalt nach in fünf Gruppen gesondert: physikalische (das Wort im antiken Sinn), ethische, mathematische Schriften, dazu Schriften allgemein wissenschaftlichen und solche rein fachwissenschaftlichen Inhalts“[2]. Mit Kritik überhäuft Aristoteles in seinem Werk „Physik“ Demokrit, wenn er sagt: „die Zeit sei unentstanden, und hierdurch beweist Demokrit die Unmöglichkeit, dass alles auf der Welt entstanden sei.“[3] Schließlich postuliert Demokrit „in Wirklichkeit gibt es nur die Atome und das Leere“[4], und thematisiert auch gleich den Kern der demokritischen Lehre, den Atomismus und Materialismus. Dabei entwickelte Demokrit die Lehre seines Lehrers und Mentors Leukipp weiter und versuchte sie so zu modifizieren, dass Kritik anderer Philosophen abprallen sollte.

2.1 Biographie

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Demokrit, Idealportrait, Antoine Coypel, 1692, Louvre, Paris/Frankreich

Über Demokrits Leben ist wenig überliefert, das meiste gehört wohl in den Bereich der Legenden. Apollodor datiert seine Geburt um 460, Thrasyllos um 470 v. Chr., wobei Apollodors Ansatz näher an der Wahrheit zu sein scheint. Als sicher gilt sein Geburtsort Abdera, eine ionische Kolonie in Thrakien am Handelsweg nach Persien und Heimat von Leukipp. Den Reichtum seiner Eltern nutzte er, um in langen Reisen viele gelehrte Männer zu besuchen. So wird überliefert, dass er Ägypten, Persien, Babylon und Indien bereiste. Dadurch konnte er sich ein Wissen aneignen - von der Kriegskunst bis zur Philosophie - das dem Wissen des Aristoteles nur ein wenig nachstand. Die Legende berichtet, dass er, zurück in seiner Heimat, vor Gericht gestellt wurde, da die Verschleuderung geerbten Vermögens strafbar war. Allerdings sagte er nichts zu seiner Verteidigung, sondern las nur aus seinen Werken vor. Allein dadurch konnte er die Richter überzeugen, dass er sein Erbe wohl angelegt hätte.

2.2 Atomismus und Materialismus

Demokrit vertritt in seiner Lehre einen reinen Atomismus, das heißt er stellt eine Theorie zur Erklärung des Kosmos auf, nach der das Universum aus Atomen, kleinsten Teilen, zusammengesetzt ist. Diese Atome, so nimmt er an, sind ewig, unteilbar und unveränderlich; sie sind fest und massiv, aber dennoch unterschiedlich in der Form. Demnach gibt es unendlich viele Atome von denen keines dem anderen gleicht. Über die Erklärung für die Entstehung der Atome überliefert Aristoteles folgendes: „Demokrit dagegen lehrt, von den Erstformen [Anm.: = Atome] könne nicht die eine aus der anderen entstehen; gleichwohl ist auch für ihn der gemeinsame (All-) Körper der Uranfang von allem, er unterscheidet sich in seinen Bestandteilen nach Größe und äußerer Form.“[5] Nach dem Entstehen der Atome aus der Urform erkennt Demokrit in der Welt die „Prinzipien [des] Volle[n] und [des] Leere[n]; das eine nannte er das Seiende, das andere das Nichtseiende.“[6] Aus den Atomen bauen sich alle anderen Formen auf, sowie die durch unsere Sinne wahrnehmbaren Eigenschaften der Dinge. Dabei ist zu beachten, dass nur die Menschen diese Eigenschaften wahrnehmen, denn in Wirklichkeit ist „kein Ding weiß oder schwarz oder gelb oder rot oder bitter oder süß“[7]. In Wirklichkeit ist etwas entweder „Nichts“ oder „Ichts“, entweder ist es Leere im Raum oder das Körperliche. Von ihrer Natur aus, so sagt Demokrit, seien die Atome unbewegt. Erst durch einen „Schlag“, der aus dem gegenseitigen Stoßen im unendlichen Leeren ausgelöst wird, erfahren sie ihre einzige Art von Bewegung. Diese Bewegung der Atome „erfolge von keinem Anfang aus, sondern von Ewigkeit her.“[8] Durch diese Bewegung ist es den Atomen möglich bei Zusammenstößen Verbindung einzugehen und größere Atomkörper zu formen.

So bilden diese Atomverbindungen Wasser, Feuer, Pflanzen und Menschen. Sogar Sinneseindrücke, Empfindungen und die Seele führt Demokrit auf das atomistische Prinzip zurück. Die Seele an sich hält er „für eine feurige Vereinigung aus den nur durch das Denken erfassbaren <Körpern>, die eine kugelförmige Gestalt, aber feurige Substanz hätten.“[9] Aus dem Einatmen resultiert für die Seele eine gewisse Folge: „Sie (Anm.: die Atmung) verhindere, dass die Seele <aus dem Leibe> herausgedrängt werde.“[10] Demnach rührt das Leben von Ein- und Ausatmen her, denn wenn ein Mensch nicht mehr atmet, so können „solche Atome[11] aus dem Körper infolge der Herausdrängung durch die umgebende Luft.“[12] Hat sich die Seele erst einmal aus dem Körper gelöst, so gelangt sie nicht in eine andere Welt oder zu einem göttlichen Wesen, sondern löst sich wieder in ihre Seelenatome auf, um sich mit anderen Seelenatomen zu einer neuen Seele zu verbinden. Genauso verhält es sich mit dem menschlichen Körper: Mit dem Ende des Lebens und Eintritt des Todes löst auch er sich in seine Atome auf und gelangt so in den Prozess der Atomverbindungen zurück.

Die Götter, so Demokrit, sind „mit dem übrigen Feuer der Höhe[13] [14] entstanden und als die Menschen die Urheber von „Sommer und Winter, Frühling und Herbst und alles Derartige (…) von oben, vom Himmel her“[15] erkannt hatten, hätten sie „sie als Götter verehrt“[16]. Dabei wussten die Menschen, die dies erkannten, nicht, ob es sich bei all diesen Erscheinungen um Personen oder reine Mächte handelt. In ihrem Inneren aber wurde „die Vorstellung von übernatürlichen Mächten“[17] erweckt, die sie Götter nannten. Von den Göttern wird und wurde den Menschen alles Gute und Schöne gegeben. „Nur alles, was böse, schändlich und unnütz ist, das gaben weder einst noch jetzt die Götter den Menschen, sondern diese selber geraten infolge ihrer Blindheit und Torheit hinein.“[18]

Die Wahrnehmung beschreibt Demokrit in seiner Erkenntnistheorie, die sich in allgemeine Erkenntnis und Sinneserkenntnis aufteilen lässt. So ist Wahrnehmung mit den Sinnen nur durch Berührung möglich und damit ist „jede (…) Wahrnehmung eine Art Berührung.“[19] Das Sehen wird uns durch das Element Wasser ermöglicht, da darin Spiegelbilder erscheinen. So auch im Auge. Zwischen dem gesehenen Objekt und der Pupille entsteht durch ein Zusammenziehen der Luft ein Eindruck. Dieser Eindruck in der kontrahierten Luft, die als Materie gesehen von Natur aus fest ist, spiegelt sich auf dem Auge, das von flüssiger Natur ist. Da sich sowohl der gespiegelte Eindruck auf dem Auge und das Auge selber im Flüssigen befinden, kann der Eindruck auf die Weise hindurch gelangen. Denn die von Natur aus feuchten Augen lassen nur Flüssiges hindurch, Festes dagegen nehmen sie nicht auf. Demnach sehen Menschen mit trockenen Augen schlechter als Menschen mit feuchten Augen. Was wir dabei sehen sind Atomgebilde, die gemäß der objektiven Wirklichkeit keine Farbe haben. „Denn der Eindruck einer Farbe [entsteht] (…) infolge der Lage <der Atome>.“[20] Wenn also keine Farbe existiert, dann gibt es nur die Möglichkeit von Ichts und Nichts. Den Eindruck, welchen wir durch Anordnung und Lage der Atome als farbig bekommen, weist „vier verschiedene [Farben auf]: Weiß, Schwarz, Rot und Gelb.“[21] Des Weiteren ist nach Demokrit „die weiße Farbe glatt, die schwarze rau“[22]. Damit ist gemeint, dass Weiß durch glatte, Schwarz durch raue Atome hervorgerufen wird. Ähnlich wie die Farben erklärt Demokrit die verschiedenen Geschmacksrichtungen und die übrigen sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften der Dinge, in dem er ihnen bestimmte atomare Formen zuweist: er „lässt den süßen [Geschmack] durch runde und mittelgroße <Atome> verursacht werden; den zusammenziehenden durch große, raue, vieleckige, nicht runde Atome; den scharfen entsprechend seinem Namen aus scharfkantigen, eckigen, gekrümmten, feinen, nicht runden Atomen; den ätzenden aus runde, feinen und eckigen und gekrümmten Atomen; den salzigen aus eckigen, mittelgroßen, schiefen und gleichschenkligen Atomen; den bitteren aus runden und glatten, die Schiefe und Größe hätten; den fetten Geschmack aus runden, feinen und kleinen <Atomen>.“[23] Demokrit spricht also den Sinnesempfindungen die Existenz ab. „Beweis dafür, dass <solchen Sinnesempfindungen> keine objektive Wahrheit entspreche, sei die Tatsache, dass nicht alle Lebewesen dieselben Sinneseindrücke hätten, sondern was uns süß schmeckt, das schmecke anderen bitter und anderen scharf und anderen ätzend, anderen zusammenziehend.“[24] Er ist der Auffassung, mit den Sinnen könne nicht die Wahrheit erfasst werden. Nur der Verstand allein ist fähig „zu erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält.“[25] Demokrit unterteilt klar die Formen von Erkenntnis: „Es gibt zwei Formen von Erkenntnis, die echte und die dunkle. Zur dunklen gehören alle folgenden: Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack und Gefühl. Die echte aber ist von dieser völlig verschieden. (…) Wenn der Gegenstand zu klein ist, als dass ihn die dunkle Erkenntnis noch sehen oder hören oder riechen oder schmecken oder durch den Tastsinn wahrnehmen könnte, so dass eine in das Feinere gehende <Untersuchung nötig ist, dann tritt die echte hinzu, da sie ja ein feineres Vermögen zur Erkenntnis der Wahrheit besitzt: nämlich zu denken>.“[26] Dieses Leugnen einer objektiven Wahrheit der Sinnesempfindungen brachte ihm schon bei Cicero im zweiten Buch der „Academica priora“ den Vorwurf des Skeptikers ein[27], der aber nicht zu halten ist, da Demokrit ja ausdrücklich zur Erkenntnis der Wahrheit auf die echte Methode der Erkenntnis verweist!

[...]


[1] Capelle, Wilhelm: Die Vorsokratiker. Die Fragmente und Quellenberichte. Stuttgart: Alfred Körner Verlag 1938, S. 442, 129

[2] Ebd. S. 392

[3] Aristoteles, Physik VIII 1251b 16

[4] Capelle, Wilhelm: Die Vorsokratiker. Die Fragmente und Quellenberichte. Stuttgart: Alfred Körner Verlag 1938, S. 438. 119

[5] Aristoteles, Physik III 4. 203 a 38

[6] Vgl. Capelle, Wilhelm: Die Vorsokratiker. Die Fragmente und Quellenberichte. Stuttgart: Alfred Körner Verlag 1938, S. 398, 4

[7] Ebd. S. 399, 7

[8] Ebd. S. 405, 25

[9] Ebd. S. 423, 74

[10] Ebd. S. 424, 78

[11] Gemeint sind hier die Seelenatome.

[12] Ebd. S. 425

[13] Mit „Höhe“ sind hier die obersten Regionen der Welt gemeint.

[14] Ebd. S. 418, 60

[15] Ebd. S. 420, 64

[16] Ebd. S.420, 64

[17] Ebd. S.420, 65

[18] Ebd. S. 422, 71

[19] Ebd. S. 430, 95

[20] Ebd. S. 432, 99

[21] Ebd. S. 432, 101

[22] Ebd. S. 432, 102

[23] Ebd. S. 434, 106

[24] Ebd. S. 433-434, 105

[25] Goethe, Johann Wolfgang: Faust. Der Tragödie erster Teil. Stuttgart: Phillip Reclam Junior ²2002, Z. 382 - 83

[26] Capelle, Wilhelm: Die Vorsokratiker. Die Fragmente und Quellenberichte. Stuttgart: Alfred Körner Verlag 1938, S. 438, 118

[27] Vgl. Cicero, Academica priora II, 73

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Demokrit und Epikur - Materialismus und Lustprinzip als Grundlage für Ethik
Hochschule
Universität Augsburg  (Katholisch-Theologische Fakultät)
Veranstaltung
Seminar Philosophie Ethik
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
27
Katalognummer
V72405
ISBN (eBook)
9783638732901
ISBN (Buch)
9783638740340
Dateigröße
593 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Demokrit, Epikur, Materialismus, Lustprinzip, Grundlage, Ethik, Seminar, Philosophie, Ethik
Arbeit zitieren
Florian Schmutz (Autor:in), 2006, Demokrit und Epikur - Materialismus und Lustprinzip als Grundlage für Ethik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72405

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